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GLEICHHEIT/3571: Dutzende Demonstranten von jemenitischen Einsatzkräften niedergemetzelt


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Dutzende Demonstranten von jemenitischen Einsatzkräften niedergemetzelt

Von Tom Eley
22. März 2011


In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa wurden mindestens 46 Arbeiter getötet und zahlreiche verletzt, als Sicherheitskräfte das Feuer auf einen Demonstrationszug Zehntausender eröffneten, die das Ende des diktatorischen Regimes Präsident Ali Abdullah Salehs forderten.

Dieses Ereignis zeigt die bestürzende Heuchelei der USA und ihrer imperialistischen Verbündeten, die jetzt im Namen des Schutzes der Bevölkerung vor der Regierung Gaddafis mit der Bombardierung Libyens beginnen. Weil die geographische Nähe des Jemen zu den saudi-arabischen Ölfeldern und zu den Seewegsverbindungen zwischen dem Roten Meer und dem Indischen Ozean Risiken birgt, verfolgen die USA parallel zum Angriff auf Libyen im Jemen die Taktik, ihren Lakaien Saleh zur Ausmerzung jedes Widerstands der Arbeiterklasse zu ermutigen.

Kurz nach dem Massaker gab Präsident Obama eine Erklärung heraus, in der er "alle Beteiligten" dazu aufrief, "einen friedlichen, geordneten und demokratischen Weg zu einer stärkeren und prosperierenden Nation" zu verfolgen. In dieser Aussage ist ein Freibrief für Massenliquidierungen enthalten.

Das Massaker vom vergangenen Freitag markierte den blutigsten Tag seit Beginn des Aufstands von Arbeitern, Stammesmitgliedern und Jugendlichen vor einem Monat. Ein Trauermarsch wegen des Todes von sieben Menschen, die das Regime bei Protesten in der letzten Woche ermordet hatte, erstreckte sich über eine Meile entlang einer Straße nahe der Universität von Sanaa.

Vor dem Ort des Protests postierte Sicherheitskräfte eröffneten das Feuer auf die unbewaffneten Demonstranten, als diese sich nach den Morgengebeten erhoben. Gleichzeitig begannen von den Dächern der nahe liegenden Gebäude aus Polizisten in Uniform auf die Demonstration zu schießen.

"Sobald wir uns von unserem Gebet erhoben hatten, begannen sie, uns von den Dächern vieler Gebäude in der Nähe herab zu beschießen", so gab ein Reporter aus dem Westen den Bericht von Essam al-Maqtary wieder, der ins Bein geschossen worden war. "Die baltageya (Schlägerbanden) setzten Reifen in Brand, sodass man nicht feststellen konnte, wo sie sich befanden und sie nicht auf Video aufgenommen werden konnten."

Hunderte verwundete und sterbende Demonstranten wurden zu einer nahen Moschee gebracht. Bei den Toten und Verletzten waren vielfach Verletzungen durch Schüsse in den Kopf, ins Genick und die Brust festzustellen. Salehs Einsatzkräfte schossen um zu töten.

"Sie schossen den fliehenden Menschen in den Hinterkopf", so Mohammed al-Jamil, ein indischer Arzt, der die Verwundeten versorgte, zum Guardian. "Wer das machte, war auf den Tod dieser Menschen aus."

Nach dem Massaker verhängte Saleh den Notstand und eine landesweite Ausgangssperre.

Das Massaker, das die Entschlossenheit der jemenitischen Arbeiter und Jugendlichen zerstören sollte, verfehlte jedoch seinen Zweck, d.h. die Auflösung der Demonstration, die stattdessen immer mehr anschwoll und in Richtung Stadtmitte drängte. Später an dem Tag gingen die Demonstranten zur Jagd auf die bewaffneten Einsatzkräfte über. Umstehende warfen den Demonstranten Zwiebeln gegen das Tränengas zu.

"Obwohl viele aus der Menge bei Beginn des Beschusses wegrannten, um sich in Sicherheit zu bringen, blieb eine große Menschenmenge aus Stammesangehörigen anscheinend aus Außenbezirken der Hauptstadt standhaft auf ihrem Platz," berichtete die New York Times-Korrespondentin Laura Kasinoff aus Sanaa. "Ein Mann ging durch die Menge und rief durch ein Megaphon: "Bleibt ruhig, bleibt ruhig, fürchtet die Kugeln nicht!"

"Im Moment rechne ich mit noch mehr, denn die Freiheit erfordert Opfer", sagte der arbeitslose Stammesangehörige Abdul-Ghani Soliman, der nicht aus Sanaa stammte. "Das wird weitergehen und noch ärger werden."

Demonstranten durchkämmten die Gebäude, in denen sich bewaffnete Kräfte versteckten, einige wurden festgenommen und erhielten Schläge. In mindestens einem Fall wurde ein Mann festgehalten, der eine militärische Identifizierungsmarke bei sich trug.

Nach den Freitagsgebeten fanden weitere Demonstrationen in den Städten Aden, Amran, Hodeidah, Ibb und Taiz statt.

Ein westlicher Journalist in Sanaa, Eric Stier vom Christian Science Monitor, berichtet vom Anwachsen der Demonstrationen und von der relativen Zunahme der Beteiligung der Arbeiterklasse im Vergleich zu den Studenten. Eine ähnliche Entwicklung war in Ägypten in den Tagen vor dem Zusammenbruch des Mubarak-Regimes zu beobachten. Dagegen scheint die "Opposition" in Libyen auf eine relativ kleine Anzahl von Angehörigen der Stammeseliten und ehemalige Gefolgsleute Gaddafis beschränkt zu sein.

"Da die Gewalt in den vergangenen Wochen immer wieder eskalierte, hat sich als Reaktion darauf auch die Beteiligung am Widerstand verbreitert", stellt Stier fest. "Tausende Stammesangehörige aus den nördlichen und östlichen Bergregionen Jemens fordern vereint den Sturz des Saleh-Regimes. Anscheinend machen sie derzeit mindestens die Hälfte der protestierenden Demonstranten aus."

Mindesten 90 Demonstranten wurden bei Salehs Versuch, sich an der Macht zu halten, bisher getötet. Ihre wirkliche Zahl ist jedoch wahrscheinlich noch viel größer. Zusätzlich gab es Tausende Verletzte und Verhaftete.

Das jemenitische Massaker folgte auf einen ähnlichen Überfall auf Demonstranten in Bahrain nur zwei Tage zuvor, bei dem mindestens sieben Menschen getötet wurden. Bei umfassenderer Betrachtung lassen die zwei Vorfälle darauf schließen, dass Saudi Arabien die Fäden zieht. Von dort aus wurden am Dienstag auch schwer bewaffnete Militärstreitkräfte nach Bahrain entsandt.

Solche Manöver wären nicht ohne das Wissen der USA möglich, deren Geheimdienste und Militärmaschinerie mit den drei Regimes eng verquickt sind. Während die Aufmerksamkeit der ganzen Welt derzeit von der Katastrophe in Japan und den drohenden Militäraktionen gegen Libyen abgelenkt wird, kann nur eine Schlussfolgerung gezogen werden: die Regierung Obama hat grünes Licht für die Massaker auf der arabischen Halbinsel gegeben.

Die ausgesprochene Brutalität der Attacken Salehs auf friedliche Demonstranten steht der Niederschlagung der libyschen Proteste durch das Gaddafi-Regime in Nichts nach. Bis jetzt gab es noch keine Forderungen imperialistischer Mächte oder der Arabischen Liga nach Strafaktionen gegen Saleh, der seit 32 Jahren über das ärmste Land der arabischen Welt herrscht.

In seiner Erklärung vom Freitag stellte Obama halbherzig die Forderung an Saleh, "wie versprochen friedliche Demonstrationen zu erlauben." In einer Stellungnahme von Außenministerin Clinton klang die Verurteilung des mörderischen Angriffs des Saleh-Regimes sehr gedämpft. "Hinsichtlich des Jemen bleibt unsere Botschaft die gleiche", sagte sie. "Die Gewalt ist zu beenden, es muss auf Verhandlungen für eine politische Lösung gesetzt werden."

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon gab eine Erklärung ab, wonach er "tief besorgt" über die Gewaltanwendung sei und er forderte, dass "sich alle Beteiligten provokativer Aktionen, die zu weiterer Gewalt führen könnten, enthalten", womit er implizit die Schuld zur Hälfte auf die Demonstranten schob.

Die Arabische Liga entpuppt sich als Werkzeug des Imperialismus. Im Falle Libyens lieferte sie mit ihrer Forderung nach einer Flugverbotszone eine Steilvorlage, die den USA, Frankreich und Großbritannien die Formulierung ihrer Vorwände zur Bombardierung des nordafrikanischen Landes erleichterte.

Demgegenüber erhob die Arabische Liga hinsichtlich des Jemens und Bahrains keine solche Forderung nach einer ausländischen Intervention.

"Die Ereignisse im Jemen sind hochgradig Besorgnis erregend und Grund zu weitreichenden Befürchtungen", meinte Hissam Youssef der Stabschef des Generalsekretärs der Arabischen Liga gegenüber Al Dschasira. "Wir haben einen Dialog erbeten, wir haben darum gebeten, positiv auf die Forderungen und Sorgen der Bevölkerung zu reagieren und in diesem Sinne setzen wir unsere Konsultationen fort." Eine interessante Bemerkung, geeignet selbst einer Forderung nach Mäßigung die Spitze zu brechen.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 22.03.2011
Dutzende Demonstranten von jemenitischen Einsatzkräften niedergemetzelt
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2011