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GLEICHHEIT/3588: Londoner Konferenz plant imperialistische Aufteilung Libyens


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Londoner Konferenz plant imperialistische Aufteilung Libyens

Von Barry Grey
1. April 2011


Die Libyen-Konferenz im Londoner Lancaster House vom Dienstag war abstoßend und von zynischer Heuchelei geprägt. Im Namen der Befreiung des libyschen Volkes versammelten die Vereinigten Staaten und Großbritannien Außenminister aus vierzig Ländern und Leiter internationaler Organisationen wie der UNO, der Nato und der Arabischen Liga, um die Ausweitung des Luftkriegs gegen die ehemalige Kolonie abzusegnen und die Bildung eines Marionettenregimes in die Wege zu leiten.

Immer noch fallen amerikanische, britische und französische Bomben und Raketen auf libysche Regierungstruppen und die zivile Bevölkerung in Tripolis und Sirte. US-Außenministerin Hillary Clinton und der britische Premierminister David Cameron erklärten, die militärischen Einsätze würden vorläufig weiter gehen. Clinton sprach über weitere wirtschaftliche und politische Sanktionen gegen das Regime des libyschen Diktators Muammar Gaddafi. Washington denke darüber nach, die so genannten Rebellen zu bewaffnen.

Am Montagabend hatte Präsident Barack Obama in einer Fernsehrede nicht nur die Aggression gegen Libyen gerechtfertigt, sondern auch argumentiert, der Präsident habe das Recht, überall auf der Welt militärische Angriffe zur Verteidigung amerikanischer "Werte" und "Interessen" und zur "Aufrechterhaltung des freien Handels" zu führen. Das ist eine Begründung für schrankenlosen imperialistischen Krieg, dessen Reichweite noch über die Doktrin des präemptiven Kriegs der Bush-Regierung hinausgeht.

Damit erhöht sich in näherer Zukunft die Gefahr einer amerikanischen Intervention in mehreren Ländern im Nahen Osten, darunter in Syrien und im Iran, und längerfristig auch gegen Rivalen größeren Kalibers, wie China.

In einem Interview auf "NBC Nightly News" am Montagabend unterstützte Obama ausdrücklich Clintons Erklärung bei der Eröffnung der Londoner Konferenz und öffnete damit Tür und Tor für eine umfassende Einmischung der USA in den Krieg. Dazu gehört auch die Bewaffnung der Rebellentruppen unter der Führung des Nationalen Übergangsrats in Bengasi.

Diese Ausweitung des amerikanischen Militarismus wird speziell von liberalen und pseudolinken Vertretern eines "humanitären" Imperialismus begeistert begrüßt. Sie erhoben zum ersten Mal ihr Haupt, als sie sich in den Balkankriegen der 1990er Jahre hinter amerikanische Bomben und Kugeln stellten. Die verächtliche Haltung dieser Kräfte gegenüber grundlegenden demokratischen Prinzipien machte die New York Times am Dienstag deutlich, als sie Obamas Rede zu Libyen lobte, ihn aber wegen seiner Verletzung grundlegender demokratischer und verfassungsmäßiger Normen rügte.

Die Zeitung erklärte: "Die Rebellen werden wohl noch einige Zeit Luftunterstützung benötigen", und schrieb dann: "Der Präsident hat die richtige Wahl getroffen, als er handelte, aber dies ist kein notwendiger Krieg, sondern einer, für den man sich entschieden hat. Präsidenten sollten das Land nicht in den Krieg führen, ohne den Kongress zu konsultieren und dem amerikanischen Volk die Gründe zu erklären."

Nachdem sie ihre Missbilligung zu Protokoll gegeben hatte, wischte die Times die Illegalität des Krieges sofort beiseite und schrieb: "Glücklicherweise sind die anfänglichen militärischen Operationen der Koalition gut gelaufen."

Bei der Eröffnung der Londoner Konferenz erklärte der britische Premierminister David Cameron: "Uns alle, die wir hier versammelt sind, eint ein gemeinsames Ziel: dem libyschen Volk in seiner schweren Stunde beizustehen." Er verurteilte Gaddafi, weil er den von den USA und der Nato unterstützten Rebellentruppen weiterhin Widerstand leiste. Er sagte, damit verstoße er "eklatant gegen die Resolution des UN-Sicherheitsrats", die die militärische Intervention sanktioniere. Der Luftkrieg werde fortgesetzt, sagte er, bis das Regime der Resolution in vollem Umfang nachkomme - was nur durch Gaddafis Machtverlust möglich wäre.

Der Guardian wies darauf hin, dass Cameron und Clinton bei ihren Bemerkungen auf der Konferenz sorgfältig darauf achteten, die Forderung nach dem Rücktritt Gaddafis nicht direkt zu stellen, weil es unter den auf der Konferenz repräsentierten Regierungen durchaus Differenzen über die Frage gibt, ob ein Regimewechsel Ziel des Krieges sein könne.

"Cameron wiederholte seine Forderung nach sofortigem Rücktritt Gaddafis nicht und forderte auch nicht seine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof", schreib der Guardian. "An der Konferenz nimmt auch Ahmet Davutoglu teil, der türkische Außenminister, der hofft, einen Waffenstillstand zwischen Gaddafi und den Rebellen vermitteln zu können. Auch Franco Frattini, Außenminister der ehemaligen libyschen Kolonialmacht Italien, ist anwesend. Er brachte die Variante ins Spiel, Gaddafi den Ausweg eines Exils zu bieten."

Hinter der Fassade von Einheit schwären bittere Konflikte innerhalb des Kriegslagers. Die USA haben Großbritannien zweifellos ermutigt, die Konferenz auszurichten, um Frankreich in die Schranken zu weisen, das ursprünglich die Initiative zu dem Krieg in Libyen innehatte. Sie hoffen Großbritannien auch als Handlanger nutzen zu können, um in einem Nach-Gaddafi-Libyen die amerikanische Vorherrschaft sichern zu können.

Viele Meinungsverschiedenheiten liegen offen zu Tage. Die Afrikanische Union boykottierte die Konferenz. Ihr Versuch, einen Waffenstillstand und Verhandlungen zwischen Gaddafi und den Rebellen zu vermitteln, war durch den Beginn der Militäraktionen unterlaufen worden. Auch Russland fehlte am Konferenztisch. Es hatte die Kriegskoalition am Vortag beschuldigt, den "humanitären" Rahmen der UN-Resolution überschritten zu haben.

Ägypten und einige andere arabische Länder lehnten eine Teilnahme ebenso ab. Die Militärherrscher Ägyptens fanden es wohl unklug, den Zorn ihrer noch immer unruhigen Bevölkerung zu riskieren, indem sie sich offen mit der kolonialistischen Aufteilung des Nachbarlands Libyen gemein machten.

Es gibt auch Differenzen über die Beziehungen zum Nationalen Übergangsrat. Bis heute haben nur Frankreich und Katar die selbst ernannte Anti-Gaddafi-Führung offiziell anerkannt. Ein Ziel Washingtons und Londons bei der Ausrichtung der Konferenz war die Legitimierung der "demokratischen" Oppositionsführung, aber Differenzen innerhalb der Kriegskoalition verhinderten die offizielle Teilnahme der Delegierten des Übergangsrats, die in London anwesend waren, an den Beratungen.

Die Konferenz, die damit beworben wurde, dass sie dem libyschen Volk ermöglichen sollte, seine Zukunft selbst zu bestimmen, fand schließlich ohne libysche Teilnehmer statt. Trotzdem tat Cameron alles, um den Übergangsrat aufzuwerten. Er empfing dessen Vorsitzenden Mahmud Jabril in seinem Regierungssitz, Downingstreet Nummer zehn, bezeichnete ihn in seiner Eröffnungsrede als die Achse einer neuen Regierung und stellte Jabrils Begleitern den Konferenzraum des Außenministeriums für eine Pressekonferenz zur Verfügung.

Auch Clinton traf sich demonstrativ mit Jabril und organisierte einen Phototermin für die beiden, um die amerikanische Unterstützung für den Rat zu unterstreichen. US-Vertreter gaben bekannt, dass Washington einen Sondergesandten schicken werde, um die Beziehungen zum Übergangsrat zu vertiefen.

Der rechte und pro-imperialistische Charakter des Rates wird durch die Delegierten verkörpert, die ihn in London repräsentierten. Jabril lehrte viele Jahre lang in den USA, nachdem er an der Universität von Pittsburgh einen Doktorgrad erworben hatte. Von 2007 an leitete er Gaddafis nationale Wirtschaftsentwicklungsbehörde National Economic Development Board, die die Einführung von kapitalistischen Marktbeziehungen und die Öffnung Libyens für ausländische Investitionen organisierte.

Die beiden Oppositionsführer an der Pressekonferenz waren Guma El-Gamaty, der Koordinator des Rates in Großbritannien, und Mahmoud Shammam, der Pressesekretär des Rates, der in Washington residiert.

Shammam ist geschäftsführender Herausgeber des Magazins Foreign Policy (Außenpolitik) und war früher Herausgeber von Arab Newsweek. Außerdem ist er Mitglied des Beratergremiums der Stiftung Carnegie Endowment for Peace für den Nahen Osten. Auf der Pressekonferenz forderte er die USA auf, mit der Bewaffnung der Oppositionskräfte zu beginnen.

El-Gamaty ist ein libyscher Schriftsteller und politischer Kommentator. Er lebt seit mehr als dreißig Jahren in Großbritannien und war in den 1980er Jahren in der libyschen Oppositionsbewegung im Ausland aktiv. In den letzten Jahren hat er als Forscher an der University of Westminster gearbeitet.

Alle diese Leute haben enge Beziehungen zu amerikanischen und europäischen Wirtschafts- und politischen Gremien, wie auch zum Geheimdienst, wie man getrost annehmen kann.

Clintons Pressekonferenz nach dem Kongress entlarvte den betrügerischen Charakter von Amerikas Kampf gegen al-Qaida und des "Kriegs gegen den Terror". Die Außenministerin machte klar, dass Washington nicht ausschließe, die so genannten Rebellen zu bewaffnen. Sie bekräftigte, dies sei von der UN-Sicherheitsratsresolution 1973 gedeckt, die eine militärische Intervention in Libyen erlaubt habe.

Ein Reuters-Reporter fragte Clinton nach möglichen Waffenlieferungen an die Opposition und bezog sich auf Bemerkungen von US-Admiral James Stavridis vom selben Morgen. Stavridis hatte in einem Senatsausschuss gesagt, es gebe erste geheimdienstliche Hinweise auf Verbindungen zwischen dem Nationalen Übergangsrat und al-Qaida und Hisbollah.

"Wie groß ist Ihre Sorge?" fragte der Reporter. "Und spielt das eine Rolle in der amerikanischen Debatte über mögliche Waffenlieferungen an den Übergangsrat?"

Clinton spielte die Gefahr herunter, dass über die libysche Opposition amerikanische Waffen in die Hände von al-Qaida gelangen könnten. Sie sagte: "Wir verfügen über keine besonderen Informationen über spezifische Personen aus Organisationen, die dazu gehören. Aber natürlich sind wir noch dabei, die Führer des Nationalen Übergangsrats besser kennen zu lernen."

Der nächste Fragesteller von der Londoner Times nannte es "recht auffällig", dass "abgesehen von drei oder vier Namen" keiner der etwa dreißig Rebellenführer öffentlich bekannt sei. Er fuhr fort: "Glauben Sie, es sollte mehr Transparenz hinsichtlich dessen geben, wer sie sind, wo sie herkommen, welchen Gruppen sie angehören und wofür sie das Geld ausgeben?"

Clinton antwortete lediglich: "Wir sammeln Informationen", und fügte hinzu, es sei "alles im Fluss".

Nur zwei Tage vorher war Hillary Clinton mit Verteidigungsminister Robert Gates in mehreren sonntäglichen Fernsehprogrammen aufgetreten. Dort betonten sie, die USA müssten den jemenitischen Diktator Ali Abdullah Saleh trotz seiner tödlichen Angriffe auf Demonstranten weiter unterstützen, weil die Anwesenheit von al-Qaida im Jemen weiterhin eine Gefahr darstelle.

Dass die Obama-Regierung und auch die Medien mögliche Verbindungen der libyschen Opposition mit al-Qaida derart abtun, macht klar, dass es komplexe und enge Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und al-Qaida gibt. Schließlich begannen führende Mitglieder des Terrornetzwerks, darunter Osama bin Laden selbst, ihre Karriere auf der Lohnliste der CIA, als die Mudschaheddin in Afghanistan in den 1980er Jahren einen Guerillakrieg gegen die Sowjetunion führten.

Diese Doppelmoral gegenüber dem wichtigsten Feind im "Krieg gegen den Terror" ist einer von zahlreichen Widersprüchen, die den imperialistischen und neokolonialen Charakter des amerikanischen Kriegs in Libyen beweisen.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 01.04.2011
Londoner Konferenz plant imperialistische Aufteilung Libyens
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2011