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GLEICHHEIT/3608: Einhundertfünfzig Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs in den USA


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Einhundertfünfzig Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs in den USA

Von Tom Eley und David North
15. April 2011


Diese Woche jährt sich zum 150. Mal der Angriff der konföderierten Südstaaten auf Ford Sumter in Charleston Harbor in South Carolina. Damit begann der amerikanische Bürgerkrieg zwischen der Union der Nordstaaten und den Konföderierten - ein epochales Ereignis in der amerikanischen wie auch in der Weltgeschichte.

Sechs Wochen nach der Amtseinführung des Präsidenten Abraham Lincoln begann der aus elf Sklavenhalter-Staaten bestehende Bund der Südstaaten einen bewaffneten Aufstand gegen die Regierung der Vereinigten Staaten.

Fort Sumter war zum Zentrum der Auseinandersetzung geworden, nachdem der Nordstaaten-Kommandant, Major Robert Anderson aus Kentucky, sich geweigert hatte, den Stützpunkt den Konföderierten zu überlassen. Der Süden belagerte daraufhin die kleine nordamerikanische Enklave und schnitt ihn vom Nachschub ab.

Im Norden entzündete sich daraufhin eine Debatte über eine geeignete Reaktion. Die beiden vorangegangenen Regierungen unter den Demokraten Franklin Pierce (1853-1857) und James Buchanan (1857-1861) hatten wiederholt der Unbeugsamkeit der Sklavenhalter des Südens nachgegeben. Aber im Winter 1860/61 wuchs im Norden die Ablehnung gegen weitere Zugeständnisse.

Zwischen Lincolns Wahl zum Präsidenten im November 1860 und seiner Amtseinführung vier Monate später gelangten Millionen von Menschen in den freien Staaten des Nordens zu der Einsicht, dass es notwendig war, sich den Sklavenhaltern zu widersetzen. Wie ein Historiker vor kurzem schrieb: "Während dieser Krise begannen die Bürger der freien Staaten endlich, den grundsätzlichen Charakter der amerikanischen Union zu definieren, eine Aufgabe, die ihre revolutionären Vorfahren vorsätzlich und tragischer Weise verhindert hatten." [Lincoln and the Decision for War, by Russell McClintock (Chapel Hill, 2008)]

Die Bombardierung von Fort Sumter begann in den frühen Morgenstunden des 12. April. Innerhalb eines Tages fiel das Fort, das nicht dazu gebaut war, einem Artillerie-Angriff standzuhalten, unter dem Kanonenfeuer des Südens.

Trotz der seit langem schwelenden Krise rief der tatsächliche Angriff auf Fort Sumter im Norden Schock und Wut hervor. Lincolns Aufruf für 75.000 Freiwillige, um den Aufstand der Sklavenhalter niederzuschlagen, traf auf überwältigende Unterstützung. Es kam in den nächsten vier Jahren zu einem Krieg, der zum Tod von mehr als 625.000 Menschen führte, was etwa zwei Prozent der Bevölkerung der Vereinigten Staaten von 1860 entsprach.

Die zentrale und alles überlagernde Ursache des Krieges war die Sklaverei, das große politische und moralische Problem der amerikanischen Gesellschaft, das die Revolution von 1775 - 1783 nicht gelöst hatte. Ihr Fortbestand war ein Hohn auf die Unabhängigkeitserklärung und ihre Verkündung, "alle Menschen sind gleich und mit gewissen unabdingbaren Rechten ausgestattet, unter ihnen Leben, Freiheit und das Streben nach Glück".

Die Gründerväter hatten sich um die Frage gedrückt und sich wider besseres Wissen in den Glauben geflüchtet, die Sklaverei werde schlussendlich von allein verschwinden. Genau das Gegenteil trat ein. Die Erfindung der Baumwoll-Entkörnungs-Maschine 1793 machte die Sklaverei erheblich produktiver und profitabler. Die "Macht der Sklavenhalter" übte schließlich sogar im Norden, insbesondere in der Textil- und der Bankenindustrie, enormen Einfluss aus.

Doch trotz all ihrer politischen Macht und Aggressivität waren das System der Sklaverei und die Gesellschaft, die es aufrechterhielt, sozial und intellektuell so rückständig wie ökonomisch veraltet. Spätere Mythen vom "Alten Süden" waren genau das: Mythen.

Weder die Wissenschaft, noch andere Formen fortschrittlichen Denkens konnten sich in einer von der abscheulichen Wirklichkeit menschlicher Sklaverei verdorbenen Gesellschaft einen Weg bahnen. Natürlich war die Gesellschaft des Nordens mit ihrer aufkommenden kapitalistischen Ökonomie absolut kein Paradies. Aber der Industriekapitalismus der "freien Arbeit" im Norden war im Gegensatz zur "besonderen Einrichtung" des Südens dynamisch und in historischem Sinne progressiv.

Die wirtschaftliche Überlegenheit der Industrie des Nordens wurde in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts immer deutlicher. Die Elite des Südens versuchte, die wirtschaftliche Schwäche ihrer Region und die drohende Abnahme ihrer politischen Macht zu kompensieren, indem sie die Sklaverei auf neue Gebiete ausweitete. Obwohl die Sklavenhalter wirtschaftlich nicht mit der Industrie des Nordens mithalten konnten, beabsichtigten sie, ihre politische Macht über die Vereinigten Staaten aufrecht zu erhalten.

Der Süden führte seine Truppen in den 1840ern in den Krieg gegen Mexiko, um neues Land für die Sklaverei zu gewinnen. Er forderte, dass die Bundesregierung diese "besondere Einrichtung" sogar im Norden durchsetzen solle, ein Grundsatz, der sogar im Gesetz über flüchtige Sklaven von 1850 und im Dred-Scott-Urteil des Obersten Gerichtes von 1857 festgeschrieben wurde. Ihnen zufolge genossen Personen afrikanischer Herkunft weder als US-Bürger, noch als Menschen irgendwelche Rechte.

Das Kansas-Nebraska-Gesetz von 1854 erlaubte es, die Sklaverei auf der Grundlage der zynischen Doktrin der "Volkssouveränität" auf die nördlichen Gebiete auszuweiten. Ihre Verfechter - vor allem die Führer der für die Sklaverei eintretenden Demokratischen Partei - forderten, dass es der Bevölkerung jedes Gebietes freigestellt sein sollte, die Sklaverei in ihrem Staat zuzulassen oder nicht. Die Forderung erlaubte es, dass Sklavenhalter gewaltsam Mehrheiten für die Sklaverei herbeiführten. Befürworter der Sklaverei aus Missouri drangen massenweise nach Kansas ein, um den Staat auf die Seite der Befürworter zu ziehen. Die gegen die Sklaverei gerichtete Mehrheit und die Bekämpfer der Sklaverei schlugen erbittert zurück.

Die Kansas-Nebraska-Verordnung festigte den Widerstand gegen die Sklaverei im Norden. Lincoln, der den Kongress aus Verärgerung über den Krieg gegen Mexiko nach einer Amtszeit verlassen hatte, ging 1854 in die Politik zurück und wurde schnell zu einem der führenden Vertreter der neuen Republikanischen Partei, die die Ausweitung der Sklaverei in neue Gebiete ablehnte. Von da an wuchs Lincolns Popularität im Gleichschritt mit dem allgemeinen Widerstand gegen die Sklaverei und die Provokationen der Sklavenhalter des Südens.

Lincoln gewann die Wahlen von 1860 und holte in jedem Staat des Nordens mit Ausnahme von New Jersey die Mehrheit. In den folgenden Monaten vermied der gewählte Präsident vorsichtig jede Bemerkung, die ihm als Provokation gegen den Süden hätte ausgelegt werden können.

Dennoch waren die Sklavenhalter nicht bereit, eine Präsidentschaft zu akzeptieren, die sie nicht kontrollieren konnten, und das, obwohl im Kongress auch weiterhin eine Pattsituation herrschte und das Oberste Gericht von einer Mehrheit von Sklavereibefürwortern unter Führung des Obersten Richters Roger Taney dominiert wurde, dem Verfasser des Dred-Scott-Urteils. Der ganze Norden wartete unterdessen gespannt, ob die Kompromisspolitik, die Regierung Präsident Buchanans so sehr diskreditiert hatte, fortgesetzt werden würde. Dabei richtete sich die Aufmerksamkeit immer mehr auf Fort Sumter. Schlussendlich fassten die Sklavenhalter den Entschluss, die Dinge zu klären und eine Entscheidung herbeizuführen.

Mit einem Aufstand der Sklavenhalter konfrontiert, ging Lincoln bei diesem Konflikt zunächst ausschließlich davon aus, dass es um die Verteidigung des Bundes ging. Doch der Konflikt nahm im folgenden Jahr an Schärfe zu. Es kam in fürchterlichen Schlachten zu riesigen Blutverlusten und es war nicht länger möglich, der allem zugrunde liegenden politischen Realität des Krieges auszuweichen. Um den Krieg zu gewinnen und die Union zu retten, musste das System der Sklaverei, die wirtschaftliche Grundlage der Konföderierten, zerstört werden. Was als militärische Auseinandersetzung begann, entwickelte sich zu einer sozialen Revolution.

Direkt nach der Schlacht von Antietam im September 1862, in der an einem einzigen Tag 23.000 Soldaten verletzt oder getötet wurden, kündigte Lincoln an, dass er bis zum 1. Januar 1863 eine Emanzipationserklärung herausgeben werde. Wie für ihn üblich, wurden sogar Lincolns radikalste Maßnahmen behutsam umgesetzt. Die Proklamation befreite die Sklaven nur in den Staaten, in denen es noch Aufstände gab.

Trotzdem war die Proklamation ein Vorbote der unvermeidlichen Abschaffung der Sklaverei. Weniger als zwei Jahre nach der Proklamation sorgte der 13. Zusatzartikel zur Verfassung, der Anfang 1865 verabschiedet wurde, für das Ende der Sklaverei in den Vereinigten Staaten.

Lincolns Angriff auf die Sklaverei stärkte die militärische Position des Nordens zum Teil dadurch, dass sie den Widerstand gegen die Sklaverei im Süden ermutigte. Aber vor allem hob sie den Bürgerkrieg in Nordamerika auf die Ebene eines welthistorischen revolutionären Kampfs für menschliche Befreiung. Und genau so wurde der Krieg in aller Welt gesehen.

In Großbritannien gewann er die Unterstützung klassenbewusster Arbeiter, obwohl die Blockade der Konföderierten durch den Bund den britischen Mühlen die Baumwolle entzog. Die Unterstützung des Kriegs der Union gegen die Sklaverei durch die Arbeiterklasse schloss die Möglichkeit britischen oder französischen Eingreifens auf der Seite des Südens aus.

Die weitsichtigsten Vertreter der Sache der Union in Großbritannien waren Karl Marx und Friedrich Engels. Schon auf den ersten Stufen des Konfliktes verstanden sie, dass kein Kompromiss mit dem Süden möglich war.

Im Oktober 1861 erklärte Marx: "Der gegenwärtige Kampf zwischen Süd und Nord ist nichts als ein Kampf zweier sozialer Systeme, des Systems der Sklaverei und des Systems der freien Arbeit. Weil beide Systeme nicht länger friedlich auf dem amerikanischen Kontinent nebeneinander hausen können, ist der Kampf ausgebrochen. Er kann nur beendet werden durch den Sieg des einen oder des andern Systems."

Drei Jahre später, im November 1864, schrieb Marx einen Brief an Lincoln und beglückwünschte das amerikanische Volk zu seiner Wiederwahl als Präsident. Sichtlich bewegt fasste Marx die Bedeutung von Lincolns Widerwahl und seiner historischen Präsidentschaft zusammen. "Widerstand gegen die Macht der Sklavenhalter, die maßvolle Losung Ihrer ersten Wahl war, so ist der Tod der Sklaverei der triumphierende Schlachtruf Ihrer Wiederwahl."

Am 9.April 1865 endete der Bürgerkrieg mit der Kapitulation der Armee von Robert E. Lee in Appomattox. Nur fünf Tage später, am Karfreitag, wurde Lincoln ermordet. Im Auftrag des Internationalen Arbeiterbundes schreibend, betrauerte Karl Marx den Tod eines "jener seltenen Männer, denen es gelingt, groß zu werden, ohne dass sie aufhören, gut zu sein."

Am Vorabend des Bürgerkrieges hatten sich wohl nur wenige das Ausmaß der gesellschaftlichen Veränderungen vorstellen können, die der Konflikt mit sich bringen würde. Abraham Lincoln, der 1858 vorausgesagt hatte, die Union könne nicht "zur Hälfte sklavenhalterisch" und "zur Hälfte frei" überleben, hatte wohl kaum erwartet, dass die unnachgiebige und barbarische "Macht der Sklavenhalter" innerhalb weniger Jahre hinweggefegt werden würde. Aber genau das geschah. Das Beispiel eines solchen außergewöhnlichen und fortschrittlichen Vorstoßes bleibt eine Quelle der Inspiration.

Selbst einhundertfünfzig Jahre nach seinem Ende ist der Bürgerkrieg im Bewusstsein der Menschheit gegenwärtig - als eines der größten Kapitel im Kampf gegen die Unterdrückung, für soziale Gleichheit und für die Befreiung der Menschheit.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 15.04.2011
Einhundertfünfzig Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs in den USA
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2011