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GLEICHHEIT/4636: Zyperns drohender Staatsbankrott wirft Europa in die Krise


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Zyperns drohender Staatsbankrott wirft Europa in die Krise

Von Jordan Shilton und Chris Marsden
22. März 2013



Das zypriotische Parlament wies am Dienstagabend die Bedingungen des EU-Bailouts in einer Abstimmung zurück. Dadurch hat sich die Krise verschärft und könnte sich auf ganz Europa ausbreiten. Zypern droht jetzt der Staatsbankrott.

36 Abgeordnete stimmten gegen den Deal, neunzehn enthielten sich, und kein einziger stimmte dafür. Der ursprüngliche Bailout-Plan sah vor, Investoren und Sparer mit Einlagen in Banken Zyperns mit einer Sondersteuer von 9,9 Prozent bei Einlagen von über 100.000 Euro zu belegen, und von 6,75 Prozent bei Einlagen bis 100.000 Euro. Das hätte 5,8 Milliarden Euro als Eigenleistung erbracht, als Voraussetzung für den Bailout der EU über zehn Milliarden Euro für die zypriotischen Banken.

Vor dem Parlament protestierten Tausende. Eine Änderung in letzter Minute, die Einleger mit weniger als 20.000 Euro von der Abgabe befreien sollte, konnte die Gemüter nicht mehr beruhigen.

Präsident Anastasiades berief ein Dringlichkeitstreffen aller politischen Parteien ein, um einen "Plan B" zu erarbeiten. Aber ein alternativer Vorschlag vom Mittwoch wurde von der Troika zurückgewiesen.

Der völlige Zusammenbruch des zypriotischen Finanzsystems wurde nur dadurch verhindert, dass die Banken immer noch geschlossen sind. Sie sollen erst Dienstag nächster Woche wieder öffnen. Auch die Börse gab am Dienstag bekannt, sie werde zwei Tage geschlossen bleiben. Es gab Befürchtungen, dass Investoren große Mittel abziehen würden.

Mit der EU wurden erneute Verhandlungen aufgenommen, aber deren Vertreter bestehen darauf, dass Zypern seinen Eigenanteil von 5,8 Milliarden Euro an dem Rettungspaket erbringt.

Finanzminister Wolfgang Schäuble bemerkte nach der Abstimmung: "Die EZB hat klar gemacht, dass es ohne ein Reformprogramm keine weitere Hilfe geben kann. Jemand muss das den Zyprioten erklären, und ich fürchte, dass sie ihre Banken überhaupt nicht mehr werden öffnen können."

Er fügte hinzu: "Zwei große zypriotische Banken sind insolvent, wenn keine Hilfsmittel der Europäischen Zentralbank mehr fließen."

Die beiden größten Banken der Insel, Laiki und die Bank von Zypern, werden nur noch von Notkrediten der EZB am Leben gehalten. EZB-Vertreter haben deutlich gemacht, dass diese Unterstützung aufhören werde, falls die Zustimmung zur Bailout-Vereinbarung ausbliebe. Hinter der harten EU-Linie steht offenbar die Haltung von Teilen der herrschenden Kreise Europas, zum Beispiel von Merkels Koalitionspartner FDP, die selbst einen Staatsbankrott Zyperns zulassen würden.

Bernd Riegert titelte in der Deutschen Welle: "Es ist Zeit für Zypern, die Eurozone zu verlassen."

Zyperns Banken zu retten, ist keine kleine Sache. Martin Wolf wies in der Financial Times darauf hin, dass die Bruttostaatsverschuldung Zyperns im vergangenen Jahr 87 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht habe und ohne den Bailout bis 2017 auf 106 Prozent steigen werde. Das Kreditrating des Staates Zypern ist auf CCC+ gefallen, weil die Bilanzsumme des Bankensektors das Siebenfache des BIP beträgt.

Ohne die Besteuerung der Einlagen hätte das Rettungspaket 17,2 Milliarden statt zehn Milliarden Euro betragen müssen, d.h. siebzig Prozent des BIP", schrieb er. "Das hätte die Staatsverschuldung auf 160 Prozent des BIP hochgetrieben, eine nicht zu schulternde Last. Selbst das jetzt geplante Bailoutpaket erscheint nicht wirklich tragbar. Es würde die Staatsverschuldung wohl auf 130 Prozent des BIP bringen."

Einen Bankenzusammenbruch zuzulassen, ist allerdings eine Hoch-Risiko-Strategie. Die chaotischen Entwicklungen verstärken die Instabilität in der Eurozone. Heute schon herrscht Rezession in Europa, in Italien gibt es noch immer keine arbeitsfähige Regierung, und die Probleme der massiven Verschuldung europäischer Banken sind ungelöst. In führenden Kreisen herrscht Panik und Unsicherheit hinsichtlich der möglichen Folgen der Ereignisse.

In den andern Ländern der so genannten europäischen Peripherie fielen die Aktienwerte. Die Aktien italienischer und spanischer Banken fielen am Dienstag bis zu fünf Prozent, und der Börsenindex in Griechenland ging um drei Prozent zurück. Der Euro fiel auf den niedrigsten Stand seit vier Monaten, unter 1,29 US-Dollar. Er stieg wieder leicht an, als die EZB versicherte, die zypriotischen Banken vorläufig weiter zu unterstützen.

Die Wirtschaftskorrespondentin der BBC, Stephanie Flanders, fasste die Stimmung am Dienstag so zusammen: "Wir wissen noch nicht, ob der Schaden, der in den letzten Tagen angerichtet worden ist, behoben werden kann. Aber wir können sagen, dass sich alle schwer verkalkuliert haben."

Klaus Regling, Chef des permanenten Rettungsfonds der EU, des ESM, sagte der Bild, dass ein unkontrollierter Bankrott Zyperns den Euro insgesamt gefährden könnte.

James Mackintosh warf in der Financial Times die Frage auf, ob die Weigerung, Zypern zu retten, "die Eurokrise wieder aufbrechen lassen würde", und antwortete: "Ganz gewiss".

Die europäischen Mächte fürchten nicht nur, dass diese kleine Insel eine große Ansteckungsgefahr darstellt, sondern sie machen sich auch Sorgen, dass ein Fallenlassen Zyperns die Insel stark in den Dunstkreis Russlands treiben würde.

Die Vereinbarung, die Einleger zypriotischer Banken heranzuziehen, hat Moskau verärgert, weil mindestens 45 Milliarden Dollar russische Gelder auf der Insel angelegt sind. Die Abgabe auf Guthaben von bis zu 100.000 Euro komplett zu streichen, würde bedeuten, die Abgabe für größere Guthaben auf fünfzehn Prozent zu erhöhen. Das würde Oligarchen, Mafiaelemente und andere russische Anleger umso härter treffen. Es würde dazu führen, dass gewaltige Summen abgezogen würden, und würde wahrscheinlich zum Kollaps der Banken führen.

Zypern ist daher stärker auf die Zusammenarbeit Russlands angewiesen. Angesichts wachsender internationaler Spannungen riskiert es damit aber, die europäischen Mächte und letztlich die Vereinigten Staaten zu verärgern.

Zyperns Finanzminister, Michalis Sarris, traf am Dienstag in Moskau ein, um einen 2,5 Milliarden Euro Kredit Russlands von 2011 neu zu verhandeln. Er will niedrigere Zinsen und eine Verlängerung bis 2020 erreichen. Wichtiger noch, versucht er einen weiteren Kredit über fünf Milliarden Euro auszuhandeln. Das wäre fast die gesamte ergänzende Eigenbeteiligung für den EU-Bailout.

Noch schlimmer für die europäischen Mächte sind die Spekulationen, dass Moskau das Recht anstrebt, den zypriotischen Hafen Limassol als Marinestützpunkt nutzen zu dürfen. Aktuell ist Russland auf den syrischen Hafen Tartus für seinen Zugang zum Mittelmeer angewiesen. Aber das syrische Regime von Präsident Bashar al-Assad steht gegenwärtig unter dem Druck eines von den USA angeführten Kriegs für einen Regimewechsel, der sich auch gegen Russland und China richtet.

Auch die Erschließung von Offshore Gasvorkommen vor der Südküste Zyperns durch den russischen Gazprom-Konzern könnte eine Rolle spielen. Nach Schätzungen von Noble Energy belaufen sich die Vorkommen auf 140 bis 230 Milliarden Kubikmeter oder mehr. Der Energieminister Zyperns begleitete Außenminister Sarris bei seinem Besuch in Russland.

Eine weitere Sorge wird zwar nicht ausgesprochen, ist aber deswegen nicht weniger drängend: Potentiell könnten Massenproteste gegen die EU ausbrechen, weil sie die Finanzelite systematisch auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung retten will.

Vorschläge für einen Plan B werden nichts daran ändern, dass der Bailout einen massiven Angriff auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse verlangt. Die Wahl in Italien war eine deutliche Abstimmung gegen die Sparpolitik der EU. Gleichzeitig halten in Portugal, Spanien und Griechenland Streiks und Proteste an, und in Bulgarien wurde letzten Monat die Regierung gestürzt. Die herrschenden Kreise wissen, dass die Klassenbeziehungen in Europa aufs Äußerste angespannt sind.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 22.03.2013
Zyperns drohender Staatsbankrott wirft Europa in die Krise
http://www.wsws.org/de/articles/2013/03/22/zype-m22.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2013