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GLEICHHEIT/4955: Thailand - Proteste gegen die Regierung gehen weiter


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Thailand:
Proteste gegen die Regierung gehen weiter

Von John Roberts
14. Dezember 2013



In Thailand geht die angespannte Konfrontation zwischen der Regierung und Demonstranten weiter, die den Rücktritt von Premierministerin Yingluck Shinawatra und die Bildung eines nicht gewählten "Volksrates" fordern. Eine derartige Institution wäre nichts anderes als eine Militärjunta, die vom König eingesetzt, von rechten Monarchisten und ehemaligen Offizieren dominiert und vom Militär unterstützt würde.

Am Montag löste Yingluck das Unterhaus des thailändischen Parlaments auf und rief vorgezogene Neuwahlen aus; zuvor waren die Abgeordneten der oppositionellen Demokratischen Partei, die die Proteste unterstützt, in Massen zurückgetreten. Der ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Demokraten Suthep Thaugsuban führt das selbsternannte Volksdemokratische Reformkomitee (PDRC) an, das die Demonstrationen organisiert.

Suthep lehnte Neuwahlen ab, die offiziell für den 2. Februar festgelegt wurden und forderte, dass Yingluck von ihrem Posten als Übergangs-Premierministerin zurücktritt, was sie ablehnte. Die amtierende Pheu-Thai-Partei und ihre Verbündeten hatten die Wahl 2011 mit einem Erdrutschsieg gewonnen und würden auch im Februar mit großer Sicherheit gewinnen.

Suthep hat begonnen, Anweisungen an Regierungsbeamte und Polizei im Namen des PDRC herauszugeben. Bisher hat ihnen noch niemand Folge geleistet, aber in den höheren Ebenen der staatlichen Bürokratie, der Polizei und des Militärs, sowie in der Monarchie, herrscht zweifellos Sympathie für die Proteste gegen die Regierung.

Diese traditionellen Eliten Bangkoks stehen der Pheu-Thai-Partei, Yingluck und vor allem ihrem Bruder Ex-Premierminister Thaksin Shinawatra, der im Jahr 2006 durch einen Militärputsch gestürzt wurde, mit erbitterter Feindschaft gegenüber. Nachdem der milliardenschwere Telekommunikationsunternehmer und Rechtspopulist Thaksin an die Macht gekommen war, verschaffte er sich Rückhalt im ländlichen Norden und Nordosten, dessen Unterstützung er sich mit begrenzten staatlichen Zuwendungen sicherte.

Am Mittwoch forderte Suthep ein Treffen mit den Sicherheitschefs des Landes, bei dem es um seine Forderung nach einem "Volksrat" gehen soll. Ursprünglich schien es, als würde der Oberbefehlshaber des Militärs Prayuth Chan-ocha Sutheps Forderung ablehnen. Aber am Donnerstagabend erklärten die Streitkräfte immer noch ihre Neutralität, gaben aber eine Stellungnahme heraus, in der der PDRC-Chef zu einem Seminar von hohen Militäroffizieren am Samstag eingeladen wurde, um "einen Ausweg für Thailand zu finden."

Suthep und die PRDC versuchen, eine politische Krisenstimmung zu schaffen, die es dem Militär erlauben würde wie 2006 einzugreifen. Auf den Militärputsch folgte eine politische Krise nach der anderen. In dem Konflikt zwischen Pro- und Anti-Thaksin-Fraktionen der herrschenden Elite geht es um scharfe Streitigkeiten über die Wirtschaftspolitik und politische Vetternwirtschaft.

Die aktuellen Proteste begannen, nachdem die Yingluck-Regierung versuchte, ein Amnestiegesetz zu verabschieden, das alle begnadigt hätte, die seit 2004 in politische Konflikte verwickelt waren. Dies hätte es Thaksin ermöglicht, als freier Mann nach Thailand zurückzukehren. Es hätte auch den Führern der Demokraten und den Offizieren, die für das brutale Vorgehen gegen die als Rothemden bekannten Thaksin-Anhänger im Jahr 2010 durch schwer bewaffnete Soldaten verantwortlich waren, Amnestie gewährt. Bei den Protesten 2010 wurden mindestens 90 Menschen getötet und 1500 verletzt.

Die Opposition lehnte das Amnestiegesetz ab und der Senat, das Oberhaus des Parlaments, stimmten dagegen. Die Proteste gegen die Regierung dauern seit mehr als einem Monat an; eine Forderung ist, das politische System von den Shinawatras zu säubern. An den Protesten am Montag nahmen schätzungsweise 150.000 Menschen teil - es war die größte Demonstration seit Beginn der Proteste.

Die Demokratische Partei hat noch nicht erklärt, ob sie an der Wahl im Februar teilnehmen oder sich auf Sutheps Seite stellen und zu einem Boykott auffordern wird. Am Donnerstag wurde der Führer der Demokraten, Abhisit Vejjajiva, Premierminister während der Polizeiaktionen 2010, offiziell wegen Mordes angeklagt. Abhisit erschien vor Gericht, der ebenfalls angeklagte Suthep jedoch nicht. Suthep war im Jahr 2010 stellvertretender Premierminister und verantwortlich für die Sicherheitskräfte, und damit direkt für das Blutbad.

In Geschäftskreisen herrscht große Angst vor einer längeren politischen Krise. Die Asia Development Bank senkte am Mittwoch ihre Prognose für das Wachstum von Thailands Bruttoinlandsprodukt für 2013 von 3,8 auf 2,9 Prozent; als Gründe nannte sie unter anderem sinkende Exporte und Verzögerungen bei Investitionsprojekten der Regierung aufgrund der politischen Spannungen.

Am Donnerstag erschien ein Bericht von Moody's Investors Service, in dem es hieß, die Demokratische Partei habe bis heute noch nicht erklärt, ob sie antreten oder die Abstimmung am 2. Februar boykottieren werde. Weiter hieß es, die Krise sei "negativ für Kredite" und nach der Wahl werde es in jedem Fall Unruhe geben. "Thailand wird sich mit andauernden Protesten gegen die Regierung auseinandersetzen müssen, weil die Demonstranten kein demokratisches System auf der Grundlage von Wahlen akzeptieren, in dem ihre Gegner die Mehrheit haben."

Es hängt viel davon ab, was das Militär tun wird. Das thäilandische Militär hat bereits zahlreiche Putsche organisiert. Es hatte nicht nur Thaksin im Jahr 2006 abgesetzt, sondern auch eine wichtige Rolle bei allen politischen Unruhen seither gespielt. Im Jahr 2008 organisierte es eine von den Demokraten geführten Regierung, im Jahr 2010 war es gewaltsam gegen die Proteste der Rothemden vorgegangen. 2011 war die Militärführung an einem Abkommen beteiligt, das die politischen Unruhen beenden sollte: im Gegenzug dafür, dass Yingluck erlaubt wurde, die Regierung zu übernehmen, wollte ihre Regierung die Interessen des Militärs und der Monarchie respektieren.

Dieser Einigung lag die Angst beider Fraktionen zugrunde, dass sich die große Wut der "Rothemden", die durch die brutalen Ereignisse von 2010 noch verstärkt wurde, zu einer politischen Bewegung entwickeln könnte, die von der Pheu-Thai-Partei nicht kontrolliert werden und sich gegen die tiefe soziale Ungleichheit richten könnte, die charakteristisch für die thailändische Gesellschaft ist.

Der Widerwille des Militärs, in der aktuellen Lage einzuschreiten, hat seinen Ursprung in der gleichen Furcht. Ein Artikel in der Freitagsausgabe des britischen Economist wies auf die Entschlossenheit der "Rothemden" hin, die demokratisch gewählte Regierung zu verteidigen. "Es gibt Pläne, im Falle eines Sturzes von Yingluck die Regierung in Kernlande der Rothemden im Norden und Nordosten zu verlegen, als Gegengewicht zu Sutheps Aufstand in der Hauptstadt und im Süden. Das würde die erbitterten Spaltungen zwischen den beiden Landesteilen verschärfen und Thailand, wie manche behaupten, praktisch unregierbar machen."

Die herrschende Klasse macht sich weniger um geographische Spaltungen Sorgen, als um Klassenspaltungen. Thaksin konnte die tiefe Feindseligkeit und Wut von Teilen der Arbeiterklasse und der Armen vom Land ausnutzen. Aber wenn diese Schichten der Gesellschaft sich erheben, könnte eine solche Bewegung schnell über Thaksins jämmerlichen Populismus hinausgehen und wie 2010 ihre eigenen Forderungen nach demokratischen Rechten und angemessenem Lebensstandard erheben.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 14.12.2013
Thailand: Proteste gegen die Regierung gehen weiter
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2013