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GLEICHHEIT/5035: Weltweite Unterstützung für eine Petition, die für Snowden Asyl in Brasilien fordert


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Mehr als eine Million Unterschriften für eine Petition, die für Snowden Asyl in Brasilien fordert

Von Bill Van Auken
22. Februar 2014



Unterstützer von Edward Snowden haben dem Außenministerium in Brasilien eine Petition übergeben, die mehr als 1,1 Millionen Menschen unterzeichnet haben. Darin wird die Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff aufgefordert, dem Whistleblower von der amerikanischen National Security Agency Asyl zu gewähren.

Die Petition, die im November letzten Jahres auf der Avaaz- Website gestartet wurde, sammelte in Brasilien und weltweit Unterstützung. Sie ist ein mächtiger Ausdruck der ungeheuer breiten Unterstützung für Snowden und der Wut über die weltweiten Spionage-Operationen der NSA.

Die Enthüllungen aus den NSA-Dokumenten, die von Snowden veröffentlicht wurden, hatten in Brasilien eine besonders starke Wirkung. Sie wiesen die systematische Überwachung der offiziellen und persönlichen Telefonanrufe, Textnachrichten, E-Mails und Internet-Recherchen von Präsidentin Rousseff und ihrer Mitarbeiter nach, und enthüllten zudem Wirtschaftsspionage gegen Petrobras, Brasiliens staatliches Öl-Unternehmen und viertgrößten Energiekonzern der Welt, und das Bergbau und Energieministerium der Regierung.

Initiator der Petition war David Miranda, der brasilianische Partner des in Rio de Janeiro lebenden Journalisten Glenn Greenwald, der viele der Nachrichten, die aus den von Snowden an die Öffentlichkeit gegebenen Dokumenten stammen, veröffentlicht hat. Miranda selbst wurde im August letzten Jahres neun Stunden lang auf dem Londoner Flughafen Heathrow ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten und sein Computer sowie andere Gegenstände wurden auf der Grundlage des britischen Anti-Terror-Gesetzes beschlagnahmt.

Die Debatte über Snowdens Schicksal wurde in Brasilien im vergangenen Dezember angeheizt, als der ehemalige Vertragsarbeiter der NSA einen "Offenen Brief an die Menschen in Brasilien" veröffentlichte. Er reagierte damit auf die Anfragen eines Parlamentsausschusses und der Bundespolizei des Landes, bei der Untersuchung der NSA-Spionage zu helfen.

In der Antwort machte er deutlich, dass er nicht in der Lage sei, diese Hilfe zu gewähren, ohne dass ihm politisches Asyl in einem Land gewährt würde, wo er frei sprechen könne. Die russische Regierung von Präsident Wladimir Putin hat ihm nur ein zeitlich begrenztes Asyl unter der Bedingung gewährt, dass Snowden nichts tut, was den "amerikanischen Interessen" schadet.

"Heutzutage kann die NSA, wenn Sie in Sao Paulo ein Handy haben, feststellen, wo Sie sich befinden: Sie tut das fünf Milliarden Mal pro Tag mit Menschen auf der ganzen Welt", schrieb Snowden in dem Brief. "Wenn jemand in Florianopolis eine Website besucht, speichert die NSA in einem Datensatz, wann es passiert ist und was Sie dort taten. Wenn eine Mutter in Porto Alegre ihrem Sohn Glück für seine Uni-Prüfung wünscht, kann die NSA dass Anrufprotokoll fünf Jahre oder länger speichern. Sie verfolgen sogar, wer eine Affäre hat oder sich Pornoeseiten anschaut für den Fall, dass sie den Ruf ihres Gegners schädigen wollen."

Zwar nahmen die Beamten des brasilianischen Außenministeriums die von mehr als 1,1 Millionen Menschen unterzeichnete Petition am vergangenen Donnerstag entgegen, aber gibt es keine Hinweise darauf, dass die Regierung Rousseff ihren Forderungen nachkommen will.

So wie in anderen lateinamerikanischen Ländern hat sie sich hinter die Formalie verschanzt, Snowden habe noch nicht die notwendigen Papiere eingereicht, die für einen Asylantrag benötigt würden. Im vergangenen Dezember sagte Rousseff, dass sie niemandem antworten werde, der "nicht deutlich sagt", was er will.

Während Rousseff die Spionage der NSA öffentlich verurteilte und einen im vergangenen September geplanten Staatsbesuch in Washington absagte, hatte ihre Regierung nicht die Nerven für eine schärfere Konfrontation mit Washington. Die regierende Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores-PT) ist trotz ihres Namens und ihrer "linken" Fassade der führende Vertreter der brasilianischen Unternehmens- und Bankeninteressen, die sich von der Industriespionage der NSA zwar gestört fühlen, aber keine Lust auf eine Auseinandersetzung haben, die den Handel einschränken und die Gewinne schmälern könnte.

In der Petition heißt es: "Als Führer einer globalen Bewegung für die Freiheit des Internet und für den Schutz der Privatsphäre ist Brasilien das perfekte Zuhause für einen Mann, der sein Leben geopfert hat, um die aufdringliche und illegale amerikanische Spionage aufzudecken."

In Wirklichkeit hängt die Weigerung der Regierung Rousseff, Snowden Asyl zu gewähren, mit der zunehmenden Unterdrückung in Brasilien selbst zusammen, insbesondere vor dem Hintergrund der Massenproteste, die das Land im vergangenen Juni erschütterten. Damals wurde bekannt, dass die Bundespolizei eine Spezialeinheit gebildet hatte, um die sozialen Medien auszuspionieren und damit herauszubekommen, wer an den Massendemonstrationen beteiligt war.

Vor kurzem gab es Klagen über die Spionage zweier großen brasilianische Konzerne: Vale, die multinationale Bergbaugesellschaft und Norte Energia, das Unternehmen, das für das riesige und umstrittene Belo-Monte-Staudamm-Projekt im Amazonas verantwortlich ist. Die Unternehmen werden beschuldigt, die brasilianischen sozialen Bewegungen überwacht und anscheinend mit dem brasilianischen Geheimdienst zusammen gearbeitet zu haben.

Inzwischen wird allgemein erwartet, dass der brasilianische Senat schon in dieser Woche ein so genanntes Terrorismus Gesetz verabschiedet, das Terrorismus als eine Handlung definiert, die "allgemeinen Terror oder Panik durch eine Straftat oder versuchte Straftat gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder Gesundheit oder den Entzug der Freiheit einer Person provoziert oder verbreitet".

Das Gesetzgebungsverfahren wurde nach dem Tod des TV-Kameramanns Santiago Andrade in einem Eilverfahren auf den Weg gebracht., der einige Tage vorher offenbar bei einer Demonstration in Rio gegen eine Fahrpreiserhöhung von einer Leuchtrakete getroffen worden war.

Der eigentliche Zweck des Gesetzes wurde von Senator Jorge Viana von der Arbeiterpartei genannt, der argumentierte, das Gesetz sei notwendig um die Proteste zu bekämpfen, die während der diesjährigen Fußball Weltmeisterschaft ausbrechen könnten, die im Juni beginnt,. "Es werden Menschen aus allen Teilen der Welt hier sein", argumentierte er in der Senatsdebatte. "Wenn wir ein friedliches Volk sind, sollten wir keine Angst vor einem strengen Gesetz gegen diejenigen haben, die Brasilien in ein gewalttätiges Land verwandeln wollen".

Kurz vor dem nur noch wenige Monate entfernten fünfzigsten Jahrestag des von der CIA unterstützten Staatsstreiches, der eine Jahrzehnte währende Militärdiktatur über Brasilien an die Macht brachte, versucht die PT-Regierung, erneut den rechtlichen Rahmen für polizeistaatliche Repressionen zu schaffen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 22.02.2014
Mehr als eine Million Unterschriften für eine Petition, die für Snowden
Asyl in Brasilien fordert
http://www.wsws.org/de/articles/2014/02/22/braz-f22.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2014