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GLEICHHEIT/5087: Frankreich - Holland ernennt rechten Innenminister zum Premierminister


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Nach Niederlage in Kommunalwahl: Hollande ernennt rechten Innenminister zum neuen Premierminister

Von Antoine Lerougetel und Alex Lantier
2. April 2014



Der französische Präsident Francois Hollande hat nach der Niederlage seiner Sozialistischen Partei bei den Kommunalwahlen am letzten Sonntag und dem Rekordergebnis der neofaschistischen Front National (FN) sein Kabinett umgebildet und Innenminister Manuel Valls als Nachfolger von Jean-Marc Ayrault zum Premierminister ernannt.

Bei den Kommunalwahlen, der ersten landesweiten Wahl seit Hollandes Wahlsieg 2012, wurde der Präsident für seine Politik der sozialen Austerität und imperialistischen Kriege deutlich abgestraft. Valls' Ernennung ist ein Zeichen dafür, dass die PS ihre Angriffe auf die Arbeiterklasse verschärfen wird und gleichzeitig versucht, sich durch Law and Order-Politik eine politische Basis zu schaffen, indem sie viele der rassistischen und immigrantenfeindlichen Forderungen der FN umsetzt.

Als Innenminister war Valls für Massenabschiebungen von Roma und Einwanderern ohne Papiere verantwortlich und hatte erklärt, seiner Meinung nach sollten die Roma Frankreich vollständig verlassen. Auf dieser Grundlage wurde er von den Medien gefördert.

Am Montagabend erklärte Hollande in einem Fernsehinterview, er habe die Botschaft der Wähler verstanden. Er fügte hinzu: "Heute ist die Zeit, in ein neues Stadium einzutreten. Deswegen habe ich Manuel Valls den Auftrag erteilt, die französische Regierung zu führen." Hollande erklärte, Valls werde "ein kleines Team anführen, eine Regierung des Kampfes."

Hollande lobte auch Ayrault für die "Reformen," die er durchgeführt hat - d.h., die Steuersenkungen für Unternehmen und Kürzungen der Sozialausgaben in zweistelliger Milliardenhöhe, durch die Hollande der unbeliebteste Präsident geworden ist, seit dieses Amt 1958 eingeführt wurde. Er versprach weitere Steuersenkungen und ein "Haushaltskürzungsprogramm."

37,3 Prozent der Wahlberechtigten gingen nicht zur Wahl, die PS verlor die Mehrheit in 155 Stadträten in Städten mit über 9.000 Einwohnern, darunter viele, die seit Jahrzehnten oder sogar über hundert Jahre sozialdemokratisch regiert wurden. Sie verlor unter anderem in Toulouse, Tourcoing und Roubaix (beide in der Metropolregion Lille), Angers, Tours, Reims, Grenoble und Limoges, die seit 1912 von "linken" Bürgermeistern regiert wurden. In Paris und Lyon konnte die PS sich ( nur mit Unterstützung der Grünen) halten, allerdings konnte sie weder Marseille noch Bordeaux zurückgewinnen.

"Diese erste Prüfung für Francois Hollande war eine Katastrophe ersten Ranges, der Sieg [der PS in der letzten Kommunalwahl] von 2008 ist völlig ausgelöscht", kommentierte Frederic Dabi vom Umfrageinstitut Ifop.

Jean-Francois Cope von der rechten gaullistischen Union für eine Volksbewegung (UMP) begrüßte das Ergebnis als "ersten großen Sieg" seiner Partei bei Kommunalwahlen. Der größte Sieger der Wahl war jedoch Marine Le Pens FN. Nach einem eindeutigen Sieg in der ersten Runde in der ehemaligen PS-Hochburg Henin-Beaumont mit 50,3 Prozent der Stimmen hat die FN die Mehrheit in fünfzehn der 259 Städte mit mehr als 9.000 Einwohnern gewonnen, in denen sie sich für die zweite Runde qualifiziert hatte - bisher war das nirgendwo der Fall.

Die FN hatte vor der Wahl nur 80 Gemeinderatsposten, jetzt hat sie über 1.200. FN-Bürgermeister regieren jetzt unter anderem in Frejus, Villers-Cotterets und dem siebten Sektor von Marseille.

Marine Le Pen erklärte: "Wir sind eindeutig in einem neuen Stadium. Es gibt jetzt in unserem Land eine dritte große politische Kraft, die berücksichtigt werden muss."

Die Presse lobte die FN dafür, die "Zweiparteienlandschaft" der bürgerlichen französischen Politik zwischen den Gaullisten und der PS beendet zu haben, die nach dem Generalstreik von 1968 entstanden war. Man rechnet jetzt allgemein damit, dass die FN bei den Europawahlen im Mai deutlich zulegen wird, möglicherweise wird sie die meisten Stimmen von allen Parteien erhalten.

Eine Umfrage zum Thema Wahlabsichten für die Europawahl von Ipsos-Steria ergab einen Anteil von 22 Prozent für die FN, mehr als für die PS mit 19 Prozent, und nur zwei Punkte weniger als die UMP. In früheren Umfragen lag die FN jedoch vor der UMP.

Dass Hollande Valls nominiert hat, zeigt den völligen Bankrott der Theorie, die Wähler könnten sich darauf verlassen, durch die Unterstützung der PS und anderer bürgerlicher Parteien den Aufstieg der FN und den ständigen Rechtsruck der französischen und europäischen Politik aufhalten zu können. Man kann mit großer Wahrscheinlichkeit vorhersagen, dass Valls Ernennung die FN nur stärken wird. Genauso war es Hollandes rechter Vorgängerregierung unter Nicolas Sarkozy mit ihrer Entscheidung ergangen, mit Chauvinismus und Law and Order an die Wähler der FN zu appellieren.

Pseudolinke Tendenzen wie die Neue Antikapitalistische Partei und die Linksfront, die 2012 zur Wahl Hollandes aufgerufen und behauptet hatten, so würden die Rechten besiegt, sind politisch verantwortlich für die reaktionäre Politik, die Valls und Hollande ausführen werden.

Ein Hinweis auf den Charakter der Politik, die Valls machen wird, sind die reaktionären Ansichten, die er als Kandidat bei den Vorwahlen der PS vor der Präsidentschaftswahl 2012 vorgetragen hatte. Die Wahl hatte letzten Endes Hollande gewonnen.

Valls, der oft mit dem britischen Premierminister Tony Blair und dessen wirtschaftsfreundlicher Politik verglichen wird, verurteilte Sozialprogramme und forderte die PS auf, gegen eine "Gesellschaft zu kämpfen, die auf staatlichen Almosen beruht". Um seine rechte Ausrichtung zu demonstrieren, erklärte er, er werde sich darauf konzentrieren die Justiz, den Kampf gegen das Verbrechen und wieder die Einwanderung zu thematisieren. Er forderte außerdem längere Arbeitszeiten.

Valls schlug der PS außerdem vor, die Fiktion aufzugeben, sie habe noch irgendeine Beziehung zum Sozialismus, und solle aufhören, sich "sozialistisch" zu nennen. Er erklärte: "Wir müssen die PS von oben bis unten umkrempeln... und den Namen ändern, denn das Wort Sozialismus ist veraltet; es bezieht sich auf Vorstellungen aus dem neunzehnten Jahrhundert."

Diese Kommentare bestätigen die Position der World Socialist Web Site, dass die Arbeiterklasse in Frankreich ihre Klasseninteressen nur verteidigen und sich nur zum Sozialismus entwickeln kann im Kampf gegen die Reaktionäre von der PS und ihre pseudolinken Unterstützer.

Valls rechte Politik zielt darauf ab, die verheerenden Sparmaßnahmen durchzusetzen, die die Europäische Union bereits Irland, Spanien und Griechenland aufgezwungen hat.

Im Vorfeld der Wahlen gab es zahlreiche Diskussionen darüber, dass Finanzkreise unzufrieden mit Hollande sind, weil er seine im Winter angekündigten Pläne für Ausgabenkürzungen und Steuersenkungen in zweistelliger Milliardenhöhe nicht schnell genug umsetzen konnte.

Wie die Financial Times schrieb, steht Hollande jetzt "unter großem Druck von Brüssel, den Druck auf die öffentlichen Finanzen aufrecht zu erhalten, nachdem ihm bereits zwei Jahre Gnadenfrist bis 2015 gewährt wurden, das offizielle Ziel der EU zu erfüllen, das Haushaltsdefizit auf unter drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu senken." Frankreichs Haushaltsdefizit ist mit 4,3 Prozent immer noch deutlich über dieser Zielvorgabe, seine Schuldenlast liegt bereits bei 93,5 Prozent des BIP.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 02.04.2014
Nach Niederlage in Kommunalwahl: Hollande ernennt rechten Innenminister zum neuen Premierminister
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2014