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GLEICHHEIT/5319: Plenum der Kommunistischen Partei Chinas treibt marktfreundliche Agenda voran


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Plenum der Kommunistischen Partei Chinas treibt marktfreundliche Agenda voran

Von Ben McGrath
1. November 2014



Das 18. Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas mit zweihundert Spitzenbeamten der Partei hielt vom 20. bis 23. Oktober seine vierte Vollversammlung ab. Die KP-Führung unter Präsident Xi Jinping nutzte das Treffen, um die Macht stärker in ihren Händen zu konzentrieren und ihren Kurs auf marktwirtschaftliche Umstrukturierungen fortzusetzen.

Mit einem Ausdruck des ehemaligen chinesischen Staatschefs Deng Xiaoping, der vor drei Jahrzehnten die Restaurierung des Kapitalismus in China einleitete, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am letzten Tag des Plenums, das Treffen habe "eine Blaupause für Rechtsstaatlichkeit in der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft entworfen".

Ausländische Investoren fordern verstärkt "Rechtsstaatlichkeit" und eine unabhängigere Justiz als Schutz für ihr Kapital und ihre Gewinne bei Konflikten mit der Staatsbürokratie und chinesischen Partnern und Konkurrenten.

Allerdings gelten die Änderungen, die das Plenum für das Justizsystem angekündigt hat, vor allem auf lokaler Ebene und sollen verhindern, dass sich lokale Beamte in Gerichtsverfahren einmischen, die ihre Interessen berühren. Auf lokaler Ebene sind es oft Beamte, die die Mittel für die Gerichtsbarkeit und den Karriereweg der Richter bestimmen.

Zu den Vorschlägen gehört die Einrichtung von Gerichtsbezirken des Obersten Gerichtshofs des Landes, um seine Reichweite auszudehnen und die Ernennung von lokalen Richtern durch höhere Regierungsebenen in ganz China sicherzustellen. Die Veränderungen werden zwar als Maßnahmen zur Verteidigung der Rechte der Bürger hingestellt. Sie dienen aber hauptsächlich der Sicherung der Kontrolle Pekings über die lokalen Verwaltungen, einschließlich ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten.

Die Kommunalverwaltungen sind tief in Landraub, Immobilienspekulation und Geldbeschaffung mithilfe von Finanzvehikeln (LGFV) der Kommunalverwaltungen verstrickt, die zum größten Teil außerhalb der Kontrolle der Provinz- und nationalen Verwaltungsebenen stattfinden. Chinas Staatsrat hat diesen Monat ein Dekret über das Verbot der Verwendung von LGFVs zur Mittelbeschaffung für Kommunalverwaltungen erlassen. Die geschätzte staatliche Gesamtverschuldung auf lokaler Ebene ist auf die gewaltige Summe von achtzehn Billionen Yuan (drei Billionen US Dollar) gestiegen.

Ein Artikel im Wall Street Journal mit dem Titel "Chinas Rechtsreform lässt Investoren hängen" drückte die Reaktion in internationalen Finanzkreisen aus. "Der Kern des Problems bleibt bestehen: ein Rechtssystem, das bei gleichzeitiger Verbesserung in einigen Handelsfragen auf den unteren Ebenen grundsätzlich darauf angelegt ist, die Partei und ihre wirtschaftlichen Interessen zu schützen", kommentierte er.

Die Erlasse des Plenums über die "Rechtsstaatlichkeit" sind Teil von Xis "Anti-Korruptions-Kampagne" der letzten zwei Jahre, seit er an die Macht gekommen ist. Dabei hat Xi das Thema Korruption sowohl benutzt, um ausländische Investoren wegen bürokratischer Hürden und staatlicher Einmischung zu beschwichtigen, als auch um seine Machtposition zu festigen und Gegner auszuschalten.

Das Plenum im letzten Jahr entwarf umfassende Pläne für die Privatisierung und wirtschaftliche Liberalisierung, um die chinesische Wirtschaft auch in strategisch wichtigen Bereichen wie Telekommunikation, Energie und Finanzen für ausländische Investitionen weiter zu öffnen. Zu diesen Maßnahmen gehört auch die Schwächung der dominierenden Stellung von etwa hundert großen staatseigenen Unternehmen (SOEs), gegen die sich Teile der KP-Bürokratie stemmten.

Der Machtübernahme von Xi im November 2012 waren monatelange, intensive interne Fraktionskämpfe vorausgegangen, die zur Entfernung des ehemaligen Parteisekretärs von Chongqing, Bo Xilai, aus seinem Amt führten. Bo war Anwärter auf einen Posten in einem der wichtigsten Parteigremien, dem Ständigen Ausschuss des Politbüros. Bo stand voll hinter der kapitalistischen Restauration, befürwortete aber die Beibehaltung des Schutzes großer Staatsunternehmen, um mit den großen Weltkonzernen auf den Märkten konkurrieren zu können.

Bo wurde aus der KPCh ausgeschlossen, angeklagt und wegen Korruption und Machtmissbrauch verurteilt. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und im Oktober 2013 wurde seine Berufung gegen das Urteil abgelehnt.

Es gab viele Spekulationen darüber, dass Bos Hauptmentor im Ständigen Ausschuss des Politbüros, Zhou Yongkang, in der vergangenen Woche vom Plenum aus der Partei ausgeschlossen werden würde. Zhou, der der höchste Sicherheitsverantwortliche des Landes gewesen war, ist eng mit der so genannten "Ölfraktion" verbunden, d.h. mit den KP-Bürokraten, die mit Chinas riesigen SOEs im Energiesektor verbunden sind. Ende des letzten Jahres wurde er einer parteiinternen Untersuchung unterzogen.

Letztlich fällte das Plenum dieses Mal keine Entscheidung über Zhous Schicksal. Doch die Partei bestätigte den Ausschluss von sechs hochrangigen Beamten, von denen vier mit Zhou verbündet waren. Dazu gehörten drei ehemalige Mitglieder des Zentralkomitees - Li Dongsheng, Jiang Jiemin, der ehemalige Vorsitzende der China National Petroleum Corp und Yang Jinshan, ein ehemaliger stellvertretender Kommandeur der Volksbefreiungsarmee.

Die anderen drei waren stellvertretende Mitglieder des Zentralkomitees: Wang Yongchun, ehemaliger stellvertretender Vorstandschef von PetroChina, Li Chuncheng, ehemaliger Provinzparteichef der Provinz Sichuan, und Wan Qingling, ehemaliger Parteisekretär in Guangzhou.

Die Ausschlüsse wurden zweifellos vorgenommen, um deutlich zu machen, dass die KP-Führung die Pläne für die marktwirtschaftliche Umstrukturierung beschleunigen will und keine Opposition dulden wird.

Am 15. Juli kündigte die Regierung Pläne für die Umstrukturierung riesiger Staatsunternehmen an, um private Investitionen anzulocken. Zwei Unternehmen, China National Building Materials Group und China National Pharmaceutical Group Corporation (Sinopharm), wurden für ein Programm ausgesucht, das gemischte - staatliche und private - Eigentumsverhältnisse erlauben würde. Vier andere große Staatsunternehmen wurden für andere Reformprogramme ausersehen.

Die internationale Ratingagentur Moodys schwärmte: "Der Start der Programme ist ein Vertrauensvorschuss für die wichtigsten SOEs, auch für solche, die nicht an diesem Pilotprojekt teilnehmen".

Die anhaltenden Spannungen und Spaltungen innerhalb der KP-Führung werden durch den wirtschaftlichen Abschwung des Landes und die Gefahr einer schweren Finanzkrise noch verschärft. Die chinesische Wirtschaft wuchs im dritten Quartal nur um 7,3 Prozent, das ist das schwächste Wachstum seit fünf Jahren. Sie blieb weit unter den acht Prozent, die als Benchmark für die Eindämmung der Arbeitslosigkeit angesehen werden.

Zugleich verlangsamt sich das Wachstum des überhitzten Immobilienmarkts des Landes. Das Investitionswachstum betrug im Zeitraum von Januar bis September nur noch 12,5 Prozent gegenüber mehr als neunzehn Prozent im vergangenen Jahr. Würde die spekulative Immobilienblase platzen, droht eine noch umfassendere finanzielle Instabilität inmitten hoher Verschuldung.

Die chinesische Führung fürchtet, dass die konjunkturelle Abschwächung soziale Unruhen vor allem in der Arbeiterklasse entfacht. Xis Anti-Korruptions-Kampagne ist ein verzweifelter Versuch, die weit verbreitete Feindseligkeit gegenüber der Partei zu entschärfen, die weithin als das angesehen wird, was sie ist: das politische Vehikel für die Interessen einer winzigen, ultrareichen Oligarchie. Zugleich stärkt die KPCh ihren Polizeistaatsapparat, um jeden Widerstand dagegen zu unterdrücken.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 01.11.2014
Plenum der Kommunistischen Partei Chinas treibt marktfreundliche Agenda voran
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2014