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ICARUS/022: Zeitschrift für soziale Theorie, Menschenrechte und Kultur 1/2012


ICARUS Heft 1/2012 - 18. Jahrgang

Zeitschrift für soziale Theorie, Menschenrechte und Kultur



INHALT
Autor
Titel

Kolumne
Wolfgang Richter
Der Not gehorchend, nicht dem eignen Trieb

Fakten und Meinungen
Jens Schulze
Hannes Hofbauer
Gotthold Schramm /
Klaus Eichner
Stephan Tanneberger
Fritz Welsch
Frank Baier
Klaus Georg
Héctor Corcho Morales
Block Dresden 2012
Neue Meinungsgesetze in der EU

Verfassungsschutz im braunen Sumpf
Rechte für Alte und unheilbar Kranke - auch Menschenrechte
Marxisten und Christen im Friedenskampf
Talk mit Preußenchristen
Beweise auf der Deponie
Jose Martí und die deutsche Kultur

Personalia
Hermann Klenner
Horst Jäkel
Uwe-Jens Heuer
Ein wahrer Kommunist

Freundeskreis "Kunst aus der DDR"
Siegfried Wege
Maria Michel
Drei Frauen - drei Temperamente
Die Gleichgültigen sind der Fluch unserer Welt

Rezensionen
Horst Jäkel
Gerlind Jäkel
Klaus Georg Przyklenk
Die DDR und ihre Frauen
Vom Landarbeiter zum Akademiepräsidenten
Verschwörungstheorie?

Marginalien



Ralf-Alex Fichtner
Echo
PF 2012
Aphorismen
Karikatur

Raute




Kolumne

Wolfgang Richter

Der Not gehorchend, nicht dem eignen Trieb

1943 war die Sowjetunion - mitten im gemeinsam mit den Alliierten geführten Krieg gegen Hitlerdeutschland und andere faschistische Staaten von den Streitkräften der USA als möglicher nächster Gegner ausgemacht worden. Sie wussten um die Weltstaatsambitionen ihres eigenen Landes. Sie wussten um die Achtung, die die Siegermacht SU genießen würde und um ihre großen Potenziale. Wer könnte sonst als Konkurrent in Erscheinung treten? Kurz nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im September 1945 legte Lauris Norstad, Stabsoffizier bei der Air Force, eine erste Studie vor, in der durch die Zerstörung von 66 Städten der Sowjetunion ein Blitzsieg über diese ins Auge gefasst wurde. Der neue Gegner war zum militärischen Zielgebiet geworden. Dem entsprach das Feindbild. Die Totalitarismusdoktrin hatte ihre ideologische Leitfunktion für die nächsten Jahrzehnte, noch über das Ende der direkten Blockkonfrontation hinaus, erhalten. In der Umgebung von Präsident Truman dachten, wie Jörg Friedrich in seinem Buch "Yalu. An den Ufern des dritten Weltkriegs" eindrucksvoll beschrieb, "fast alle, dass die Russen Nazi-like agierten und nazi-like zu behandeln waren."[1] Diese bis heute nicht nur gelegentlich anzutreffende Gleichsetzung von Sozialismus und Faschismus war das über ein halbes Jahrhundert hinaus wirkende starke Gift für alle vertrauensbildenden Maßnahmen, wie sie für eine stabile europäische oder globale Sicherheitsordnung und erfolgreiche Entspannungspolitik benötigt worden wären. Misstrauen in USA und NATO war immer noch der sicherste Weg zum strategischen Gleichgewicht. Schließlich war die US-Maxime, dass eine Konfliktlösung durch Entgegenkommen sich nicht für totalitäre Staaten eigne, ein überdeutliches Warnzeichen, übrigens auch ein Streitpunkt zwischen Europa und den USA - siehe KSZE.

Mir scheinen solche Rückblicke höchst interessant - aus ganz aktuellen Gründen. Die Bedrohung der Sowjetunion und aller Staaten des Warschauer Vertrages (oder auch Kubas etc.) mit Krieg wurde in zahlreichen Nachkriegssituationen akut. Das kann aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts und den Motiv- und Interessenlagen der Weltmächte nicht gestrichen werden und hat sie vielmehr einschneidend geprägt. Krieg ist die größte denkbare Menschenrechtsverletzung. Letztlich geht es dabei nicht nur um das Überleben einzelner sondern um das Überleben der Menschheit. Und viele reale und auch drakonische Maßnahmen zu seiner Verhinderung wurden von der Sowjetunion im Wissen um ihre bedauernswerte Tragik durchgeführt. Wer konnte das besser verstehen und auch beklagen als ein Staat mit der größten Zahl der Kriegsopfer im Zweiten Weltkrieg. Man schätzt, etwa der Hälfte.

Die Grenzbefestigungen 1961 an der Grenze der DDR zur BRD, darunter die "Mauer", waren nur eines jener bedauerlichen Ereignisse. Doch angesichts ihres 50. Jahrestages 2011 wurde nicht nur von berufener sondern eben auch von unberufener Seite oft der Opfer an der Staatsgrenze der DDR gedacht. Vielleicht ist jemandem wie mir, der sich mit Krieg und Frieden auch beruflich beschäftigte, bei diesen Debatten neben dem Bedauern der Opfer auf beiden Seiten auch häufig die Situation am Tage nach den Abwürfen der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki in den Sinn gekommen.

Unter Erfindern und Herstellern kannte der Jubel kerne Grenzen. Sie eilten zum Telefon, um Tische zu reservieren und sich zur Feier des Tages im La Fonda Hotel zum Nachtessen zu verabreden. Otto Frisch, 1938 gemeinsam mit Lise Meitner Entdecker der Urankernspaltung, widerte, wie er schrieb, die Lust an, "den plötzlichen Tod von hunderttausend Menschen zu feiern, selbst wenn es sich um Feinde handelte." Sie gedachten an dem Abend nicht der Opfer sondern ihrer Heldentaten, wehrlose Menschen, Frauen und Kinder getötet zu haben. Sie feierten die größte Zahl Toter, die je mit einer einzigen Waffe getötet worden waren. Es war pro Getötetem überdies auch noch die billigste Waffe der Weltgeschichte. Diese Taten waren überdies im Sinne des Kriegsausgangs gänzlich bedeutungslos. Hiroshima und Nagasaki hatten etwa die Größenordnung an Opferzahlen wie durch große Flächenbombardements (Dresden) auch konventionell erreichbar waren.

Doch handelte es sich überhaupt um Feinde? Es waren zivile Opfer. Im moralischen Sinne waren es Opfer von Massakern. Kaum Kombattanten unter ihnen. Wie gedenkt man Opfern? Ganz unterschiedlich. Man gedenkt der Opfer des Faschismus gänzlich anders als der Opfer unter den Angehörigen der faschistischen Wehrmacht.

Was die Opfer an der "Mauer" betrifft, so hatte die DDR immer die Position eingenommen, dass ihr Schicksal auf beiden Seiten der Grenze beklagenswert ist. Das ist eine allgemeine humanistische Grundhaltung, wie sie auch jeder Menschenrechtsorganisation zu eigen sein sollte, was auch für die GBM eine Selbstverständlichkeit ist. Dr. Hans Modrow sagte dazu als einstmaliger Ministerpräsident der DDR 2001 auf einer Geschichtskonferenz zu Ursachen und Folgen des Mauerbaus: "Jeder Tote war einer zu viel, und jeder von ihnen verdient Trauer, wie auch seine Nächsten aufrichtiges Mitgefühl verdienen. Menschliches Leben ist einmalig, verlorenes kann nicht und durch nichts zurückgeholt werden. Tiefe, schmerzliche Wunden, die gerissen wurden, verheilen schwer und zuweilen auch gar nicht." Das wurde jedoch nicht erst nach der "Wende" von verantwortlichen Repräsentanten der DDR so gesehen. Schon Walter Ulbricht nannte die Mauer eine "tragische Notwendigkeit" und nannte jeden Schuss an der Mauer auch einen Schuss auf sich.

Der Präsident des Kuratoriums der GBM, Pfarrer a. D. Dr. Dieter Frielinghaus, knüpfte an eine von der GBM veröffentlichte Erklärung zum 50. Jahrestag der Mauer an, als er schrieb: "Zugegeben, der Satz ist zu knapp, und nimmt man ihn für sich allein, wirkt er kalt, aber wir wissen, dass die Verfasser der Erklärung heute wie damals tiefen Schmerz empfanden über die Todesopfer an den Grenzanlagen."

Wir beklagen aber auch, dass selbst nach Grundlagenvertrag und Vierseitigem Abkommen infolge der unzureichenden Umsetzung übernommener Verpflichtungen aus Menschenrechtskonventionen, insbesondere auch der KSZE-Schlussakte von 1975 und des von der DDR 1976 ratifizierten Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 in die staatliche Rechtsordnung der DDR, das Grenzregime des Kalten Krieges, nicht verhindern konnte, dass auch weiterhin noch Menschen an der Staatsgrenze ihr Leben verloren.

Peter Florin, der langjährige ständige Vertreter der DDR in der UNO, erklärte 1993 zu den Unterschieden der MR-Standpunkte von DDR und BRD (oder auch schlechthin Ost/West), dass beide sehr unterschiedlich stark den Sozialpakt und den Zivilpakt gewichteten. Auch bei der Auslegung des Zivilpakts gab es unterschiedliche Akzente, z. B. bei der Festlegung, "nach dem es jedermann freisteht, jedes Land, einschließlich seines eigenen zu verlassen". "Während die BRD dieses Recht gewährte, hat sich die DDR vorwiegend auf die Möglichkeiten zu dessen Begrenzung - die z. B. eingeräumt werden zum Schutz der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung - berufen. Doch darf ein Recht niemals so stark eingeschränkt werden, dass von seiner Substanz nichts mehr übrigbleibt. Die DDR hätte zumindest ein Gesetz erlassen müssen, das dem Bürger das Recht auf Ausreise unter konkreten Voraussetzungen einräumt." Diesen Standpunkt teilen wir und haben ihn seit unserer Gründung 1991 geteilt.

"Der Not gehorchend, nicht dem eignen Trieb", hat Schiller in eine seiner bleibenden Metaphern gestanzt. Der Geschichte ist oft - trotz allen Bemühens - kein anderer Ausweg geblieben.

Anmerkung:

[1] Jörg Friedrich: Yalu. An den Ufern des dritten Weltkriegs, Berlin 2007, S.13

Raute

Fakten und Meinungen

Jens Schulze

Block Dresden 2012

"Block Dresden 2012 - Blockieren, bis der Naziaufmarsch Geschichte ist!" Dieser Slogan ist über dem diesjährigen Aufruf des Bündnisses "Dresden-nazifrei" zu lesen. Wann aber begann die Geschichte faschistischer Aufmärsche? Sie hatte weit vor dem 30. Januar 1933 begonnen, der formal als Datum der Machtergreifung durch den deutschen Faschismus gilt. Zur nachfolgenden Reichtagswahl am 5. März 1933 wurden für die NSDAP im Wahlkreis Dresden-Bautzen[1] 43,6 Prozent der Stimmen registriert. Die SPD lag da immerhin noch bei 28,4 Prozent und die KPD bei 13,4 Prozent der Stimmen. Dresden galt aber bereits zu dieser Zeit nicht nur als Kulturstadt, sondern vor allem als Industrie- und Militärstandort. Die Albertstadt[2] war über Jahrzehnte zu einem selbständigen Stadtteil mit Waffenproduktion, Arsenal, Ausbildung, eigenen Verkehrsanbindungen und Truppenunterkünften entwickelt worden, wie es kaum in einer anderen Stadt möglich war. In anderen Stadtbezirken, wie Niedersedlitz war die Industrie startbereit für einen weiteren Krieg. In der Umgebung Dresdens reihten sich weitere militärische Standorte, wie Meißen-Bohnitzsch, Kamenz, Bautzen und Löbau in den Großstandort Sachsen ein. Zwangsläufig war ein großer Teil der Bevölkerung nicht nur mit der Partei der Faschisten verbunden, sondern unmittelbar in die Rüstungsindustrie, in den Aufbau und die Aufrechterhaltung des Machtapparates involviert. In der Geschichte der folgenden Jahre sind in unseren Köpfen nicht allein die Nacht vom 9. zum 10. November mit brennenden jüdische Häusern, Läden und Synagogen und deportierten Menschen haften geblieben. Der Überfall am 1. September 1939 auf Polen, die folgenden Annexionen weiterer Länder und am 21. Juni 1941 der Überfall auf die UdSSR, die Errichtung von Vernichtungslagern mit der systematischen Beseitigung von Juden, Homosexuellen, Sinti/Roma und vielen anders denkenden Menschen, wie Sozialdemokraten und Kommunisten, ging nicht spurlos am vermeintlichen Hinterland in Deutschland vorbei. Die tägliche Propaganda war wenig verklausuliert, sie sprach eindeutig von Vernichtung der Feinde des "Nationalsozialismus". Dies war nicht zu überhören oder zu übersehen. Zeitdokumente, wie Filme, Radioaufzeichnungen, Bücher oder Feldpostbriefe zeugen heute noch vom Wissen um die Geschehnisse, auch wenn hier aus politischen und nicht zu letzt psychologischen Gründen ein Verdrängungsprozess einsetzte.

Deutsche Bomben fielen auf Tausende Städte und Dörfer anderer Länder, der Rückzug deutscher Okkupanten hinterließ Millionen Tote und verbrannte Erde neben einem unüberschaubaren Strom an Flüchtlingen und Leid unter den Menschen. Noch über sechs Jahrzehnte später finden wir traumatisierte Menschen, die diese Zeit miterleben mussten. Unsere Vorfahren haben in diesen Städten und Dörfern gelebt, unsere Familien haben damit zwangsläufig eine Verbindung. Und leider blieb es nicht bei den 43 Prozent NSDAP-Wählern und Wählerinnen. Henny Brenner schrieb in ihrem Buch Das Lied ist aus: "Den Bomben, die in jener denkwürdigen Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 die Stadt Dresden den Erdboden gleichmachten, verdanke ich mein Überleben. Was alles musste passiert sein, dass ein Mensch im Angesicht des verheerendsten Untergangs, den eine deutsche Stadt je erlebte, innerlich aufatmen konnte?"[3] So erging es Tausenden weiterer Menschen in vielen Städten Europas, nicht nur Deutschlands. Dennoch scheint es Unterschiede zwischen Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart und Dresden zu geben. Die Gründe sind sicher unmittelbar in der bereits skizzierten Geschichte der Stadt zu Anfang des letzten Jahrhunderts bis zum Kriegsende im Mai 1945 zu suchen. Die Goebbelssche Propaganda erzeugte auch in den letzten Tagen des faschistischen Staates ein lange nachwirkendes Bild, was unter den Bedingungen des kalten Krieges und dem Feindbild zwischen Ost und West, trotz des Bemühens einer sachlichen Aufarbeitung und einer objektiven historischen Betrachtungsweise bis 1990, erhebliche Nachwirkungen auf Generationen hatte. Beispiele hierfür finden wir in der Diskussion über die Zahl der Toten der Bombenangriffe[4] wie auch in Protokollen von Augenzeugen des Geschehens dieser Nächte. Aus heutiger Sicht ist sicher auch umstritten, was ein Pylon[5] mit der Aufschrift "Dresden", neben "Leningrad", "Coventry", "Auschwitz", "Dachau" und anderen im Rondell der Gedenkstätte gegen Krieg und Faschismus auf dem Heidefriedhof zu suchen hat. In den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts war es den Besuchern des Rondells klar, es besteht ein Zusammenhang zwischen der zerstörten Stadt Dresden, den anderen durch Faschismus zerstörten Orten und den Millionen Menschen, die in diesem Wahnsinn ihr Leben lassen mussten. Doch eines steht fest, der Krieg kehrte nach Deutschland zurück und brachte auch Leid über die Menschen in Deutschland. Für die heutigen Hausherren der Gedenkstätte auf dem Heidefriedhof in Dresden gibt es offensichtlich keinen Zusammenhang zwischen Faschismus, Deutschland und deutschem Kapital, damit aber eine klare Opferrolle für alle Toten der Bombenangriffe auf deutsche Städte. Dies muss ich gerade als ursprünglich Dresdner vehement unter Kritik stellen, es waren bei weiten nicht alle Opfer! Die Landesregierung von Sachsen hingegen legte in den vergangenen Jahren mehrfach Kränze am Denkmal der "Opfer der Bombenangriffe" gemeinsam mit Offizieren der Bundeswehr, dem Landesverband der NPD und anderen rechten Organisationen nieder. Dies wird umso unwirklicher, da die Gedenktafel für die Toten der Bombardierung nur über den ersten Teil der Gedenkstätte zu Ehren von Antifaschistinnen und Antifaschisten und den zweiten Teil, das "Rondell gegen Krieg und Faschismus" erreichbar ist. Um es mit den Worten Walter Weidauers[6] dem ersten Bürgermeister Dresdens nach dem Krieg zu formulieren: "Besonders schlimm sind Katastrophen, die vermeidbar gewesen wären. Aber nichts in der Geschichte unserer Stadt ist vergleichbar mit der Nacht vom 13. bis 14. Februar 1945. Zum Vermeidbaren kommt noch die Tatsache der bewusst von den faschistischen Verbrechern provozierten Zerstörung Dresdens. ... Mit Schmerz und Trauer gedenken wir heute der Opfer. Mit doppeltem Schmerz, weil ihr Opfer sinnlos war, und - sprechen wir es offen aus - weil die politische Schwäche des deutschen Volks mit Schuld trägt an diesem Krieg, den wir hätten verhindern können, wenn wir dem Beispiel der Hunderttausenden gefolgt wären, die Not und Tod auf sich nahmen, die in die Zuchthäuser und Konzentrationslager wanderten, weil sie gegen Hitler und den Krieg aktiv kämpften."

In der Zeit der Deutschen Demokratischen Republik war dem Faschismus nicht nur die politisch ökonomische Grundlage entzogen, auch einzelnen Gruppen oder Personen die Möglichkeit des faschistoiden Handelns versperrt. Wie sich nach 1990 zeigte, waren die vier Jahrzehnte leider ideologisch ein zu kurzer Abschnitt, um den Geist des Faschismus endgültig zu besiegen. Mit dem Jahr der Einverleibung des ersten Staates auf deutschem Boden, der das Primat im Volkseigentum sah, der nun folgenden Reprivatisierung in Industrie und Landwirtschaft und dem Zerfall sozialer Systeme kamen die Aufmärsche von Faschisten auch hier wieder. In der Bundesrepublik wurden die Wurzeln des Faschismus nie beseitigt, im Gegenteil, Kriegsverbrecher waren bereits nach kurzer Zeit wieder auf freiem Fuß. Richter, Staatsanwälte, Offiziere der Wehrmacht, SS, Gestapo und des Sicherheitsdienstes sowie andere höhere Beamte des faschistischen Machtapparates stiegen schnell die Erfolgsleiter hinauf und bildeten die Basis für eine Remilitarisierung der BRD, mit für uns bekannten Folgen des kalten Krieges und späterer Kriege.

So mussten wir in den neunziger Jahren Aufmärsche von Hunderten Faschisten in Dresden beobachten. Nach dem Jahr 2000 stieg die Zahl stetig, bis es 2005 bereits über 6000[7] Teilnehmer waren, die offen und unter Schutz deutscher Polizistinnen und Polizisten durch Dresdens Straßen ziehen konnten. Im Jahr 2009 kündigten rechte Organisationen, Gruppen und Parteien einen der größten Aufmärsche an, dem sich das Bündnis "!No pasarán!" mit über 3000 Antifaschistinnen und Antifaschisten aller Generationen entgegenstellte. Die Faschisten mussten ihren Marsch in Richtung Altstadt abbrechen, dennoch wurde der Demonstrationszug der Antifaschisten unter den Augen der in Dresden auf dem Schlossplatz anwesenden Parteispitzen der SPD und der Partei Die Linke durch eine massive Übermacht der Polizei brutal zusammengeschlagen. Die Konsequenz aus diesem Ereignis war der gemeinsame Wille der Teilnehmer der Antifa-Demonstration ein breites und übergreifendes Bündnis mit Zehntausenden Menschen nach Dresden zu bringen, um Aufmärsche der Faschisten zu verhindern und der sächsischen Regierung ein eindeutiges Zeichen zu geben, dass die Bevölkerung eine solche Entwicklung nicht dulden wird. In den folgenden Jahren ist es dem Bündnis "Dresden-nazifrei - Dresden stellt sich quer" gelungen, weit über zehntausend und im vergangenen Jahr weit über zwanzigtausend Menschen aus der Bundesrepublik und dem Ausland zu Blockaden nach Dresden zu bringen. Ein weiterer Schwerpunkt war es, eine steigende Akzeptanz in der Dresdner Bevölkerung zu erreichen. Dies war und ist schwierig, da Differenzen zu Formen des Kampfes und im Umgang mit dem leider vorherrschenden "Opfermythos" in Dresden bestehen. Dennoch verzeichnen wir nicht nur eine steigende Anzahl von Teilnehmern aus dem sächsischen Raum, sondern auch ein wachsendes Interesse in den Stadtbezirken und bei den hier organisierten Menschen. Dies ist um so höher zu bewerten, da die Repressionen durch den sächsischen Staat immer groteskere Formen annehmen und die Kriminalisierung von Antifaschismus auf der Tagesordnung steht. Daran haben auch die Aufschreie nach den Veröffentlichungen über angeblich nicht bekannte faschistische Netzwerke und Zusammenhänge mit staatlichen Organen nichts geändert. Im Gegenteil, Funkzellenabfragen, Aufklärungsdrohnen, Dutzende Videokameras, Videowagen, Einflussnahmen auf Busunternehmen, Bespitzelungen, Pfefferspray, Pfefferballs, Schlagstöcke aller Bauformen, Wasserwerfer mit Tränengas, Räumpanzer und Hubschrauber, große Einheiten und kleine Greif- und Schlägertrupps werden auch im Februar 2012 wieder an der Tagesordnung sein, damit letztendlich uns alle treffen. So hat es Mitte Januar 2012 die sächsische Regierung wiederholt sehr deutlich angekündigt.

Das Bündnis "Dresden-nazifrei" und viele tausend weiterer Menschen aus nun weit über dreihundert Organisationen, Verbänden oder Gruppen werden am 13. und am 18. Februar 2012 Aufmärsche von Faschisten verhindern.

Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! !No pasarán!


Anmerkungen:

[1] http.//www.wahlen-in-deutschland.de/wrtwdresdenbautzen.htm
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Albertstadt
[3] Brenner, Henny: Das Lied ist aus - Ein jüdisches Schicksal in Dresden, Zürich 2001, S. 7
[4] Lämpe, Dieter: Angriff auf Dresdens Tote, dokumentiert bei Spottless Nr. 225
[5] eine von mehreren steinernen Stelen, die ein Rondell von etwa 50 m Durchmesser bilden
[6] "Sächsische Volkszeitung" 13.02.1946
[7] Teilnehmer an faschistischen Aufmärschen 1999 bis 2011 in Dresden, www.dresden-nazifrei.com

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
- Polizei bei der Arbeit. So kann sie schließlich nachweisen, dass es Antifaschisten gibt.

Raute

Fakten und Meinungen

Hannes Hofbauer

Neue Meinungsgesetze in der EU

Historische Wahrheit vom Gericht verordnet

Der Beitrag ist einem für das GMB-Informationsheft überarbeiteten Kapitel aus dem Buch von Hannes Hofbauer entnommen:
Verordnete Wahrheit - bestrafte Gesinnung. Rechtsprechung als politisches Instrument. Promedia Verlag Wien 2011

Was im politisch-ökonomischen Bereich immer sichtbarer wird, nämlich die Ausschaltung demokratischer Strukturen im Dienste von Kapitalinteressen, das spiegelt sich in der Europäischen Union auch auf der politisch-kulturellen Ebene wieder. Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit ist ein EU-Rahmenbeschluss in Kraft getreten, der sämtliche Mitgliedsländer dazu verpflichtet, unliebsame Meinung unter Strafe zu stellen. Rechtsprechung wird damit direkt zum politischen Instrument.

Die Vorbereitungen dazu gehen auf das (Anti-)Terrorfieber des Jahres 2001 zurück. Am 19. April 2007 haben sich dann die Justizminister von 20 EU-Staaten - sieben Kollegen blieben vorerst aus unterschiedlichen Gründen noch skeptisch - nach jahrelangen Verhandlungen auf einen Rahmenbeschluss zur Kriminalisierung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geeinigt, in dem auch die Leugnung bzw. Verharmlosung von Völkermord, Kriegsverbrechen und "Verbrechen gegen die Menschheit" als strafwürdig definiert wurde. Dabei geht es nicht um physisch ausgeführte rassistische oder völkermörderische Taten, die selbstverständlich in allen nationalen Gesetzeswerken strafbar sind, sondern um mündliche oder schriftliche, öffentlich gemachte Äußerungen dazu. Eineinhalb Jahre später, am 28. November 2008, wurde die von Brüssel ausgearbeitete Vorgabe als Rechtsakt vom EU-Rat beschlossen und am 6. Dezember im "Amtsblatt der Europäischen Union" veröffentlicht.

Schon 2001 war auf Vorstoß Deutschlands versucht worden, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nach dem Muster antisemitischer bzw. den Holocaust leugnender Äußerungen überall in der Europäischen Union strafbar zu machen. Die griechische Präsidentschaft sowie vielfache Gegenstimmen aus Italien, Dänemark und später - aus gänzlich anderen Gründen - dem Baltikum haben die Gesetzeswerdung verzögert, bis die deutsche Bundesjustizministerin Brigitte Zypries im Frühjahr 2007 während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft einen Durchbruch vermelden konnte: "Wir wollen mit diesen Verboten nicht warten, bis es wieder zu Taten kommt, um dann die Täter zu verfolgen und gegebenenfalls zu verurteilen, sondern uns liegt daran, schon im Vorfeld Maßnahmen ergreifen zu können, dass diese Verbrechen erst gar nicht geschehen können,[1] meinte die SPD-Politikerin anlässlich einer Konferenz der Vorsitzenden der innenpolitischen Ausschüsse der nationalen Parlamente Anfang Mai 2007 in Berlin. Bevor Verbrechen geschehen, so die deutsche Justizministerin, wird also kriminalisiert. Die Haltung ist bedenklich, ja für einen Rechtsstaat bedrohlich. Doch bleiben wir vorerst bei der politischen Dimension der strafrechtlichen Verfolgung von Meinung.

Auf den ersten Blick wirkt der EU-Rahmenbeschluss zur Verfolgung von Rassismus, Antisemitismus und Leugnung von Völkermord für den unbedarften Demokraten vernünftig. Rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen sollen Straftatbestände sein, sobald sie den "öffentlichen Frieden gefährden". Begründet wird dies mit einem "Verstoß gegen europäische Werte", wie sie die Herabwürdigung von Menschen aufgrund anderer Hautfarbe, Religion oder nationaler Abstammung darstellen. Im Mittelpunkt steht das "Verbot der öffentlichen Aufstachelung zu Gewalt und Hass" gegenüber Andersartigen. Dem könnte ohne Wenn und Aber zugestimmt werden. Wenn einem nicht parallel dazu die rassistische Einwanderungspolitik der Europäischen Union in den Sinn käme, der Jahr für Jahr an den Außengrenzen insbesondere im Mittelmeer Tausende Schwarze zum Opfer fallen. Mauer und Stacheldraht im nordafrikanischen Ceuta, die schwarze Hungerleider von den vergleichsweise gut gefüllten Töpfen in EU-Europa abhalten sollen, sind zu in den Massenmedien weitgehend verschwiegenen Symbolen dieses suprastaatlichen Rassismus geworden. Desgleichen EU-europäische Marinesoldaten und Rückführabkommen mit afrikanischen und asiatischen Staaten, mit denen Jagd auf Schwarze im Mittelmeer gemacht wird ... und die letztlich die Basis und Legitimation für den allerorts aufkeimenden Rassismus im Inneren der Festung bilden.

Doch gegen diese Art von strukturellem Rassismus ist der EU-Rahmenbeschluss nicht gefasst worden. Nicht die Innen- und Justizminister, die sich immer neue Technologien gegen verzweifelt um Aufnahme suchende Asiaten und Afrikaner ausdenken, befinden sich im Visier der neuen Rechtsvorschriften. Eher schon islamische Imame in den Moscheen zwischen Bradford und Köln, denen einmal ein "die Weißen sind schuld am Unglück in Palästina" oder ein Wortschwall gegen Israel entschlüpft, können mit dem Antirassismusgesetz ohne viele Umstände vor den Kadi gezerrt werden. Auch das wäre akzeptabel, mag sich der Demokrat denken. Immerhin sind Hassprediger einer offenen Gesellschaft nicht würdig. Der Einsatz des Strafrechtes zur Regulierung von Meinung ist indes der falsche Weg, weil er Positionen tabuisiert und Diskussionen einer staatsanwaltlichen Kontrolle unterstellt.

Den bösen Gedanken verbieten

Aus welchem Geist der EU-Rahmenbeschluss entspringt, kann idealtypisch in einer Rede der damaligen deutschen Justizministerin Brigitte Zypries vom 7. Mai 2007 nachgelesen werden.[2] Auf drei Seiten gibt darin die deutsche Sozialdemokratin jene scheinbar arglose Mischung aus juristischen Selbstverständlichkeiten und Aufforderungen zur Kriminalisierung von öffentlichen Äußerungen zum besten, die zum Muster der Neueinführung von Meinungsdelikten gehört. Der zugrunde liegende vermeintlich gute Wille entspringt einem eurozentrischen, justizfixierten Weltbild. Alles und jedes darin kann und muss schlussendlich verrechtlicht werden. Vom tagtäglichen Umgang miteinander und den daraus entstehenden persönlichen bzw. gesellschaftlichen Verantwortlichkeiten bis zu politischen Debatten, historischen Einschätzungen und gesellschaftlichen Kompromissen steckt der Staat - bzw. der Suprastaat in Form der Europäischen Union - die Rahmenbedingungen ab und deklariert jenseits davon Geäußertes als illegitim und verfolgenswert. Politische Korrektheit wird justiziabel.

Anfangs ihrer Rede, die vor den Vorsitzenden der innenpolitischen Ausschüsse der nationalen Parlamente gehalten wurde, rief Brigitte Zypries die neue deutsche Stärke nach erfolgter Wiedervereinigung in Erinnerung. "Sie haben ja schon ein bisschen etwas von Berlin gesehen", kokettierte sie in gastfreundlicher Manier mit den Parlamentariern der 27 EU-unierten Staaten, "und sicherlich auch das Reichstagsgebäude besichtigt. Ein Ort, der symbolträchtig ist und im Moment derzeit in Deutschland dafür steht, dass man sagen kann, Deutschland ist wieder vereint und ist ein demokratischer Staat." Die zweimalige Betonung von "im Moment" und "derzeit", so kann der Zuhörer hoffen, bezieht sich ausschließlich auf die Vergangenheit und nicht auf eine mögliche Zukunft. Es soll der Justizministerin hier auch gar nicht unterstellt werden, dass sie damit gedanklich die Zukunft gemeint haben könnte, die nicht demokratisch sein müsste. Doch um Demokratiefragen geht es eigentlich gar nicht, sondern um Selbstverständlichkeiten, vordergründig. "Wir wollten gerne deutlich machen, und ich glaube, das ist uns in der Kommunikation über diesen Rahmenbeschluss jetzt auch geglückt, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit eklatante Verstöße gegen europäische Werte sind, gegen die Werte, die wir in Europa (gemeint ist die EU, HH) gemeinsam vertreten wollen und dass sie sich als einen Anschlag darstellen auf die Grundfreiheiten auch des EU-Vertrages und auf alles das, was wir für ein friedliches Zusammenleben in Europa brauchen." Niemand weit und breit, der dem widersprechen wollte. Friedliches Zusammenleben ist ohne antirassistisches Grundverständnis nicht denkbar. Und friedlich zusammen leben ist ein menschlicher Wert an sich, nicht nur ein "europäischer". In allen Gesellschaften schließen einander Friede und Hass aus. Warum also so viel Aufhebens über die Grundkonstante menschlichen Zusammenlebens? Zum einen wohl darum, weil sie gerade in Europa - und das während des gesamten 20. Jahrhunderts hindurch - nicht funktioniert hat. Heute wieder nicht. Die Vorstädte in größeren Städten sind soziale Brennpunkte, die von Medien und Politik mühevoll in ethnische Differenzen umgedeutet werden. An den Rändern der Europäischen Union ist nach dem Zusammenbruch von Sowjetunion und Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe im Jahr 1991 der Krieg als Mittel der Auseinandersetzung wieder auf die Tagesordnung gekommen. Menschen in den ex-jugoslawischen Republiken, in Moldawien, für kurze Zeit im Baltikum, in Georgien, Abchasien, Südossetien und einer Reihe von russländischen Provinzen im Kaukasus haben nach mehreren Generationen, denen dies erspart geblieben ist, mit Maschinengewehrsalven und Drohnenangriffen leben (und sterben) lernen müssen. Und seit 19. März 2011 warfen wieder EU-europäische "Menschenrechtsbomber" (gemeinsam mit US-amerikanischen) ihre todbringende Last auf Dörfer und Städte, diesmal für mehrere Monate im nordafrikanischen Libyen.

Jugendrevolten in den Metropolen und Bürgerkriege an der Peripherie sind Zeichen eines sozialen Verteilungskampfes, der nach dem Ende der europäischen Bipolarität heftiger geworden ist. Sozialer Ausgleich, wie er in hochkonjunkturellen Zeiten bis in die 1970er Jahre in Ost und West zum Standardrepertoire staatlichen Politik gehört hat, ist in den 1980er Jahren und danach mehr und mehr dem Gesetz des - ökonomisch - Stärkeren gewichen. Der Vormarsch des Neoliberalismus ist dann spätestens im Crash ab 2008 für jedermann sichtbar geworden. Er setzte das zunehmende soziale Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich auf seine Weise um. Allein am Auseinanderklaffen von Arbeits- und Kapitaleinkommen zwischen 1960 und 2010 wird diese Entwicklung überdeutlich. In diesen 50 Jahren sank die Nettolohnquote, die die Einkommen aus unselbständiger Beschäftigung wiedergibt und damit der beste Indikator für die Einkommensverteilung ist, in Deutschland von 55,8 Prozent (1960 für die BRD) auf 39,4 Prozent (1. Halbjahr 2000 für das große Deutschland).[3] Den Auswirkungen dieser zunehmenden sozialen Divergenz gesetzlich mittels Bestrafung rassistischer Äußerungen beikommen zu wollen, wäre naiv. Und soviel Naivität wollen wir deutschen Regierungsmitgliedern nicht unterstellen.

Worum ging es also in Frau Zypries' Argumentation? "Wenn jemand in einer öffentlichen Versammlung dazu auffordert, Menschen einer bestimmten Hautfarbe zu verprügeln, oder in den Treffpunkten bestimmter Religionsgruppen zu randalieren, wird dies künftig in allen Mitgliedstaaten strafbar sein. Das gleiche gilt, wenn etwa jemand Angehörige einer bestimmten Ethnie als Parasiten bezeichnet, die es gelte auszumerzen. Solche Taten wollen wir nicht haben." Niemand Vernünftiger wird derlei Aufforderungen haben wollen. Und wohl jeder kann der Bestrafung solcher Hetze und Hasstiraden zustimmen.

Problematisch wird es an der Schnittstelle von einem Aufruf zu einem Verbrechen, wie es die bisherigen Beispiele in der Rede von Zypries zweifellos darstellen, und einer Meinungsäußerung historische oder aktuelle Ereignisse betreffend. Genau diese Schnittstelle wird im "Rahmenbeschluss der Europäischen Union" hergestellt. Ohne Übergang kam das auch in der Rede von Justizministerin Zypries zum Ausdruck. "Zukünftig soll es auch strafbar sein, wenn Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen öffentlich gebilligt, geleugnet oder grob verharmlost werden". Wo ist der Zusammenhang mit der Aufforderung zu einer Straftat? Warum wird die Verharmlosung von Völkermord unter dem Titel "Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" abgehandelt? Welche Gemeinsamkeit haben Bemerkungen wie "Neger gehören hier nicht her, deportiert sie, schmeißt sie in ein Lager" und "Die Erschießung von muslimischen Männern am Rande von Srebrenica kann nur im Kontext monatelanger Angriffe auf serbisch-orthodoxe Dörfer durch muslimische Kommandos verstanden haben, die Dorfbewohner zu Tausenden gemetzelt haben. Die Bezeichnung Völkermord für die serbisch-bosnische Grausamkeit scheint mir über den Bürgerkriegscharakter der Auseinandersetzung hinwegtäuschen zu wollen." Die erste Bemerkung ist klar rassistisch motiviert. Ob man nun für oder gegen gesetzliche Ahndung ist, sein fremdenfeindlicher, gewalttätiger Charakter ist offenkundig. In der zweiten Bemerkung hingegen ist keinerlei Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit zu erkennen. Hier geht es um eine - zeithistorische - Einschätzung. Welche Toten im jugoslawischen Bürgerkrieg waren Völkermordopfer? Wer kann sich eine solche Feststellung anmaßen? Man sollte glauben, jedem sei dazu eine Meinung gestattet. Den Betroffenen ohnedies, sowie Zeitzeugen, Journalisten, Historikern. Die Europäische Union sieht das seit 2008 anders: "Es wird künftig strafbar sein, zu behaupten, ein Völkermord, den ein Gericht als feststehende Tatsache festgestellt hat, sei nicht existent, er sei nicht gegeben, er sei von den Leuten frei erfunden, nur um Entschädigungszahlungen einzufordern"; argumentierte die deutsche Justizministerin. Also klar und deutlich: nur "ein Gericht" ist befugt, endgültige Feststellung darüber zu treffen, was ein Völkermord ist und was nicht. Srebrenica, Darfur, Armenier im Osmanischen Reich (1915), Albaner (1998) oder Serben (1999) im Kosovo, Tschetschenen, Ukrainer in der frühen Sowjetunion, Palästinenser im heutigen Israel ... die Liste ist nicht enden wollend. Sobald irgendwo ein von der Europäischen Union anerkanntes Gericht einen Schiedsspruch fällt, der einen Mörder als "Völkermörder" einstuft, ist daran nicht mehr zu rütteln. Der richterliche Spruch macht Meinung justiziabel.

Rassenhass und Fremdenfeindlichkeit wird man mit Gesetzen weniger beikommen können als es mit bildungs- und sozialpolitischen Maßnahmen möglich wäre, die Ethnisierung sozialer Differenz im Ansatz zu verhindern. Doch auch darum ging es Frau Zypries nicht. Mit dem von ihr betriebenen Rahmenbeschluss wird, ganz abseits von dem Verwirrung stiftenden Namen des "Gesetzes über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit", Kontrolle über Debatten erlangt, die für die Europäische Union außen- und geopolitische Bedeutung haben. Die Analyse des jugoslawischen Bürgerkrieges (1991-1995) sowie der völkerrechtswidrigen NATO-Intervention 1999 gegen Belgrad (sowie auch die Einschätzung der Bombardierung Libyens durch EU- und NATO-Staaten) spielen darin eine entscheidende Bedeutung. Wer die Meinungshoheit über diese Vorgänge hat, dessen Politik kann auch nachträglich gerechtfertigt werden. Nicht von ungefähr fiel Brigitte Zypries auf die Frage nach einem Beispiel für eine Leugnung von Völkermord "Jugoslawien" ein.

Rahmenbeschluss vorn 28. November 2008[4]

"In Erwägung nachstehender Gründe". Das von der damaligen französischen Innenministerin Michèle Alliot-Marie in ihrer Funktion als EU-Ratspräsidentin unterzeichnete Dokument listet 16 Gründe auf, um den "Rahmenbeschluss zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" zu untermauern. Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit geben dazu die ideologischen Parameter ab. In Punkt 1 heißt es: "Rassismus und Fremdenfeindlichkeit stellen unmittelbare Verstöße gegen die Grundsätze der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit dar, auf die sich die Europäische Union gründet und die allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind." Sämtliche 16 Gründe, die den Rat der EU zur Annahme des Beschlusses veranlassten, setzen sich ausschließlich mit rassistischen und fremdenfeindlichen Motiven auseinander, wobei sich im Visier der Rechtsprechung all jene hasserfüllten und hetzerischen Äußerungen befinden, die sich auf "Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft" beziehen. Auffallender Weise wird auf "soziale" Herkunft nirgends Bezug genommen.

Für unser Thema von entscheidender Bedeutung ist das vollständige Fehlen der Begriffe "Völkermord" oder "Verbrechen gegen die Menschheit" im argumentativen Teil des Beschlusses. Kein einziger der 16 Gründe, die den EU-Rat "auf Vorschlag der Kommission, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments" zu den rechtlich relevanten 10 Artikeln führt, enthält eine Auseinandersetzung mit Völkermord oder gar der Leugnung bzw. Billigung oder Verharmlosung desselben. Auch Verbrechen gegen die Menschheit, im Deutschen konsequent irreführend als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnet, zählen nicht zu den Gründen, die zum Beschluss und damit zur Gesetzwerdung beigetragen haben.

Ohne jede Erklärung, warum beispielsweise das Leugnen von Völkermord eine rassistische oder fremdenfeindliche Straftat sein sollte, enthält dann bereits der Artikel 1 des Beschlusses (unter der Überschrift: "Rassistische und fremdenfeindliche Straftaten") in Absatz c) folgende Feststellung: "Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgende vorsätzliche Handlungen unter Strafe gestellt werden: das öffentliche Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschheit/Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Sinne der Artikel 6, 7 und 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, das gegen eine Gruppe von Personen oder gegen Mitglieder einer solchen Gruppe gerichtet ist, die nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft definiert werden, wenn die Handlung in einer Weise begangen wird, die wahrscheinlich zu Gewalt oder Hass gegen solch eine Gruppe oder gegen ein Mitglied solch einer Gruppe aufstachelt." Mit dem "Internationalen Strafgerichtshof" ist das Rom-Statut[5] gemeint, das die UNO am 17. Juli 1998 verabschiedet hat und dessen Artikel 6, 7 und 8 Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen definieren. Demnach bedeutet Völkermord "jede der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören: a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe; b) Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe; c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind; e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe." Artikel 7 ("Verbrechen gegen die Menschlichkeit") listet unter "systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung" folgende Tatbestände auf: Tötung, Versklavung, Vertreibung, Folter, Vergewaltigung und Zwangssterilisation. Unter "Kriegsverbrechen" (Artikel 8) werden Taten aufgeführt, die "Teil eines Planes oder einer Politik" sind, wie vorsätzliche Tötung, Folter, Zerstörung von Eigentum in großem Ausmaß, Nötigung eines Kriegsgefangenen, Geiselnahme, vorsätzliche Angriffe auf Zivilbevölkerung oder zivile Objekte, die nicht militärische Ziele sind, Plünderung, militärische Eingliederung von Kindern unter 15 Jahren sowie weitere Untaten bis hin zur "Erklärung, dass kein Pardon gegeben wird" (2/xii).

Der Rahmenbeschluss der Europäischen Union bezieht sich des weiteren auf Artikel 6 des Internationalen Militärgerichtshofs von 1945 die Nürnberger Prozesse betreffend, der in seinen Statuten ebenfalls Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (sowie "Verbrechen gegen den Frieden") kodifiziert hat und seinerseits auf der Moskauer Dreimächtekonferenz vom Oktober 1943 aufbaut. All diese weithin unbestrittenen und unbestreitbaren Tatbestände werden ins Treffen geführt, nicht um die Taten zu verhindern oder unter Strafe zu stellen, sondern um Leugnen von juristisch festgestellten Völkermorden und Verbrechen gegen die Menschheit sowie Kriegsverbrechen gerichtsanhängig zu machen.Jedem Leugnen oder Verharmlosen geht eine politische Einschätzung voraus. Und genau an diesem Punkt kann bereits wissenschaftliche Forschung mit ihrem analysierenden und relativierenden Charakter zur Tat werden.

Der britische Soldat in einem irakischen Militärgefängnis von Basra macht sich eines Kriegsverbrechens schuldig. Sobald ihm nachgewiesen werden kann, Folter zu welchem Zwecke auch immer angewandt zu haben, muss er sich dafür verantworten. Oder er müsste sich dafür verantworten, wenn er den politischen Umständen entsprechend von einem Richter in London oder dem Internationalen Strafgerichtshof angezeigt und korrekt verhandelt würde. Mit dem EU-Rahmenbeschluss wird nun auch beispielsweise sein militärischer Vorgesetzter oder ein im Kriegsgebiet stationierter Journalist oder ein Historiker daheim an der Universität Oxford straffällig, der daran zweifelt, dass es sich bei der Behandlung irakischer Zivilisten durch eine britische Einheit um Folter im Sinne des Gerichtshofes gehandelt habe; vielleicht deshalb, weil der Journalist oder Historiker in diesem konkreten Fall Beweise dafür zu haben meint, dass die Aussagen des "Gefolterten" von anderer Seite erzwungen worden sind, weil sich damit sunnitische Aufständische ihrerseits Vorteile an der Propagandafront erwarteten. Im Fall jedoch, dass ein von der EU anerkanntes Gericht den britischen Folterer für seine Tat schuldig spricht, wird jeder Zweifel daran zum Rechtsfall. Tat und Meinung sind plötzlich - unterschiedlich gewichtet, aber doch - beides Straftaten.

Zwei Jahre hat sich die Europäische Union mit ihrem Rahmenbeschluss Zeit gegeben, bis die 27 Mitgliedstaaten selbigen in nationale Gesetze gegossen haben. Der Spielraum zur juristischen Definition von Völkermord - und damit seiner Leugnung bzw. Verharmlosung - ist dabei denkbar gering. In Artikel 1, Ziffer 4 heißt es: "Jeder Mitgliedstaat kann bei der Annahme dieses Rahmenbeschlusses oder danach eine Erklärung abgeben, der zufolge er die Leugnung oder gröbliche Verharmlosung der in Absatz 1 Buchstabe c und oder d genannten Verbrechen nur dann unter Strafe stellt,wenn ein nationales Gericht dieses Mitgliedstaats und/oder ein internationales Gericht sie endgültig festgestellt haben oder wenn ausschließlich ein internationales Gericht sie endgültig festgestellt hat." Der gerichtlich festgestellte Befund zur Definition eines Völkermordes hat in jedem Fall endgültigen Charakter, er kann national oder international bestimmt werden.

Die "Strafrechtlichen Sanktionen" in Artikel 3 schreiben Freiheitsstrafen von "mindestens zwischen einem und drei Jahren" vor. Für obigen Satz, die Einschätzung des Massakers von Srebrenica betreffend, ist der Gang hinter schwedische Gardinen vorgesehen, sobald die Massenmorde von einem internationalen Gericht als "Völkermord" eingeschätzt werden. Über juristische Personen wie z. B. Medienunternehmen, die Platz für Zweifler bieten, werden laut Artikel 6 abschreckende Sanktionen verhängt, zu denen Geldstraßen gehören sowie ... beispielsweise ... "c) richterliche Aufsicht, d) die richterlich angeordnete Auflösung". Für eine Umschreibung von Zensurmaßnahmen hat man sich offensichtlich nicht einmal besondere Mühe gegeben. In wessen Zeitschrift oder Internetportal ein als richterlich endgültig ausgewiesener Völkermord geleugnet wird, der muss mit der Schließung seines Mediums rechnen. Desgleichen kann es Universitätsinstituten ergehen, die Forschungen zulassen, bei denen mit Leugnung von "Völkermord" oder "Verbrechen gegen die Menschlichkeit/Menschheit" zu rechnen ist.

Unsicherheit über diesen weitgehenden Vorstoß wird dann in Artikel 7, Ziffer 2 deutlich, wenn es heißt: "Dieser Rahmenbeschluss verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht dazu, Maßnahmen zu ergreifen, die im Widerspruch zu Grundprinzipien stehen, die sich aus Verfassungsüberlieferungen ergeben und die Vereinigungsfreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit ... betreffen." Der Widerspruch zumindest ist erkannt. Zu seiner Auflösung trägt der Rahmenbeschluss hingegen nichts bei. Im Gegenteil: die einzelnen nationalen Jurisdiktionen werden im Unklaren darüber gelassen, wie mit diesem eklatanten Widerspruch umzugehen ist. Es ist nur ein Schluss möglich: Wer leugnet, bewegt sich außerhalb des Spektrums freier Meinungsäußerung.

Zuletzt gibt dann der Rahmenbeschluss noch vor, dass die Umsetzung in nationale Gesetzeswerke bis zum 28. November 2010 zu erfolgen hatte und bis spätestens zum 28. November 2013 der EU-Rat die Sachlage überprüfen wird.

Polizeiexperten diskutieren die Auswirkungen

Am 9. September 2010 lud die deutsche Polizeihochschule zur Expertenrunde. Diskutiert wurden die Auswirkungen des EU-Rahmenbeschlusses auf die deutsche Rechtsprechung und insbesondere auf den exekutiven Umgang damit. Laura Birkenstock von der Abteilung Strafrecht, Strafrechtsprozess und Kriminalpolitik der Polizeihochschule hat die Tagung dokumentiert.[6] Wir wollen uns in der Folge den dabei zur Sprache gekommenen höchst interessanten Einschätzungen unterschiedlicher Polizeijuristen widmen.

Zu Anfang kreiste die Debatte der Polizeijuristen um die Einschätzung, inwieweit die Vorgaben der Europäischen Union mit ihrem Rahmenbeschluss durch den § 130 des deutschen Strafrechtsgesetzes abgedeckt werden können. Die Mehrheit der Experten findet die bereits vorliegende gesetzliche Folie des § 130 ausreichend. Klar ist den anwesenden Staatsschützern und Juristen auch, dass vor allem die Ausweitung der Strafverfolgung auf Leugner von gerichtlich benannten Völkermorden demnächst mehr Arbeit für die Verfolgungsbehörden und auch die Polizei und den Verfassungsschutz bringen wird. "Durch die Umsetzung des Rahmenbeschlusses", so Birkenstock in ihrem Bericht von der Tagung, "würden neben der klassischen Holocaust-Leugnung um Rechtsextremismus auch weitere Äußerungen aus anderen extremistischen Phänomenbereichen, die dann unter Umständen erstmalig in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden geraten könnten", strafwürdig.[7] Als markantes Beispiel, das in der Runde von Gunter Warg eingebracht worden ist, nennt die Autorin eine "linksextremistische Gruppierung, die die Billigung, Verharmlosung oder Leugnung von Völkermorden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit betreibe." Der an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung arbeitende Warg hat dabei das "Internationale Komitee für die Verteidigung von Slobodan Milosevic" (ICDSM) im Visier. Deren Internetseite, so Warg weiter, verherrliche den ehemaligen jugoslawischen Präsidenten, der dem Komitee zufolge für "Gleichheit aller Völker, Personen und ethnischen Gruppen in einer sozial gerechteren und demokratischen Gesellschaft" gestanden habe. Ohne darin einen Widerspruch zu sehen, erklärte Wang weiter, dass die "Internetseite der deutschen Sektion des ICDSM eine Sammlung von Schriften (vorstelle), die die Vorgänge in Srebrenica leugneten oder verharmlosten".[8] Gemeint sind damit die Massaker an den bosnischen Muslimen, die im Juli 1995 stattgefunden haben und vom "Internationalen Gerichtshof" in Den Haag als Völkermord eingestuft worden sind. Auch ein Interview des US-amerikanischen Ökonomen Edward Herman, das unter der Überschrift "In Bosnien hat kein Völkermord stattgefunden" in deutscher Übersetzung in der Berliner Tageszeitung "Junge Welt" erschienen ist, wird von dem Experten ins Treffen geführt, um die mögliche Strafbarkeit der Völkermordleugnung an einem weiteren Beispiel zu exemplifizieren. "In beiden Fällen", so die zusammenfassende Einschätzung, "könnten die im EU-Rahmenbeschluss genannten Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 lit. c bzw. der Tatbestand des § 130 Abs. 1 StGB erfüllt sein, soweit eine derartige öffentliche Leugnung bzw. Verharmlosung des Völkermords und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören und zu Gewalt oder Hass aufzustacheln."[9] Der EU-Rahmenbeschluss diene dazu, die "Rückzugsräume auch für die nicht gewaltbejahenden extremistischen Gruppierungen zu verkleinern." Insofern entspricht er nicht nur den politischen Vorgaben,wie sie z. B. von Bundesjustizministerin Zypries 2007 lanciert worden sind, nach denen auch dann etwas strafbar sein müsse, wenn die Tat noch gar nicht stattgefunden habe. Schlimmer: Auch explizit nicht gewaltbereite Organisationen oder Medien, wie das "Komitee zur Verteidigung von Slobodan Milosevic" oder die Berliner Tageszeitung "Junge Welt" sollen in den Focus gerichtlicher Untersuchungen gerückt werden, so sie sich nicht der in der Europäischen Union vorherrschenden Mehrheitsmeinung zu international sehr umstrittenen Einschätzungen anschließen. Meinung wird bewusst strafbar gemacht. Das Tatstrafrecht wird um ein Gefahrenstrafrecht bzw. um ein - im Falle der Haltung zu Slobodan Milosevic posthumes Feindstrafrecht erweitert.

Die Polizeijuristen diskutierten die Vor- und Nachteile dieser juristischen Transformation für die Exekutive. Einen Vorteil ortet Gunter Warg am Schluss seiner Ausführungen. Die Strafbarkeit von Völkermordleugnung erweitere die Macht der Exekutive enorm: "Werde der Anwendungsbereich des § 130 StGB (auf die Leugnung von Völkermord, z. B. in Srebrenica, d. A.) ausgedehnt, treffe die Verfassungsschutzbehörden auch eine erweiterte Pflicht zur Übermittlung von Erkenntnissen, die zur Verhinderung oder Verfolgung zumindest der extremistisch motivierten Volksverhetzungsdelikte erforderlich seien." Mit anderen Worten: ein neues Arbeitsfeld tut sich auf. Historische "Wahrheit" wird zum Pflichtfach für Verfassungsschützer und Polizeibeamte, die dann den ebenfalls entsprechend zu schulenden Juristen neue Täterkreise, bzw. korrekter: Gefahrenkreise, zuführen sollen.

In für einen Nichtjuristen kaum mehr zu verstehende Höhen entweicht in der Folge der ExpertInnenstreit, wenn es um das Wörtchen "wahrscheinlich" im Gesetzeswerk des § 130, Art. 1, Abs. 1, lit. a und lit. b geht. Dort wird nämlich klar, dass der Tatbestand des Leugnens oder gröblichen Verharmlosens von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen strafbar ist, wenn "die Handlung in einer Weise begangen werde, die wahrscheinlich zu Gewalt oder Hass aufstachele".[10] Für die Referentin Stefanie Bock von der Georg-August-Universität in Göttingen geht gerade aus der Unbestimmbarkeit des Begriffes "wahrscheinlich" hervor, dass die deutsche Bundesregierung auch Tatbestände erfassen will, die im Vorfeld einer Aufstachelung stattfinden; was die Juristin zu der Annahme verleitet, der § 130 des deutschen Strafgesetzbuches (StGB) reiche nicht aus, um die politische Idee des EU-Rahmenbeschlusses zu erfüllen.

Diese Diskrepanz zwischen politischem Wollen und juristischem Umsetzen dieses Wollens durchzieht in der Folge die Debatte der Polizeiexperten. Sie wird dort geradezu philosophisch, wo auf den schmalen Grad zwischen militärischem Kampfeinsatz und Kriegsverbrechen hingewiesen wird. "Mit der Erweiterung des § 130 Abs. 3 StGB auf Kriegsverbrechen", konstatiert folgerichtig Stefanie Bock, "würde nun bereits die Diskussion der Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens in gefährliche Nähe zu Billigung oder Verharmlosung einer Tat rücken. Zudem drohten erhebliche Beweisprobleme. Geleugnet werden könne nur eine historische Tatsache; ein Abstreiten von Geschehnissen, die im Einzelnen noch wissenschaftlich umstritten sind, sei nicht tatbestandsfähig."[11] An dieser Stelle erweist sich die Polizeijuristin als naiv. Denn gerade darum geht es ja im EU-Rahmenbeschluss zur Strafbarmachung von Leugnung oder Verharmlosung von Völkermord, dass es jenseits wissenschaftlicher Debatten eine juristische Institution gibt, z. B. den Internationalen Gerichtshof oder das Jugoslawien-Tribunal, das historische Wahrheit konstatiert und festlegt. Wissenschaftliche Strittigkeit wird ja gerade durch die juristische Keule obsolet. Denn welcher Historiker oder gar welches Universitätsinstitut wird sich vor dieser Drohkulisse mit dem Thema Völkermord kontrovers beschäftigen. Sobald die Verharmlosung strafbar wird, droht wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zu anderen als den von internationalen Gerichten per Schiedsspruch deklarierten Ergebnissen kommen, strafrechtliche Konsequenz. Der Begriff "Völkermord" wird dadurch tabuisiert, als möglicher Forschungsgegenstand für den einzelnen Forschenden gefährlich, wenn nicht unmöglich gemacht.

Akribisch bohren die PolizeijuristInnen weiter. Schließlich geht es darum, eine Praxis zu entwickeln, um den EU-Rahmenbeschluss adäquat umzusetzen. Da kann man auch um das Wort "Aufstacheln" keinen Bogen machen. Schließlich umschreibt dieser Begriff im § 130 StGB eine Voraussetzung für die Strafbarkeit. Wer also beispielsweise seine Meinung kundtut, die osmanischen Armenier seien 1915 zwar massakriert worden, dies sei aber ohne völkermörderische Absieht geschehen, der muss mit dieser Sieht zusätzlich aufstacheln wollen, um sich nach deutschem Recht strafbar zu machen. Nun mag man einwenden, ein Aufstacheln zu einer Tat, die man 100 Jahre später als "Völkermord" leugnet oder verharmlost, sei gar nicht mehr möglich. Dann hätte man aber die Absicht der Europäischen Union, Gesinnungsgesetze zu schaffen, nicht verstanden. Unsere polizeijuristischen Experten sind in dieser Frage hellhörig. Und sie kommen zu einer höchst interessanten, wenngleich schaurig-nebulösen Definition von "aufstacheln". Zitiert wird aus einem Kommentar zum Strafgesetzbuch von Schönke/Schröder, in dem es heißt: "Aufstacheln ist die Einwirkung auf Sinne und Leidenschaften, aber auch auf den Intellekt (...), die objektiv geeignet und subjektiv im Sinne eines Handelns dazu bestimmt ist, eine gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen den betreffenden Bevölkerungsteil zu erzeugen (...)."[12] Mit anderen Worten: Aufstacheln ist kontextabhängig. Wo etwas geschrieben oder gesagt wird, bestimmt den Charakter des Geschriebenen oder Gesagten. Eigentlich ein Gemeinplatz. Die Jurisdiktion entscheidet allerdings in Zukunft darüber, ob eine Meinung strafrechtlich verfolgt wird oder legitim geäußert werden kann. Dieselbe Ansicht - beispielsweise darüber, dass in Bosnien zwischen 1992 und 1995 alle Bürgerkriegsparteien Kriegsverbrechen begangen haben und damit nicht ein einziges Ereignis als Völkermord definiert werden könne - kann im Kontext einer linken Zeitschrift "aufstacheln", als wissenschaftliche Arbeit geht sie vielleicht unter der Rubrik "Analyse" durch.

Zum Schluss ihrer Konferenz über die "Umsetzung der Vorgaben des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" weisen die Teilnehmer am Seminar der deutschen Polizeihochschule dann noch auf ein entscheidendes Problem hin, das u. a. auch Anlass für das Verfassen dieses Buches war. Der EU-Rahmenbeschluss, der unter der scheinbar unverdächtigen Überschrift, ein Gesetz gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit Umsetzen zu wollen, daherkommt, steht gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Oder: in diplomatisch formuliertem Polizeijuristendeutsch: "Einigkeit bestand unter den geladenen Experten darüber, dass der Volksverhetzungstatbestand des deutschen Rechts schon jetzt ein erhebliches Konfliktpotenzial zur Meinungsfreiheit besitze, was durch die Erweiterung auf das Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen sämtlicher Völkermorde, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen noch verschärft werden könnte."[13]

Die Zweifler

Noch im Jahr 2005 standen zehn EU-Mitgliedstaaten dem Vorstoß, rassistische Äußerungen sowie Leugnung von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschheit/Menschlichkeit zu bestrafen, ablehnend gegenüber. Allen voran Italien äußerte seine Zweifel, ob ein solches Gesetzeswerk mit dem Grundrecht auf freien Meinungsäußerung vereinbar sei. Auch die Parlamentsdelegationen von Deutschland, Dänemark, Irland, den Niederlanden, Schweden, Estland, Lettland, Polen und dem Vereinigten Königreich zeigten sich sehr reserviert.[14]

Sieben von 27 EU-Staaten hatten sich noch 2007 gegen gemeinsame Strafvorschriften gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, unter die die Völkermordleugnung subsumiert worden ist, gewandt. Und zwar aus sehr unterschiedlichen Gründen. Dänemark und die Niederlande äußerten prinzipielle Zweifel an der Strafbarkeit von Meinungsäußerungen, ebenso das Vereinigte Königreich, in dem traditionell die Meinungsfreiheit ein übergeordnetes Gut darstellt. Die dänische Justizministerin Lene Espersen wurde im April 2007 von ihrer deutschen Kollegin Bigitte Zypries brüskiert. Nachdem Espersen erklärt hatte, auf dem unter deutschen Ratsvorsitz abgehaltenen Treffen der Justizminister sei keine Einigung erzielt worden und daraufhin das Treffen verließ, verkündete Zypries wenig später den Durchbruch.[15]

Litauen wiederum stemmte sich lange Zeit gegen das Gesetzeswerk, weil es darauf bestanden hatte, auch die "stalinistischen Verbrechen" unter die strafbaren Tatbestände im Beschluss gegen rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen sowie Völkermordleugnung aufzunehmen. Allein, an diesem Punkt musste darauf hingewiesen werden, dass wie immer schrecklich der Stalinismus in Litauen gewütet haben mag, er keine völkermörderische Komponente in sich trug.[16] Alle Bedenken wurden bis zur Beschlussfassung im November 2008 hinweggewischt und, was den impliziten Angriff des Rahmenbeschlusses auf Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung betrifft, mittels eines irritierenden Artikel 7, Ziffer 2 begegnet, in dem kein Land dazu verpflichtet werden soll, Maßnahmen zu ergreifen, die im Widerspruch zu diesbezüglichen Grundprinzipien stehen. Zwischenzeitlich haben allerdings fünf Länder Osteuropas auch die Leugnung kommunistischer Verbrechen unter Strafe gestellt. "Wer vom kommunistischen System begangenen Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, in Zweifel zieht oder in ihrer Bedeutung herabmindert, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren belegt", heißt es beispielsweise in Paragraph 269/C des ungarischen Strafgesetzbuches. Ähnliche Paragraphen gibt es in Polen, Litauen, Tschechien und der Slowakei.

Das eigentlich Bedenkliche, nämlich öffentlich geäußerte politische und historische Überlegungen zu Völkermorden und Verbrechen gegen die Menschlichkeit/Menschheit oder kommunistischer Verbrechen unter das Kuratel von Gerichtshöfen und deren endgültige Entscheidungen zu stellen, hat zumindest die deutschsprachige Diskussion kaum erreicht, weder in den Medien noch in intellektuellen Kreisen. Einzig in der Geschichtswissenschaft werden da und dort Stimmen laut, die kritisch zum EU-Rahmenbeschluss Stellung nehmen. Eine solche Kritik ist allerdings auch für Linke dringend notwendig. Denn was vordergründig ausschließlich als Verteidigung der bürgerlich-liberalen Meinungsfreiheit aussieht - die übrigens auch Linken gut zupass stehen würde -, ist auch aus einer friedenspolitischen und antiimperialistischen Sicht von großer Bedeutung. Erinnerungsgesetze wie die beschriebenen haben das Potenzial, Kriegslügen im Nachhinein zu legitimieren. Gesinnungsjustiz kann sich nur allzu leicht als letztes Glied einer imperialen Strategie entpuppen, die den Krieg mit verdrehter Wahrheit beginnt, Kriegsgegner wie Slobodan Milosevic oder Muammar al Gaddafi als Völkermörder bezeichnet, gegen die aus menschenrechtlicher Pflicht heraus Luftangriffe geflogen werden müssen. Wenn dann nach dem Sieg der allesamt NATO-geführten Aggressionen der politische Wechsel im Land des Gegners erfolgt und die ökonomischen Herzstücke neu verteilt sind, dann kommen Erinnerungsgesetze zum Einsatz, die die Definitionsmacht der Ereignisse historisch zementieren und somit im Nachhinein den erlogenen Kriegsgrund per Strafandrohung zur verordneten Wahrheit machen. Eine solche politische Justiz dient letztlich dazu, Herrschaftsgeschichte zu schreiben.

Anmerkungen:

[1] Pressestelle des Bundesministeriums für Justiz, www.bmj.de. am 07.05.2007
[2] Zypries, Brigitte, Rede Gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit: www.bmj.de 07.05.2007
[3] www.boeckler.de/pdf/impuls2010_19_1.pdf
[4] Rahmenbeschluss 2008/913/JT des Rates vom 28.11.2008, Amtsblatt der Europäischen Union L 328/55 vom 06.12.2008
[5] www.un.org/Depts/german/internatrecht/roemstat1.htm#T26
[6] Birkenstock, Laura: Die Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2009/913/JT vom 28.11.2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, in Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik 12/2010, S. 783 f.
[7] Ebenda, S. 183
[8] Ebenda
[9] Ebenda
[10] Ebenda, S. 784
[11] Ebenda, S. 785
[12] Leuckern/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder Strafgesetzbuch-Kommentar o.O. 2010, zittert in Birkenstock s.o. , S. 786
[13] Birkenstock, s.o., S. 788
[14] Council of the European Union. Interinstitutional/File 2001/0270 (Brussels, 27 May 2005) in
http://www.statewatch.org/news/2005/may/eu-draft-racism-2.pdf
[15] In DIE WELT, 19.04.2007
[16] Vgl. Kapitel über die Strafbarkeit der Leugnung kommunistischer Verbrechen

Raute

Fakten und Meinungen

Gotthold Schramm / Klaus Eichner

Verfassungsschutz im braunen Sumpf

Schutzschirm für Naziaktivisten und Kriegsverbrecher in den Ämtern für Verfassungsschutz

Wie sich die Bilder gleichen. Gegenwärtig wird am Schutzschirm zur Erhaltung der Banken und des kapitalistischen Bank- und Wirtschaftssystems gearbeitet - in den Nachkriegsjahren wurde der Schutzschirm für Naziaktivisten und Kriegsverbrecher, für die Erhaltung antikommunistischer und sowjetfeindlicher Ideologien und Positionen durch die Westmächte, besonders die USA, und durch die Bundesregierung und Justiz aufgespannt. Dieser Schutzschirm reichte über die neuentstandenen Geheimdienst- und Sicherheitsbehörden der BRD in alle Bereiche der Gesellschaft, vorrangig in die Organe der Bundesregierung, der Justiz und der Bundeswehr. Nazi-General Gehlen hatte nach seiner Rückkehr aus den USA im Jahre 1947, wo der Aufbau eines neuen deutschen Geheimdienstes abgesegnet wurde, hinreichend Erfahrungen bei der Sammlung "geeigneter Kräfte" machen können. Deshalb verwundert es nicht, dass er in Vorbereitung der Bildung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ein Angebot von Globke erhielt, das Amt als Leiter zu übernehmen. Das schlug fehl, da die Briten ihren Agenten Otto John als Ausgleich für die Pullacher USA-Position durchsetzten, der mit der Gründung des BfV im September 1950 die Leitung des Amtes übernahm. Mit seiner Entführung/seinem Übertritt in die DDR im Juli 1954 waren die Chancen zum Aufbau eines demokratisch orientierten Inlandsgeheimdienstes der BRD vertan. Sein Nachfolger, Hubert Schrübbers, der von 1955 bis 1972 17 Jahre das BfV leitete, sicherte die Besetzung zahlreicher Führungspositionen durch bewährte SS- und SD-Offiziere und durch Mitarbeiter der Gestapo. Schrübbers selbst war überzeugter Nationalsozialist, vor 1945 in der Generalstaatsanwaltschaft am Reichsgerichtshof tätig und zeichnete sich durch hohe Strafanträge gegenüber Gegnern des Naziregimes aus. Er musste schließlich auf Druck der Öffentlichkeit zurücktreten und seinen Hut in den "verdienten" Ruhestand nehmen.

Bereits 1951, kurze Zeit nach Gründung des BfV, hatte Gehlen seinen Mitarbeiter und Vertrauten Albert Radke in das BfV geschleust, der dort die Position des Vizepräsidenten einnahm. Radke war Oberst im OKW-Amt Ausland/Abwehr und nachweislich an Judendeportationen beteiligt. Im "Polizeibrief" der Alliierten vom 14.4.1949, in dem auch die Grundsätze für den Aufbau und die Tätigkeit eines Verfassungsschutzes festgelegt wurden, war das Sammeln von Nachrichten ohne polizeiliche Exekutive zugestanden worden. Das ist sicher als eine formale Reaktion auf die Erfahrungen mit der Gestapo zu bewerten. Aber von Anfang an waren viele Angehörige der Gestapo im Bundesamt und in den Landesämtern für Verfassungsschutz als offizielle und inoffizielle Mitarbeiter beschäftigt. Dazu gehörten Werner Aretz, Gustav Barschendorf, Richard Gercken, Paul Opitz, Johannes Strübing, Erich Wenger, Alfred Wurbs und andere als leitende Mitarbeiter des BfV. Das faschistische Reichssicherheitshauptamt versammelte sich wieder. Die Alliierten wurden getäuscht und hintergangen. Die Tarnung von Faschisten mit anderen Namen und Ausweispapieren gehörte von Anfang an zur Praxis des Verfassungsschutzes. Alfred Wurbs, auf dem Balkan und in Norwegen an Kriegsverbrechen gegen jüdische Bürger beteiligt, wurde mit Decknamen abgeschirmt und als Mitarbeiter des BfV 1956 dann nach formaler Beendigung der "Aufsichtspflicht" der Alliierten mit Klarnamen legalisiert; oder Kurt Fischer und Karl-Heinz Siemens, nach 1945 als "Karschner" bzw. "Dr. Kaiser" untergetaucht, fanden Anstellung im BfV mit der späteren Legalisierung unter Klarnamen. Seriösen Forschungen zu Folge waren 500 bis 800 Naziaktivisten in den Ämtern für Verfassungsschutz tätig. Schlimmste Verbrechen wurden von einigen begangen. Gustav Barschdorf, bis in die 60er Jahre im BfV beschäftigt, war u.a. am Auspeitschen norwegischer Bürger beteiligt, hierfür erfolgte erst 1974 seine Verurteilung als Kriegsverbrecher; Kurt Lischka, der wegen der Beteiligung an Massenmorden durch ein französisches Gericht zum Tode verurteilt worden war. fand Anstellung im BfV bevor er 1980 mit 10 Jahren Haft bestraft wurde; Richard Gercken, dessen Beteiligung an Verbrechen bei der Verfolgung von Antifaschisten in Holland nachgewiesen ist, schaffte es sogar bis zum Chef der Spionageabwehr des BfV und blieb unbestraft. Kurt Fischer zeichnete sich in den Konzentrationslagern Dachau und Auschwitz aus; Gustav Halswick war an Kriegsverbrechen in Polen, der SU und in Frankreich beteiligt. Seine Verurteilung zu 10 Jahren Haft durch ein französisches Militärgericht wurde ignoriert. Es ist bezeichnend, dass seit der Gründung des BfV im Jahre 1950, also unmittelbar nach Gründung der BRD, die Abteilung "Rechtsradikalismus" die personell kleinste und offensichtlich unbedeutendste Abteilung war und geblieben ist. Das gilt vergleichsweise auch für die Strukturen der Landesämter. Der Verfassungsschutz hatte von der Adenauerregierung eine ganz andere Orientierung erhalten. Noch vor dem Erlass des 1. Strafrechtsänderungsgesetz vom 30.8.1951 begann eine beispiellose Verfolgung linker Kräfte, in deren Folge bis zum Jahre 1968 250.000 Ermittlungen gegen BRD-Bürger eingeleitet wurden, 7.000 Verurteilungen sind nachgewiesen, auszugehen ist von 10.000. Gegenwärtig wird durch Vertreter der Bundes- und Landesregierungen versucht, allen voran die Innenminister der beteiligten Länder, die Serienmorde durch rechtsradikale Mörder, die Kanzlerin Merkel als Schande für Deutschland bezeichnete, mit ungenügender Abstimmung zwischen den beteiligten Stellen, mit Erfassungs- und Koordinierungsfehlern zu erklären. Das ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit und sicher auch nicht der bedeutendste. Die Hauptursache des Versagens liegt vielmehr in der Ideologie, im Geist der Mitarbeiter der Verfolgungsorgane, die in der Unterschätzung der rechten Gefahr ihren Ausdruck findet, historische Wurzeln hat und auch nach Generationen noch wirkt. Das ist die eigentliche Schande für Deutschland.

V-Leute auf Vertrauenspositionen

Quer durch alle Parteien ertönt der Ruf, dass der Verfassungsschutz seine V-Leute aus der rechten Szene abziehen oder stilliegen soll, um ein erneutes Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abzusichern.

Andere Politiker plädieren für die weitere Arbeit mit V-Leuten und fordern im Gegenzug den Verzicht auf ein Verbotsverfahren.

V-Leute sind entsprechend ihrer Begriffsbestimmung "Vertrauenspersonen" eines Geheimdienstes. In der Regel stammen sie aus dem Milieu, das aufzuklären/zu kontrollieren ist oder wurden in dieses Milieu eingeschleust.

Ein Credo, nach dem seit 1968 ganze Generationen von Verfassungsschützern ausgebildet wurden, lautet:

"Die Mittel des geheimen Mitarbeiters sind Täuschung und Vertrauensbruch, ...

Es ist müßig, ethische Betrachtungen anzustellen, da die Zielstellung sicherlich höher zu bewerten ist als der interne Verstoß gegen bestimmte Moralvorstellungen. Die Führung der V-Leute erfolgt nicht nur nach dem Prinzip der laufenden Erkenntnisgewinnung aus dem Objekt, sondern kann vorübergehend zu einem aktiven Einsatzführen, um durch die Stimme oder Meinung des V-Mannes die Beschlüsse eines verfassungsfeindlichen Gremiums in einem von dem Auftraggeber gewünschten Sinne zu beeinflussen." (Die Verfassungsschützer Schwagerl/Walther in ihrem Lehrbuch "Der Schutz der Verfassung - ein Handbuch für Theorie und Praxis", 1968)

Das Scheitern des Verbotsverfahrens gegen die NPD vor dem BVerfG im Jahre 2003 war im Grunde nicht der Existenz von V-Leuten in den Führungsspitzen der NPD geschuldet, sondern der absolut unprofessionellen Arbeitsweise des Verfassungsschutzes mit V-Leuten.

Das betraf zum einen die Führung der V-Leute, die häufig als agent provocateur zur Anstiftung und Begehung von Straftaten und/oder als Empfänger größerer Summen von Steuergeldern zur Finanzierung der Aktionen der Neonaziszene agierten.

Andererseits gab es eine unqualifizierte analytische Verarbeitung der Arbeitsergebnisse des Verfassungsschutzes und anderer Sicherheitsbehörden auf diesem Gebiet. Wenn aus allen dem BVerfG vorgelegten Informationen über die Verfassungsfeindlichkeit der NPD die Handschrift der V-Leute des Verfassungsschutzes herausschaut, dann muss man sich fragen - war das Dummheit oder gewollt? Unter diesen Bedingungen konnten/sollten die Richter in Karlsruhe nicht anders entscheiden als das Verfahren abzulehnen.

Die Knackpunkte eines Verbotsverfahrens sind also nicht die Existenz von V-Leuten in den rechtsradikalen Strukturen, sondern die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes. Dazu gehört in erster Linie eine professionelle Führung gut platzierter Quellen in der rechten Szene. Eine gute Platzierung bedeutet, dass die V-Leute nicht in der ersten Reihe bei Gewalttaten oder anderen Aktionen agieren dürfen. Sie brauchen aber Informationszugänge zu Planungs- und Entscheidungsprozessen.

Das Beispiel der Terrorgruppe "Thüringer Heimatschutz" zeigt eindeutig, dass die Aufklärung und Überwachung der rechten Szene weit über die NPD hinausgehen und insbesondere öffentliche und verdeckte Strukturen, z. B. der so genannten "freien Kameradschaften", mit erfassen muss.

Die zweite Ebene ist die qualifizierte Verarbeitung aller vorliegenden Informationen über die Verfassungsfeindlichkeit dieser Aktivisten und ihrer Strukturen aus allen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder für die Einleitung eines Verbotsverfahrens.

Wenn die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder in Bezug auf die rechte Terrorszene so schnell und offensiv reagiert hätten wie mit der Bildung des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums, reduziert auf den so genannten islamistischen Terror, dann hätten viele Pannen der Vergangenheit vermieden werden können. Diese Entscheidung wird jetzt in aller Hektik nachgeholt. Das schafft aber maximal erst einmal eine bessere Datenbasis, ihre Verarbeitung stellt höhere Anforderungen.

Man muss sich aber auch fragen, warum die zuständigen Behörden ihre früheren Entscheidungen und Pläne nicht konsequent durchgesetzt haben. So teilte Innenminister Kanther am 14. April 1994 bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 1993 mit:

"Weil es wichtig ist, dass Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaften nahtlos zusammenarbeiten, ist auf Anregung des Bundesinnenministers eine Bund/Länder-Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer/terroristischer (insbesondere fremdenfeindlicher) Gewaltakte eingerichtet worden. In dieser IGR werden übergreifende Maßnahmen zur Bekämpfung rechtsextremistischer Gewalt erörtert und Erkenntnisse zwischen Verfassungsschutz, Polizei und Justiz ausgetauscht."

Konnten sie oder wollten sie nicht?

Wenn der Verfassungsschutz überhaupt einen Sinn haben soll, dann zur Aufklärung und Kontrolle der legalen und verdeckten Strukturen und Aktivitäten der gesamten rechten Szene, weit über das Spektrum der NPD hinaus.

Ein Verbotsverfahren hätte entscheidende verfassungsrechtliche Auswirkungen. Dann brauchte sich die Öffentlichkeit nicht durch juristische (und scheinjuristische) Diskussionen und Entscheidungen, ob Demonstrationen/Blockaden gegen Naziaufmärsche "rechtsstaatlich" sind, von der entscheidenden Frage, dass sie unbedingt notwendig sind, ablenken zu lassen. Viele Politiker und Medienvertreter wären unter diesen Bedingungen gezwungen, präziser Farbe zu bekennen, auf welchem Auge sie wirklich blind sind. Unsere Steuergelder würden dann nicht mehr direkt (über die Parteienfinanzierung) oder indirekt (über den Verfassungsschutz) in den Aufbau neonazistischer Strukturen und ihre Aktivitäten fließen.

Verfassungsschutz-Berichte - Instrumente der "wehrhaften Demokratie"?

Seit 1950 gibt es ein jährliches Ritual: Bundesinnenminister und BfV-Präsident treten vor die Presse und stellen den jährlichen Verfassungsschutz-Bericht (VS-Bericht) vor. Das alles wiederholt sich in unterschiedlicher Form in den meisten Bundesländern. Dabei werden die Innenminister nicht müde, diese Elaborate als Instrumente der "wehrhaften Demokratie" - was immer das auch bedeuten soll - anzupreisen.

Mit diesen Berichten wird jedoch ein Denunziationsmonopol der Exekutivorgane des bürgerlichen Rechtsstaates praktiziert. Absolut unkontrolliert definiert eine nachrichtendienstliche Behörde der Innenministerien, welche Personen oder Organisationen als "extremistisch, islamistisch, terroristisch" u.v.a. ... eingestuft werden sollen - und das ist für alle anderen Behörden, für die Medien, selbst für die Strafverfolgungsbehörden eine verbindliche Aussage, eine Art "Legaldefinition".

Diese Praxis ist eine eklatante Verletzung der garantierten Grundrechte der durch das Grundgesetz und die Menschenrechtskonventionen garantierten Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (z.B. Art. 5, 8, 9 GG; Art. 10, 11 EMRK). Kein vergleichbarer Staat gestattet seinen internen Nachrichtendiensten, mit einer derart unverschämten, öffentlichen Denunziation in die Beteiligung von Parteien, Organisationen und Einzelpersonen am demokratischen Prozess der politischen Willens- und Meinungsbildung einzugreifen. Diese Berichte sind ein rechtswidriges Instrument der Verleumdung und Beschränkung demokratischer Grundrechte.

In einem Urteil zur Pressefreiheit von 2005 (in diesem Fall zugunsten der rechten Zeitung Junge Freiheit) stellte das BVerfG fest, als Einschränkung der Pressefreiheit genüge schon die Nennung in einem Verfassungsschutzbericht, weil der Staat damit die Wirkungsmöglichkeiten eines Publikationsorgans nachteilig beeinflusse. (SZ v. 29.06.2005)

Die Universität Freiburg veröffentlichte 2009 eine Studie in Auswertung von 63 Verfassungsschutzberichten und stellte darin fest, dass die meisten der in den vergangenen vier Jahren veröffentlichten VS-Berichte verfassungswidrig sind. Vorwiegend untersuchte die Studie, ob in den Berichten eine klar erkennbare Differenzierung zwischen erwiesener Verfassungsfeindlichkeit und Verdachtsfällen erkennbar ist. Eine Verwischung der Unterschiede sei eine Verletzung des Grundgesetzes, so die Autoren der Studie.

Das ist kein Wunder, denn diese Berichte sind politische Auftragsarbeiten als Instrument einer parteipolitisch geführten Exekutive.

Seit Jahren werden antifaschistische Organisationen, wie die "Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR)" und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten in diesen Berichten als "linksextremistisch" und damit verfassungsfeindlich eingestuft. Sie sind somit automatisch Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes - und das nicht nur durch die Erfassung von Publikationen!

Durch die Denunziation antifaschistischer Kräfte verhindern die VS-Berichte die Auseinandersetzung mit faschistischen Auffassungen und erzeugen einen Effekt der Drohung und Einschüchterung gegenüber Antifaschisten, die damit automatisch in die Kategorie von Staatsfeinden eingeordnet werden. Dann ist es auch erklärlich, dass bei Demonstrationen die Polizei die Naziaufmärsche schützt und die Gegendemonstranten wie Kriminelle behandelt.

Die Aussagen zum so genannten Rechtsextremismus in den bisherigen Verfassungsschutzberichten verharmlosen diesen und verschleiern bewusst die Zusammenhänge mit den rechten Rändern von "demokratischen Parteien" und Institutionen.

Zum Beispiel dient die in den letzten Jahren praktizierte Unterscheidung zwischen Rechtsextremismus und der Neonazi-Szene vorrangig der Verharmlosung der rechten Gefahr durch statistische Tricks. Die bewusste Realitätsferne wurde spätestens mit der Aufdeckung der Verbrechensserie von Angehörigen des sogen. "Thüringer Heimatschutzes"/"Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)" offensichtlich. Aber wann waren die Innenminister und Verfassungsschützer in Bund und Ländern denn nicht auf dem rechten Auge blind?

Wenn die bundesdeutsche Gesellschaft einen Jahresbericht zur Bewertung "verfassungsfeindlicher Bestrebungen" nötig hat, dann kann dieser nur von einem parlamentarisch legitimierten Gremium verfasst und veröffentlicht werden. Die Entstehung der darin enthaltenen Wertungen sollte möglichst transparent sein.

Dazu gehört aber auch ein ausdrückliches Verbot der behördlicherseits öffentlichen Verwendung interner Erkenntnisse der Geheimdienste zum Zweck der Meinungsmanipulation, Denunziation und Diskriminierung oppositioneller Kräfte.

Raute

Fakten und Meinungen

Stephan Tanneberger

Rechte für Alte und unheilbar Kranke - auch Menschenrechte

Menschenrechte - ein dringend gebrauchter aber oft auch missbrauchter Begriff

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass wir das Wort Menschenrechte lesen oder hören. Weil das gut ist oder jemandem gutes Geld einbringt. Oder weil da irgendein Politiker über die Verletzung von Menschenrechten nachdenkt. Aus ehrlichem Herzen oder weil ihm "irgend etwas" nicht gefällt, "irgendwo" auf der Welt, weit weg von seiner Welt. Kürzlich war ich dem Kampf um Menschenrechte sehr viel näher, Ende November 2011 in Kairo, wo bei Demonstrationen auf dem Tahrirplatz 33 Menschen ums Leben kamen. In der Zeitung stand dazu "Menschenrechte werden mit Füßen getreten"[1] Ich war nicht dort, um für Menschenrechte zu demonstrieren, sondern um etwas für die Krebskranken in der Region zu tun. Aber vielleicht hätte ich mit demonstrieren müssen. Sind denn nicht die Rechte von Alten und Krebskranken auch Menschenrechte?

Was soll die Frage, werden manche sagen. Ist doch alles klar, was Menschenrechte sind. In der UNO Menschenrechtsdeklaration von 1948 steht es doch. Und die jungen Leute auf dem Tahrirplatz sagten. Klar, ­... Alte und Kranke sind wichtig..., aber wir kämpfen für unsere Menschenrechte, für Freiheit in Ägypten. Und wir wissen, wie wir die bekommen. Erst musste Mubarak, nun muss die Militärregierung weg. Dass das nicht leicht wird, wissen sie auch. Schließlich bekommt Ägypten jedes Jahr 2 Milliarden $ USA-Militärhilfe.

Und ich weiß, leicht war es nie mit Menschenrechten in der Geschichte. 1789: In Frankreich wird für "Freiheit und Gleichheit" gekämpft und gestorben. "Brüderlichkeit" sollte der Weg dahin sein. Nach gut zweihundert Jahren dann Gaddafi-Besuch in Frankreich mit "Scheckbuch-Diplomatie".[2] 1917 ein anderer Weg zu Menschenrechten. Für "das Ende aller Ausbeutung und die Weltrevolution" stand auf den Fahnen.Wie das gehen sollte, stand nicht drauf. Mit bösen Worten vom "Klassenfeind" und preußisch exakt geführten Stasi-Akten, offenbar nicht. Das hat das Jahr 1990 bewiesen. Menschenrechte 2011: Bemüht volkstümlich steht im "Neuen Deutschland", es sehe "beschissen" aus.[3] Nicht sehr ermutigend, was da so zusammenkommt in der Geschichte der Menschenrechte.

Aber so ist eben die Welt. Und "nicht ermutigend" ist kein Grund für "mutlos". Mut allein genügt allerdings nicht. Das Menschenrechtsproblem ist nicht damit zu lösen, dass wir auf einen "Bösen" mit dem Finger zeigen und dann "mutig" auf den los gehen. Begreifen müssen wir, wie "die Menschen " sind, für deren Rechte wir streiten. Und dann braucht es Vernunft und Ehrlichkeit, bei allen, bei denen, die Menschenrechte festlegen, die darüber schreiben, die welche fordern.[4] Das ist nicht einfach und deshalb meine Fragerei.

Menschenrechte - vorwärts und nicht vergessen

Freiheit ist das grundlegendste Menschenrecht, wurde und wird immer wieder gesagt. Auch dazu bekam ich in Kairo eine Lektion. Das Foto zeigt unsere Freiheit im Verkehr. Nicht vorwärts, nicht rückwärts, aussteigen unmöglich. "Chaos auf den Straßen nach der Revolution", heißt das in der Zeitung.[5] Dagegen demonstrierte niemand. Und in Deutschland auch nicht gegen plus 10 Prozent neue Pkw und plus 40 Prozent Güterverkehr bis 2025.[6] Dass mal ein bisschen Recht auf Freiheit verloren geht, gehört eben dazu. "Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit". Ein sehr kluger Satz von Hegel. Bloß wer bestimmt, was notwendig ist? Wenn das nur noch ein paar Genossen in Wandlitz festlegen, kann das eben schief gehen. Und wenn nur noch der "Markt" bestimmt, was Vernunft ist, geht es bestimmt schief.

Gut verständlich der Ruf nach Gleichheit auf dem Tahrirplatz. Jeder Fünfte in Ägypten ist bettelarm (mit weniger als 1,25 $ pro Tag) und jeder Dritte ist Analphabet.[7] Gut täte auch der ganzen Welt der Ruf nach Gleichheit. Aller dreieinhalb Sekunden verhungert auf der Erde ein Mensch, aber in Deutschland sind 51 Prozent der Menschen übergewichtig.[8] Weltweit haben 20 Prozent der Kinder keine Chance, Lesen und Schreiben zu lernen, aber in Deutschland schaffen 7 Prozent der Jugendlichen keinen Schulabschluss. Beim Warten an der Grenze nach Polen zum "billigen Tanken", wäre es vielleicht gut, über das Menschenrecht auf Gleichheit in der EU nachzudenken. In Polen unterbleiben fast 10 Prozent der notwendigen ärztlichen Untersuchungen, weil die Betroffenen kein Geld dafür haben.

Recht auf Arbeit
Ein enorm wichtiges Menschenrecht. Es Stand in Kairo nicht auf der Tagesordnung, aber sehr zu Recht in der DDR-Verfassung. Deutschland tut sich damit bis heute schwer.[9] "Arbeit für alle" braucht neue Ideen, wenn wir ständig rationalisieren, automatisieren, Betriebe in Billigländer verlegen. Ein bisschen Harz IV tut es doch auch? Aber das Menschenrecht heißt vernünftigerweise Recht auf Arbeit und nicht Recht auf Sozialleistungen.Also gab es 2011 in Deutschland 2,5 Millionen Menschenrechtsverletzungen.[10]

Rechte der Frauen
Immer aktuell. Gut so, dass sie in Kairo danach rufen.[11] Aber gut wäre es vielleicht, wenn wir bei uns auch nicht nur Frauenquoten für leitende Funktionen fordern würden.[12] Oder gilt in der EU: Was bedeutet ein bisschen weniger an Menschenrechten bei Frauen, wenn andere Spaß daran haben? 15 Milliarden Euro "Umsatz" pro Jahr durch 400.000 Prostituierte in Deutschland.[13] Vielleicht denken eben manche, die arbeiten doch für die große Freiheit. Und Freiheit ist schließlich ein Menschenrecht. Und das Recht für Ost-West-Migration haben die noch dazu.

Migration
Auch ein Menschenrecht auf Migration war und ist immer ganz aktuell. Großes Erstaunen in Kairo, als ich Zahlen zeigte, die beweisen, dass durch Ost-West-Migration das Menschenrecht auf angemessene medizinische Versorgung in der EU[14] zurzeit ernsthaft gefährdet ist. Für Süd-Nord-Migration ist das seit langem bekannt.

Freie Wahlen
Und noch größer war das Erstaunen, als wir auf freie Wahlen zu sprechen kamen. Das kann doch nicht wahr sein, sagten meine Kollegen. Wahlbeteiligung bei der letzten Bundestagswahl 70,8 Prozent, bei der letzten Landtagswahl in MV 51,5 Prozent. Und bei der Stichwahl der Landrätin Greifswald-Ostvorpommern im Oktober 2011 lediglich 27,7 Prozent.

Ich hoffe, meine Botschaft ist klar. Menschenrecht, das ist ein Wort, so ernst wie sonst nichts. Da geht es um Werte, für die Menschen oft ein Leben lang geschuftet und gelitten haben, gestorben sind. Aber das Wort wird manchmal auch skrupellos missbraucht, um "Recht zu haben", um sich zu bereichern, um mächtig zu sein. "Teile und herrsche" unter dem Vorwand, für Menschenrechte zu sorgen, nicht unbekannt. Oder "teile und verdiene" wie im Irak und Afghanistan. Und noch etwas ist wichtig. Große Worte heißt nicht automatisch große Werte. Werte muss man bewerten. Dazu ein Beispiel:

Rechte für Alte und Kranke

Derzeit sterben weltweit in jedem Jahr ca. 20 bis 30 Millionen Menschen ohne angemessene Betreuung, darunter 6 bis 7 Millionen Krebskranke. Gut gesichert ist die Zahl von etwa 250.000 Menschen, für die in der Arabischen Welt keine angemessene Schmerzbehandlung gesichert ist. In Ägypten sterben jährlich 120.000 Krebskranke ohne die verdiente Würde.

Was wollen Alte und unheilbar Kranke?

Menschenrechte darf nicht irgendwer für irgendwen festlegen. Man muss die hören, um die es geht. Deshalb haben wir sorgfältig untersucht, was Alte und unheilbar Kranke wollen.[15] Mit großem Abstand dominieren zwei Dinge. Alle wünschen sich "keine Schmerzen haben" und "zu Hause bei Familie und Freunden sein". Darauf haben sie auch ein Recht. Von diesem Menschenrecht sind wir allerdings weit entfernt. Wie das Bologna Eubiosie-Programm beweist, muss das jedoch keineswegs so sein.

Das Bologna Eubiosie Programm

Unser Bologna Eubiosie Programm (Eubiosie = gutes Leben bis zum Ende) der Associazione Nazionale Tumori (ANT) geht auf eine Idee von Franco Pannuti im Jahr 1985 zurück. 1992 wurden die ersten Ergebnisse vorgelegt.[16] Aktuell werden insgesamt pro Tag 3326 Patienten von 133 Ärzten betreut. Weit über 90 Prozent dieser Patienten sind schmerzfrei bis zum Lebensende, 80 Prozent versterben daheim. Ähnliche Ergebnisse werden dort erreicht, wo nach dem Vorbild des Bologna Eubiosie Programms gearbeitet wird. Besonders hervorzuheben ist hier das Cansupport Projekt[17] in New Delhi. Die Betreuungskosten betragen in Bologna 50-80 Euro pro Tag, das sind 20-30 Prozent der Kosten für einen Klinikaufenthalt. Bei der Finanzierung spielt eine enge Vernetzung mit dem staatlichen Gesundheitswesen eine wichtige Rolle. Ungeachtet dessen ist entscheidend, dass diese Initiative von ANT durch etwa 200.000 freiwillige Helfer und Spender unterstützt wird. In New Delhi sind die Kosten deutlich niedriger und der Anteil freiwilliger Leistungen bedeutend höher.

Die Botschaft des Bologna Eubiosie-Programms

Unsere Ergebnisse zeigen: Wenn ein Mensch nicht in Würde stirbt,macht der Staat etwas falsch, wenn er mit Schmerzen stirbt, der Arzt. Diese zeigen aber auch, dass das nicht sein muss. Ein Menschenrecht Eubiosie ist keineswegs Träumerei. Wir haben deshalb 1992 eine EU Initiative gestartet, um die Rechte Sterbender fest zu schreiben. Spontan haben 1250 Personen diesen Aufruf unterzeichnet.[18] Allerdings gibt es bis heute keine entsprechende Entscheidung im EU Parlament. Der Grund ist wohl eine Medizin, die sich bewusst zu Wettbewerb und Marktwirtschaft bekennt.

Aber der Arzt ist kein Geschäftsmann und Gesundheit ist keine Ware. Was würde uns denn passieren, wäre das Gesundheitswesen eine staatliche Dienstleistung? "Verteidigung" wird schließlich auch als eine staatliche Aufgabe angesehen, die sich nicht am Markt sondern an politischen Zielen orientiert. Und es gibt gute Erfahrungen mit nichtprivatisierter Gesundheitsfürsorge. Bei allen Fehlern der DDR sind dort deutlich weniger Menschen an Krebs gestorben, als in der BRD.[19]

Aber ist es bezahlbar, wenn wir Würde für Alte und unheilbar Kranke weltweit zu einem staatlich verbrieften Menschenrecht erklären? Es ist bezahlbar. Die Kosten würden ca. 150 Milliarden $ pro Jahr betragen. Das sind 10 Prozent der aktuellen Ausgaben für militärische Zwecke.

Allerdings wäre es sicher falsch, die Probleme des Lebensendes in Würde, allein der Politik anzulasten. Auch die, die darüber schreiben, sind in der Pflicht. Fettgedruckte Überschriften in fein gedruckten Zeitungen über "selbstbestimmtes Sterben" sind an der Tagesordnung. Aber legalisierte Euthanasie heißt nicht Patientenrecht wahren, sondern eine Tür aufmachen, um das Menschenrecht auf Sterben in Würde zu umgehen.[20]

Menschenrechte, über die wir wenig reden

Unser Plädoyer für Eubiosie als ein Menschenrecht wirft die Grundsatzfrage auf, ob wir über manche Menschenrechte zu wenig reden. Viel geredet wird über Presse-, Versammlungs-, Rede- und Reisefreiheit. Das Recht der Kinder auf Lehrer, die nicht abgehetzt von einer Schule in die andere jagen und das der Lehrer, nicht jagen zu müssen, kommt schon weit dahinter. Aber geht es nicht im 21. Jahrhundert um noch viel mehr. Um "Recht auf saubere Luft", "Recht auf Trinkwasser", "Recht auf satt sein", "Recht auf Schutz vor Klimawandel", "Recht auf eine atomwaffenfreie Welt". Wenn wir diese Menschenrechte nicht wahren, ist unser Zivilisation in Gefahr Aber Sterbende, Hungrige, von Dürre Bedrohte, haben keine Lobby, keine Stimme auf der Straße und keinen Platz auf den Titelseiten. Macht sich doch besser, in der Zeitung den armen Dalai Lama zu bedauern und auf die bösen Chinesen zu schimpfen, als über Krebskranke ohne Schmerzmittel zu berichten oder das Recht auf ein Deutschland ohne Atombomben auf dem US-Militärflugplatz Büchel zu fordern.[21] Und leichter ist es natürlich auch in Berlin den "Asbest verseuchten Palast der Republik" abzureißen, als Recht anzumahnen, wenn bis heute Millionen Menschen in der ganzen Welt und sogar in Deutschland, Wasser aus Asbestrohren trinken zu müssen.

Das Bologna Eubiosie-Programm ruft dazu auf, vernünftiger zu bewerten und vor allem Konkretes zu tun, wenn es um Menschenrechte für diejenigen geht, die keine Lobby haben. Die Probleme Alter und unheilbar Kranker löst man nicht mit kämpferischen Wahlkampfreden über Profitdenken und Schimpfen auf die böse Pharmaindustrie. Das ist eine ständige Herausforderung für alle Ärzte. Das verlangt an deren Spitze einen erfahrenen Mediziner als Gesundheitsminister. Und das verlangt, dass die Ärzte sich an die Spitze stellen, wenn die Leute im Namen Alter und Kranker auf die Straße gehen. So, wie wir es in Bangladesh gemacht haben. Aber noch viel mehr ist es ein Problem aller. Keiner sollte je vergessen, nur wer heute hilft, wird morgen auch Hilfe haben.

Menschenrechte und Menschenpflichten

Auf dem Tahrirplatz in Kairo schien allen klar zu sein, was man tun muss, um Menschenrechte durchzusetzen - Zusammenhalten, Gemeinsamkeit im Willen zum Protest. Das "Danach" ist noch weit weg. "Das ganze Land ist im Umbruch mit Instabilität und Perioden von Hoffnung aber auch Depression", schrieb mir dazu am 17.12.2011 einer, der ganz weit vorn marschiert auf dem Tahrirplatz. 1789 ein sehr kluges Wort zum "Danach". "Brüderlichkeit" stand auf den Fahnen. Im "sozialistischen Lager" hieß das dann "sozialistische Menschengemeinschaft", Solidarität. Wenn wir Rechte erkämpfen und wahren wollen, an Solidarität kommt die Menschheit nicht vorbei. Und an etwas anderem auch nicht. Ohne Fleiß kein Preis, - ein kluger Satz. Bei manchen heißt das allerdings, immer fleißig einen suchen, der Rechte verletzt. Bloß, das hilft nicht weiter. Das Recht auf Eubiosie gibt es nur, wenn alle mitmachen und beim Recht auf Klimaschutz ist es genau so. Aber hier tut sich die Menschenrechte fordernde Menschheit ein bisschen schwer. Klimaschutz, wer redet da nicht alles darüber. Am Ende: Die Chinesen müssen was tun. Und dann ab mit dem Billigflieger nach Teneriffa. Schließlich hat man ja das Recht auf Reisefreiheit erkämpft.

Vielleicht müssen wir doch weiter nachdenken. Neue Rechte und Pflichten für das Zusammenleben der Menschen werden gebraucht. Ein neues Miteinander der Länder und Kontinente ist gefragt. Die Präsidentin des IWF, Christine Lagarde spricht Recht und Pflicht aller an, wenn sie zu einem "weltweiten Schulterschluss" bei der Bewältigung der aktuellen Finanzkrise aufruft.[22] Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang eine "Pflicht zur Ehrlichkeit bei Politikern" fordern. Aber nicht bloß, um schlechte Doktoranden noch schlechterer Doktorväter, zu vermeiden. Nein, für andere Ehrlichkeit wäre das gut. Es gibt nicht bloß die "faulen Griechen" die Schulden machen, sondern auch die deutsche Industrie, die als drittgrößter Waffenexporteur der Welt, pro Jahr für über 2 Milliarden Euro Waffen verkauft, nicht zuletzt nach Griechenland.[23] Vielleicht braucht es auch "Rechte auf neue Demokratieformen". Demokratie, eine völlig neue Dimension für die Durchsetzung von Menschenrechten im 21. Jahrhundert, ist nur eine davon.

Warum solches Nachdenken so wichtig ist? Über Jahrhunderte wurde das Leben der Menschen von Rechten und Pflichten der Religion bestimmt. Das gibt es nicht mehr Noch ist nichts an die Stelle der christlichen Werte getreten. Sehr richtig sagte kürzlich ein prominenter Banker: "Ich habe früher gedacht, die Welt würde von der Liebe geprägt. Sorry, aber das ist Quatsch. Sie wird vom Geld geprägt. Geld, Geiz, Gier - das sind die drei großen Konstanten. Diese ganze Nation, die ganze Welt läuft letztlich dem Geld hinterher.[24] Dass sich das ändert, darauf haben alle Menschen ein Recht. Und für dieses Menschenrecht etwas zu tun, ist unser aller Pflicht. Nicht nur auf dem Tahrirplatz und nicht aus Angst vor der Hölle oder weil wir die Andersgläubigen, die Banker oder den "Klassenfeind" besiegen wollen, sondern weil wir überleben wollen. "Moral aus Liebe" hat nicht geklappt. "Klassenkampf" und "kalter Krieg" auch nicht. Von Kommunismus schwärmen, heißt daran vorbei denken, was und wie der Mensch ist. Versuchen wir es einmal mit "Moral aus Vernunft". Bei allen, egal ob die im schwarzen Mercedes oder auf klapprigen Fahrrad sitzen. Alle sitzen in einem Boot und das ist am Kentern. Und damit das nicht passiert, braucht es Menschenrechte und Menschenbrüderlichkeit. "Moral zur Selbsterhaltung" heißt das Gebot des 21. Jahrhunderts.

Anmerkungen:

[1] http://www.sueddeutsche.de,amnestybericht zu menschenrechten in ägypten

[2] Helm, J.: Menschenrechte; Frankreich als Bühne für
Selbstdarsteller Gadafi. Welt ONLINE

[3] Narr, W. D.: Das Einfache, das schwer zu machen ist. ND 10.12.2011

[4] Tanneberger, S.: Notlandung, Friedland 2012

[5] Salwa Samir: Driven to distraction. Egyptian Mali, 15.11.2011

[6] Bundesregierung: Magazin für Infrastruktur und die neuen Länder. Nr. 11/06-2009

[7] The World Bank. World Development Report 2011

[8] Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 194, 12.06.2010

[9] Roth, E. Die Suche nach dem Recht auf Arbeit. Frankfurter Rundschau. Politik 10.12.2008

[10] http://www.destatis.de/jetspeed/portal/ems/destatis/internet/DE

[11] Zeinab Saber: Women and their rights. Egyptian Mail 15.11.2011 [12] Bundesarbeitsgemeinschaft Kommunaler Frauenbüros, Berliner Erklärung, 15.12.2011

[13] Der Rotlichtreport. Bild.de 20.11.2011

[14] Tanneberger, S., Hegedus, K., Grigorescu, A., Luczak, J., Biasco, G. und Cavalli, F.: Medical Oncology recognized at EU level to allow free movement of doctors; Annals of Oncology 22, 1457-1466/2011

[15] Biasco, G., Tanneberger, S.: Cancer medicine at the down of the 21th century: Bonomia University Press 2006

[16] Pannuti, F., Tanneberger, S.: The Bologna Eubiosia Project; J. Pall Care 1992 8, S. 11-17

[17] Tanneberger, S., Cavalli, F., Pannuti, F.: Cancer in Developing Countries, 2004, München, Wien, New York

[18] Pannuti, F., Tanneberger, S.: Dying with dignità. World Health Forum 1993 / 14, S. 172-173

[19] Mehnert, W.H., Smans, M., Muir, C.S., Möhner, M., Schön, D.: Atlas der Krebsinzidenz in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik 1978-1982, Lyon 1992, IARC-Publikation No. 106

[20] Tanneberger, S.: Euthanasie - Ausdruck menschlicher Freiheit oder Unvermögen, Menschenwürde zu garantieren? Z. ärztl. Fortbildung 1993/87, S. 927-932

[21] IPPNV - Presseinformation International Physivians for the Prevention of Nuclear War: Abzug der Atomwaffen aus Büchel, 15.07.2011

[22] IWF warns, that world risks sliding intra 1930s-style slump. The Guardian 15.12.2011

[23] Löwenstein, S.: 50 Prozent mehr deutsche Rüstungsexporte, FAZ 07.12.2011 und SIPRI Yearbook 2011

[24] Kopper, H.: Ehemaliger Deutsche Bank Chef für mehr Regulierung, Wirtschaftswoche 13.12.2011


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Mitarbeiter von Cansupport in Neu Delhi
- Bewegungsfreiheit in Kairo, November 2011
- Demonstration für Eubiosie 1992 in Bangladesh. Der Autor in der Mitte

Raute

Fakten und Meinungen

Fritz Welsch

Marxisten und Christen im Friedenskampf

Eine persönliche Bilanz

Ich hatte das Glück, nach Kriegsende in einen Kreis Gleichgesinnter und Gleichaltriger zu geraten, denen die Befreiung vom Faschismus zugleich geistige Befreiung zur Aneignung des humanistischen Erbes bedeutete. Zunächst unter Anleitung älterer Antifaschisten im Jugendausschuss der Stadt und nach Gründung der FDJ eigenständig versuchte ich mit meinen Freunden etwas zur Beseitigung der materiellen und vor allem der geistigen Trümmer, die der Faschismus hinterlassen hatte, zu tun. Da die Blockparteien beschlossen hatten, keine eigenen parteigebundenen Jugendorganisationen zu schaffen, war es ein wesentliches Anliegen, die nach 1945 spontan entstandenen Gruppen zusammenzuführen. Das fiel mir besonders leicht, als ich eine Funktion in der FDJ-Leitung der Stadt Leipzig übernahm, hatte ich doch schon auf der Gründungskonferenz mit dem jungen Liberaldemokraten Manfred Gerlach und dem Theologiestudenten Hans Moritz ein gutes Einvernehmen hergestellt, das uns die gesamte spätere Zeit verband. Mit Hans hatte ich schöne Tage zu den Weltfestspielen der Jugend 1957 in Moskau und Manfred konnte ich noch zum 80. Geburtstag gratulieren. In meiner FDJ-Gruppe regten sich Freunde, die sich als Sozialisten fühlten, und christlich orientierte Jugendliche gegenseitig an.Wir besuchten gemeinsam bei Professor Schaller ein Seminar zur Einführung in das Manifest der Kommunistischen Partei, besuchten das Schauspielhaus, wo Lessings "Nathan der Weise" gespielt wurde, lasen im Gruppenraum Heines "Deutschland ein Wintermärchen", hörten aber auch das Weihnachtsoratorium in der Thomaskirche. Es spricht für die damalige Atmosphäre der Gemeinsamkeit, dass mich der Pfarrer der Kirche meines Bezirks ausdrücklich als FDJ-Funktionär begrüßte, als ich eine Veranstaltung junger Christen besuchte.

Dieses Einvernehmen ging mehr und mehr verloren, als sich die Position des bösartigen Antikommunisten Bischof Dibelius und der westdeutschen Kirchenleitungen durchzusetzen begann, die evangelische Kirche als Bollwerk gegen den demokratischen Aufbau zu missbrauchen. Es bedurfte jahrelanger geduldiger Arbeit der Partei, des Staates und des Druckes der Christen, die am Aufbau teilnahmen, ehe mit der Formel "Kirche im Sozialismus" wieder normale Beziehungen möglich wurden. An diesem Prozess habe ich nicht teilgenommen, weil ich in anderen Gebieten tätig war.

Meine Verbindung zum Verhältnis von Marxisten und Christen setzte in den 70er Jahren wieder ein. Ich hatte mich in meiner B-Dissertation mit der "Kritischen Friedensforschung" beschäftigt und dabei die Erkenntnis gewonnen, dass in den christlichen Kirchen wichtige Potenzen für den Friedenskampf vorhanden seien.

Dabei schienen mir vor allem die Befreiungstheologie in Südamerika und die weltweit wirkende "Christliche Friedenskonferenz" ermutigend zu sein. In der DDR hatten sich besonders in Rostock Warnemünde, Güstrow und Berlin Einrichtungen herausgebildet, die Erfolge im Dialog zwischen Marxisten und Christen vorweisen konnten. Diesen Bemühungen schloss ich mich in einer von mir geleiteten Forschungsgruppe an der Humboldt-Universität an. Vor allem in der Zusammenarbeit mit der Christlichen Friedenskonferenz entwickelte sich ein lebhafter Meinungsaustausch, der von der gemeinsamen Überzeugung getragen war, dass Christen im Sozialismus eine gesicherte Perspektive haben und einen wichtigen Beitrag zur Friedenssicherung leisten können. Entgegen den Geschichtsverfälschungen, wie sie nach 1990 offizielle Meinungsmache wurden, war das gegenseitige Bemühen für eine zukunftsgerichtete Gemeinsamkeit in der DDR auch unter Christen verbreitet.

Dazu eine Anmerkung, die das sehr deutlich macht. Nachdem der Generalsuperintendent C. Krusche an einer Diskussion in meinem Forschungskreis teilgenommen hatte, schlug er vor, im Rahmen seines Verantwortungsbereiches einen Diskussionskreis zum Dialog von Christen und Marxisten zu bilden.An diesem Kreis nahm neben Superintendenten und Lehrern der Kirchlichen Hochschule auch der Konsistorialpräsident Manfred Stolpe mit großem Engagement teil. Das zeigte sich auch darin, dass er anlässlich einer wissenschaftlichen Konferenz an der Humboldt-Universität in dem von mir geleiteten Arbeitskreis das Hauptreferat hielt und sich dabei eindeutig für die verstärkte Zusammenarbeit von Marxisten und Christen in der von und gemeinsam erstrebten "besseren DDR" aussprach. Die Entwicklung ist anders verlaufen. Die Befreiungstheologie wurde unter maßgebendem Einfluss des heutigen Papstes zerschlagen, die DDR der Bundesrepublik angeschlossen und die Christliche Friedenskonferenz überlebte den Sieg der Kriegsherren nicht.

Persönlich bin ich froh, dass ich zu meinem 85. Geburtstag zahlreiche Glückwünsche von Marxisten und von Christen erhielt.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

- Die Trennlinie ist nicht zwischen Marxisten und Christen. Die Trennlinie verläuft zwischen den Christen, zwischen solchen wie Ernesto Cardenal aus Nicaragua, der sich für die sozialen Rechte der Ausgebeuteten einsetzt, und einem wie Pfarrer Rainer Eppelmann, dem solche Rechte ein Greuel sind, das man am besten dadurch verhindert, dass das christliche Bürgertum sich mildtätig zeigt.

Raute

Fakten und Meinungen

Frank Baier

Talk mit Preußenchristen

Meine Herren, danke dass Sie meiner Einladung zu diesem Gespräch so bereitwillig gefolgt sind. Wenn ich bedenke, wie viele fahre uns doch trennen, möchte ich fast an ein Wunderglauben, dass wir uns zu dieser Runde versammeln konnten. Aber es gibt auch einen ernsthaften Grund, Sie hier zu Wort kommen zu lassen. Es ist an der Zeit, die vielen Missverständnisse auszuräumen, die sich hierzulande mit dem hehren Wort vom Geiste Potsdams verbinden, aufzulösen.

Preußentum und christliche Konfession gehören und gehörten zusammen. Dass diese Gewissheit bald wieder zur Selbstverständlichkeit anwachsen möge, dafür sind uns die festlichen Tage des Preußenjubiläums um unseren Fridericus Rex im Januar ein schönes Omen.

Wie viel mehr Freude hätten wir jedoch bekunden können, wenn unser Superintendent Joachim Zehner mit seinem Weihnachtsgebet für unsere Bundeswehr für unsere Soldaten am fernen Hindukusch und für die Regierung nicht in der Friedenskirche sondern schon in einer wiedererstandenen Garnisonskirche vor unseren Herren hätte treten können.

Sie ist ja der Inbegriff nicht nur Potsdams, sondern des ganzen Militärstaates Preußen.

Darüber lassen Sie uns heute sprechen.

Nur noch eine Bitte vorweg: Nennen Sie Ihren Namen. Es ist fürs Protokoll.

So, wer macht den Anfang? Der Herr rechts ganz in Braun.

B. von Sch. "Es gibt in Deutschland kaum einen Raum, in dem die Jugend sich mehr zu Haus fühlen kann, als in dieser Kirche."
(Baldur von Schirach, 1907-1974, nach einer Fahnenweihe für 342 Banner der Hitlerjugend am 24.01.1934)

Ja, aber auch die Älteren, eigentlich sogar auch die ganz Toten, haben Platz in dieser Kirche. Oder? Herr Rogge meldet sich.

B. R. "Es sind die Edelsten unseres Volkes, die ... in fremder Erde ihr Grab gefunden haben... Die Leichensteine, die dereinst diese Stätte schmücken werden, sie werden dem vorübergehenden Wanderer die Namen der ehrwürdigsten Geschlechter unseres Vaterlandes nennen."
(Bernhard Friedrich Wilhelm Rogge, 1831-1919, seit 1862 Gardekorps- und Divisionsprediger)

Das haben Sie sehr hübsch gesagt, dass Leichensteine eine Kirche schmücken können. Aber es können ja nicht irgendwelche dahergelaufene Tote sein. Sie sollten schon bestimmte charakterliche Vorzüge aufweisen. Dazu jemand? Sie, Herr Prediger, ich habe Ihren Namen nicht verstehen können.

Prediger N. N. "Ich will mich lieber bei lebendigem Leib in Stücke hauen lassen, als dass ich ein Feigling, ein Verräter und ein ehrloser Mann werde. Der ist ein Mann, der sterben kann, wie Eure Väter 1914, da Ihr geboren wurdet, in den großen Schlachten des Weltkrieges kämpften, siegten, bluteten und starben ... Darum steht das Gott mit uns auf Eurem Koppel. Wer als Christ glauben und beten kann, der wird auch seinen Fahneneid halten, wird freudig zu jener harten und schweren Pflicht, auch freudig zum Bluten und Sterben."
(Prediger des Feldgottesdienstes am 07.11.1935 in der Garnisonskirche)

Ja, wer so denkt und fühlt, der ist schon ein ganzer Kerl und hat Traditionen und Ideale. Die reichen weit zurück. Und Gott sei Dank hat Preußen seinen Männern vielerlei Gelegenheit gegeben, sich aufzuopfern. Ich denke da an 1866. Herr Rogge meldet sich wieder Bitte.

B. R. "Zu einer Reihe noch erhebenderen Fest- und Dankgottesdiensten gaben die glänzenden Siege der Armee in dem Feldzug von 1866 Veranlassung. Es war, als ob diese 50-jährige Erinnerung der großen Zeit in den Tagen der Väter unserem Volk von Gott besonders geschenkt worden wäre, um dasselbe zu den Kämpfen zu stärken, die unmittelbar darauf in einer Reihe von Kriegen den Söhnen und Enkeln bevorstanden."
(Bernhard Friedrich Wilhelm Rogge 1914)

Das war Vorausschau. Aber noch keine Vorsehung. Die trat allerdings auch in diese Kirche. Weiß jemand darüber was zu sagen? Ja, noch mal der Herr Prediger.

Prediger N. N. "Soldaten, deutsche Männer! Das ist heute ein großer und leuchtender Tag in Eurem Leben und im Leben unseres Volkes. Zum ersten Mal soll ein ganzer Jahrgang deutscher wehrhafter Jugend auf den obersten Befehlshaber der Wehrmacht, den Führer und Kanzler vereidigt werden. Das ganze deutsche Volk nimmt daran freudigen und stolzen Anteil."
(Prediger des Feldgottesdienstes am 07.11.1935)

Das war auch sehr erhellend, aber wenn es nicht gerade in dieser Kirche gesagt worden wäre, käme mir doch der christliche Gedanke ein wenig undeutlich vor Herr von Dryander, Sie wollen ergänzen?

E. von D. "Im Aufblick ... zum Vaterland, in dem die Wurzeln unserer Kraft liegen, wissen wir, ziehen wir in den Kampf für unsere Kultur gegen die Unkultur, für die deutsche Gesittung, gegen die Barbarei, für die freie deutsche an Gott gebundene Persönlichkeit, wider die Instinkte der ungeordneten Masse, und Gott wird mit unseren gerechten Waffen sein."
(Ernst von Dryander, 1843-1922, Oberhofprediger, Vizepräsident des preußischen Oberkirchenrates, noch 1918 in den erblichen Adelsstand erhoben, am 04.08.1914)

Nun Sie, Majestät, Sie baten ums Wort.

W II.: "Es hat das Jahr 1917 mit seinen großen Schlachten gezeigt, dass das deutsche Volk einen unbedingt sicheren Verbündeten in dem Herrn der Heerscharen dort oben hat. Auf den kann es sich bombenfest verlassen, ohne ihn wäre es nicht gegangen."
(Wilhelm II., 1917)

Aber dann ist es doch eine bittere Zeit geworden, Jahre voller Kränkungen. Wie Hiob sind wir geprüft worden. 1918 waren wir allein. Von Gott verlassen. Wir kennen das ja. Der Dolchstoß. Die unsäglichen Novemberverbrecher. Ich sage nur Spartacus. Doch nun haben wir uns wieder zu dieser Kirche versammelt.
Dr. Vogel will sich erinnern?

Dr. V.: "Und dann stand ich wieder auf der Kanzel, am Totensonntag 1918 ... Ihr seht das Unglück, darinnen wir sind, dass Jerusalem wüste liegt, und ihre Tore sind mit Feuer verbrannt. Kommt, lasst uns die Mauern Jerusalems bauen, dass wir nicht mehr seine Schmach sehen."
(Garnisonsprediger Dr. Vogel, 1932)

So ist das mit den Texten. Sie bedürfen des Exegeten. Der Herr Garnisonsprediger brauchte gar nicht deutlicher zu werden. Wir haben verstanden und diese Schmach überstanden. Sagen Sie doch bitte Herr Graf v. K., welche Bedeutung Ihnen unsere Kirche in diesen Tagen hatte.

Graf v. K.: "Der Tag von Potsdam, als der greise Hindenburg den frisch ernannten Reichskanzler Hitler unter Glockenläuten in die Garnisonskirche leitete, hat uns sehr beeindruckt ... Im Vordergrund der Befürchtung stand uns nicht Hitler, sondern der Bolschewismus, Deutschland sollte den Kommunisten nicht zum Opfer fallen."
(Johann Adolf Graf von Kielmansegg, 1906-2006, Reichswehr-, Naziwehrmachtsoffizier, Bundeswehrgeneral und NATO-Befehlshaber)

Da bleibt mir nur noch, den Jubilar zu bitten, das Schlusswort zu sprechen. Bitte, Fridericus Rex.

F. II. : "Ich schreite voran von Land zu Land, von Eroberung zu Eroberung und nehme mir wie Alexander stolz neue Welten zu erobern vor."
(Friedrich II., 1712-1786, König von Preußen)

Meine Herren ich danke Ihnen, hat doch unser Gespräch deutlich werden lassen, wo der Geist von Potsdam beheimatet ist, in der Garnisonskirche. Also ganz gewiss nicht an so einem Ort wie Cäcilienhof.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

"... eine gute Wehr und Waffen", Montage Klaus Georg

Raute

Fakten und Meinungen

Klaus Georg

Beweise auf der Deponie

Wir kennen uns beide schon ewig. Wir duzen uns, sind ja in der gleichen Partei. Er schon wieder. Ich immer noch.

In den letzten Jahren hat er angefangen sich Gedanken ums Danach zu machen. Er hat Angebote eingeholt. Das günstigste, wohl auch preiswerteste schien ihm das, wo ihm ewiger Pauschalaufenthalt in angenehmer Umgebung zugesagt worden ist. Er glaubt jetzt an den Himmel. Ich nicht. Und deshalb verteidigt er sich gegen mich. Wohl auch gegen sich selbst. Er sucht ernsthaft Argumente und sammelt Beweisstücke. Das kostet natürlich, weil er nur über Anzeigen an die begehrten Objekte kommt. Selbst hat er ja noch nichts gefunden. Aber er registriert penibel, ordnet und analysiert. Ohne Computer wäre das nicht zu schaffen, beteuert er immer wieder. Die Zahl seiner Beweise wächst.

Und jetzt sitzen wir in der DEPONIE. Das ist eine Kneipe unterm S-Bahnbogen hinter der Humboldt-Universität. Immer, wenn wo im Lande eine Kneipe aufgegeben wurde, kamen die Betreiber der DEPONIE-Kette, stopften Mobiliar und Inventar der insolventen Vorgänger in eine Neueröffnung und nannten die solcherart bestückten Etablissements DEPONIE. In der hier hängt sogar ein alter Kutschschlitten an Ketten von der Decke herab.

Hier sind wir verabredet. Auf ein Bier.

"Nein, heute nicht, Norbert. Bitte nicht." "Doch," sagt er, "es muss sein, gerade heute. Woher soll ich denn sonst wissen, ob du tolerant bist. Vielleicht bist du es ja gar nicht oder gar nicht mehr, und dann wäre ich in der falschen Partei. Wir haben uns doch versprochen, wir sind keine Weltanschauungspartei, oder?"

"Gewiss doch, haben wir. Aber ausgerechnet heute über Gott und die Welt reden? Verschone mich." "Doch," beharrt er, "ich habe neue Beweise. Es hat ja lange gedauert, aber jetzt ist es im Experiment nachgewiesen: Reiche kommen doch in den Himmel. Jahrhunderte lang stand ja dieses sperrige Bibelwort eher ginge ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel käme, und hat gerade Wohlhabende im Glauben verunsichert. Das ist jetzt vorbei. Das Kamel ist durch. Und so, wie es die apostolischen Prozeduren bei der Anerkennung von Wundern verlangen, gibt es wissenschaftliche Belege. Das ist ein ebenso strenger Maßstab, wie er bei der Heiligsprechung des verblichenen Johannes Paul II. angelegt wird. Bei dem ist das Wunder auch exakt wissenschaftlich betätigt worden. Eine Nonne hat sich an ihn gewandt, hat um seinen Beistand bei der Heilung einer krebskranken Frau gebeten. Ein Arzt hat die Heilung bestätigt. Damit ist erwiesen, dass Jan Pawel tatsächlich im Himmel ist."

Jetzt schweigt er irritiert. Irgendetwas in meinem Gesichtsausdruck missfällt ihm. Ich bleibe aber stumm und nicke nur. Da setzt er leicht zögernd wieder an: "Ja, und so ein Wunder gibt es jetzt auch mit dem Kamel. Es gibt unwiderlegliche Zeugenschaft. Nein, nicht etwa nur ein einzelnes Foto. Das wäre ja mit der heutigen digitalen Technik leicht zu fälschen. Nein, es gibt eine ganze Filmsequenz. Alles ist drauf. Das Kamel verschwindet langsam im viel zu engen Mauertürchen. Dann taucht sein Kopf auf der anderen Seite auf. Langsam, geradezu bedächtig, schiebt es sich durch die Mauer. Ein junger Mann hat seine Handykamera an einen Ballon gehängt. Alles ist aus der Vogelschau zu sehen. Eine tolle Arbeit."

Ich weiß nicht, warum ich nun doch widerspreche. Mein Taktikzentrum rät mir, wieder nur zu nicken und zu schweigen. Das mache ich zunächst auch, aber Norbert reagiert sofort: "Ja, ja, du nickst. Sehe ich. Aber da ist dir so ein Grinsen im Gesicht. Ich glaube, du bist gar nicht tolerant. Jedenfalls denkst du wieder ganz und gar intolerant."

"Ach", antworte ich dann doch, denn mein Verstand drohte gerade beleidigt, den Dienst bei mir zu kündigen, "das ist alles kein Beweis. Ich habe das Filmchen selbst im Fernsehen gesehen. Ich hab auch bemerkt, wie sie vorher mit dem Kran Steine aus der Mauer gehoben haben. Sie haben das Mauertürchen verbreitert. Und dann haben sie die Steine nicht mal aus dem Blickfeld geschafft. Außerdem haben sie schludrig gearbeitet. Sie haben gar kein Kamel aufgetrieben, nur ein einhöckriges Dromedar. So. Aber ich bin natürlich tolerant. Im Prinzip jedenfalls."

Jetzt ist er still und interessiert sich demonstrativ mehr für sein Bier als für den Nachweis, dass Reiche in den Himmel kommen. Und dann ist das Bierglas leer Als der Ober das nächste bringt, ist er aufgestanden und macht sich an seinem Rucksack an der Garderobe zu schaffen. Die Neuzeit macht sich bei ihm auch darin kenntlich, dass er Rucksack trägt. Rucksack ist gesünder als einseitig Aktentasche tragen. Als er am Tisch zurück ist, hat er die Illustrierte in der Hand, die von sich selbst sagt, sie wäre keine Illustrierte, sie wäre ein Nachrichtenmagazin. Jetzt sitzt er mir wieder gegenüber. "Hier," weist er auf das Papier, "heute ist dein Waterloo. Jetzt rede ich nicht mehr von Beweisen. Jetzt lege ich sie auf den Tisch. Es geht ja gar nicht darum, ob ein Kamel ein oder zwei Höcker haben muss. Es geht doch um die Frage, ob im Himmel auch Platz für die wohlhabenden, die erfolgreichen, kurz die reichen Bürger gibt. Du sagst nicht nein, gewiss nicht. Du tust tolerant. Aber du grinst. Dieses Grinsen wird dir jetzt vergehen. Denn jetzt schreite ich zur Beweisführung. Wenn du unser Gespräch später aufschreiben solltest, wirst du an dieser Stelle eine Fußnote einfügen, so dass jedem Leser die Wissenschaftlichkeit meiner Darlegung einleuchten wird."

"Natürlich," beeile ich mich zu versichern, "ich bin ja kein Reichsfreiherr auf Doktortiteljagd. Wenn ich zitiere, dann korrekt."

"Also hier[1] steht", und er blättert die bebilderten Nachrichten durch, "Abt Ephraim vom russisch-orthodoxen Kloster Vatopedi auf Athos ist nach Moskau geflogen. Er ist der Beichtvater des russischen Ministerpräsidenten Putin. Der beichtet bei ihm. Nun frage ich dich: wann beichtet einer? Doch nur wenn er gesündigt hat und trotzdem in den Himmel kommen will. Das bedeutet, dass Putin weiß, dass es für ihn einen Platz im Himmel gibt. Ich sage es noch mal deutlich, er weiß es. Schließlich war er lange genug Geheimdienstmann. Der hat seine sicheren Quellen."

Das kostet er aus. Und ich muss Größe zeigen. Das ist schwer.

"Norbert, das ist ein großer Schritt für dich und ein kleiner Schritt für die Menschheit, zurück."

Ich weiß, auch dieser Satz verdiente eine Fußnote, aber heute ist nicht mein Tag. Es ist Norberts Tag. Er wird das Nachrichtenmagazin zu seinen Beweisstücken legen.

Anmerkung:

[1] Aus SPIEGEL 1/20 12, S. 74, mit den Abbildungen des Klosters Vatopedi/Mönchsrepublik Athos und des zugehörigen russisch-orthodoxen Abtes Ephraim


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Stücke aus der Sammlung von Beweismitteln des Norbert N.

Raute

Fakten und Meinungen

Héctor Corcho Morales

Jose Martí und die deutsche Kultur

Übersetzung Yenki Bravo Colina

Die Verbindung von José Martí und dessen Werk mit der deutschen Kultur und der deutschen Sprache ist etwas, das niemand nach seinen eigenen Kommentaren bezweifeln kann. Sein Werk spiegelt seine Bewunderung und sein Interesse für bedeutende deutsche Schriftsteller wie Goethe und Schiller, sowie für andere avantgardistischen Bereiche des deutschen Wissens wider, zu dem die Philosophie und die Wissenschaften gehören, was durch seine unmissverständliche Aussage bewiesen wird: "... das Deutsche, worin das ganze Werk des Menschen eingebracht ist ... "

Sein Interesse dafür zeigt er bereits in jungen Jahren, und zwar mit einem Werk, das er in Madrid im Alter von 19 Jahren zu schreiben beginnt. "Adúltera" (Ehebrecherin) ist ein Werk, das Martí im Jahre 1874 beendet, in dem alle handelnden Personen deutsche Namen tragen.

Martí hat nicht nur unter den deutschen Immigranten in den USA gelebt, sondern er hat auch seine Schriften der Erscheinung gewidmet, wie die Gemeinschaft von deutschen Immigranten zum Aufbau der US-Gesellschaft beigetragen hat, sowie über ihren Einfluss auf die Sitten und Gebräuche des US-Volkes.

In einigen journalistischen Beiträgen spricht Martí über den Bau der Brooklyn-Brücke unter der Verantwortung von Johann August Röbling (1806-1869), über die Unterrichtung der deutschen Sprache in den Schulen von New York und über die Rolle von Friedrich Wilhelm von Steuben (1730-1794) bei der Erringung der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten. Laut Berschin und Vales (2000), berühren 73 von den 111 Artikeln, die Martí in der Rubrik Sección Constante der Zeitung "La Opinión Nacional" von Caracas zwischen November 1881 und Juni 1882 veröffentlicht hat, das wissenschaftliche, kulturelle, politische und wirtschaftliche Leben in Deutschland und schildern auch die Situation der deutschen Immigration in den Vereinigten Staaten und Lateinamerika.

Die Annäherung von Martí an die deutsche Kultur im Allgemeinen kann sich aus seinem Aufenthalt in Spanien und den Vereinigten Staaten wie folgt erklären: In dem Fall von Spanien aufgrund der geographischen Nähe und der Möglichkeiten, die es in diesem Land für die Einfuhr von deutschen Werken gab. Im Falle der Vereinigten Staaten kann man die Annäherung aufgrund des zeitlichen Zusammentreffen des Aufenthalts von Martí in New York und des Zustromes von Tausenden deutschen Immigranten in die Vereinigten Staaten begründen. Von den Germanisten und Fachleuten der deutschen Sprache wird der von Martí geprägte Begriff "die mathematische Sprache" benutzt, denn nur diejenigen, die diese Sprache beherrschen, begreifen genau, wie viel Wahrheit in diesen Worten steckt und nur derjenige, der die deutsche Sprache gut beherrscht, kann fest und überzeugend, wie es Martí getan hat, die Natur selbst dieser Sprache zum Ausdruck bringen.

Gerade die Tätigkeit von Martí als Übersetzer vom Deutschen ins Spanische stellt ein Rätsel dar, das nur Schlussfolgerungen aus seinen eigenen Kommentaren und aus seinen Verbindungen und Zusammenhängen, die Martí erlebt hat, ermöglicht. Es gibt aber noch ein weiteres Element, das das Leben von Martí mit Deutschland verbindet. Dabei handelt es sich darum, dass während der Vorbereitungen des kubanischen Befreiungskrieges im Jahre 1895 der haitianische Konsul in Inagua, Herr Barbes, ein Anhänger der Ideale der kubanischen Patrioten, ihm dem deutschen Kapitän Heinrich Theodor Julius Löwe vorstellte. Löwe war Kapitän des Dampfschiffes "Nordstrand", das von einem nordamerikanischen Unternehmen gechartert war, um Holz aus den Vereinigten Staaten nach Haiti und Jamaica zu transportieren. Martí bat den Kapitän, ihn und einige seiner Freunde nach Kuba mitzunehmen. Nach anfänglicher Weigerung akzeptierte dieser und landete Martí mit weiteren sechs Expeditionsteilnehmern in der Nähe von Maisi, im Osten Kubas, illegal an. Der Kapitän entschied sich dafür, den Kubanern zu helfen, weil er wusste, wie Spanien Kuba tyrannisierte, und auch weil Martí als Bruder der Freimaurer vorgestellt wurde.

So gehen der deutsche Kapitän und sein Frachter in die Geschichte Kubas ein. Heinrich Löwe war 36 Jahre alt, als er Martí kennen lernte. Er war ein Mann, der von seiner Crew respektiert wurde und der seine Arbeit mit großer Hingabe verrichtete. Als Martí an Bord des Schiffes war, gab der Kapitän ihm seine Kabine und dieser gab sie an Maximo Gomez weiter. Mit fotografischem Blick beschreibt Martí in seinem Tagebuch am 6. April die Kabine des Kapitäns: Die Koje, Schubladen und Regale waren aus Mahagoniholz. Weiterhin gab es Landkarten, Bücher von Johann Wolfgang Goethe, das Porträt der Ehefrau des Kapitäns und ein von ihr mit Kammgarn bestickten Stickrahmen, worauf zu lesen war:

"In Allen Stürmen
In aller Not
Wird er dich beschirmen
Der Treue Gott"

Die Einwohner Havannas hatten die Gelegenheit, in der Ausstellungshalle "Pavillón Cuba" eine Replik in Originalgröße der Kommandobrücke der "Nordstrand" zu betrachten. Deutsche Arbeiter hatten sie nach archivierten Konstruktionsunterlagen in der Neptunwerft in Rostock, DDR, nachgebaut. Es war ein Geschenk der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands an den 1. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas. Für seine gegenüber Kuba erbrachten Dienste wurde Kapitän Heinrich Löwe so in die Geschichte aufgenommen. Wegen seiner Unterstützung der kubanischen Ideale wurde sein Schiff mit 45 Tagen Liegezeit bestraft. Anschließend wurde von dem nordamerikanischen Unternehmen mit einem Reiseverbot nach Kuba bis zum Jahr 1896 verurteilt. Dieser edle Kapitän hat Martí niemals vergessen, und als am 26. März 1899 Gomez in Havanna ankam, befand sich Kapitän Löwe mit seinem Schiff dort und hatte die Freude, den Generalissimus zu begrüßen und mit Zuneigung und Bewunderung an seinen Bruder José Martí zu erinnern.

Nach Bewertung dieser Aspekte bezüglich der Beziehung zwischen Martí und Deutschland, die sein Interesse und seine Verbundenheit mit den Menschen, der Kultur und Sprache dieses Landes erkennen lassen, ist es interessant, den deutschen Einfluss auf die kubanische Kultur zu analysieren. Das kann man sehr gut aus der Definition von Transkulturation der kubanischen Kultur von Fernando Ortiz[1] entnehmen, worin er die Ergebnisse seiner Forschungen aller Prozesse, die die Cubanía - die Identität der Kubaner - beeinflusst haben, formuliert hat.

Wegen der Tiefe und des Umfangs seiner Forschungen ist er nach Christopher Kolumbus und Alexander von Humboldt als der dritte Entdecker von Kuba bekannt. Er hat sich vor allem mit der afrikanischen Präsenz in der kubanischen Kultur beschäftigt. Mit dem Begriff der Transkulturation hat er seinen Beitrag zur kulturellen Anthropologie geleistet. Er hat die Prozesse der Transkulturation und der historischen Entwicklung der kubanischen Nationalität erforscht und daraus die Entdeckung der kubanischen Art und Weise abgeleitet.

Für Ortiz ist Transkulturation ein Mittel zum Erfassen der vielfachen Fusionen von verschiedenen kulturellen und menschlichen Faktoren. Für Ortiz umfassen die menschlichen Faktoren das Potenzial des Ursprünglichen und Unberechenbaren in ihren vielfältigen Zusammenhängen und die möglichen kulturellen Änderungen. Deshalb ist es interessant, einen Überblick über den Begriff von Transkulturation zu geben.

Transkulturation ist eine Bezeichnung, mit der Fernando Ortiz den theoretischen Begriff der kulturellen Anthropologie bereichert hat, indem er die daraus resultierende Formung der kubanischen nationalen Kultur abgeleitet hat. Das ist ein Phänomen, das man auf den ganzen Kontinent erweitern kann, da, wie er festgestellt hat, "darf die amerikanische Geschichte nicht ohne die Geschichte aller ethnischen Essenzen begriffen werden, die sich auf diesem Kontinent verschmolzen haben, und auch nicht ohne einzuschätzen, welches das eigentliche Resultat ihrer gegenseitigen Transkulturation gewesen ist."

Damit verweisen wir auf einige Elemente, deren Spuren in der kubanischen Geschichte zu finden sind.

Wie es weltweit bekannt ist, führte der deutsche Wissenschaftler Alexander von Humboldt umfangreiche Studien in Kuba durch, die ihn zur Ausfertigung seines Werkes "Politisches Essay über die Insel Kuba" geführt haben. Er verdient völlige Anerkennung wegen seiner Konzeptionen, die ihm den Ruf als des zweiten Entdecker Kubas einbrachten.

Beispiele der deutschen Spuren in der kubanischen Kultur

Ein Element von großem Interesse ist die deutsche Beteiligung an der kubanischen Wirtschaft seit ihrer Ursprüngen im Jahre 1542, mit der Präsenz von Hans Tetzel am Anfang des Kupferbergbaus in der Provinz Santiago de Cuba.

Cornelius Souchay gründete ab 1813 in der Gegend von Artemisa die Kaffeeplantage Cafetal Angerena, wo er in den Regionen des Kaffeeanbaus in Kuba in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts neue technologische, produktive und menschliche Konzepte eingeführt hat.

Nördlich der Stadt Camagüey, etwa zwei Kilometer von der Küste und etwa 40 Kilometer vom Dorf Esmeralda entfernt, ist eine Gegend namens Palma City, die von den Deutschen im frühen zwanzigsten Jahrhundert gegründet wurde. Nur zwei Gebäude sind stehen geblieben: die 1902 gebaute Kirche und ein Haus, das einem deutschen Bürger namens Leopold Lust gehörte.

Die deutsche Musik war Teil der Transkulturation

Juan Nepomuceno Goetz, deutscher Priester und Musiker, kam im frühen neunzehnten Jahrhundert aus dem nahen Haiti nach Santiago de Cuba.

Ein weiterer prominenter deutscher Musiker war Rafael Reinecke, der in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts seine Spuren nicht nur in der Musik hinterlassen hat, sondern auch in der Fotografie und Druckgrafik. Er hat im Jahre 1856 gemeinsam mit seinem Landsmann Oscar Held, auch ein Fotograf, Schriftsteller und mystischer Grafiker, ein Fotostudio betrieben.

Im Jahr 1873 gastierte die berühmte deutschen Sängerin und Instrumentalistin Paulina Lucca an der kubanischen Küstenregion und hinterließ ein großes Repertoire von deutschen Liedern im Lande. Der bekannte und vielseitige Intellektuelle Hermann Friedrich Wilhelm Michaelsen hat im späten neunzehnten Jahrhundert in seinem eigenen Haus in Santiago de Cuba eine künstlerische Gesellschaft gegründet, die das Ziel hatte, die beste klassische Musik aus seinem Herkunftsland zu pflegen und zu verbreiten.

In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts sind auf der Insel viele deutschen Bands und Sänger aufgetreten, sowie renommierte Dirigenten von Sinfonieorchestern, wie Volkmar Neumann, Günther Herbig und Olaf Koch, unter anderem prominente deutsche Musiker, die ernste Musik darboten. Andere Beispiele aus dem Bereich der Musik könnte man hinzufügen.

Auch kubanische Musiker studierten und spielten in verschiedenen deutschen Städten zwischen dem neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert. Darunter wird José Julián Jiménez erwähnt, der von 1873 bis 1880 Klavier, Violine und Harmonie in Leipzig studierte und auch Violinist im berühmten Gewandhausorchester jener kosmopolitischen Stadt war.

Ein andere Musiker, Jose Jimenez Berroa (1851-1917), Pianist und Komponist, wurde im Jahr 1890 Direktor des Konservatoriums für Musik in Hamburg. Der berühmte kubanische Geiger Claudio José Domingo Brindis de Salas (1852-1911) war auch Preisträger des Ordens Ehrenlegion, als er als Kammermusiker am Hof des Kaisers Wilhelm II. diente. Ihm wurde sogar die deutsche Staatsbürgerschaft als Zeichen der Anerkennung für seine Leistungen in Deutschland erteilt.

Erwähnenswert ist der erste Cellist des Nationalen Sinfonieorchesters, Vladimir Dubratschewsky, der über 30 Jahre Mitglied des wichtigsten sinfonischen Orchesters des Landes bis zu seiner Pensionierung war. Im Jahr 2004 erhielt er in Kuba, wo er lebte, den Nationalpreis für Kunsterziehung.

Ein wichtiger Besuch in Havanna

Albert Einstein, Nobelpreisträger für Physik im Jahre 1921, besuchte Kuba am 19. Dezember 1930. Der berühmte Wissenschaftler nahm an einem Empfang teil, der ihm zu Ehren in der Aula der Akademie der Medizinischen Wissenschaften, Naturwissenschaften und Physik von Havanna gegeben wurde und von dieser Institution und der Geographischen Gesellschaft Kubas organisiert wurde, wo er sich in das Goldene Buch eingetragen hat: "Die erste wahrhaft universale Gesellschaft war die Gesellschaft von Forschern. Hoffentlich wird die nächste Generation eine wirtschaftliche und politische Gesellschaft etablieren, die mit Sicherheit die Katastrophen vermeidet".

Der Wissenschaftler Albert Einstein weilte nur 30 Stunden in Havanna. Er zählt jedoch zu einem unserer wichtigsten Besucher aller Zeiten.

In den frühen Morgenstunden des 20. Dezember 1930 besuchte Albert Einstein die ärmsten Häuser, Hinterhöfe von Mehrfamilienhäusern (solares) und Wohngemeinschaften (cuarterías), den Binnenmarkt, die bescheidensten Geschäfte in der Straße Calzada de Monte und die typischen Viertel der kubanischen Armut "Pan con Timba" und "Llega y Pon".

Dreißig Stunden auf kubanischem Boden waren für den mit den sozialen Problemen seiner Zeit engagierten Wissenschaftler genug, um die damalige Havanna-Gesellschaft in seinem Tagebuch zu beschreiben und zwar mit einer scharfen Beobachtung: "Luxuriöse Clubs neben entsetzlicher Armut, die vor allem Farbigen betrifft."

Zigarren Hermann Upmann

Diese von den Gebrüdern Hermann und August Upmann geschaffene Marke behält heute nach wie vor ihre Qualität weltweit.

Diese Gebrüder, Bankiers aus Bremen und offensichtlich Freunde des Rauchens, landeten in Havanna zwischen 1840 und 1841 (Genauere Angaben fehlen.), um eine Niederlassung ihres Finanzinstitutes zu etablieren.

Überlieferte Geschichten besagen, dass Hermann Upmann seinen deutschen Freunden und den Kunden seiner Bank Zigarren schickte, um für seine Bankgeschäfte zu werben.

Diese Zigarren-Gewohnheit führte Hermann zu der Entscheidung, mit Hilfe seines Bruders August eigenen Zigarren zu produzieren, die, am 15. Oktober 1844 das Licht der Welt mit dem weltweit immer noch renommierten Markenamen H. Upmann erblickten.

Die H. Upmann Zigarren Fabrik wurde zu einer der größten in ihrer Zeit. In ihren Einrichtungen waren mehr als 200 Beschäftigte tätig.

Darüber hinaus wurde die deutsche Fabrik auch die erste, die die Lagerung von Zigarren in Aluminium-Röhren eingeführt hat, was noch heute weltweit gebräuchlich ist.

Das kubanische Volk erinnert an diese deutschen Spuren

Diese Einflüsse haben unter anderem dazu beigetragen, dass die kubanische Kultur mit Deutschland verbunden ist. Denn obwohl die Sprachbarriere ein Hindernis gewesen sein könnte, war dies aber nicht so, wenn wir einige von kubanischen Einrichtungen durchgeführte Aktionen betrachten, die dazu dienten, die deutschen Spuren in der kulturellen Bildung Kubas zu verewigen, wie zum Beispiel Straßen und Parks, die deutsche Namen tragen:

In der Stadt Santiago de Cuba finden wir die Alameda Michaelsen, gegenüber dem Hafen der Stadt in der jetzigen Jesus-Menendez-Avenue. Sie erstreckt sich von der Straße Calixto Garcia bis zur Straße Aguilera.

In Santiago de Cuba finden wir auch die Straße Hartmann, besser bekannt als San Felix, die sich entlang der Avenue 24 de Febrero (Trocha) bis die Promenade Paseo de Martí erstreckt und viele andere Straßen kreuzt. Diese Straße trägt diesen Namen in Anerkennung des bedeutenden Arztes Felipe Carlos Hartmann Geyer.

Zwischen der Straße Calzada de Diez de Octubre und der Straße Lourdes im Viertel Arroyo Apolo im Kreis Arroyo Naranjo, in der Stadt Havanna, liegt die Straße Kessel. Diese Straße trägt den Namen von Baron Johann von Kessel, der im Jahr 1770 Grundstücke in dieser Gegend gekauft hat und sie San José de Bellavista nannte.

Es gibt auch andere Straßen in Havanna mit den Namen von deutschen Persönlichkeiten, wie die bekannte Hamel-Gasse im Stadtbezirk Centro Habana, die Straße Hernan Behn im Viertel Apolo im Stadtbezirk Arroyo Naranjo, die Humboldt-Straße im Viertel Vedado im Kreis Plaza de la Revolución, die Straße Averhoff an der Grenze der Viertel Mantilla und El Calvario im Kreis Arroyo Naranjo, sowie die Passage H. Upmann im Stadtbezirk Plaza de la Revolución. In der Stadt Trinidad ist die Schmith-Gasse, zwischen den Straßen Antonio Maceo (Guiteras) und Pedro Zerquera (Alameda). Diese Straße trägt ihren Namen offenbar nach einem deutscher Potentaten, der in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts mehrere Geschäfte in dieser Stadt hatte. Er war Wilhelm Schmidt.

Im Hinblick auf die Parks

In der Stadt Havanna gibt es einige Parks, die den Namen von berühmten Deutschen tragen, wie zum Beispiel:

Der Park Alexander von Humboldt, an der Kreuzung der Straßen Los Oficios und La Muralla, im Stadtbezirk Alt-Havanna vor dem Haus der Grafen von O Reilley, Gastgeber des deutschen Gelehrten in seiner ersten Reise nach Kuba.

Der Park zu Ehren von Karl Marx liegt an der Straße Salvador Allende und an der Straße Belascoain im Kreis Centro Habana.

Naturpark Alexander von Humboldt in der Provinz Guantanamo

Der "Humboldt" ist der größte Park des kubanischen Systems der Naturschutzgebiete und ist voller bemerkenswerter geomorphologischer und forstlicher Werte. Er umfasst mehr als 70.000 Hektar, eine Fläche der Größe der Provinzen Guantanamo und Holguin.

In diesem zum Weltnaturerbe erklärten Gebiet gibt es unzählige Arten der weltweiten Flora und Fauna. Dort ist eine äußerst reiche Tierwelt von über zweihunderttausend Arten, darunter gibt es eine hohe Anzahl von Vögeln, Reptilien, Insekten, Mollusken und Spinnentieren.

Auch eins der wichtigsten Theater Kubas trägt den Namen Karl Marx und befindet sich im zentral gelegenen Viertel Miramar in der kubanischen Hauptstadt Havanna. Dieses Theater ist Präsentationsort vieler internationaler und nationaler und Veranstaltungen.

Mit dieser Zusammenfassung will ich deutlich machen, wie deutsche Kultur schon von Jose Martís Zeit an geschätzt wurde und wie sie ein Teil der Transkulturalität gewesen ist, wie sie von Fernando Ortiz definiert wurde. Zugleich soll damit ein Überblick darüber gegeben werden, wie es dem kubanischen Volk gelungen ist, Zeugnisse[2] davon zu bewahren, die diese deutsche Präsenz in Kuba charakterisieren und wie das Volk Kubas in einer bescheidenen Weise dazu beigetragen hat, die deutsche Kultur zu bereichern.

Anmerkungen:

[1] Fernando Ortiz Fernandez (1889-1969) Ethnologe (Kenner der afro-kubanischen kulturellen Wurzeln) Anthropologe, Archäologe, Musikwissenschaftler und Jurist

[2] Jose Martí und die deutsche Sprache, homepage ecured - Gladys Portuondo: Die Transkulturation bei Fernando Ortiz Gladys Portuondo: Die Transkulturation bei Fernando Ortiz Transkulturation, homepage ecured

Martell, Raul: Kuriositäten der deutschen Präsenz in Kuba, homepage cubarte 24.01.2008 und Auf deutschen Spuren in Kuba, ebenda, 20.02.2008

Crespo, Jorge Grogoy: Die deutsche Präsenz in Pinar del Rio, Rundfunk Tele Pinar 4/5/2010

Zeitung "Victoria" von der Isla de la Juventud in Kuba, online. http:www.periodicovictoria.cu


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

"Jose Martí" Zeichnung von Gerhard Kruschel, 1974

Raute

Personalia

Hermann Klenner
(Übertragung des zur Trauerfeier am 11. November 2011 frei gesprochenen Wortes aus dem privaten Mitschnitt von Renato Lorenz)

Liebe Familie Heuer,
liebe Vertraute, Freunde und Genossen des

Uwe-Jens Heuer

Er ist ein Rechtswissenschaftler, ein im Doppelsinn des Wortes großer Rechtswissenschaftler, Professor Doktor jur. habil., Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR, Mitbegründer und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin, er ist Initiator, Gründer und Sprecher des Marxistischen Forums gewesen. Er ist Mitbegründer der "Marxistischen Hefte" und der GBM-Zeitschrift ICARUS, einer großartigen Zeitschrift. Und wenn ich ihn über seinen Platz, in dem, was er gewesen ist, charakterisieren will, vom Standpunkt der Wissenschaft, dann möchte ich sagen, er ist der wichtigste Rechtswissenschaftler deutscher Zunge der letzten 60 Jahre.

Der Wichtigste, nicht nur weil er in permanenter Produktivität gelebt hat, sondern auch, weil er diese Produktivität in zwei sich entgegengesetzt entwickelnden Systemen intellektuell durchgestanden hat. Es gibt niemanden in der großen Gilde deutscher Rechtswissenschaft, der in gleicher Weise so umfassend den Sinn eines Lebens in einem Sozialismus, der mehr ist, um eine Juristenvokabel zu verwenden, mehr ist als Putativsozialismus, und gleichzeitig die letzten 20 Jahre seines Lebens in einem nun wirklich real existierenden Kapitalismus durchgestanden hat, als Intellektueller, als Wissenschaftler.

Er war anpassungsresistent in der DDR und danach erst recht. Als er vom ersten Parteitag - ich weiß nicht, war's noch SED oder war's schon PDS - kam - ich höre seine Worte noch - sagte er: "Früher haben wir gelernt: Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit. Jetzt haben wir eine neue Definition: Freiheit ist die Einsicht in die nötige Wendigkeit." Er konnte sarkastisch sein, und die von mir zuletzt geäußerte Meinung war natürlich Sarkasmus. Er konnte sarkastisch sein, aber er war zunächst einmal streitbar.

Seinen Weg zum Marxismus - in seiner Autobiographie spricht er ja vom Weg zu Marx unter Stalin - war trotzdem kein Weg in einen angelernten Dogmatismus. Es war ein Weg zu Marx, der zugleich begleitet war von der Wahrheit seiner fünf Sinne, aus der er gelebt hat. Und deshalb war er streitbar, in der DDR und danach erst recht. Die Dissertation, die er geschrieben hat über das Thema "Allgemeines Landrecht und Klassenkampf", ist nach einigen Jahren von heftigen Auseinandersetzungen mit Dogmatikern, unter denen, die sich dann eigentlich nur verbal Marxisten hätten nennen dürfen, da ist sie erst publiziert worden.

Und bereits diese Dissertation zeigt den Reichtum seiner Kulturkonzeption, das Wissen, dass der Marxismus keine einseitige, sondern eine allseitige Theorie ist, die die Kultur, das Denken, die Progressivität, die vor Marx war, in sich aufnehmen muss. Und der Hauptvorwurf gegen ihn war: er hat ja nur über die Einleitung des Allgemeinen Landrechts Preußens von 1794, mit etwa 19.000 Paragraphen geschrieben, das umfassendste Gesetzeswerk deutscher Zunge, zugleich eines der Reaktionärsten, aber in die Einleitungsteile war die Berliner Aufklärung eingeflossen, und die Berliner Aufklärung war nicht zu denken ohne die Französische Revolution - und die Dogmatiker warfen ihm vor, dass er ein zu progressives Verhältnis zu diesem reaktionären Machwerk gehabt hat.

Er hat sich dann später nach seinem unfreiwilligen Abgang von der Berliner Juristenfakultät, der ihn ins Wirtschaftsrecht gebracht hatte, danach hat er sich dem Wirtschaftsrecht, dem sozialistischen Wirtschaftsrecht, gewidmet. Und es wäre heute leicht zu sagen: Ein überflüssiges Unternehmen. - Oh nein, so hätte er es gesagt: Sozialismus kommt wieder!

Es sind also ungeheuer wichtig seine Erfahrungen, als der Eine von den drei bedeutenden Wirtschaftsrechtlern, die in der DDR waren, der eine in Leipzig, der andere an der Hochschule für Ökonomie in Berlin und dann eben unser Uwe-Jens Heuer.

Ich meine, dass er der radikalste war, der als Erster begriffen hat, dass ein neues ökonomisches System eine andere Konzeption des Rechts, eine Verstärkung der subjektiven Rechte mit sich bringen muss, eine Verstärkung, die nicht nur auf das Wirtschaften mittels Planung, sondern gerade auch auf die Verstärkung des subjektiven Faktors des Individuums und auch der wirtschaftenden Einheiten, der Betriebe, zielt.

Ja, und dann kam, noch vor der Wende, sein Übergang aus dem Wirtschaftsrecht in die Rechtswissenschaft als Ganzes. Er hat - es ist 1989 erschienen - das große Buch "Marxismus und Demokratie" geschrieben.

Er war mit 21 Jahren in die SED eingetreten. Sein Vater befürwortete das Zusammengehen von Sozialdemokraten - Gewesenen - und Kommunisten - Gewesenen - zu einer Partei. Er war also mit 21 Jahren in die SED eingetreten. Er hat sie zeitlebens nicht als Sozialdemokrat, aber auch nicht als Kommunist, sondern als Sozialist betrachtet. Aber seine Grenze, seine Abgrenzung zum Kommunismus, die ist spürbar.

Aber sie ist in fundamentaler Weise Übereinstimmung. Denn für ihn waren die Eigentumsfrage und die Friedensfrage die Fundamentalwahrheit bzw. die fundamentalpolitische Wahrheit seines Lebens. Und die steht in Übereinstimmung mit denen, die - wie sagen wir es - die links von ihm standen, die sie mit ihm gemeinsam hatten. Das trifft nicht, wirklich nicht, auf die Sozialdemokratie zu.

Und er hat dann den Übergang in die Rechtswissenschaft als Großes vollzogen. Sein Buch von 1989, noch in der DDR erschienen, "Marxismus und Demokratie", ist in zweiter Auflage bereits in einem westdeutschen Verlag erschienen, mit einem Vorwort übrigens von Werner Maihofer, einem gewesenen Minister des Innern der Bundesrepublik Deutschland. Es gab einen sozialen Liberalismus. Er, Uwe-Jens Heuer, hat sein erstes Buch seinem Vater gewidmet. Er hat dann später seine Autobiografie geschrieben, und niemand von den deutschen Rechtswissenschaftlern hat eine solche Autobiografie zustande gebracht, von denen, die in den letzten 60 Jahren politisch gelebt haben. Er hat sie seinen fünf Enkeln gewidmet, so wie er sein letztes zu seinen Lebzeiten erschienenes Buch Klaus, Karin Heuer, den Kindern und Enkelkindern gewidmet hat.

Ja, und damit hat er etwas getan, das halte ich für das Großartigste, was er geschaffen hat. Wenngleich ich sagen muss, aus mehreren Gründen, seine Dissertation "Allgemeines Landrecht und Klassenkampf" ist unüberholt, sein Buch "Marxismus und Demokratie" ist nicht durch irgend ein anderes Werk gleicher Thematik zu ersetzen, bisher nicht und auch vermutlich nicht in den kommenden Jahren.

Und dann der Übergang zur Autobiografie, und damit kommt das wirklich Größte: Der Rückblick, den er intellektuell geschaffen hat - nicht in Verdammnis, nicht in Selbstkritik. Und so anpassungsresistent er war, er war veränderungsfähig. Wie er die Einschätzung des Rechtsstaats als Legende mit Fragezeichen, wie er die Gesamteinschätzung der Rechtswirtschaft in einem Abriss, den er initiiert hat und herausgegeben hatte, eben das Rechtssystem in der DDR vorgenommen hat, das ist eine großartige Leistung.

Und das ist etwas, wenn man den Bogen insgesamt dann spannt, dann ist das etwas, das nicht und von niemandem ersetzt werden kann.

Und deshalb nehmen wir zwar heute Abschied von ihm, aber das auch nur in einem sehr physischen Sinn. Lassen Sie uns enden mit Versen, die einer der großen Renaissance-Künstler geschrieben hat, säkulare Verse, obwohl die Auftragsgeber der Renaissance-Künstler in der Kirche waren. Die Verse lauten:

"Es sandte mir das Schicksal tiefen Schlaf
Ich bin nicht tot, ich tauschte nur die Räume.
Ich leb in euch, ich geh in eure Träume,
da uns, die wir vereint, Verwandlung traf.

Ihr glaubt mich tot, doch dass die Welt ich tröste,
ich leb mit meinem Denken dort,
an diesem wundersamen Ort,
im sich Erinnern meiner Liebe.
Ich bin nicht abgeschrieben
in Euch zu sein, vom Tode mich erlöste."


Abbildung der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht:
- Uwe-Jens Heuer, 11.07.1927 - 22.10.2011

Raute

Personalia

Horst Jäkel

Ein wahrer Kommunist

Es ist unvorstellbar - aber leider wahr: Der unbeugsame Kommunist Walter Ruge lebt nicht mehr. Er war aber noch einmal quicklebendig, altersweise, humorvoll und ungebrochen unter uns, als seine Familie, seine Freunde, Genossen, Weg- und Kampfgefährten zu seiner Würdigung im Potsdamer Filmmuseum am 27.11.2011 gemeinsam den Film "Über die Schwelle" erlebten. Stark beeindruckt brach zuerst zögerlich und anschließend der dann stürmische Applaus der Zuschauer aus.

Und mir kamen viele meiner zahlreichen persönlichen Begegnungen mit diesem außergewöhnlichen Menschen wieder ins Gedächtnis.

Als ich ihm zum ersten Mal bewusst begegnete, da war er der Organisator einer sportlichen DDR-Massenveranstaltung: Mehrere Hundert Radfahrer folgten seinem Aufruf, mit einem Tourenrad teilzunehmen an einem Rundkurs in Potsdam mit Start und Ziel zwischen Schloss Sanssouci und Historischer Mühle. Da war ich einer von vielen Teilnehmern und bin Walter bestimmt nicht aufgefallen.

Ein anderes Mal - schon nach der uns beiden unangenehmen Rückwende in den Kapitalismus trafen wir uns bei einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Potsdam-Babelsberg. Da muss er mich bemerkt haben, denn in der Diskussion hatte ich ihm widersprochen, als er die Meinung vertrat, dass eine bestimmte Berufsgruppe in der DDR privilegiert wurde, was ich in meinem Fall konkret widerlegen konnte.

Eines Tages lud mich Walter zu einem Besuch in seine Wohnung ein. Dort hielt sich gerade die französische Germanistin Prof. Dr. Anne Marie Pailhès auf. Sie arbeitete wissenschaftlich an einem DDR-bezogenen Thema "Wie förderte der Staat DDR die Entwicklung von Organisationen und Verbänden?" Als steilvertretender Vorsitzender eines mitgliederstarken Kreisverbandes der GBM war es für mich kein Problem, der freundlichen Französin in kurzer Zeit etwa 50 Fotos und Meinungsäußerungen aus rund 160 Potsdamer Vereinen zu beschaffen und zur Verfügung zu stellen.

Bei dieser Gelegenheit bekam ich andeutungsweise mit, dass Anne Marie Pailhès Pate stand bei der Herausgabe von Walters Buch "Prisonnier no 8403" im Jahre 2004 in Paris.

Unsere Freundschaft sollte sich für beide Seiten bewähren. Wieso erblickte Walters autobiografisches Buch nur in französischer Sprache das Licht der Welt oder nur in kleiner Auflage ("Der durch den Jenissei schwimmt")? Wir überzeugten schließlich Walter und später auch "unseren" GNN-Verlagsleiter Herbert Stascheit, Walters Buch "Treibeis am Jenissei" zu drucken. Das erfolgte erfreulicherweise dann im Jahr 2006.

Und schon ein Jahr später erschien im GNN-Verlag Walters zweites Buch "Wider das Vergessen". Da wir - eine unabhängige Autorengemeinschaft - seit etwa 2002 an dem Zeitzeugenbuch "Vereinnahmung der DDR" arbeiteten, in dem mehr als 50 Autoren zu Wort kommen, war es naheliegend, dass wir auch auf den kompetenten bedeutenden Zeitzeugen Walter Ruge aufmerksam geworden waren. So landete seine interessante "Geschichte" ("Tag der Einheit, der essbaren und der giftigen Pilze") in unserem ersten Buch.

Seit dieser Zeit vertieften sich unsere freundschaftlichen Beziehungen. Unsere Kontakte nahmen zu. Walter unterstützte unsere sechs folgenden Bücher nicht nur mit klugen und interessanten persönlichen Beiträgen, sondern auch mit nützlich kritischen Hinweisen auf der Basis seiner guten marxistisch-leninistischen Bildung und seiner großen Lebenserfahrung. Seine Texte tragen folgende Titel: "Molodzy" ("Prachtkerle"), "Schwarz benötigt viel Licht", "Turbulente Nebenrollen", "Aus voller Kehle gesungen", "Da sind noch Freunde", "Ehre den Standhaften", "Taschenformat DDR" und "Radkorso".

In Heidelberg planten Antifaschisten der VVN-BdA gemeinsam mit Mannheimer Genossen eine Veranstaltung mit dem aus Schwaben stammenden kommunistischen Historiker Dr. Kurt Gossweiler, der in Berlin wohnt. Als dieser wegen einer plötzlichen Erkrankung nicht teilnehmen konnte, bat ich Walter, für ihn einzuspringen. Beide - Walter und Kurt kannten sich schon seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts, seit dem gemeinsamen Besuch der Karl-Marx-Schule in Berlin-Neukölln. Walter sagte zu, und sein Auftritt in Heidelberg wurde ein Erfolg, ein bleibendes Erlebnis - und bei weitem kein "Kurt-Ersatz" - für die Teilnehmer.

In Brandenburg/Havel kamen etwa 60 interessierte Zuschauer zur Vorführung des schon eingangs erwähnten Walter-Ruge-Dokumentarfilms "Über die Schwelle". Meine GMB-Freunde in der Havel-Stadt hatten alles gut vorbereitet und organisiert. Und Walter begeisterte mit seiner lebendigen, optimistischen Schilderung seines bewegten Lebens. Unvergesslich bleibt mir in Erinnerung eine Tagesfahrt mit Walter nach Kleinmühlingen (zwischen Magdeburg und Schönebeck gelegen), wo in Gegenwart von Täve Schur und Heinz Florian Oertel das Friedensfahrtmuseum eingeweiht wurde. Meine Fotos können bezeugen, welche Herzlichkeit zwischen Walter und Täve zum Ausdruck kam; die war nicht gekünstelt, sondern echte Freundschaft zweier herausragender Persönlichkeiten.

Als in Potsdam die VVN/BdA wieder neu gegründet wurde, gehörte Walter zu den Initiatoren und Hauptrednern. Bei dieser Veranstaltung kam es zu einem Disput mit einem Potsdamer Antifaschisten, der sich - meiner Ansicht nach - zum Teil dem heutigen Zeitgeist angepasst hatte, während Walter eindeutig seiner marxistisch-leninistischen Grundüberzeugung treu geblieben ist, bis zu seinem letzten Atemzug.

Immer wieder beeindruckte Walter viele Freunde mit seiner fundierten politischen und Allgemeinbildung sowie mit seinen sprachlichen Fähigkeiten. Wenn ich ihn in seiner Waldtstadt-Wohnung besuchte, dann wurden unsere Gespräche oft durch Anrufe am Telefon unterbrochen. Und Walter sprach dann russisch, französisch und englisch.

Mehrmals war Walter Gast bei unseren GBM und ROTFUCHS-Veranstaltungen. Seine qualifizierten Diskussionsbeiträge kamen bei den Teilnehmern immer gut an. Nach einigen dieser Events sagte er mir unverblümt auch seine kritische Meinung, wenn ich seiner Ansicht nach "überzogen" oder selbst zu viel geredet hatte.

Obwohl Walter und sein Bruder Wolfgang in ihrem ereignisreichen Leben vielfach Gleiches oder Ähnliches erlebt haben - wie die gemeinsame Radtour von Berlin nach Paris, die Emigration in die Sowjetunion, die zu Unrecht erfolgte Beschuldigung als Staatsfeind, die Verurteilung und spätere Rehabilitation, die Verbannung nach Sibirien, die Rückkehr in die DDR jeweils mit einer russischen Frau -, so gibt es doch gravierende politische Unterschiede zwischen beiden Brüdern. Daran gibt es keinen Zweifel.

Einige Zeit lang schloss auch der ROTFUCHS von dem Historiker Wolfgang Ruge (der vor 1989 in der DDR einige Dinge etwas anders darstellte als nach 1990 in der BRD ...) auf dessen Bruder Walter. Aber nach einer gemeinsamen Reise von RotFüchsen und Walter zusammen mit dem Reiseleiter Frank Bochow (ehemaliger Botschafter der DDR in Portugal) zum Avante-Pressefest der PCP nach Lissabon war dieses Missverständnis ausgeräumt. Kommunisten, die diesen Ehrennamen wirklich verdienen, hatten sich getroffen, verstanden und wahre Freundschaft geschlossen. Walter wurde zu Recht ein auch im Impressum des RF ausgewiesener Autor dieser herausragenden Zeitschrift für Kommunisten und Sozialisten.

Bei strahlendem Sonnenschein versammelten sich am 8. Mai 2011 mehrere Hundert deutsche und russische Menschen am Sowjetischen Ehrenmal auf dem Potsdamer Bassinplatz, um den Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus zu begehen. Botschaftsvertreter und andere Redner gedachten mit deutlich zeitgeistlichem Blick der Opfer des verbrecherischen Zweiten Weltkrieges. Zum Abschluss der Veranstaltung erhob sich unser Walter von seinem Klappstühlchen in der ersten Reihe, reckte sich und alle Altersgebrechen vergessen lassend klang seine markante Stimme, die eigentlich keines Mikrofons bedurfte, über den Platz. Auf Russisch und Deutsch geißelte er in klaren Worten die Verursacher des Völkerverbrechens und entlarvte die heutigen Kriegstreiber und deren Geldgeber in Banken und Monopolen. Dankbar nahmen die Zuhörer diese marxistische Einschätzung auf.

Am 7. November 2011 klingelte mein Telefon. Als ich den Hörer abnahm, sagte eine mir vertraute Stimme: "S prasdnikom (zum Feiertag)! Ich beglückwünsche Dich zum Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. Am 9.11., 10.00 Uhr erwarte ich Dich."

Dazu kam es leider nicht mehr.

Seine Tochter Tatjana sagte mir am 9.11.2011 in seinem Auftrag ab und informierte mich, dass Walter in einem Brief an die junge weit sich vom Roman seines Neffen distanziert hat.

Am 10. November 2011 um 0.30 Uhr ist Walter Ruge in seiner Potsdamer Wohnung verstorben.

Der Film "Über die Schwelle" endet mit Walters Worten: "Mit der Jugend jung bleiben!" Ja, er hatte Recht und wir ergänzen als sein Vermächtnis: "Mit Walter Ruges Standhaftigkeit kämpferisch bleiben!"


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Walter Ruge
- Walter Ruge am 8. Mai 2011 am sowjetischen Ehrenfriedhof in Potsdam

Raute

Freundeskreis "Kunst aus der DDR"

Siegfried Wege

Drei Frauen drei Temperamente

Susanne Kandt-Horn - Malerei und Grafik
Waltraut Mai - Zeichnung und Aquarell
Gudrun Wetzel - Malerei

Kunstausstellung in der GBM-Galerie zum Internationalen Frauentag 2012 

Wenn eine Kunstausstellung dem Internationalen Frauentag gewidmet wird, erwarten die Besucher, dass auch die Kunstwerke von weiblicher Hand sind.

Dem ist so - doch es wäre auch nicht abwegig gewesen, themenbezogene Werke zu diesem gesellschaftlichen Anlass von männlichen Künstlern auszuwählen, in denen sie Liebe, Anerkennung und Respekt für ihre weiblichen Mitmenschen verbildlichen.

Die Besonderheiten dieser Kunstausstellung sind die Persönlichkeiten von drei Künstlerinnen sowohl mit ihrer gemeinsamen Weiblichkeit als auch mit ihren unterschiedlichen Temperamenten.

Die Malerin Susanne Kandt-Horn (1914-1996) offenbart uns in ihren großformatigen Gemälden ihr harmoniefreudiges Temperament. Ihre malerische Großzügigkeit drängt den Raum füllend bis ins Pathetische und Erhabene.

Die innere Leidenschaft und pralle Lebenslust ihre Menschenbilder spannt jede disziplinierende und zwingende Formung mit emotionalem Hochdruck bis zum Zerreißen.

Die Begrenzungen ihrer Bildkaft durch den Bilderrahmen erscheinen immer zu eng.

Mit ihrem Verallgemeinerungsanspruch drängen die Bildmotive fast unaufhaltsam zu einer maßvollen Monumentalität. So wirkt jedes Werk der DDR Künstlerin für den Betrachter als ein humanistischer Weg zur würdevollen Vollendung.

Die Würde ihrer Kunst - ob in dem Bild "Im Wind" von 1979, mit dem direkten Mutter-Kind-Motiv oder in den anderen thematischen Werken "Liebespaar mit Sonne", 1977, "Akt mit grünem Tuch", 1982 - wird getragen von weiblicher Güte und von der "Hoffnung der Mütterlichen", wie der Maler und Grafiker Prof Ronald Paris formulierte.

Die Erschaffung und Bewahrung einer Welt, die den Kindern freundlich ist, bestimmen das Grundmotiv und alle Bildstoffe, die die Künstlerin wählte.

In diesem Sinne wendet sie sich gegen Gewalt und für ein friedliches Miteinander aller Menschen, für den Schutz des Lebens auf unserer Erde.

So auch in dem Gruppenbildnis "Merkwürdige Zusammenkunft oder Napoleon war nicht geladen", 1982. Bekannte historische Persönlichkeiten, die bis heute die Ideen des Humanismus prägen, sitzen in einer geselligen Runde, zu der ein gewalttätiger Herrscher wie Napoleon nicht geladen war. Eine weitere Künstlerin stellt in dieser Ausstellung ihr Werk vor, dass zurückhaltend und schlicht ihr eigenständiges Temperament spüren lässt.

Die kleinformatigen Skizzenblätter von Waltraut Mai (geb. 1929) sowie ihre Zeichnungen und Aquarelle präsentieren sich dem gegenüber durch eine unmittelbare und authentische Nähe der Künstlerin zum Bildgegenstand und zum Bildgehalt bis zur Intimität. Ihre friedvollen Landschaften und Menschendarstellungen sind direkt am Puls des Lebens nachgezeichnet.

Der Maler Manfred Schubert schrieb dazu: "Die Unmittelbarkeit der Sichtweise, gepaart mit ihrer unkonventionellen Niederschrift im bevorzugten Kleinstformat, zeichnen diese Blätter aus. Sie verheißen Entdeckungen in unerschöpflicher Fülle."

Herr Erhard Mai, der Ehemann der Künstlerin, berichtete zur Ausstellungseröffnung in der Berliner "Inselgalerie" für Künstlerinnen über die stille, zurückgezogene Arbeitsweise seiner Frau: "So zeichnete sie lebenslang sozusagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ständig mit drei verschieden großen Blöcken an der Seite, wo sie sich auch niederließ - in entspannter Natur, im nächtlichen Wartesaal, in grollender Sitzung - und man spürt, wie ihre Energien als Bewegung, Rhythmus, lösende Stimmung in ihre Porträts und Gruppen fließen."

Waltraut Mai war viele Jahre (1964-1989) im Verband Bildender Künstler der DDR in verantwortlicher Position tätig. Sie setzte sich beharrlich und einfühlsam für die Interessen der Künstler ein und trotz der Anforderungen der Verbandsarbeit verlor sie nicht ihre Lust am Skizzieren und Zeichnen.

Denn das Aufzeichnen ihrer Erlebnisse gehört zugleich zu ihrem Leben selbst, und mit der Zunahme an Zeit für Kunst hat sich auch ihr Schaffen weiter entfaltet. Reisen nach Italien, in die Schweiz und auch in die USA seit den 90er Jahren haben sie dabei besonders inspiriert. So sind die vielen Zeichnungen eher Notate ihrer Lebenswelt. Sie sind weniger Skizzen oder Entwurfszeichnungen, die ein Künstler zur Vorbereitung größerer Werke und deren Vollendung anfertigt.

Vielleicht ist es die elementare weibliche Neugier, die sie zu Beobachtungen und zum Zeichnen und Aquarellieren antreibt. Das Bedürfnis der Künstlerin, ihre Erlebnisse aufzubewahren und zu sammeln, erfüllt sich beim künstlerischen Schaffen.

Die Temperamente von Frauen lassen sich mit Worten nur dürftig beschreiben. Ihre Bilderwelt, die die Künstlerinnen mit verschiedenen Themen und bevorzugten künstlerischen Techniken offenbaren, also vor den Betrachtern offen legen, sind erlebbare Abbilder ihrer unterschiedlichen Temperamente.

Gudrun Wetzels (geb. 1942) Vorliebe für Landschaftsgemälde lassen auf dem ersten Blick, so z. B. bei den Küsten- und Waldlandschaften, auf ihr naturromantisches Temperament schließen.

Der Maler Prof Dieter Rex schrieb über sie: "Wichtiger Faktor ihrer Arbeit ist ihr großer Gefühlsreichtum. Und gerade der kann zerstörerisch wirken, wenn er nicht beherrscht wird. Er wird beherrscht und produktiv gemacht."

Die Wirkung der Landschaften der Künstlerin wurde von Bronja Wunderlich im Katalog für eine Sonderausstellung mit Werken von Gudrun Wetzel in Bad Frankenhausen treffend interpretiert: "Sie ergründet feinnervig im toten Blickwinkel kunstloser Alltäglichkeit die unbeachtet liegende Schönheit der Erscheinungen des Lebens. Als vermute sie verborgene Geheimnisse an abgelegenen Gewässerbuchten, auf nebelschweren Wiesen, hinter Wegen, die sich im Irgendwo verlieren, macht sie uns neugierig ihr zu folgen. Ihr Sehen schärft sich für die Weite der Ebene, die nur sperrig ihre Reize enthüllt."

Wenn auch ein andauerndes Kräftemessen zwischen den Gewalten innerhalb der Natur, sowie zwischen Mensch und Natur unser Leben nachhaltig prägt, die Werke der drei Künstlerinnen mit unterschiedlichen Temperamenten sind voller Sehnsucht nach Harmonie.

Die Unversehrtheit der Lebensprozesse in ihrem natürlichen Fluss mit Anspannung und Entspannung, mit Werden und Vergehen verbietet eine besonders von Menschen verursachte perfide Gewalt.

Gewalt und Angst sind böse Geschwister und doch bestimmen sie unser alltägliches Dasein.

Die Sensationslust bürgerlicher Medien, die Geldgier von Banken und Versicherungen, das hemmungslose Ausbeutungssystem kapitalistischer Unternehmen instrumentalisieren Angst und Gewalt. Daher sind die Kraft des Guten, der menschlicher Güte und die Solidarität der Gutwilligen eine Alternative in dieser Zeit und für die Zukunft.

Für die Stärkung dieser Alternative, die als elementares Grundmotiv für gesellschaftliche Veränderungen steht, die den Schutz des Lebens vor Gewalt und Angst beinhaltet, sind Künstler mit ihren Werken ein besonders wirkungsvolles Potenzial. Susanne Kandt-Horn schrieb für ihren Katalog 1990: "Matisse sagt: die Malerei lebt von der Liebe zum Leben, von der Begeisterung zum Leben und von nichts anderem.

Wie sehr stimme ich dem zu, ... in dem ich das Schöne und Bewundernswerte im Bild festhalte, gebe ich ihnen Unsterblichkeit ... Das bedeutet für mich Lebenshilfe und Hoffnung."

Sie strebte nach Harmonie, Lebenshilfe und Hoffnung bis sie 1996 mit 81 Jahren verstarb, doch ihr Werk ist geblieben und inspiriert uns weiter.

Wenn der Besucher die vielen Zeichnungen von Waltraud Mai genauer betrachtet, wird er Kinderbildnisse aus der Familie der Künstlerin entdecken. Diese Bildnisse mit leichter Strichführung und treffender Bildkomposition sind anrührend in ihrer schlichten Warmherzigkeit. So z. B. die kleine Zeichnung im Skizzenbuch vom Enkel der Künstlerin am Klavier "Maxim spielt in meiner Ausstellung", 2002. Die Zeichnungen vermitteln Hoffnungsgefühle und Sehnsucht nach positiver Gewissheit für die Zukunft unserer Kinder.

Die Ausbildung bei Prof Max Schwimmer gab Waltraut Mai ein grundlegendes Gespür für künstlerische Qualität, und ihre Werke zeigen, dass sie beharrlich am eigenen Talent arbeitet.

Die ausgestellten Landschaftsbilder von Gudrun Wetzel sind in den Jahren 1998-2007 entstanden. Das waren Jahre, in denen nach der Euphorie der "Wiedervereinigung" die Folgen sozialer Umbrüche besonders den Osten Deutschlands erschütterten.

Gudrun Wetzel schuf in dieser Zeit mit großer Intensität und Konzentration an ihrem malerischen Werk. Beeindruckend ist die aus der Natur geschöpfte Lebenskraft der farbprächtigen Gemälde, die ein "Fest fürs Auge" sind. Der größte Teil der Werke überrascht durch die Verwendung einer Maltechnik, die Temperamalerei und Pastelltechnik verbindet. Weiche Farblasuren und körnig sprühendes Pastell vermitteln einen besonderen ästhetischen Reiz. Die eigenwillige Landschaftsstimmung berühren durch ihre Widerborstigkeit, die doch in Harmonie eingebunden ist.

Die beiden kleinformatigen Gemälde "Laurentiusfriedhof", 2005 und "Laurentiusfriedhof II", 2005 in silbrig beschichteten Rahmen sind detailreiche, erzählerische und ergreifende Landschaftsbildnisse in einer altmeisterlich anmutenden und anspruchsvoll kultivierten Temperatechnik auf Holz.

Die sich ewig erneuernde Natur sprießt über Grabsteine und Kirchengemäuer.

Die Blättergewächse drängen mit symbolischer Urwüchsigkeit aus der abgezirkelten Ordnung und Anordnung der Grabstätten.

"Wähntest du etwa ich sollte das Leben hassen, in Wüsten fliehen, weil nicht alle Blütenträume reiften? Hier sitz ich, forme Menschen nach meinem Bilde." - heißt es im "Prometheus" von Goethe.

Drei Künstlerinnen formen in ihren Kunstwerken mit ihren eigenständigen Temperamenten Bilder vom Menschen, Bilder vom menschlichen Dasein und menschlichen Hiersein.

Die Werke mögen die Besucher anregen und sie ermuntern, über Hoffnung, Sehnsucht und Gewissheit in unserer Zeit und - nicht nur aus gegebenen Anlass - auch über Frauen und Weiblichkeit nachzudenken.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Susanne Kandt-Horn "Akt mit grünem Tuch", 1982, Öl/Hartfaserplatte, Museum Eisenhüttenstadt und Abbildung auf dem Titel "Liebespaar mit Sonne", 1977 Museum Eisenhüttenstadt
- Waltraut Mai, Ufer, 2011, Fineliner
- Waltraut Mai, Skizzen: Köpfe, 2006
- Waltraut Mai, Taormina, 1995, farb. Kreiden/Aquarell
- Gudrun Wetzel, "Steilküste I", Öl/Lw.

Raute

Freundeskreis "Kunst aus der DDR"

Maria Michel

Die Gleichgültigen sind der Fluch unserer Welt

Gedanken und Eindrücke in der Ausstellung "Zwischen Bedrängnis und Widerstand - Grafiken und Gemälde der Jahre 1933 bis 1945 aus der Sammlung Gerd Gruber"

In Wittenberg stehen wir vor dem Cranach-Haus. Die Fassade ist restauriert. Auf der geschwungenen Treppe nach oben hallen unsere Schritte. Wir müssen eine Mitarbeiterin bitten, uns die Ausstellungsräume aufzuschließen. Heute sind wir die ersten Besucher. Dann stehen wir in Cranachs Wohnung. Frischer Stuck an der Decke, alte Farbreste an den Fenstern und an den Wänden, ein historischer Holzfußboden.

Wir sehen die Bilder und sind gefangen. Sie werden uns den ganzen Tag nicht loslassen. Kinder waren wir, als das über die Welt hereinbrach. Erinnerungen werden wach.

Als dekadent und undeutsch wurden die Künstler beschimpft, die ihre Kunst nicht in den Dienst einer unmenschlichen Macht stellten, die aufbegehrten und mahnten. Ihre Bilder wurden aus den Museen entfernt; die sie schufen, mussten Demütigungen, Berufsverbote und Verfolgungen ertragen. Bilder und Bücher wurden vernichtet, verbrannt. Schon 1820 wusste Heine: "Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen." Zwischen Bedrängtsein und Widerstand ist es ein mutiger, aber gefährlicher Schritt. Nicht jeder hatte die Kraft, ihn zu gehen, vielen gelang die Flucht nicht, manche flüchteten aus dem Leben.

Dem Chemie-Ingenieur Dr. Gerd Gruber, einem leidenschaftlichem Sammler, ist diese bemerkenswerte Ausstellung zu verdanken. Er forschte und recherchierte; dabei entdeckte er vergessene Kunstwerke und Künstler, deren Namen bislang nicht bekannt waren. Im hervorragenden Katalog, der für 20 Euro zu erwerben ist, steht am Anfang: "Diese Ausstellung ist den Künstlern des antifaschistischen Widerstands gewidmet. Sie sei Gedenken an jene, deren Leben ausgelöscht wurde in Folterhöllen und Vernichtungslagern, durch Henkerbeil und feindliche Kugeln, sei Gedenken an jene, die in den Tod getrieben wurden, weil sie das Leid nicht mehr ertragen konnten." 43 Künstlerinnen und Künstler werden genannt (S. 9).

Der Katalog enthält 1113 Werke von 328 Künstlern aus 27 Ländern. Sie stammen aus der Privatsammlung Gerd Grubers, der zu vielen Bilder eine Geschichte erzählen kann und einige Künstler noch persönlich kennen lernte, so Lea Grundig, die den damals Fünfzehnjährigen zum Sammeln eindringlich anregte. Tagebücher, Briefe und Gespräche mit Hinterbliebenen und Freunden der Künstler geben Aufschluss über diese furchtbare Zeit, die die Künstler zwang, ihre Werke zu verstecken, einzumauern oder auf abenteuerlichen Wegen aus Gefängnissen und Konzentrationslagern herauszuschmuggeln. Wiederholt wird betont, dass Erhard Frommholds Buch "Kunst im Widerstand" von 1968 endlich mit dieser Ausstellung eine würdige Nachfolge erfährt. Schon längst ist eine solche Präsentation in großen Museen, in großen Städten, auch international, dringend nötig. Sie ist eine Dokumentation menschlicher Größe und Solidarität. Einen interessanten Beitrag zum Katalog gibt Rosa von der Schulenburg. Wir lernten die Kunsthistorikerin anlässlich einer Leo-Haas-Ausstellung im Herbst 2009 in unserer Galerie in der Berliner Weitlingstraße kennen und schätzen. Sie schreibt über Künstler, die "dem kaum Fasslichen des Krieges Gesicht geben" (S. 15). Aufschrei, Protest, Widerstand, stilles Leid geschundener Kreaturen Soldaten, Verfolgte, Juden, Zivilbevölkerung - lässt sie miterleben. Ebenso sind die Hinweise zu uns nicht bekannten Künstlern in den Erläuterungen am Rande des Katalogs sehr wertvoll. Dank gründlicher Recherchen werden sie nun für immer in unserem Gedächtnis bleiben. Die große Mahnung der Lea Grundig ist heute außerordentlich wichtig: "Jene aber, die nicht hören, deren Ohren nur Lärm aufnehmen, Schall oder Töne, sie hörten auch damals nicht, sie hören heute nicht, sie sind Helfer der Verbrecher, sie, die Gleichgültigen. Korczak, der Erzieher, der mit einer Schar jüdischer Waisenkinder freiwillig nach Auschwitz ins Gas ging, verfluchte sie angesichts der Gaskammer. Die Gleichgültigen sind der Fluch unserer Welt, sie sind Sand im Getriebe des großen Weltenrades, sie sind die Mauer, hinter der der Massenmord seine Pläne entwirft." (S. 20)

Bis zum Alten Rathaus, das den größeren Teil der Ausstellung beherbergt, sind es wenige Schritte. Auch hier empfängt uns eine Unmenge von Eindrücken. Schweigend gehen ältere Besucher der Ausstellung an uns vorüber. Vorwiegend Druckgrafik, Zeichnungen, aber auch Malerei von uns bekannten Künstlern entdecken wir, z. B. von Lea und Hans Grundig, von Pablo Picasso, Käthe Kollwitz, Leo Haas, auch von Wilhelm Rudolph, der unter dem Titel "Das zerstörte Dresden" 150 grafische Arbeiten anfertigte. Büttenpapier und Rohrfeder sind ihm geblieben, Atelier und Wohnung zerstört. Und doch gibt es Hoffnung, es entstanden später 200 farbige Zeichnungen, die er "Dresden als Landschaft" nannte. Rudolph schrieb dazu, diese Landschaft stelle "nach der unmittelbaren Kriegszerstörung den Zerfall durch Frost und Schnee, Sturm und Regen dar. Der Blick schweift über bizarre, zerbröckelnde Trümmer (...) Den Fassaden schien die Haut abgezogen zu sein.Aber immer noch, auch im Tode, bewahrten sie den großartigen Formwillen ihrer Schöpfer." (S. 17)

Einige Kunstwerke beeindrucken mich besonders, so das sensible Aquarell von Bruno Gimpel "Jüdischer Friedhof Dresden", die letzte Arbeit vor seinem Selbstmord (S. 45). Ebenso Oskar Nerlingers zartes Aquarell "Heimkehr und Blumen am Fenster" (S. 60). Es gibt eine Hoffnung, das Leben geht weiter. Und ständig taucht er auf in den Kunstwerken: Hitler, der Barbar, der Mörder, das Monstrum, er und seine Kumpane; so bei Hermann Fechenbach (S. 114), bei Gerschon Krawzow (S. 163) oder bei George Grosz (S. 130).

Die feinen Kupferstiche des Jean Deplech "Die zerstörte Stadt", "Die bombardierte Stadt", Wimmelbilder, erzählen Geschichten und erinnern in der Anlage an Heinrich Vogelers Agitationstafeln. Viele Kunstwerke zeigen Schmerz, Verzweiflung, aber immer wieder Solidarität, Hoffnung und Kraft. Trostlose Trauer macht Alice Lex-Nerlinger in ihrer Zeichnung "Gestorben auf der Flucht" sichtbar. Liebevoll hält die Mutter das zarte tote Mädchen fest (S. 17). Die erstaunten und anklagenden Augen des Jungen in der Radierung "Verwundetes Kind" von Alexander Charschak scheinen zu fragen: "Warum?" (S. 103).

Einleuchtend schildert Franz Meyer in dem satirisch-ironischen Zyklus "Flucht aus Deutschland" seinen Lebensweg (S. 179-186). Der Zyklus umfasst 110 Arbeiten; mit wenigen Strichen gelingt es ihm, sein Anliegen deutlich zu machen.Von großer Meisterschaft sind die Porträts, gezeichnet, radiert, gemalt oder in Holz geschnitten, so das Bildnis "Ernst Barlach" von Otto Pankok (S. 76).

Im Anschluss an die Reproduktionen folgen im Katalog Biografien von Künstlern, bearbeitet von Gerd Gruber. Und das ist eine nicht hoch genug zu würdigende Arbeit. Alphabetisch geordnet werden Künstler genannt. Fotos, Häftlingskarten, amtliche Schreiben, Entlassungspapiere und Auszüge aus Briefen aus Konzentrationslagern und aus Tagebüchern machen den Katalog zu einem unersetzlichen Arbeitsmittel. So liest man in einem Brief Ernst Barlachs an die Reichskammer der Bildenden Künste von 1937: "Wenn der Präsident der Reichskammer Bild. Künste zulässt, dass ich in der Ausstellung der 'Entarteten Kunst' als 'Kulturschänder' angeprangert werde, so legt seine Aufforderung zur Erfüllung von Beitragspflichten mir die Versuchung nahe zu fragen, welches Interesse an derartigen Leistungen durch ein so gekennzeichnetes Kammermitglied überhaupt noch bestehen könne." (S. 279)

Otto Dix, später Träger des Bundesverdienstkreuzes und Ehrenbürger der Stadt Gera, schrieb 1933 in einem Brief an J.B. Neumann: "Du wirst wissen, dass ich am 8. April d. J. durch die nationale Regierung entlassen worden bin, ohne Pension. Als Grund wurden mein Kriegsbilder angegeben, die geeignet seien, den Wehrwillen des Volkes zu untergraben." (S. 292)

Hochachtung und Anerkennung dem leidenschaftlichen Sammler Gerd Gruber, der diese kostbaren Werke bewahrt hat! Der Katalog ist eine Spitzenleistung. Dank auch der Kunsthistorikerin der Cranach-Stiftung, Frau Marlies Schmidt, und den drei Frauen der Cranach-Stiftung, die bereitwillig und profund Auskunft gaben. Nicht zu vergessen sind die vielen ehrenamtlichen Helfer, die an der Verwirklichung des Projekts beteiligt waren. Die Stadt Wittenberg ist mit dieser Exposition bekannter und reicher geworden. Schade, dass diese Ausstellung nicht länger laufen konnte.

Wir fahren schweigend nach Hause. Es war ein schwerer Tag. Ein mörderisches Erbe lastet auf uns. Angst vor der Zukunft? Es liegt in unserer Hand.


Quellen:

[1] Die Seitenangaben im Text beziehen sich auf den Katalog "Zwischen Bedrängnis und Widerstand - Grafiken und Gemälde der Jahre 1933 bis 1945 aus der Sammlung Gerd Gruber, MUNDSCHENK Druck + Medien Wittenberg 2011, ISBN 978-3-00-035926-2
[2] Neues Deutschland vom 9.10.2011, Harald Kretzschmar: "Von der Kraft der Kunst"
[3] junge Welt vom 11.11.2011 , Jörg-Heiko Bruns: "Breite Front"
[4] Pirckheimer Gesellschaft e.V., Harald Kretzschmar: "Demütigung und Todesmut"
[5] Mitteldeutsche Zeitung vom 7.10.2011, Corinna Nitz: "Alles außer leichte Kost"


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Otto Pankok "Ernst Barlach", 1943 Holzschnitt 44 x 31 cm
- Karel Fleischmann "Jüdisches Kind im Ghetto", 1943. Zeichnung 29 x 21,5 cm
- Vladimir Matejka "Abends - Oranienburg", 1842. Aquarell 9,5 x 13,6 cm
- Santos Balmori "Apokalyptische Reiter", 1938. Schabblatt 35,5 x 32,5 cm
- Bruno Gimpel "Jüdischer Friedhof Dresden", 1843. Aquarell 45,5 x 34,5 cm

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Rezensionen

Horst Jäkel

Die DDR und ihre Frauen

Helga E. Hörz: "Der lange Weg zur Gleichberechtigung - Die DDR und ihre Frauen",
Berlin 2010, 262 S., ISBN 978-3-89626-948-5

Die international bekannte und geachtete Frauenrechtlerin, Hochschullehrerin für Ethik, Prof. Dr. Helga E. Hörz hat uns ein wertvolles Buch beschert. Anhand der Geschichte der DDR schildert sie wahrheitsgemäß und sehr eindringlich den mühsamen Kampf um die Gleichberechtigung der Frauen. Sie nimmt Bezug auf die marxistischen Vorkämpfer für Frauenrechte wie August Bebel und Clara Zetkin, würdigt die Aktivistinnen der ersten Stunde nach dem Ende des imperialistischen Zweiten Weltkrieges. Sie geht auf die einzelnen Etappen der politischen, ökonomischen und kulturellen Entwicklung der DDR ein und verdeutlicht den hohen Anteil der Frauen an den dabei erreichten Fortschritten in allen gesellschaftlichen Bereichen.

Am Beispiel herausragender Persönlichkeiten in Wissenschaft, Industrie, Landwirtschaft, Bildungswesen, Gesundheitswesen, Kunst und Kultur beweist sie die Vorbildwirkung solcher Frauen bei der Überwindung von Hemmnissen und der Klärung von Widersprüchen.

Sie stellt die Vorzüge des solidarischen sozialistischen Systems und seiner Fördermöglichkeiten für Frauen, Familien, Kinder und Jugendliche dem rückschrittlichen kapitalistischen Profitmacher-System gegenüber, in dem den Frauen die 3-K-Rolle (Küche, Kinder, Kirche) zugedacht ist.

Das Wirken des einheitlichen Demokratischen Frauenbundes, dessen gesellschaftliche Aktivitäten in der DDR und seine achtbare Mitarbeit in der Internationalen Demokratischen Frauenföderation werden überzeugend dargestellt.

Mehr als 15 Jahre lang hat die Verfasserin sehr engagiert in UNO-Gremien, zum Beispiel als Präsidentin der UNO-Kommission "Zum Status der Frau", mitgearbeitet.

Kritisch setzt sie sich damit auseinander, wie nach der Rückwende zum Kapitalismus in Deutschland progressive Ergebnisse der Arbeit der DDR-Frauen ignoriert und zurückgenommen worden sind. So haben zum Beispiel De-Industrialisierung und Massenarbeitslosigkeit, Sozial- und Kulturabbau zu Geburtenrückgang und weiteren gesellschaftlichen Rückschritten geführt.

Prof. Dr. Helga E. Hörz selbst ist ein Beispiel für die vorbildliche Entwicklung einer Frau in der Deutschen Demokratischen Republik. Als Arbeiterkind in Danzig geboren, wurde sie umgesiedelt, nutzte die Bildungsmöglichkeiten in der DDR bis zum Abitur, studierte, promovierte, publizierte verschiedene wissenschaftliche Werke (zum Beispiel das Hochschullehrbuch "Ethik"), wurde Hochschul-Dozentin, vertrat die DDR in UNO-Gremien in verschiedenen Ländern - und das alles als Mutter von drei Kindern. Wir schätzen Prof Dr. Helga. E. Hörz auch wegen ihres Beitrages im Zeitzeugenbuch "Lebendige DDR".

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Rezensionen

Gerlind Jäkel

Vom Landarbeiter zum Akademiepräsidenten

Erich Rübensam. "Vom Landarbeiter zum Akademiepräsidenten" - Erinnerungen an Erlebnisse in acht Jahrzehnten,
Berlin 2005, 176 S., ISBN 978-3-89793-104-6, 12,90 €

Hohe Begabung gepaart mit großem Fleiß, enormer Einsatzbereitschaft und Menschlichkeit, ein allzeit helfender "Kumpel", der in den persönlichen Ansprüchen stets bescheiden war, Toleranz gegenüber noch unausgegorenen Vorstellungen der Mitmenschen, außergewöhnlich hoher Einsatz verbunden mit bewundernswerter Geduld - passt diese Einschätzung zu einem Abgeordneten eines Bezirkstages, zu einem Mitglied des Rates eines Bezirkes, einem Stellvertreter eines Ministers, zu einem Präsidenten der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften, gar zu einem Mitglied des ZK der SED?

Eher schon lassen sich die folgenden Charakterisierungen seiner Weggefährten mit der Funktion des Institutsdirektors der Zentralforschungsanstalt des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft in Müncheberg, des Instituts für Acker- und Pflanzenbau verbinden: Enthusiasmus; großer Elan; die ungewöhnliche Fähigkeit, sich auch in schwierigen Situationen auf das Wesentliche zu konzentrieren; großes Vertrauen zu den Mitarbeitern gepaart mit kluger, geduldiger Überzeugungsarbeit; Schaffen einer offenen, freien, harmonischen Arbeitsatmosphäre ohne kleinliche parteipolitische Drängelei; Aufbau eines gegenseitigen Vertrauensverhältnisses mit helfendem Ausgleich bei Differenzen; Sorge um die Profilierung jedes Mitarbeiters und "Für-einander-einstehen" bei Problemen - und bei all dem immer eigenes Vorangehen mit der Kühnheit der Gedanken einer leidenschaftlichen Forscherpersönlichkeit, die sich auf alle Aufgaben, Auftritte und Diskussionen gründlichst vorbereitete, die auf der Grundlage soliden bäuerlichen Fachwissens stets großes Engagement für die Praxis entwickelte.

So hohe Wertschätzung erfährt der heute fast neunzigjährige Professor Dr. Erich Rübensam durch seine Mitarbeiter und Wegbegleiter. Sie achten an ihm vor allem: Er hat sich Ansehen erarbeitet, war aber nie ein Machtmensch, und er hat sich politisch nie verbogen.

2005 veröffentlichte Erich Rübensam seine Erinnerungen an Erlebnisse in acht Jahrzehnten in seiner Autobiografie "Vom Landarbeiter zum Akademiepräsidenten".

Typisch DDR? Ja und natürlich auch nein: Typisch ist schon, dass ein Bauernsohn aus Pommern voll starker Naturliebe, ehrgeizig, begabt und fleißig - alle Bildungsmöglichkeiten der jungen Arbeiter- und Bauern-Republik nutzt, um sich seinen Berufswunsch zu erfüllen: Studium der Landwirtschaft. Typisch DDR ist auch, dass jungen Fachkräften vielfältige Perspektiven offen standen.

Erich Rübensam hatte das Glück, beim Studium auf den Hochschulprofessor Dr. agr. habil. Dr. hc. Asmus Petersen zu treffen, der sein Lehrer, Förderer und Freund wurde. Er war nicht nur sein Doktorvater, sondern machte ihn mit führenden Wissenschaftlern und mit den erfolgreichsten Landwirten Mecklenburgs bekannt.

Erich Rübensam entwickelte dann aber ein über den Durchschnitt hinausgehendes Engagement; er war bereit, Schwierigkeiten zu überwinden und Verantwortung zu übernehmen. Das qualifizierte ihn für die hohen Ämter, die er im Laufe seines arbeits- und erfolgreichen Lebens ausübte.

Natürlich konnten nicht alle fleißigen, begabten, klugen, einsatzbereiten, fähigen Menschen der DDR solchen Weg beschreiten. Insofern ist Erich Rübensam nicht "typisch DDR". Er aber wusste um die Bedeutung der eigenverantwortlichen Arbeit seiner Kollegen, war Ideengeber, war Forderer und Förderer - und somit doch ein typischer DDR-Bürger!

Zurückblickend auf sein Leben sieht er die Gründe für seine Erfolge in seinen verantwortungsvollen Funktionen darin, "Vertrauen erworben und erhalten zu haben, indem ich

- jede ehrliche Arbeit achtete und für soziale Gerechtigkeit eintrat,
- stets um Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Hilfsbereitschaft bemüht war,
- alle Aktivitäten zur Sicherung des Friedens zwischen den Völkern und Volksgruppen unterstützte,
- gewonnene Überzeugungen konsequent vertrat und
- immer aufmerksam zuhören konnte."

Aus seiner schweren Jugendzeit, vor allem aber aus seinen schrecklichen Erlebnissen in Krieg und Gefangenschaft, zog Erich Rübensam den Schluss, in seinem Leben alles in seinen Kräften stehende zu tun, um den Hunger in der Welt einzuschränken und Frieden zwischen den Völkern zu fördern. Diesem Schwur blieb er stets treu. "Wir lebten und forschten in der Überzeugung, für die Gesellschaft zu wirken und damit für den sozialen und wissenschaftlichen Fortschritt."

Zu seinen Freunden und Weggefährten sagte er 1987: "Unserer besonderen gesellschaftlichen Verantwortung und dem humanistischen Anliegen unseres Wirkens als Wissenschaftler können wir nur dann gerecht werden, wenn wir über unseren Beitrag zum wissenschaftlich-technischen Fortschritt hinaus dafür eintreten, den Frieden zu sichern."

Raute

Rezensionen

Klaus Georg Przyklenk

Verschwörungstheorie?

Gerhard Wisnewski "Operation 9/11 - Der Wahrheit auf der Spur"; 10 Jahre danach - neue Beweise,
München 2011, 480 S., ISBN 978-3-42678436-5, 12,99 €

Verschwörungstheorie? In der herrschenden Meinung, also in der aggressiv verbreiteten Meinung der Herrschenden, ist das Wort ein Totschlagsargument. Einen Gedanken mit diesem Wort zu infizieren, heißt ihn erledigen. Bevor er überhaupt gedacht ist, ist er zum undenkbaren Monstrum eines kranken Hirns geworden. Es braucht keine Mühe mehr, ihn zu widerlegen. Und vor allem, das Prädikat "Verschwörungstheorie" wird vor der Bestandsaufnahme des Tatsächlichen vergeben, zumeist von denen, die der Verschwörung angeschuldigt werden. Wenn nicht von ihnen selbst, dann doch von ihren medialen Hilfswilligen. Die Geschichte ist voller, erst im Nachhinein erkennbarer gewordener Geheimoperationen. Der alte Odysseus war gerade deshalb so sehr als Held gesehen, weil er besonders listenreich zu täuschen verstand.

Der US-amerikanische Medienmogul Randolph Hearst schickte seinen Reporter schon vor Ausbruch des spanisch-US-amerikanischen Krieges 1898 nach Kuba. Als der sich beklagte, dass da ja kein Krieg wäre, bekam er telegrafiert: "Kümmern sie sich um ihre Berichte. Um den Krieg kümmere ich mich."

Und dann explodierte im Hafen von Havanna wirklich ein US-Kriegsschiff, der Anlass für den Krieg. Oder haben nordvietnamesische Torpedoboote wirklich im Südchinesischen Meer in der Bucht von Tonkin US-Zerstörer angegriffen? Außer ein paar elektronische Messwerte von Bord der US-Marine und lautstarkem Mediengetöse lieferten die, die Nordvietnam bombardieren wollten, nicht mal handfeste Fälschungen. Wenn es dann - und in der Regel zu spät, um Folgen zu verhindern - ans Licht kommt, reicht es gerade noch hin, die Schlechtigkeit der Welt zu beklagen, vielleicht auch noch eine unverbindliche Entschuldigung zu erklären, wie sie Powell abgab, als er eingestand, dass der US-Angriff auf den Irak wohl auf dem Irrtum beruhe, auf ein paar unscharfen Fotos Massenvernichtungswaffen gesehen zu haben.

Oder es kommt gar nicht heraus, weil einer der Akteure bedauert, nicht die Wahrheit sagen zu dürfen, weil er sein Ehrenwort gegeben habe.

Was ist nun Gerhard Wisnewskis "Operation 9/11"? Eine Verschwörungstheorie? Oder der Versuch, einer realen Geheimdienstoperation auf die Spur zu kommen? Es ist eine Indiziensammlung einer großen Zahl von Ungereimtheiten, die das regierungsamtlich vermittelte Bild vom 11. September 2001 zweifelhaft werden lassen. Dass ein Publizist allein, ohne alle staatlichen Instrumente der Aufklärung und der juristischen Wahrheitsfindung ein alle Facetten der Wahrheit treffendes Bild zeichnen könnte, ist schlechterdings unmöglich. Aber er tut etwas sehr Verdienstvolles. Er bringt Ordnung in das chaotische Bild aus Berichten, Filmen, Fotos und Detailuntersuchungen. Sichtbar werden dabei die Interessen von Beteiligten. Wie bei einem Erbschein werden die Begünstigten benannt. Es ist in diesem Falle nicht nur eine Partei. Neben Al Qaida, die ja nicht irreales Schreckgespenst ist, treten andere. Und diese bieten nicht das Bild der Männer mit Turban und Sprengstoffgürtel. Es würde wohl zum Bild des allwissenden Enthüllungsjournalisten passen, präsentierte uns der Autor in allen Einzelheiten den Finsterling, der sich das alles ausgedacht, der das alles geplant hat. Tut er aber nicht, weil er genau weiß, dass nicht die Frage nach einer Person, sondern nach einer Machtgruppierung gestellt ist. Und weil nicht ein einzelnes Ereignis zur Untersuchung steht, sondern das Wirken einer historischen Kraft. Ihre Spur nimmt er auf, wenn er das PNAC (Project for the New American Century), das 1998 mit dem Plan für ein "Neues Amerikanisches Jahrhundert" an die Öffentlichkeit getreten war, zitiert. Am 26. Januar 1998 "forderten sie vom US-Präsidenten Bull Clinton in einem harschen Brief unter anderem etwas, was der Welt später als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 verkauft wurde: die Entmachtung Saddam Husseins und eine radikale Umkehr im Verhältnis zur UNO. Im Angesicht des Versagens der Diplomatie bedeutet das auf kurze Sicht die Bereitschaft zu einer militärischen Aktion, heißt es da."

Wisnewski führt auch aus, "dass der Council of Foreign Relations, wo alles versammelt ist, was in Banken, Geheimdiensten und Militär Rang und Namen hat, mit einer Reihe geheimnisvoller Studien begann. In deren Zentrum stand ein massiver Finanzkollaps und seine Folgen." (S. 389)

Mag das eine oder andere Detail sich in der Folge als falsch erweisen, können sich vielleicht auch nicht alle Schlüsse behaupten, die Sicht auf die Frage "Wem nützt es?" rechtfertigt das Buch. Erstaunlich, dass sich mit dem KNAUR-Taschenbuchverlag ein so renommierter Verlag der Schrift angenommen hat.

Ein persönliches Urteil möchte ich hinzufügen: Keine Verschwörungstheorie, aber viele, viele Indizien, die auf etwas anderes verweisen als auf das gewünschte Bild, das bei mir doch im Bewusstsein aufscheinen sollte, wenn jemand sagt "nine-eleven".

Raute

Marginalien
Echo

Ein deutsch-holländischer Vergleich: Im aktuellen Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit wird konstatiert, dass der Osten bis 2050 die Hälfte der Bevölkerung von 1991 verloren haben wird. Wahrscheinlich war das damals ein kleiner Versprecher von Kohl, der wohl eigentlich "verblühende Landschaften" verheißen wollte. (...)

Abschließend vier Fragen zur inneren Einkehr:

1. Hast du ein Dach überm Kopf?
2. Hängt deine Kleidung in einem Schrank?
3. Schläfst du in einem Bett?
4. Steht dein Essen im Kühlschrank?

Bei viermal ja bist du reicher als 75 Prozent der Weltbevölkerung. Glückwunsch.

Hans Walde, Breda (NL)

*

Zuerst möchte ich für das Jahr 2012 Kraft, Gesundheit, Stehvermögen und Erfolg wünschen. Der ICARUS ist GBM-Produkt, und wenn ich die Reaktionen bedenke, die mich erreichen, können Sie Ihre Arbeit als wirkungsvoll verbuchen.

Die Zahl meiner Artikel im ICARUS hat ja etwa 30 erreicht. Ich danke der Redaktion für die solidarische Unterstützung.

Solidarische Grüße "an alle"

Horst Schneider, Dresden

*

PF 2012

p.f. - pour feliciter - sind Glückwünsche zum neuen Jahr. Sie unterscheiden sich von den handelsüblichen Postkarten nur durch eine Besonderheit: Der Absender hat sie selbst gestaltet. Sie werden als Kleingrafik gesammelt, ähnlich dem ex libris.

Glück und Haar wächst alle Jahr ...
Rudolf Grüttner

"Glücksvögel, keine Unglücksraben für 2012", Aquatintaradierung,
Christian Laurisch, Berlin

"Quo vadis", Fotomontage,
Peter Felix, Berlin

"Auch ungerade Wege führen zum Ziel",
farbige Kreidezeichnung, Erhard Schmidt, Berlin

Ja, so fordernd und radikal politisch ist unser Spruch für das neue Jahr. Die Zeit verlangt es so. Freilich gehören auch unsere guten Wünsche für 2012 dazu.
Anny und Klaus Przyklenk

*

Aphorismen

Um die Fünfzig beginnen einige redliche Menschen unruhig zu werden. Hat es sich gelohnt? Man möchte ihnen aufmunternd zurufen: "Haltet aus Brüder. Es dauert nicht mehr lange."
Fasil Iskander

Tugendhaft sein ist edel, aber andere auf den Pfad der Tugend weisen ist edler und nicht so beschwerlich.
Mark Twain

Ich lebe unter dem Zwiespalt, dort wo Würden sind, keine zu bemerken und mich von Individuen regieren zu lassen, mit denen ich nicht an einem Tisch sitzen würde, und zwar noch mehr aus Gründen ihrer geistigen als ihrer moralischen Unzulänglichkeiten.
Karl Kraus

Frage nicht, was kann mein Land für mich tun, sondern frage immer, was kann ich meinem Lande antun.
Anonyme US-Präsidentenweisheit

Die protestantischen Prediger, wenigstens auf dem Lande, sind nur Hausoffizianten, die, nachdem sie der gnädigen Herrschaft das Gewissen gerührt, am unteren Ende des Tisches sich in Demut und Wein erlaben.
E.T.A. Hoffmann

Die Unterwerfung der Menschheit unter die Wirtschaft hat ihr die Freiheit zur Feindschaft gelassen.
Karl Kraus

Denn weltlich Reich kann nicht stehen, wo nicht Ungleichheit in Personen, dass etliche frei seien, etliche gefangen, etliche Herren, etliche Untertan.
Martin Luther

Ein Feuilleton schreiben heißt auf einer Glatze Locken drehen; aber diese Locken gefallen dem Publikum besser als eine Löwenmähne der Gedanken.
Karl Kraus

Wer den Armen den Reichen preisgibt, ist ein Bösewicht.
3.Jt. Vd. Z. Keilschrifttext aus Nippur

Nur der Kluge kann wahrhaft gut sein; der Dumme ist im besten Falle harmlos.
Karl Emil Franzos

Lieber gut als originell.
Mies van der Rohe

*

"Erinnerung an den großen Tierfreund Friedrich",
Ralf Alex Fichtner, Finelinerzeichnung

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Klaus Georg Przyklenk

Der Fahnenträger - Wladyslaw Hasior

14.05.1928 Nowy Sacz
14.07.1999 Krakow

Die Männer der Freiwilligen Feuerwehr von Zakopane haben die Standarten hinaus getragen, hoch auf die Bergwiesen überm Ort. Aber wo man den katholischen Geistlichen an der Spitze einer Fronleichnamsprozession erwartet hätte, ist kein Priester. Wladyslaw Hasior führte den Zug an. Und es sind ja auch nur von Weitem Kirchenfahnen. Es sind gar keine. Die Banner sind schwer, sind mit Eisenteilen und Gerät behangen, benäht, beschraubt, beklebt. Sie haben Namen wie "Banner der Arbeit" - ein aufgenähter Blaumann mit Gliedermaßstab und Zangen - oder eben "Icarusbanner", das Bild vom Rücktitel dieses Heftes. Unnötig, hinzuzufügen, dass die Geistlichkeit Zakopanes gegen so was von der Kanzel die Stimme erhebt.

Kunst? "Es liegt mir daran, dass der Eindruck von der Begegnung mit meinen Exponaten dauerhafter ist als das Exponat selbst,"[1] sagt er von seiner Arbeit und: "Auch eine durchleuchtete Wassersäule, der Wind und die Stimme, Glas und Haare, der Stein und die Zeit, Rauch und Strom und schließlich jede Materie, die Schatten und Feuer gibt, kann ein Werkstoff der Kunst sein - allerdings unter der Voraussetzung, dass sie die freie und mutige Phantasie wählt, verbindet oder zerreißt, verbrennt."[2]

Was unterscheidet ihn von einem Dadaisten? Von einem Surrealisten? Von einem wie Joseph Beuys, der Filz und Fett im Kunstraum lagerte?

Hasior ist kein Esoteriker, ist nicht überzeugt, dass irgendwelche geheimen Kräfte im "armen Material" verborgen wirkten, die sich dem Betrachter mitzuteilen vermöchten. Er setzt auf die Assoziationen, die seiner Zeitgenossen. Er spricht von menschlichen Dingen, oft auch von politischen. Und er liest in den Gästebüchern seiner Ausstellungen, dass er Zustimmung erfährt, dass er abgelehnt wird, dass er also verstanden worden ist.

*

"So wie es in den Volksmärchen fliegende Teppiche, Siebenmeilenstiefel und unsichtbar machende Mützen gibt, so kann im Kreise der schweigenden, erwartenden Gegenstände einer - der Künstler - erscheinen, der diese Gegenstände in die Hand nimmt, und die ganze Welt der in ihnen enthaltenen Bedeutungen belebt, indem er ihnen ihre eigentliche Funktion in der plastischen Komposition verleiht.

Der Wert dieses Verfahrens beruht nicht auf der physischen Dauerhaftigkeit des Exponats, sondern auf der Reichweite der Einbildungskraft, der Intelligenz, dem guten Willen und der Bildung des Zuschauers."

Wladyslaw Hasior

Anmerkungen:

[1] Wladyslaw Hasior in Katalog "Wladyslaw Hasior / Camiel van Breedam", Darmstadt/Bochum/Krakow, 1989, S. 35
[2] Ebenda


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Die tönenden Windharfen von Podhale, das Denkmal zu Ehren der um die Festigung der Volksmacht Gefallenen bei Czorsztyn 1966
- Zakopane 1971 - Wladyslaw Hasior "Icarusbanner" 1968 Assemblage, 310 x 122 x 15 cm

Raute

Unsere Autoren:

Baier, Frank, Dr. - Astronom, Bergholz
Eichner, Klaus - Jurist, Lentzke
Georg, Klaus - Autor, Berlin
Hofbauer, Hannes, Dr. - Journalist, Wien
Jäkel, Gerlind - Pädagogin, Potsdam
Jäkel, Horst - Pädagoge, Potsdam
Klenner, Hermann, Prof. Dr. - Philosoph, Berlin
Michel, Maria - Kunstlehrerin Berlin
Morales, Hector Corches - Kulturattaché, Berlin
Przyklenk, Klaus Georg, Dr. - Redakteur ICARUS, Woltersdorf
Richter,Wolfgang, Prof. Dr. - Philosoph Wandlitz
Schramm, Gotthold, Jurist - Berlin
Schulze, Jens - Dipl.ing, Berlin
Tanneberger, Stephan, Prof. Dr. Dr. - Krebsforscher, Bologna
Wege, Siegfried, Dr. - Kunstwissenschaftler, Berlin
Welsch, Fritz, Dr. sc. - Philosoph, Berlin

*

Titelbild:
Susanne Kandt-Horn "Liebespaar mit Sonne". 1977, Öl/Hartfaserplatte, Museum Eisenhüttenstadt

2. Umschlagseite:
Ronald Paris, Ikarus, 1995. Federzeichnung

Rückseite des Umschlags:
Wladyslaw Hasior "Icarusbanner", 1968. Assemblage, 310 x 122 x 15 cm

Abbildungsnachweis:
Archiv Przyklenk 1. US, S. 16, 18, 24, 26, 28, 40, 41, 42, 49, 51, 4. US
Peter Felix S. 51
Rudolf Grüttner S. 50
Horst Jäkel S. 37, 38, 47, 48
Katalog "Zwischen Bedrängnis und Widerstand" S. 43, 44, 45, 46
Gerhard Kruschel S. 31
Christian Laurisch S. 51
Pro Media Verlag Wien S.7
Erhard Schmidt S. 51
Jens Schulze S. 4
Gabi Senft S. 35
Stephan Tanneberger S. 20, 21, 22



Raute

Impressum

Herausgeber: Gesellschaft zum Schutz von
Bürgerrecht und Menschenwürde e.V.
Weitlingstraße 89, 10317 Berlin
Telefon: 030/5578397
Fax: 030/5556355
Homepage: http://www.gbmev.de
E-Mail: gbmev@t-online.de
V.i.S.d.P.: Wolfgang Richter
Begründet von:
Dr. theol. Kuno Füssel,
Prof. Dr. sc. jur. Uwe-Jens Heuer,
Prof. Dr. sc. phil. Siegfried Prokop,
Prof. Dr. sc. phil. Wolfgang Richter

Redaktion:
Dr. Klaus Georg Przyklenk
Puschkinallee 15A, 15569 Woltersdorf
Tel.: 03362/503727
E-Mail: annyundklausp@online.de

Layout: Prof. Rudolf Grüttner
Satz: Waltraud Willms

Redaktionsschluss: 24.2.2012

Verlag:
GNN Verlag Sachsen/Berlin mbH Schkeuditz
ISBN 978-3-89819-377-1

Die Zeitschrift ICARUS ist das wissenschaftliche und publizistische Periodikum der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V.; sie erscheint viermal jährlich und kann in der Geschäftsstelle der GBM, Weitlingstraße 89, 10317 Berlin abonniert bzw. gekauft werden. Ihr Bezug ist auch unter Angabe der ISBN (siehe weiter oben) über den Buchhandel möglich. Der Preis beträgt inkl. Versandkosten pro Heft 4,90 EUR für das Jahresabonnement 19,60 EUR.

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Quelle:
ICARUS Nr. 1/2012, 18. Jahrgang
Herausgeber:
Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V.
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Internet: http://www.gbmev.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2012