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IZ3W/340: Editorial von Ausgabe 344 - Geliebt werden wollen


iz3w - informationszentrum 3. Welt - Ausgabe 344 - September/Oktober 2014

Editorial:
Geliebt werden wollen



Liebe LeserInnen, Sie werden es schon bemerkt haben: Die Zeitschrift iz3w führt ein recht selbstbewusstes Eigenleben, sie meldet sich gerne bei allen möglichen Gelegenheiten zu Wort. Sie nimmt auch schon länger keine Blätter mehr vor den Mund, wenn es darum geht, dem Redaktionsteam die Meinung zu geigen. Vor einigen Monaten nutzte sie bei einer Redaktionssitzung die Gelegenheit zu einer Ansprache: »Hört mal, ich werde demnächst 44 Jahre alt. Ich weiß, ich hab mich ganz gut gehalten. Sogar junge Leute finden mich attraktiv, wenn ich die vielen Neuabos von Studierenden so interpretieren darf. Aber wie das so ist im Laufe der Jahre: Zipperlein bleiben nicht aus.«

Die plötzlich hellwach gewordene Redaktion begann zu rätseln: Worauf um Himmelswillen wollte die iz3w hinaus? Die Aufklärung folgte nach einer taktischen Lobeshymne: »Ich weiß es ja zu schätzen, dass ihr mir seit 1996 ein schickes Layout spendiert. Ihr gebt euch viel Mühe beim Redigieren, damit die Texte leserlich sind. Bei der Bildauswahl habt ihr oft ein gutes Händchen. Aber eines nervt langsam: Diese Minischrift! 8,5 Punkt, das ist doch nicht euer Ernst! Ihr tut so, als sei das eine völlig normale Schriftgröße und als habe niemand ein Problem damit. Glaubt ihr, ich merke nicht, wie ihr beim Korrekturlesen die Lesebrillen zückt? Oder die Satzfahnen direkt vor die Nase haltet? Langsam wird es echt peinlich, wie ihr alle Anzeichen des Alterns mit verkrampftem Lockersein überspielen wollt! Ich kann mich selber kaum noch lesen! Ich bestehe jetzt auf einer anständigen Schriftgröße. Mit 44 Jahren hat frau ein Recht darauf, nicht in Sack und Asche zu gehen!«

Das saß. Die sich ertappt fühlende Redaktion begann zu diskutieren. Eine Minderheitsfraktion gab zwar zu, dass die Schrift nicht gerade barrierefrei ist, verschanzte sich aber hinter Sachzwängen: »Wir haben doch so schon kaum Platz für all die spannenden Texte. Wir kürzen jetzt schon, was geht. Wenn wir die Schrift vergrößern, gehen Inhalte verloren. Und: Mehr Seiten drucken ist finanziell einfach nicht drin.« Die Mehrheit hingegen wollte zwar keine revolutionäre Umgestaltung in Form eines kompletten Relaunchs, aber doch eine Reform. Interessanterweise waren die BesitzerInnen von Lesebrillen in beiden Fraktionen vertreten.

Doch wie genau sollte die Reform aussehen? Die iz3w hatte sich dazu nicht näher geäußert. Die Redaktion tat, was JournalistInnen so tun, wenn sie, wie so oft, keine Ahnung haben: Sie begann zu recherchieren. Fündig wurde sie bei einem Institut für Seniorenforschung. Dessen »10 Gebote für die Gestaltung von Seniorenbroschüren« erwiesen sich als wahre Fundgrube. Da hieß es beispielsweise: »Broschüren werden zwar von Senioren in der Regel mit Brille gelesen, trotzdem ist eine gut lesbare Schrift wichtig für das leichtere Erfassen des Inhalts und für die emotionale Zuwendung zum Absender«. Da die RedakteurInnen wie alle Menschen nichts anderes wollen als geliebt werden, waren sie nun motivierter denn je, emotionale Zuwendung der LeserInnen zu kreieren.

Die »10 Gebote« waren aber nicht nur hinsichtlich typographischer Fragen ein Aha-Erlebnis. »Natürlich muss auch der Inhalt der Seniorenbroschüre interessant sein, um bei der Zielgruppe erfolgreich sein zu können.« Hmmm, die Notwendigkeit von interessanten Inhalten war bisher noch nicht so recht bedacht worden. Ebenso wenig auf dem (Bild-)Schirm hatte die Redaktion folgenden Hinweis: »Je älter die Zielgruppe, um so stärker werden englische Bezeichnungen emotional abgelehnt.« Oh no, Anglizismen hatten sich in der iz3w selbst bei Überschriften eingeschlichen. Deshalb also blieben die Liebeserklärungen der LeserInnen aus! Unmittelbar einleuchtend war auch diese Empfehlung: »Bei einer Seniorenbroschüre sollten möglichst auch Senioren abgebildet sein.«

Die Redaktion begann umgehend, große Pläne zu schmieden. Zunächst suchte sie nach Best Practice-Beispielen, ähhh, nach vorbildlich gestalteten Zeitschriften. Doch kaum fielen die Worte »Apotheken Umschau«, unterbrach die bislang geduldig lauschende iz3w rüde. »Stopp, jetzt reicht's aber. Ihr sollt doch nur die Schrift vergrößern! Ich will schöner werden, nicht seniorengerecht. Sooo alt bin ich jetzt auch wieder nicht«, beschied sie der Redaktion genervt. An deren Urteilsfähigkeit mehr denn je zweifelnd, fügte sie hinzu: »Und noch was: Die endgültige Auswahl der neuen Schrift überlasst ihr bitteschön den LeserInnen. Ihr labert immer rum von wegen Partizipation und so. Jetzt könnt ihr beweisen, dass ihr es ernst meint.«

Das, liebe LeserInnen, ist die Geschichte, warum auf den Seiten 4 - 5 und 6 - 7 zwei Texte in einer größeren Schrift zweispaltig gesetzt sind. Erstellt wurden die Entwürfe vom Grafikbüro MAGENTA, das die iz3w schon seit 18 Jahren gestaltet. Der Lesetext der Seiten 4 - 5 ist in der Schrift Stone gesetzt, die Seiten 6 - 7 in der Milo. (Dazu müssen Sie leider das Heft kaufen, der Webseitenbastler)

Büro MAGENTA und die iz3w verstehen sich übrigens bestens. Schon lange lästern sie hinter dem Rücken der Redaktion über deren Hang zu Bleiwüsten und ihrer Panik vor Weißflächen. Wenn Sie, liebe LeserInnen, sich dem Bündnis der beiden anschließen, beugt sich auch


die redaktion

Rückmeldungen zu den beiden alternativen Schriften (und zu allem anderen) bitte an
info@iz3w.org

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Inhaltsverzeichnis iz3w Nr. 344 - September/Oktober 2014

Globale Geschäfte mit Uran
Angereicherte Gefahr

Uran - ist das ein Thema, das ausreicht für einen Schwerpunkt in der iz3w? Das fragte ein Jahr vor der Veröffentlichung die iz3w-Redaktion. In Kooperation mit der AG uranium-network.org sammelten wir Fragen. Die AG uranium-network.org arbeitet innerhalb des Freiburger Vereins Menschenrechte 3000. In verschiedenen Ländern unterstützt sie KritikerInnen des Uranabbaus in ihrer politischen Arbeit und ermöglicht Betroffenen, ihre Argumente und Fragen in einen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess einzubringen. Die Zusammenarbeit mit der AG hat es erleichtert, Perspektiven aus Nord und Süd zusammen zu denken. Das hat auch zum Umfang des Schwerpunktes beigetragen.

Übrigens: weitere Aspekte sind im südnordfunk - der Magazinsendung des iz3w - zu finden. Ob das Thema Uran über nunmehr 24 Heftseiten spannend aufgezogen werden kann, das können die geneigten LeserInnen nach der Lektüre nun selber beantworten.

Über Feedback freut sich
die redaktion


Inhaltsübersicht aus dem Themenschwerpunkt:

Unbeherrschbar
Die Verwertung des Urans geht mit der Vervielfältigung von Gewalt einher
von Martina Backes

In den Händen von Kriegsherren
Die Geschichte einer Mine in der DR Kongo
von Golden Misabiko

Freigesetzte Übel
Der Uranabbau hinterlässt irreversible Langzeitfolgen
von Günter Wippel

»Dem Schweigen verpflichtet«
von Hilma Shindondola-Mote

Nebenan
Tagebau in Sichtweite der Dörfer
von Thomas Bauer und Christian Russau

Geheimniskrämerei
Rund um den internationalen Handel mit Uran
von Benjamin Paaßen

Strahlendes Material auf Reisen
von Dieter Kaufmann

Gefahrenanreicherung
Auf Uranabbau folgen Risiken bis hin zum Atommülldesaster
von Udo Buchholz

Aufgeflogen
Die malische Regierung übergeht lokale Verantwortliche
von Olaf Bernau

Wer gewinnt?
Abbaupläne und Gesetze in der Mongolei
von Eike Seidel

Im Zeichen der Unabhängigkeit
Das Förderverbot in Grönland ist aufgehoben
von Stefan Brocza und Andreas Brocza

»Indien wurde für sein Atomprogramm belohnt«
Interview mit dem Aktivisten Kumar Sundaram

Nur Online:

Rückenwind für die Atombranche?
Zahlreiche Länder bleiben bei der Atompolitik auf
von Harald Möller

Kohle für Urangeschäfte
Sind deutsche Banken beteiligt?
von Regine Richter

Große Spieler
Areva kontrolliert die vollständige Verarbeitungskette
von Benjamin Paaßen


POLITIK UND ÖKONOMIE

Hefteditorial: Geliebt werden wollen

Kolumbien: Schleichkatze auf Hochtouren
Der Friedensprozess stößt weiter auf große Hindernisse
(Langfassung nur im Netz)
von Matthias Schreiber

Migration: Verhängnisvolle Flucht
Im Sinai finden grausame Gewalttaten gegen Flüchtlinge statt
von Eva-Maria Bruchhaus

China: Gratulation zum Armutsgebiet
Die schwierige Rolle von NGOs bei der Armutsbekämpfung
von Dirk Reetlandt

Chile: Nach dem Feuer von Valparaíso
Die sozialen Folgen von Naturkatastrophen
von Jürgen Schübelin

Antiziganismus I: Was heißt denn hier 'Roma'?
Aktuelle Formen des medialen Antiziganismus
von Markus End

Antiziganismus II: Angenommen und abgestempelt
Ein Sinto in Deutschland
von Sebastian Lotto-Kusche


KULTUR UND DEBATTE

Literatur: Dissidenten für die Freiheit
In seinem Roman »Ketzer« lobt Leonardo Paduradie Andersdenkende
von Klaus Jetz

Fotografie I: Aufklärerische Begierde
Auch kritische Bücher sind nicht vor dem kolonialen Blick gefeit
von Heike Kanter und Jörn Hagenloch

Fotografie II: »Wie lesen wir Bilder?«
Interview mit Thomas Allen Harris über fotografische Repräsentationen des Afroamerikanischen

Film I: »Auf der Suche nach dem besseren Leben«
Interview mit dem Dokumentarfilmer David Fedele

Film II: Queer Africa
Ein Schwerpunkt des Kölner Afrika Film Festivals widmet sich LGBTIs
von Karl Rössel

Rezensionen

Szene / Tagungen

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Quelle:
iz3w Nr. 344 - September/Oktober 2014
Copyright: bei der Redaktion und den AutorInnen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2014