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KAZ/304: Alle gegen alle - Zwischenimperialistische Widersprüche heute


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 368, September 2019
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Alle gegen alle
Zwischenimperialistische Widersprüche heute

Von Jörg Kronauer


Thema meines Referats sind die zwischenimperialistischen Widersprüche, die die internationale Politik heute prägen. Ich möchte sie der Reihe nach aufzeigen, beginnend mit dem Gegensatz zwischen der deutsch dominierten EU und den Vereinigten Staaten, gefolgt von einem Blick auf die inneren Machtkämpfe in der Union. Anschließend soll es um die Auseinandersetzungen zwischen den westlichen Mächten und Russland bzw. China gehen, in denen der Westen keineswegs eine einheitliche Position vertritt, sondern innerhalb dieser Machtkämpfe seine inneren Streitigkeiten fortsetzt.

Eine Vorbemerkung

Die aktuellen Kämpfe zwischen den großen Mächten finden vor dem Hintergrund tiefgreifender Kräfteverschiebungen auf globaler Ebene statt. Die Grundlage dieser Kräfteverschiebungen kann man trockenen Statistiken entnehmen, die die Wirtschaftsleistung einzelner Staaten und ganzer Staatengruppen sowie ihre Entwicklung im Verlauf der vergangenen Jahre und Jahrzehnte vergleichen. Hilfreiche Angaben über das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach Kaufkraftparität (Purchasing Power Parity, PPP) veröffentlicht zum Beispiel der Internationale Währungsfonds (IWF).[1] Den IWF-Statistiken lässt sich entnehmen, dass sich die ökonomischen Gewichte zwischen den entwickelten Ländern - es handelt sich im Wesentlichen um die westliche Welt - und den Schwellen- und Entwicklungsländern deutlich verschieben. Mitte der 1990er Jahre erwirtschafteten die entwickelten, fast durchweg westlichen Staaten noch rund 58 Prozent des globalen BIP nach PPP, während die Schwellen- und Entwicklungsländer lediglich auf 42 Prozent kamen. Um die Jahrtausendwende kamen die Dinge in Bewegung: Der Anteil der Schwellen- und Entwicklungsländer nahm kontinuierlich zu; derjenige der westlichen Welt nahm kontinuierlich ab. Im Jahr 2007 waren beide annähernd gleich groß; seitdem eilen nun aber die Schwellen- und Entwicklungsländer der entwickelten Welt davon. 2018 lag das Verhältnis bereits bei 59 Prozent zu 41 Prozent; im kommenden Jahr wird es voraussichtlich 60 zu 40 erreichen - bei weiter deutlich auseinanderdriftender Tendenz. Das bedeutet: Ökonomisch steigt der Westen in hohem Tempo ab.

Man kann das anhand der Daten für einzelne Länder und Ländergruppen ausdifferenzieren. So ist der Anteil der Vereinigten Staaten am globalen BIP nach PPP von über 20 Prozent im Jahr 2000 auf rund 15 Prozent im Jahr 2018 gesunken. Die EU-28 sind im selben Zeitraum von 23,5 Prozent auf etwa 16 Prozent gefallen. China wiederum hat seinen Anteil von knapp 7,5 Prozent (2000) auf etwa 19 Prozent (2018) gesteigert und 2013 die USA, 2015 die EU überholt. Dabei ist die Volksrepublik maßgeblich, aber nicht ausschließlich für den Aufstieg der Schwellen- und Entwicklungsländer und dem damit verbundenen Abstieg des Westens verantwortlich: Auch Indien hat seinen Anteil von gut vier Prozent (2000) auf fast acht Prozent (2018) erhöht. Die treibende Kraft der gegenwärtigen Kräfteverschiebungen ist zweifellos China mit seinem rasanten Aufstieg. Auf längere Sicht hat aber auch Indien, das ein wenig im Schatten der Volksrepublik erstarkt, ein gewaltiges Machtpotenzial.

"Eine Weltmacht im Werden"

Deutschland und die EU positionieren sich vor diesem Hintergrund durchaus ambivalent. Auf der einen Seite nimmt ihr relatives ökonomisches Gewicht in der Welt ab; auf der anderen Seite streben sie mittlerweile offen danach, sich Weltmachtstatus zu sichern und, wie Berliner Politiker es immer wieder formulieren, "auf Augenhöhe" mit den Vereinigten Staaten zu gelangen. Der Plan ist alt. Bereits Friedrich List, der vielzitierte "Vater der deutschen Nationalökonomie", hat in den 1840er Jahren vorhergesagt, die damals zur weltwirtschaftlichen Nummer eins aufsteigenden europäischen Mächte würden sich dereinst zusammenschließen müssen, um gegenüber den aufstrebenden USA nicht ins Hintertreffen zu geraten. In der frühen Bundesrepublik setzte sich zum Beispiel Franz Josef Strauß dafür ein, die damalige EWG als dritte Kraft neben den USA und der Sowjetunion zu positionieren; dazu forcierte er bald die Gründung von Airbus als Pendant zu Boeing - denn ohne eine eigenständige Luft- und Raumfahrtindustrie, urteilte er, könne keine globale Macht entstehen.

Im Jahr 2003, als die EG dabei war, mit der Osterweiterung ihre Staatenbasis zu vergrößern und gleichzeitig mit einer immer tieferen Integration nicht zuletzt in der Außen- und Militärpolitik ihre Schlagkraft zu intensivieren, hat der Außenpolitikexperte Werner Weidenfeld den alten Gedanken neu formuliert. Weidenfeld, einst Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl, heute eher weniger bekannt, im Jahr 2003 aber als Außenpolitikchef der Bertelsmann-Stiftung durchaus einflussreich, verglich damals in einem Namensbeitrag in der Tageszeitung "Die Welt" die EU hinsichtlich ihrer Fläche, Bevölkerungsgröße und Wirtschaftskraft mit den Vereinigten Staaten - und kam zu dem Ergebnis, ihr "Potenzial könnte ... den Status einer Weltmacht definieren". Stelle man die Kapazitäten der Union neben diejenigen anderer starker Mächte - Russland etwa, China, Indien -, dann müsse man konstatieren: "Im Vergleich zu diesen Akteuren kommt das Potenzial der Europäischen Union dem der Weltmacht USA am nächsten, ja es ist ihm in wichtigen Teilen sogar überlegen". Weidenfeld gab sich überzeugt: "Nicht erst seit 1989 ist das integrierte Europa eine Weltmacht im Werden." Die "Schlüsselfrage" laute freilich: "Kann Europa dieses Potenzial in weltpolitische Gestaltungskraft übersetzen?"

An dieser Frage arbeitet sich die EU bis heute ab. Diversen Erfolgen in den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende folgten Rückschläge - von der Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden im Jahr 2005 über das Stocken der Bestrebungen, eine EU-Armee aufzubauen, die gefährlich eskalierende, bis heute nicht wirklich überwundene Eurokrise bis zum britischen Austrittsreferendum im Juni 2016. In den vergangenen Jahren hat die Union ihre Anstrengungen in Sachen "Weltpolitikfähigkeit", so die Formulierung von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, wieder verstärkt - mit erneuten Versuchen, eine "Armee der Europäer" aufzubauen, sowie mit dem Streben nach "strategischer Autonomie". Dabei ist der Anspruch, in der obersten Liga der Weltpolitik mitmischen zu wollen, immer offener formuliert worden. Während Außenminister Sigmar Gabriel im Februar 2017 ganz explizit "eine Partnerschaft auf Augenhöhe" mit Washington verlangte, der Diplomat und Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger im Februar 2018 die "Emanzipation" der EU von den USA einforderte und Gabriels Nachfolger Heiko Maas im August 2018 erklärte, die Union müsse "zu einer tragenden Säule der internationalen Ordnung werden", stützten Regierungsberater und Think-Tanks in Berlin den Weltmachtkurs: Die Bundesrepublik müsse "alles in seiner Macht Stehende tun", um die EU als einen "eigenständigen weltpolitischen Machtfaktor ... zu etablieren", hieß es zum Beispiel Ende 2017 in einer Analyse der vom Bundeskanzleramt finanzierten Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

"Ein Mittel zum Zweck für Deutschland"

Dass die Supermacht USA - ökonomisch zwar absteigend, aber politisch und vor allem militärisch noch dominant - sich zu dem deutsch-europäischen Weltmachtstreben positioniert, liegt auf der Hand. Unter Präsident Barack Obama hat Washington es mit einer Art Einbindungsstrategie versucht, hat sozusagen auf eine deutsch dominierte EU als Juniorpartner gesetzt. Konfliktpunkte gab es freilich schon damals, und es ist keinesfalls klar, ob die transatlantischen Spannungen nicht auch mit einer Präsidentin Hillary Clinton zugenommen hätten. Definitiv eskaliert sind sie allerdings seit dem Amtsantritt von Donald Trump. Der Immobilienoligarch hält von einer kühlen Einbindungsstrategie rein gar nichts; er hat vielmehr von Anfang an gegenüber der EU auf offene Konfrontation gesetzt. "Sehen Sie sich die Europäische Union an", erklärte er im Interview unter anderem mit Springers "Bild": "Die ist Deutschland. Im Grunde genommen ist die Europäische Union ein Mittel zum Zweck für Deutschland." Trumps Urteil war, wie sich schnell zeigte, nichts anderes als eine kaum verkappte Kampfansage.

Den Kampf gegen die EU hat die Trump-Administration schon bald aufgenommen. Dabei hat sie stets besonders auf die deutsche Zentralmacht der Union gezielt. Das ist von Anfang an besonders bei wirtschaftlichen Streitpunkten der Fall gewesen. Rasch hat der US-Präsident vor allem den deutschen Handelsüberschuss gegenüber den Vereinigten Staaten attackiert. Der lag, als Trump sein Amt antrat, bei stolzen 50 Milliarden Euro im Jahr. Kritik daran hatte schon Barack Obama geübt; Trump hingegen ging einen Schritt weiter und attackierte Deutschland und die EU ökonomisch. Schon die Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumlieferungen aus der Union trafen in hohem Maß deutsche Konzerne, die einen großen Anteil an den entsprechenden EU-Exporten stellten. Auch die Drohung, auf Kfz-Einfuhren aus der Union Strafzölle zu erheben, zielt vor allem auf die Bundesrepublik, die im Jahr 2017 fast 494.000 Pkw in die Vereinigten Staaten ausführte - mehr als jedes andere EU-Land. Anfang 2019 berechnete das Handelsblatt die Verluste, die deutsche Konzerne durch US-Strafzölle erleiden könnten, im Fall von Volkswagen auf 2,3 Milliarden Euro, bei BMW sowie Daimler auf 1,7 bis 2,0 Milliarden Euro.

Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Schlagzeilen gemacht hat seit 2017 regelmäßig die vernichtende Kritik der Trump-Administration am angeblich zu niedrigen deutschen Militärhaushalt; war das Ziel, der Wehretat der NATO-Mitgliedstaaten solle zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen, bereits in der Amtszeit von US-Präsident Obama festgeschrieben worden, so drosch dessen Nachfolger so richtig auf säumige Verbündete, insbesondere die Bundesrepublik, ein. Darüber hinaus hat die Trump-Administration nicht nur den britischen Austritt aus der EU in höchsten Tönen gelobt, sondern auch sonst nach Kräften Zwietracht in der Union gesät. Im Streit um die Flüchtlingspolitik, der in der EU seit 2015 massiv polarisiert, hat Trump von Anfang an gegen die Politik der Bundesregierung Position bezogen und insbesondere Polen und Ungarn in ihrer Blockade bei der Aufnahme von Flüchtlingen bestärkt. Eine zentrale Rolle nimmt dabei der Versuch des US-Präsidenten ein, einen tiefen Keil zwischen Deutschland und Polen zu treiben. Jüngstes Beispiel ist die Drohung, womöglich US-Truppen aus der Bundesrepublik in das östliche Nachbarland zu verlegen. Hinzu kommt, dass der seit Mai 2018 amtierende US-Botschafter in der Bundesrepublik, Richard Grenell, offen angekündigt hat, in die inneren Verhältnisse in der EU einzugreifen. Dem ultrarechten US-Internetportal Breitbart sagte Grenell in einem Interview: "Ich möchte andere Konservative in Europa, andere Anführer, definitiv stärken."

"Deutschlands Gestaltungsanspruch"

Die Bundesregierung hat freilich nach Kräften dagegengehalten. Bereits in ihrer ersten öffentlichen Stellungnahme nach dem Wahlsieg von Donald Trump hatte Kanzlerin Merkel am 9. November die transatlantische Zusammenarbeit von Bedingungen abhängig gemacht - zwar von Bedingungen, deren Einhaltung selbstverständlich sein sollte, aber immerhin: "Deutschland und Amerika", hatte Merkel erklärt, "sind durch Werte verbunden: Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung. Auf der Basis dieser Werte" - und das war Merkels Bedingung - "biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an." Zeigte sich schon in dieser Erklärung die Möglichkeit, unter bestimmten Umständen könne Deutschland auf Distanz zu den USA gehen, so wurde die Option später zumindest verbal immer wieder deutlich. Wellen schlug beispielsweise, dass Merkel Ende Mai 2017 in einem Bierzelt in München-Trudering mit Blick auf das transatlantische Verhältnis urteilte: "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei."

Offen gegen die US-Politik opponiert haben Deutschland und die EU vor allem in der Iran-Politik. Den Bruch des Atomabkommens mit Teheran durch die Trump-Administration haben sie bis heute nicht nachvollzogen und stattdessen alles daran gesetzt, das Abkommen zu bewahren. Gelänge dies, dann hätten Berlin und Brüssel sich auf einem zentralen Konfliktfeld der Weltpolitik als politische Alternative zu Washington profiliert. Der Versuch, den Iran-Handel mit dem Finanzinstrument "Instex" aufrechtzuerhalten, ist zwar faktisch gescheitert. Deutschland und die EU halten trotz allem an ihrer Opposition zur US-Iran-Politik fest. Der Forderung, sich an dem geplanten US-Marineeinsatz im Mittleren Osten zu beteiligen - an der "Operation Sentinel" -, sind sie nicht nachgekommen; lediglich Großbritannien ist aus der gemeinsamen Front der EU ausgeschert und hat angekündigt, sich der US-Maßnahme anzuschließen. Die Planungen für einen eigenen EU-Marineeinsatz im Persischen Golf, der als Alternative zu der US-Intervention gedacht war, dauerten im August noch an. Deutschland müsse sich daran beteiligen, ihn nach Möglichkeit sogar "führen", hieß es in einer Stellungnahme aus der SWP - nicht nur "zur Wahrung seiner Interessen", sondern vor allem auch "zum Erhalt seines außenpolitischen Gestaltungsanspruchs".

Innere Machtkämpfe

Nun ist es nicht so, dass die EU ihren Machtkampf gegen die USA frei von innerem Zwist führen könnte. Ganz im Gegenteil: Die Widersprüche innerhalb des europäischen Staatenkartells nehmen immer weiter zu. Heftige Scharmützel werden insbesondere zwischen der stärksten Macht der Union und der Nummer zwei, zwischen Deutschland und Frankreich, ausgetragen. Das ist nicht neu: Deutsch-französische Differenzen sind wohl so alt wie die europäische Integration. Dennoch eskalieren sie in jüngster Zeit. Das liegt daran, dass Frankreich gegenüber der Bundesrepublik in den vergangenen Jahren massiv in Rückstand geraten ist. Der deutschen Wirtschaft war es dank der rot-grünen "Agenda 2010" in den Jahren nach der Euro-Einführung gelungen, sich Konkurrenzvorteile gegenüber Firmen aus anderen Staaten der Währungszone zu verschaffen: Die Kürzungen, die die Regierung Schröder/Fischer den Lohnabhängigen aufzwang, waren etwa in Frankreich und Spanien wegen des entschlosseneren Widerstandes der Betroffenen nicht durchsetzbar. Die Konkurrenzvorteile ermöglichten es der deutschen Industrie, mit ihren Exporten ihre Rivalen in anderen Euro-Ländern an die Wand zu drücken. Nicht zuletzt die französische Wirtschaft fiel gegenüber der deutschen zurück. Das schwächte die Pariser Politik gegenüber dem deutschen Durchmarsch auch ganz allgemein.

Frankreichs im Mai 2017 ins Amt gelangter Präsident Emmanuel Macron setzt alles daran, den Rückstand gegenüber Deutschland wieder aufzuholen. Zentraler Konfliktpunkt ist die von Macron verlangte Reform der Eurozone. Der Plan, den Paris verfolgt, sieht im Kern vor, die Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten des Währungsgebiets durch Transfers nicht unähnlich dem deutschen Länderfinanzausgleich wenn nicht auszugleichen, so sie doch zumindest abzufedern. Macron will das mit einem Haushalt und einem Finanzminister für die Eurozone erreichen. Berlin ist es gelungen, den Plan bis zur Unkenntlichkeit aufzuweichen. Nicht nur das. Auf der Suche nach neuen Finanzquellen für seinen Staatshaushalt hat sich Frankreichs Präsident in der EU für eine Digitalsteuer stark gemacht, die insbesondere - aber keinesfalls nur - den riesigen US-Internetkonzernen, die dank günstiger Umstände sowie geschickter Tricksereien besonders wenig Steuern zahlen, einen kleinen Obolus abluchsen soll. Die Bundesregierung hat das ausgebremst - nicht nur, um die Trump-Administration nicht weiter zu reizen, damit sie keine Kfz-Strafzölle verhängt, sondern auch, weil deutsche Konzerne, die sich in Sachen Industrie 4.0 stark betätigen, von der Digitalsteuer ebenfalls betroffen wären. Frankreich hat die Digitalsteuer, die es in der EU nicht durchsetzen konnte, im Sommer 2019 auf nationaler Ebene eingeführt. Dafür hat es freilich schweren Ärger mit den Vereinigten Staaten kassiert.

Anfang 2019 hat Präsident Macron begonnen, außenpolitisch mit allen Mitteln gegen Deutschland in die Offensive zu gehen. Deutlich wurde dies im Februar, als er der deutschen Kanzlerin einen gemeinsamen Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz verweigerte, der nicht zuletzt der anwesenden US-Prominenz die angebliche weltpolitische Ge- und Entschlossenheit der EU vor Augen hätte führen sollen. In etwa zur selben Zeit entzog Frankreich der Erdgaspipeline Nord Stream 2, die einen bedeutenden Stellenwert für die deutsche Energie- und Wirtschaftspolitik besitzt, in den zuständigen EU-Gremien die Unterstützung; Damit hätte es das Projekt beinahe zum Scheitern gebracht. Und es ging weiter. Mit einem Mittelmeergipfel am 24. Juni in Marseille, zu dem er fünf Staaten Südeuropas und fünf Staaten Nordafrikas geladen hatte, suchte Macron an die - letztlich gescheiterten - Bemühungen seines Vorvorgängers Nicolas Sarkozy anzuknüpfen, Frankreichs traditionelles Einflussgebiet in seinen ehemaligen Kolonien am Mittelmeer enger an die EU zu binden und damit ein Gegengewicht zum traditionellen deutschen Hegemonialgebiet in Ost- und Südosteuropa zu schaffen, das per Osterweiterung sogar in die Union integriert worden war. Im Juli traf Macron zu einem Besuch in Serbien ein, der dazu dienen sollte, das traditonelle französisch-serbische Bündnis wieder zu beleben, das historisch weit zurückreicht, aber in den Kriegen der 1990er Jahre zur Zerschlagung Jugoslawiens, in denen Bonn die damalige EG auf die antiserbische deutsche Linie festlegen konnte, aufs Schwerste beschädigt wurde. Im August hat Macron dann sogar versucht, Berlin die Führung in der Bearbeitung des Ukraine-Konflikts abzunehmen; dazu empfing er den russischen Präsidenten Wladimir Putin kurz vor dem G7-Gipfel in seiner Sommerresidenz Fort Brégançon.

Die deutsch-französische Rivalität setzt sich bis in unterschiedliche Pläne zur Militarisierung der EU hinein fort. Deutschland forciert zum Aufbau einer "Armee der Europäer" inzwischen das Projekt PESCO ("Permanent Structured Cooperation"), das langsam, aber gründlich gemeinsame EU-Militärstrukturen schmiedet - durch den gemeinsamen Aufbau spezieller Einrichtungen und durch gemeinsame Schaffung besonderer Kapazitäten seitens jeweils mehrerer Mitgliedstaaten. Zeitlicher Orientierungspunkt für eine einsatzfähige, schlagkräftige Streitmacht ist das Jahr 2030. Aus Pariser Sicht dauert das alles viel zu lange. Frankreich hat nach wie vor starke Interessen in seinen früheren afrikanischen Kolonien, zu deren Sicherung es immer wieder militärisch interveniert, zuletzt vor allem in Mali. Zu diesem Zweck will es auf EU-Truppen zurückgreifen können - ganz so, wie es Deutschland in seiner traditionellen südosteuropäischen Interessensphäre, in Jugoslawien, tat. Um nicht Jahre auf die "Armee der Europäer" warten zu müssen, treibt Macron seine im Juni 2018 ausgerufene "Initiative européenne d'intervention" voran, deren Schwerpunkt auf der Erstellung gemeinsamer Lagebilder und gemeinsamer Operationsszenarien sowie einer umstandslosen Kooperation unterschiedlicher europäischer Streitkräfte im Einsatz liegt.

Die Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich sind zahlreich; sie haben neben außenpolitischen und wirtschaftlichen Fragen nicht zuletzt die großen gemeinsamen Rüstungsprojekte wie den geplanten europäischen Kampfpanzer sowie den Kampfjet der nächsten Generation erfasst, die Berlin und Paris gemeinsam entwickeln, bei denen sie aber erbittert um Anteile für ihre jeweiligen nationalen Rüstungskonzerne ringen. Und: Die deutsch-französischen Konflikte sind längst nicht die einzigen Streitigkeiten, die das europäische Staatenkartell erschüttern. Massive Auseinandersetzungen gibt es beispielsweise auch zwischen Deutschland und Italien, zwischen Italien und Frankreich oder zwischen den vier "Visegrad"-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) und der überwiegenden Mehrheit der restlichen EU. Zahlreiche kleinere Konflikte kommen hinzu. Dabei wiegt schwer, dass der geplante britische Austritt aus der Union zeigt: Die Konflikte erschweren nicht nur gemeinsames Handeln; Sie können die EU, mit der die Bundesrepublik Weltpolitik treiben will, potenziell sogar zerstören. Am Brexit kann man das gut ablesen - denn er kam nicht aus heiterem Himmel, er entstand vielmehr daraus, dass London seine Interessen in den Brüsseler Machtkämpfen nicht hinlänglich durchsetzen konnte.

Der erste Austritt

Man kann das auf mehreren Ebenen nachvollziehen. Folgenreich ist in allgemein wirtschaftlicher Hinsicht vor allem die EU-Osterweiterung gewesen. Sie hat die ökonomischen Gewichte in der Union weiter nach Osten verschoben und vor allem deutschen Unternehmen, deren traditionelles ost- und südosteuropäisches Expansionsgebiet zu einem guten Teil in die EU integriert wurde, erhebliche Vorteile durch in die östlichen Nachbarländer ausgelagerte Niedriglohnproduktion gebracht. Die Bundesrepublik entwickelte sich immer stärker zum Zentrum der Handelsströme in der EU; Großbritannien stand immer deutlicher am Rand. So fiel, während die Bundesrepublik unverändert rund 60 Prozent ihres Handels mit anderen EU-Staaten abwickelt, der Anteil des EU-Handels bei britischen Unternehmen von 54 Prozent um die Jahrtausendwende auf nur noch 44,5 Prozent im Jahr 2017. Das europäische Staatenkartell verlor damit für das Vereinigte Königreich zusehends an Bedeutung. Parallel begann Großbritannien, sich bewusst stärker auf andere Weltregionen zu orientieren - nicht zuletzt auf die Boomregionen des Asien-Pazifik-Gebiets. Dabei aber erwies sich die EU lange Zeit eher als Bremsklotz: Ihr Bemühen etwa, Freihandelsverträge mit den dortigen Ländern zu schließen, wurde über Jahre - und wird teilweise noch heute - durch kaum vereinbare Interessengegensätze zwischen der deutschen Industrie und der französischen Landwirtschaft gehemmt.

Hinzu kamen weitere Differenzen. Einige waren höchst konkret: So beklagten sich manche britischen Unternehmer, exemplarisch etwa der Milliardär James Dyson, bitter darüber, dass in der Brüsseler Lobbyszene und in den EU-Bürokratien regelmäßig Deutsche den Ton angeben und dass entsprechend die Interessen der deutschen Industrie vorrangig bedient werden. Andere Dissonanzen zwischen London und der EU betrafen - aus britischer Sicht - strukturelle Probleme. So haben nicht zuletzt im Verlauf der Eurokrise Absprachen innerhalb der Eurozone immer stärker an Gewicht gewonnen. Der Eurozone gehört Großbritannien nun aber nicht an. Zudem entsprach die nicht nur ökonomische, sondern auch außenpolitische Orientierung der Union in Richtung Osten - nach der EU-Osterweiterung folgte die "Östliche Partnerschaft" - nicht den Prioritäten des Vereinigten Königreichs, das immer noch in Teilen seines ehemaligen Reichs erheblichen Einfluss besitzt; Organisatorisch sind die entsprechenden Länder im Commonwealth zusammengefasst. Freilich hat es in Großbritannien gegenläufige Entwicklungen gegeben. So sind zahlreiche große Unternehmen - etwa die von BMW aufgekauften Mini-Werke - über ihre Lieferketten eng mit den kontinentalen EU-Mitgliedern verknüpft, die für sie zugleich einen wichtigen Absatzmarkt bilden; Dies stärkt die Bindungen des Vereinigten Königreichs an die EU. Diese Kapitalfraktion hat den Verbleib in der Union bis zuletzt unterstützt. Dessen ungeachtet hat sich in Großbritannien gezeigt, dass das Fehlen umfangreicher gemeinsamer Interessen letztlich sogar zum Austritt aus der Union führen kann.

Urangst vor Eurasien

Parallel zum Machtkampf zwischen den USA und der von Konflikten erschütterten, aber vom Weltmachtstreben getriebenen EU dauert der Konflikt zwischen den westlichen Staaten und Russland ungebrochen an. Dabei folgen die USA und die deutsch dominierte EU im Verhältnis zu Russland divergierenden Interessen und unterschiedlichen Strategien. Für Washington geht es zunächst vor allem darum, seinen Weltmachtstatus zu behaupten, das geschwächte Moskau - eine "Regionalmacht", wie Präsident Obama im März 2014 verächtlich spottete - niederzuhalten und russische Widerstände gegen die westliche Weltpolitik zu unterbinden. Diesem Ziel diente bereits die Unterstützung diverser "Farbrevolutionen" in den 2000er Jahren, die - nicht in allen Fällen erfolgreich - darauf gerichtet war, in möglichst vielen Ländern rings um Russland prowestliche Regierungen ans Ruder zu bringen. Auch die in den 1990er Jahren in die Wege geleitete NATO-Osterweiterung diente diesem Zweck.

Freilich war die NATO-Osterweiterung aus US-Sicht strategisch noch ein wenig tiefer angelegt. Beschrieben hat die zugrundeliegenden Gedanken exemplarisch Zbigniew Brzezinski, der im Mai 2017 verstorbene ehemalige Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy Carter, der ab 1979 unter anderem für die Aufrüstung der afghanischen Mujahedin gegen die Regierung in Kabul und gegen die sowjetischen Streitkräfte verantwortlich gewesen war. Brzezinski schilderte in seinem 1997 publizierten Buch "The Grand Chessboard", was er für die Aufrechterhaltung US-amerikanischer Vormacht in der Weltpolitik für erforderlich hielt. Ein zentrales Element bestand seiner Auffassung nach darin, die Entstehung eines "eurasischen" Machtblocks zu verhindern. Gelinge es Europa mit seinen gewaltigen industriellen und wissenschaftlich-technologischen Kapazitäten, sich mit dem rohstoffreichen Asien zu verbünden, dann wäre das Machtpotenzial dieses "eurasischen" Blocks womöglich groß genug, den bislang noch dominanten Kapazitäten der Vereinigten Staaten Paroli zu bieten, urteilte der in den 1990er Jahren immer noch einflussreiche Außenpolitik-Experte. Im Kern drohe die Entstehung eines "eurasischen" Blocks vor allem dann, wenn sich Deutschland und Russland zusammentäten. Dies gelte es also zu verhindern.

Die NATO-Osterweiterung ist ein Mittel gewesen, nicht nur Russland durch das Vordringen des westlichen Kriegsbündnisses zurückzudrängen, sondern gleichzeitig auch Deutschland fest an die eigene Seite zu binden und damit einen Keil in den potenziellen "eurasischen" Gefahrenherd zu treiben. Die Verbindung dieser Motive ist kennzeichnend für die US-amerikanische Russland-Politik geblieben. Es sei "die Urangst" der Vereinigten Staaten - so beschrieb es Anfang 2015 George Friedman, Gründer und damals noch Leiter des einflussreichen Think-Tanks Stratfor -, es könnten sich "deutsche Technologie, deutsches Kapital" mit "russischen Rohstoffen, russischer Arbeitskraft" verbinden: "Das ist die einzige Kombination, die seit Jahrhunderten die Vereinigten Staaten zu Tode erschreckt hat." Dementsprechend hat es Washington stets darauf angelegt, Deutschland in den Machtkampf gegen Russland einzubinden und dabei die Kontrolle über das Geschehen nach Möglichkeit nie aus der Hand zu geben. Dabei ist es immer wieder zu heftigem Streit gekommen. Exemplarisch konnte man das beobachten, als im Winter 2013/14 der Machtkampf um die Ukraine eskalierte. "Fuck the EU!", schimpfte damals die zuständige Abteilungsleiterin im State Department, Victoria Nuland, als Washington und Berlin bzw. Brüssel erbittert darum rangen, wer denn nun in Kiew den Gang der Dinge bestimmen solle. Helga Schmid, ihre deutsche Gegenspielerin aus dem Europäischen Auswärtigen Dienst, beschwerte sich ihrerseits wütend, dass "die Amerikaner herumgehen und die EU an den Pranger stellen, wir seien da zu soft". Dem dürfe die Union sich nicht beugen.

Widersprüchliche Russland-Strategien

Auslöser für die jüngste große Eskalation des Konflikts zwischen den westlichen Mächten und Russland ist die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation gewesen. Die wiederum stand am Ende einer langen Entwicklung, die die russische Außenpolitik seit der Auflösung der Sowjetunion genommen hat. Anfang der 1990er Jahre hatte die Regierung unter Präsident Boris Jelzin noch auf eine enge Kooperation mit den westlichen Mächten gesetzt; Zeitweise wurde in Moskau sogar die russische Mitgliedschaft in der NATO in Betracht gezogen. Spätestens nach dem Beginn der NATO-Osterweiterung und dem im Frühjahr 1999 geführten NATO-Krieg gegen Jugoslawien war allerdings klar, dass der Westen selbst grundlegende russische Interessen nach Strich und Faden ignorierte. Mit dem Amtsantritt von Präsident Wladimir Putin Anfang 2000 begann Moskau, auf eine enge Zusammenarbeit vor allem mit Deutschland zu orientieren. Freilich ließ die Bundesrepublik - ungeachtet ihrer engen Erdgas-Kooperation mit Russland - im Laufe der Zeit durch Schritte wie ihre Unterstützung der Farbrevolutionen, durch die EU-Osterweiterung und durch ihre Bemühungen um die Assoziierung weiterer Staaten - etwa der Ukraine - an die EU deutlich erkennen, dass ihr gleichfalls an einer Zurückdrängung des russischen Einflusses in Ost- und Südosteuropa gelegen war. Denn dass man in Russland Profit machen wollte, hieß ja schließlich nicht, dass man sein Streben nach Hegemonie in den Ländern vom Baltikum über die Ukraine und Moldawien bis in den Kaukasus aufgab. Berlin trieb deshalb unter anderem seine Bemühungen, die Ukraine per Assoziierungsabkommen eng an die EU anzubinden und sie zugleich von Moskau zu lösen, mit aller Kraft voran.

Den russischen Eliten muss spätestens damit klar geworden sein, dass man außenpolitisch gänzlich auf die eigene Kraft vertrauen müsse. Moskau hat deshalb die Eingliederung der geostrategisch überaus wichtigen Krim in hohem Tempo durchgeführt. Die Halbinsel ist ein unverzichtbarer Stützpunkt für die russische Schwarzmeerflotte und deren Aktivitäten im Mittelmeer, während die Aussicht, nach dem prowestlichen Umsturz in der Ukraine im Februar 2014 könne sich dereinst womöglich die NATO auf der Krim festsetzen, aus militärstrategischer Sicht für Russland höchst verheerend war. Nun hat Moskau allerdings mit der Eingliederung der Krim erstmals seit 1991 staatliche Grenzen verändert und damit einen Schritt vollzogen, auf den bis dahin - siehe Kosovo - die Mächte des Westens das Machtmonopol beanspruchten. Entsprechend haben nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern auch Deutschland und die EU mit drastischen Maßnahmen reagiert: Dass Moskau sich gleiche Rechte zusprach und eigene Ordnungsvorstellungen auch gegen den Willen der westlichen Mächte realisierte, daran hatten sie alle kein Interesse. Ihre Strafmaßnahmen gegen Russland starteten sie deshalb vereint.

Dabei hat es sich - neben allgemeinem politischem Druck - vor allem um zweierlei Maßnahmen gehandelt. Zum einen gingen die westlichen Mächte mit massiven Sanktionen gegen Russland vor. Die Sanktionen, und das ist im Rückblick wichtig, wurden von den USA und der EU in enger Abstimmung verhängt; Berlin konnte deshalb zum Beispiel erreichen, dass die für Deutschland strategisch so wichtige Erdgasbranche gänzlich ausgespart wurde. Parallel begann die NATO, sich stärker gegen Russland in Stellung zu bringen. In einem ersten Schritt baute sie - unter führender Beteiligung der Bundeswehr - die NATO-"Speerspitze" auf, eine besonders schnell einsetzbare Kampftruppe. Ab 2017 folgte dann die Stationierung von NATO-Verbänden in Polen und in den baltischen Staaten - auch dies unter maßgeblicher Beteiligung der Bundeswehr. Gesteigert wurde nicht zuletzt auch die Manöverfrequenz, und die EU ging - abgestimmt mit der NATO - daran, ihre Verkehrsinfrastruktur in Richtung Osten entsprechend den Erfordernissen westlichen Kriegsgeräts auszubauen. Mit alledem wurde Russland ökonomisch und militärisch massiv unter Druck gesetzt.

Freilich sind jenseits dieser Gemeinsamkeiten auch punktuelle Differenzen im westlichen Bündnis zu beobachten gewesen. Charakteristisch war der Streit um die Erdgaspipeline Nord Stream 2. Für die Bundesregierung stand stets fest, dass man zwar einerseits Moskau mit Sanktionen und der Truppenstationierung unter Druck setzen und zur Unterordnung unter die westliche Dominanz zwingen wollte, dass man aber andererseits nicht den Zugriff auf das russische Erdgas aufzugeben bereit war. Außenpolitik folgt eben nicht der formalen Logik, sondern blanken Interessen, und die können zuweilen sehr widersprüchlich sein. Aus US-Sicht stellten sich die Dinge anders dar. Die Obama-Administration war zwar bereit, ihren deutschen Verbündeten das Erdgasgeschäft allgemein nicht zu verderben. Einer exklusiven strategischen Rohstoffverbindung zwischen den beiden Mächten, wie Nord Stream 2 sie darstellt, stand sie jedoch durchaus ablehnend gegenüber - gemäß der alten Strategie, ein "eurasisches" Bündnis auch nicht im Keim entstehen zu lassen. Allerdings begnügte sich Obama noch damit, den polnisch-baltischen Widerstand gegen Nord Stream 2 tatkräftig zu unterstützen sowie eigenes Missfallen zu bekunden. Eskalieren ließ seine Administration die Auseinandersetzung an dieser Frage nicht.

Dazu ist dann aber die Trump-Administration übergegangen. Sie hat den westlichen Machtkampf gegen Russland dadurch verkompliziert, dass sie ihn einerseits - etwa durch neue Sanktionen und durch die Aufkündigung des INF-Vertrags - massiv verschärft, dass sie ihn andererseits aber nicht mehr mit der EU abstimmt. Tatsächlich verknüpft sie ihre Aggressionen gegen Moskau punktuell mit ihrem Vorgehen gegen die EU. Das zeigt sich vor allem bei den Sanktionen. So trafen die Schritte, die Washington gegen den russischen Oligarchen Oleg Deripaska einleitete, Konzerne aus der EU höchst empfindlich: Der Aluminiumkonzern Rusal etwa, eine von Deripaskas zahlreichen Firmen, spielt für die Wirtschaft Westeuropas eine bedeutende Rolle; Schwere Unruhe griff in den vielen betroffenen Unternehmen in Europa um sich, bis Washington seinen Konflikt mit Rusal beigelegt hatte. Sanktionen zieht die Trump-Administration auch in Betracht, um Nord Stream 2 noch im letzten Moment zu verhindern. US-Pläne sehen vor, kaum ersetzbare Spezialschiffe, die die Röhren unter der Ostsee verlegen, mit Sanktionen zu bedrohen, um den Bau der Pipeline zwar spät, aber doch wirksam zu unterbinden. Ob die Pläne realisiert werden, ist allerdings noch nicht klar.

Die Wall Street of China

Der Machtkampf des - seinerseits von inneren Konflikten zerrissenen - transatlantischen Westens gegen Russland ist hochgefährlich; Vor allem auf militärischer Ebene könnte ein Funken genügen, um ihn kaum noch kontrollierbar eskalieren zu lassen. Allerdings spricht einiges dafür, dass der Konflikt nicht der zentrale Konflikt des 21. Jahrhunderts ist. Im Mai 2019 berichtete Karl-Heinz Kamp, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), des zentralen Strategiezentrums der Bundesregierung, Russland werde "in Amerika und Europa überwiegend als absteigende Macht angesehen", die "entscheidende Schritte zur wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Modernisierung verpasst" habe und weiterhin an Einfluss verlieren werde: "Moskau wird ... immer weniger in der Lage sein, internationale Politik entscheidend in seinem Sinne zu gestalten". Kamp, unter Außen- und Militärpolitikern bestens vernetzt, hielt es daher für keinesfalls ausgeschlossen, dass die Vereinigten Staaten schon in wenigen Jahren ihre Truppenpräsenz in Europa reduzieren und ihre freiwerdenden Einheiten dort stationieren werden, wo aus US-Sicht die eigentliche Gefahr droht - rings um China. Denn die Volksrepublik, konstatierte der BAKS-Präsident, steige unverändert auf; Sie gerate perspektivisch "in die Position, auf Augenhöhe mit den USA zu agieren". Damit aber wird der Machtkampf gegen Beijing der zentrale Fokus der Washingtoner Politik.

China ist in den vergangenen vier Jahrzehnten zuerst wirtschaftlich und inzwischen auch politisch in historisch beispiellosem Tempo aufgestiegen. Einen äußerlichen Eindruck davon verschafft ein Blick auf Fotos aus Shanghai, die vom westlichen Ufer des Huangpu aus einen Blick auf den östlichen Stadtbezirk Pudong bieten. Noch Mitte der 1980er Jahre sah man in Pudong nichts Besonderes - Wohnblocks, Fabriken, Lagerhallen. Drei Jahrzehnte später zeigen Fotos des Bezirks den hochmodernen Finanzdistrikt Lujiazui - die "Wall Street of China", wie manche ihn nennen. Dort findet man unter den zahlreichen Wolkenkratzern berühmte Bauten wie den Shanghai Tower, das mit 632 Metern zweithöchste Gebäude der Welt; das Shanghai World Financial Center - 492 Meter; zudem den 468 Meter hohen Oriental Pearl Tower, eines der populärsten Wahrzeichen der ostchinesischen Metropole. In Lujiazui haben heute tausende Unternehmen ihren Sitz, darunter mehr als 400 Finanzinstitute. Zu letzteren zählt die New Development Bank, die - vom BRICS-Bündnis gegründet (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) - inzwischen als eine Art Alternative zur vom Westen dominierten Weltbank fungiert.

Die zwei Seiten des Aufstiegs

Chinas ökonomischer Aufstieg hat der westlichen Wirtschaft immense Profitchancen geboten. Die Volksrepublik ist heute drittgrößter Investitionsstandort deutscher Unternehmen nach den USA und Großbritannien sowie Handelspartner Nummer eins der Bundesrepublik. Die Dax-Konzerne erwirtschaften dort laut Berechnungen des "Handelsblatts" bereits gut 16 Prozent ihres Umsatzes - weniger als in den Vereinigten Staaten (23 Prozent) und auf ihrem deutschen Heimatmarkt (22 Prozent), aber immerhin. Für einige Konzerne ist China längst der wichtigste Markt überhaupt. Volkswagen etwa verkaufte dort im Jahr 2018 mit seinen verschiedenen Marken alles in allem 4,21 Millionen Fahrzeuge, fast so viel wie in allen europäischen Staaten zusammen (4,38 Millionen), dreimal so viel wie in Deutschland (1,28 Millionen) und weit mehr als in Nordamerika (960.000) oder in Südamerika (590.000). In China hielt das Unternehmen einen Marktanteil von 17,5 Prozent, was stark dazu beigetragen hat, dass Volkswagen zum größten Kfz-Hersteller der Welt aufgestiegen ist. Und der Boom beschränkt sich beileibe nicht auf die Kfz-Industrie. "Der Anteil Chinas an der weltweiten Chemieproduktion wird bis zum Jahr 2030 auf rund 50 Prozent ansteigen", begründete etwa BASF-Chef Martin Brudermüller im Januar 2019 die Entscheidung des Unternehmens, in der südchinesischen Millionenstadt Zhanjiang einen bis zu zehn Milliarden US-Dollar teuren neuen Verbundstandort zu errichten. Das China-Geschäft ist schon längst eine tragende Säule vieler Sektoren der deutschen Industrie.

Das ist allerdings nur die eine Seite der Münze. Denn Chinas Aufstieg hat nicht nur auswärtigen Unternehmen bedeutende Gewinne verschafft; Er hat zugleich chinesische Konzerne massiv gestärkt. Auf ihre eigene boomende Wirtschaft aufbauend, hat die Volksrepublik längst selbst zu expandieren begonnen. Prominentestes Beispiel dafür ist die "Neue Seidenstraße" ("Belt and Road Initiative", BRI), ein kontinentübergreifendes Infrastrukturprojekt, das China auf dem Landweg über Zentralasien und auf dem Seeweg über den Indischen Ozean mit Europa verbindet und gleich auch noch Südostasien und Afrika mit einbezieht. Die "Neue Seidenstraße" bietet auch deutschen Unternehmen neue Profitchancen; Vor allem aber kommt sie - abgesehen vom praktischen Nutzen, den die Infrastrukturprojekte für die "Seidenstraßen"-Länder selbst entfalten - chinesischen Firmen zugute. Das führt spätestens dann zum Konflikt, wenn chinesische Unternehmen Aktivitäten im unmittelbaren Interessengebiet Deutschlands entfalten. Genau dies geschieht etwa in Griechenland.

In Griechenland hat die chinesische Reederei COSCO Ende 2008 die Konzession zum Betrieb zweier Containerterminals im Hafen von Piräus erhalten. COSCO hat sich dort systematisch an die Arbeit gemacht und den Umschlag des Hafens gewaltig gesteigert. Belief er sich im Jahr 2010 auf 880.000 TEU, so erreichte er 2016 bereits 3,74 Millionen TEU; Piräus stieg 2018 zum zweitgrößten Hafen am Mittelmeer auf und dürfte laut Schätzungen aus Branchenkreisen im kommenden Jahr die Nummer eins vor Valencia werden. Chinas rapide steigende ökonomische Bedeutung für Griechenland bringt es nun mit sich, dass Athen nur noch eingeschränkt bereit ist, Beijing politisch vors Schienbein zu treten. So legte die griechische Regierung im Juli 2016 ihr Veto gegen eine EU-Stellungnahme ein, die das chinesische Vorgehen im Streit um die Inseln im Südchinesischen Meer aufs Schärfste kritisieren sollte. Derlei Unbotmäßigkeiten lässt sich Berlin in der EU freilich nicht gern gefallen und so verlangte der damalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel im August 2017 denn auch von Beijing eine "Ein-Europa-Politik". Mit Chinas zunehmender Expansion häufen sich derartige Fälle; Die politischen Konflikte nehmen zu. Die ökonomischen übrigens auch: Deutsche Konzerne müssen sich nicht nur auf Auslandsmärkten, sondern immer wieder auch im Inland gegen chinesische Konkurrenz behaupten - und sie haben dabei nicht immer Erfolg.

Die Kämpfe werden auf allen Ebenen mit harten Bandagen geführt. Eine Art Zwischenbilanz zog im Januar 2019 der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), als er ein Grundsatzpapier zum Umgang mit China publizierte. Der auf das Land gemünzte Titel des Dokuments - "Partner und systemischer Wettbewerber" - benannte beide Rollen, die die Volksrepublik heute für die deutsche Wirtschaft spielt. Allerdings warnte der BDI, die Lage könne kippen: Es entstünden mittlerweile "zunehmend Felder", auf denen "deutsche und chinesische Hersteller in direkter Konkurrenz" stünden; es seien erhebliche Anstrengungen nötig, damit die deutsche Seite nicht ins Hintertreffen gegenüber chinesischen Rivalen gerate. Allerdings warnte der BDI - noch - davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Mit Blick auf die immer noch satten, weiterhin wachsenden Profite, die deutsche Konzerne in der Volksrepublik erzielen, forderte er: "Kooperation ist notwendig - trotz Konkurrenz."

Den Durchbruch verhindern

In mancher Hinsicht ähnlich, in mancher Hinsicht anders liegen die Dinge bei den Vereinigten Staaten. Selbstverständlich haben sich auch US-Konzerne das große Geschäft in China keinesfalls entgehen lassen: Das US-Handelsdefizit gegenüber der Volksrepublik, das Präsident Trump so sehr erregt und das im zweiten Jahr seiner Amtszeit, 2018, auf erstaunliche 419 Milliarden US-Dollar stieg, kommt nicht von ungefähr. Es resultiert zu einem guten Teil daraus, dass US-Unternehmen - bekanntestes Beispiel: Apple - ihre Produkte in China für niedrige Löhne zusammenbauen lassen, um sie dann in die Vereinigten Staaten zu exportieren und sie dort teuer zu verkaufen. Die Summe, die US-Firmen in der Volksrepublik investiert haben, wird vom offiziellen U.S. Bureau of Economic Analysis (BEA) für das Jahr 2017 auf einen Bestand von rund 108 Milliarden US-Dollar beziffert; für dasselbe Jahr kommt die Beratungsfirma Rhodium Group, die nicht nur Direktinvestitionen einbezieht, sondern auch Investitionen, die US-Konzerne über Tochterfirmen in Drittstaaten tätigen, auf stolze 256 Milliarden Dollar. Wirtschaftlichen Anreiz zur Kooperation gibt es also unvermindert auch für die USA.

Allerdings gibt es auch für die Vereinigten Staaten einigen Anlass, den Ton gegenüber Beijing zu verschärfen. Denn auch der US-Wirtschaft, insbesondere den High-Tech-Konzernen, erwächst in der Volksrepublik rasch Konkurrenz. "Made in China 2025" heißt ein Zehnjahresprogramm, das Beijing im Jahr 2015 verabschiedet hat und das darauf abzielt, das Land auf zentralen Feldern modernster Technologien an die Spitze der globalen Konkurrenz zu führen. Robotik, autonomes Fahren, Künstliche Intelligenz, Biomedizin - das sind einige der Bereiche, auf denen Beijing zumindest mit der jeweiligen Nummer eins auf den Weltmärkten gleichziehen will. Auf manchen Feldern, etwa bei der Künstlichen Intelligenz, liefern sich chinesische Konzerne schon jetzt einen Wettlauf mit der US-Konkurrenz; Einige chinesische Unternehmen, der Telekomkonzern Huawei etwa, sind inzwischen an der Weltspitze angelangt. Was tun? Die Option, die die Trump-Administration gewählt hat, lautet: versuchen, der chinesischen High-Tech-Industrie zu schaden, um sie zurückzuwerfen und den Aufstieg der Volksrepublik zu beenden. Beijing steckte dann, wie etwa Brasilien, in der berüchtigten "Middle Income Trap" fest; Es müsste möglicherweise seine Hoffnungen auf den Durchbruch zum Weltmachtstatus begraben.

"Zum Krieg bestimmt"

An diesem Ziel orientiert, hat die Trump-Administration mit den Strafzöllen, die sie seit 2018 in mehreren Runden gegen China verhängt hat, zunächst vor allem chinesische High-Tech-Produkte belegt - Halbleiter etwa und Elektroautos. Zielen die Strafzollorgien ansonsten vor allem darauf ab, der chinesischen Wirtschaft schweren Schaden zuzufügen, um die Regierung in Beijing zu Zugeständnissen zu zwingen - etwa zu einer Gestaltung ihrer Wirtschaftspolitik gemäß US-Forderungen -, so geht Washington gegen die chinesische High-Tech-Branche außerdem noch mit ihrem Kampf gegen deren Flaggschiff Huawei vor. Letzteres tut sie auf mehreren Ebenen. So hat sie es US-Unternehmen prinzipiell untersagt, Huawei mit Produkten welcher Art auch immer zu beliefern. Ziel ist es, den chinesischen Konzern in den Ruin zu treiben. So wirklich rund läuft der Boykott allerdings nicht. Washington hat sich beispielsweise gezwungen gesehen, diversen kleinen US-Mobilfunkgesellschaften, die riesige, aber dünn besiedelte und deshalb für die großen Konzerne nicht profitable ländliche Regionen mit Mobilfunknetzen versorgen, für eine gewisse Frist den Kauf von Huawei-Gerät zu gestatten. Der Grund: Ohne die kostengünstigen, aber dennoch verlässlichen Huawei-Produkte stünden die kleinen Mobilfunkgesellschaften vor dem Aus. Auch Google hat die Sondererlaubnis erhalten, Huawei-Smartphones vorerst noch mit Updates des Betriebssystems Android zu versorgen. Huawei hat mittlerweile mit HarmonyOS sein eigenes Betriebssystem entwickelt; Schneidet die Trump-Administration den chinesischen Konzern von Google-Updates ab, dann wird HarmonyOS weltweit in großem Stil genutzt werden; Es entsteht mit einem Schlag eine mächtige Konkurrenz für den Google-Konzern, der mit Android ein Beinahe-Monopol hält.

Daneben geht die Trump-Administration gegen Huawei in Sachen 5G vor. Huawei gilt als Weltmarktführer bei 5G, dem Mobilfunkstandard der jüngsten Generation, der für autonomes Fahren, Künstliche Intelligenz und viele andere High-Tech-Felder unverzichtbar ist. Damit wird Chinas Vorzeigekonzern die nächste Phase der wirtschaftlich-technologischen Entwicklung maßgeblich mit prägen können - dann jedenfalls, wenn er nicht mit bloßer Gewalt aus dem Markt gedrängt wird. Letzteres hat sich die Trump-Administration vorgenommen und eine weltweite Kampagne gestartet, die zum Ziel hat, möglichst viele Länder von der Kooperation mit Huawei abzuhalten. Der Erfolg ist noch ungewiss. Strategen beschreiben Washingtons Vorgehen mit dem Begriff "Decoupling" ("Entkopplung"): Es läuft darauf hinaus, die Entstehung zweier getrennter Internetsphären durchzusetzen - einer US-zentrierten und einer um China gruppierten. Gelingt es, die um China gruppierte Sphäre möglichst klein zu halten und sie von westlichen High-Tech-Produkten abzukoppeln, dann kann - so die Hoffnung der Strategen um Trump - Chinas Aufstieg abgewürgt werden. Freilich handelt es sich um ein riskantes Spiel mit vielen Unbekannten; Letzten Endes ist nicht einmal auszuschließen, dass die Vereinigten Staaten sich mit wenigen Verbündeten selbst isolieren und damit den Machtkampf um die Spitzentechnologie verlieren. Das Ergebnis scheint gegenwärtig offen.

Was aber wird geschehen, wenn der Trump'sche Wirtschaftskrieg gegen die Volksrepublik nicht zum ökonomischen K.O. für China führt? Mit dieser Frage hat sich beispielsweise der US-Politikwissenschaftler Graham Allison befasst. Allison untersuchte systematisch weltpolitische Konflikte aus den vergangenen 500 Jahren, bei denen jeweils eine ältere Weltmacht einem neu aufstrebenden Rivalen gegenüberstand - so wie heute die Vereinigten Staaten der Volksrepublik China. Das ernüchternde Ergebnis des US-Politologen lautete: Drei Viertel dieser Konflikte mündeten in einen großen Krieg. Allison, im US-Establishment gut vernetzt, stellte sich nun die Frage, ob es nicht Auswege gebe. Dabei stieß er auf den griechischen Historiker Thukydides und dessen berühmte Schrift über den Peloponnesischen Krieg. Thukydides kam darin zu dem Schluss: "Es waren der Aufstieg Athens und die Angst, die er in Sparta auslöste, die Krieg unvermeidlich machten." Hatte Thukydides Recht, dann musste man - so folgerte Allison - Weltmächten lediglich die Angst vor aufsteigenden Rivalen nehmen, um einen großen Krieg zu vermeiden. Der US-Politologe spricht seitdem von der "Falle des Thukydides". Er appelliert in zahlreichen Publikationen, die USA und China müssten alles daran setzen, der "Falle des Thukydides" zu entgehen.

Allison bleibt dabei nicht nur idealistisch, sondern auch widersprüchlich. Ein Buch, das er zu dem Thema veröffentlich hat, trägt den Titel "Destined for War" ("Zum Krieg bestimmt"). Andererseits schließt er sein Werk mit dem Satz "Krieg ist nicht unvermeidlich" und einem Shakespeare-Zitat: "Unser Schicksal liegt nicht in den Sternen, sondern in uns selbst." Das mag man als Appell verstehen, sich einzumischen, um das Schlimmste zu verhindern. Wie dieses Schlimmste aussehen könnte, das kann man Prognosen von US-Militärs entnehmen - einer Prognose von Generalleutnant a.D. Ben Hodges etwa, der im Dezember 2017 seine berufliche Karriere nach dreijähriger Tätigkeit als Oberkommandierender der US-Landstreitkräfte in Europa beendete. Hodges äußerte sich am 24. Oktober 2018 auf einer Konferenz in Warschau zu einem möglichen Krieg zwischen den USA und China. Er halte einen solchen Krieg, erklärte er, zwar nicht für unvermeidlich, aber doch für sehr wahrscheinlich. Zum Zeitpunkt befragt, gab er an: "In 15 Jahren."


Aktualisierte und leicht erweiterte Fassung des Referats am 30. Mai 2019 auf der XI. Konferenz: Der Hauptfeind steht im eigenen Land".


Anmerkung

[1] Über den Nutzen, den die Berechnung nach Kaufkraftparität hat, kann man sich streiten. Im Kern geht es bei der Berechnungsmethode darum, Verzerrungen durch Währungsdifferenzen zu eliminieren. Ein Beispiel: Ein US-Dollar kostet zur Zeit rund sieben chinesische Yuan. Für sieben Yuan kann man allerdings in China eine größere Menge im Inland hergestellter Waren kaufen als in den USA für einen Dollar. Das BIP nach PPP berücksichtigt dies, setzt also das chinesische BIP ein wenig höher an als den stur mathematisch in US-Dollar umgerechneten Wert. Gegen die PPP-Methode wird - zu Recht - eingewandt, dass auf dem Weltmarkt gehandelte Waren gewöhnlich US-Dollarpreise haben; ein saudischer Erdölhändler etwa interessiert sich nicht die Bohne für Kaufkraftparität. Dagegen muss man allerdings festhalten, dass zum Beispiel China sehr viele Güter bis hin zu High-Tech-Produkten im eigenen Land herstellt und zu chinesischen Preisen handelt. Rechnet man die chinesische Wirtschaftsleistung lediglich stur in US-Dollar um, dann wird man der tatsächlichen Kaufkraft in der Volksrepublik nicht gerecht.

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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 368, September 2019, S. 4 - 12
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2019

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