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OFFENSIV/087: Ausgabe März-April 2010 2/10


offen-siv 2/2010
Zeitschrift für Sozialismus und Frieden

Ausgabe März-April 2010 2/10


INHALT

Redaktionsnotiz

Berichte und Informationen
Deutscher Freidenkerverband: "Lasset die Kindlein zu mir kommen": Scheinheilige Hirten
Reinhold Schramm: Deutsche Rüstungsindustrie verdoppelt Exporte: Für Profit der Reichen über Leichen!
Martin Dressel: Bundesrecht schützt Kriegsverbrecher
Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF):
Entschließungen, angenommen auf dem Internationalen Vorstandstreffen am 9. Januar 2010
Ioannis Eleftheridis: Interview - Es gibt keine Alternative zum Sozialismus
Michael Opperskalski: Über Wolfgang Harich

Kommunistische Parteien der EU-Länder
Gemeinsame Erklärung kommunistischer und Arbeiterparteien der EU-Länder

Russel-Tribunal zu Palästina und Israel
Reiner Bernstein: Beschlüsse des Russel Tribunals über Palästina,
1. Sitzung in Barcelona vom 1.-3. März 2010. Kurzbericht

Debatten in der DKP
Redaktion offen-siv: Es geht an's Eingemachte - die Debatten in der DKP spitzen sich zu

Fernstudium
Frank Flegel: Bericht vom Startseminar des 3. Durchgangs unseres marxistisch-leninistischen Fernstudiums

Aus der Leser/innen-Post
Gerhard Naumann: Zur "Neujahrsbotschaft" von Irene Eckert
Dieter Hillebrenner: Lieber Klaus, lieber Frank!

Rechenschaftsberichte 2009
Frank Flegel: Politischer Rechenschaftsbericht der Zeitschrift offen-siv für 2009, verlegerischer Rechenschaftsbericht
Anna C. Heinrich: Finanzieller Rechenschaftsbericht der Zeitschrift offen-siv für das Jahr 2009

Raute

REDAKTIONSNOTIZ

Die Demonstration in Essen "Wir zahlen nicht für Eure Krise" hat eine neue Qualität der Diskriminierung und Kriminalisierung seitens der Staatsorgane gezeigt: sie holen das KPD-Verbot von 1956 wieder aus der Mottenkiste. Es wird notwendig werden, gemeinsam und stärker Widerstand gegen den Abbau demokratischer Rechte zu organisieren.

Wir bringen in diesem Heft einen Strauß gemischter Nachrichten und Berichte, das geht vom Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche über die deutschen Rüstungsexporte(1), die Rechtsverdrehungen zum Schutz der NS-Verbrecher in der frühen BRD bis zu Stellungnahmen zum Irak, zu Nahost, zu Griechenland und zur Situation hier sowie zu Wolfgang Harich. Über Essen hat die "junge Welt" sehr gut berichtet, so dass wir das hier nicht wiederholen müssen.

In der DKP gibt es heftige Auseinandersetzungen, inzwischen nicht mehr um das so genannte "Papier der 84", sondern um politische Thesen des Sekretariats des Parteivorstandes. Wir dokumentieren einige Stellungnahmen. Ebenso dokumentieren wir eine Entschließung des Russel-Tribunals zu Israel/Palästina und eine Erklärung kommunistischer Parteien der EU, die - natürlich - von der DKP nicht unterzeichnet wurde. Der Inhalt zeigt, warum.

Schließlich informieren wir Euch über den Start des dritten Durchgangs unseres Fernstudiums und fügen die Rechenschaftsberichte für das Jahr 2009 an.

Und wir legen Euch zwei - relativ lange, aber äußerst interessante - Leserbriefe ans Herz

Finanziell sind wir wegen der DDR-Veranstaltung Ende letzten Jahres und die Buchherausgabe Anfang dieses Jahres ziemlich am Ende. Ich zitiere aus Anna Finanzbericht:

"Der Beginn des Jahres 2010 brachte hohe Kosten: 4.200,- Euro Druckkosten für 1.200 Exemplare von "Und der Zukunft zugewandt", 1.200,- Euro für sieben Schulungshefte für das Fernstudium in einer Auflage von je 250 Stück, rund 400,-Euro Porto für die Buch- und Heftverschickung und 800,- Euro Postpauschalgebühr für die Teilnahme am Einzelverschickungssystem "Postvertriebsstück". Jetzt sind wir finanziell vollkommen ausgeblutet."

Nur Ihr könnt uns helfen - und ich bitte Euch dringend, das zu tun!

Frank Flegel, Hannover


Spendenkonto Offensiv:
Inland: Konto Frank Flegel, Kt.Nr.: 30 90 180 146 bei der Sparkasse Hannover, BLZ 250 501 80, Kennwort: Offensiv
Ausland: Konto Frank Flegel, Internat. Kontonummer(IBAN): DE 10 2505 0180 0021 8272 49,
Bankidentifikation (BIC): SPKHDE2HXXX; Kennwort: "Offensiv".


Anmerkung

(1) Auch wenn Reinhold Schramm in seinem Artikel über die Steigerung der deutschen Rüstungsexporte übersieht, dass es nicht nur um Profite geht, sondern auch um das von der damaligen Schröder-Fischer-Regierung formulierte strategische Ziel, im Lande eine überdimensionierte Rüstungsindustrie aufzubauen und am Leben zu erhalten, damit man grundsätzlich und immer kriegsfähig ist, halten wir die Darstellung der Zahlen, Fakten und Statistiken für sehr informativ.

Raute

BERICHTE UND INFORMATIONEN

Deutscher Freidenkerverband: "Lasset die Kindlein zu mir kommen": Scheinheilige Hirten

Erklärung der Tagung des Verbandsvorstandes am 14. März 2010 in Magdeburg

Der Deutsche Freidenker-Verband verurteilt in schärfster Form die massenhaften Vergehen und Straftaten, die von Würdenträgern insbesondere der Katholischen Kirche gegen junge Menschen begangen wurden.

Erst durch Einzelbeispiele, die mehr oder weniger zufällig an die Öffentlichkeit kamen, wurde eine Lawine von Enthüllungen ins Rollen gebracht, die ein unerhörtes Ausmaß von Gewalt und sexuellem Missbrauch offenlegt. Diese sind seit Langem in kirchlichen Institutionen und klerikalen Bildungseinrichtungen an der Tagesordnung.

Unter Missbrauch des Vertrauens von Eltern und Kindern wurde mit psychischem Druck und Angst vor Strafen die Hinnahme sexueller Nötigung und entwürdigender Demütigung erzwungen und zugleich die umfassende Aufklärung der Zustände unterbunden. Die für strafwürdige Handlungen Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Wir fordern die schonungslose Aufklärung jedes Einzelfalls unabhängig vom jeweiligen Zeitpunkt und einer eventuell eingetretenen strafrechtlichen Verjährung. Die Ermittlungen sind von Anfang an ausschließlich Aufgabe der zuständigen Staatsanwaltschaften. Die Praxis, zunächst "interne Untersuchungen" anzustellen, und dann "gegebenenfalls" die staatlichen Stellen zu informieren, ist genauso abwegig und inakzeptabel, wie wenn Banküberfälle zuerst durch die Bankräubervereinigung geprüft würden oder für Mordermittlungen zunächst die Mafia zuständig wäre.

Der Deutsche Freidenker-Verband fordert auch eine strafrechtliche Untersuchung, ob das Geheimschreiben "De delictis gravioribus" von Papa Ratzinger aus dem Jahr 2001, das die "ausschließliche Kompetenz des Vatikans" in Pädophiliefällen (!) betont und alle Bischöfe unter Strafe der Exkommunikation aufgefordert hat, alle Missbrauchsfälle ausschließlich und nur an den Vatikan zu melden, die Tatbestände der Vertuschung, Strafvereitelung, Begünstigung im Amte, Rechtsbeugung, Verleitung von Untergebenen zu strafbaren Handlungen und Behinderung der Justiz erfüllt.

Der Deutsche Freidenker-Verband unterstützt die Forderung, dass die Opfer durch Leistungen der Kirche entschädigt werden müssen.

Der Skandal wirft ein bezeichnendes Licht auf den Monopolanspruch der Kirchen auf Ethik, Moral sowie die so genannte christlich-abendländische Werteerziehung.

Die damit einher gehende Diskriminierung konfessionsfreier Menschen belegt die staatliche Praxis, Schülerinnen und Schüler, die sich vom religiösen Bekenntnisunterricht abmelden, zum Besuch eines Ersatzunterrichtes zu verpflichten, da sie der ethisch-moralischen Nachhilfe bedürftig erachtet werden.

Die demagogische Behauptung der Kirche, dass angeblich ein totaler Werteverlust bei den Menschen eingetreten sei, weil ihre Bindung an die Kirche rapide abnimmt, ist besonders frivol, da nach dieser Logik die kirchliche Bindung ihres eigenen Personals besonders locker sein muss.

Der Deutsche Freidenker-Verband protestiert gegen die unverschämte Feststellung von Merkwürden Mixa, wonach die sexuelle Revolution für die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche mitverantwortlich seien. Mixa, der sich als oberster Militärbischof des Landes um die Kampfmoral der Afghanistan-Krieger ebenso sorgt wie um die Geburtenrate der deutschen Mutter, will vermutlich mitteilen, dass die sexuelle Revolution besonders unter Seinesgleichen wie eine Bombe eingeschlagen hat.

Bis zum Beweis des Gegenteils gehen wir weiter davon aus, dass die mittels Zölibat zur Enthaltsamkeit Verpflichteten einfach auf Grund der verklemmten, scheinheiligen Sexualmoral der Mutter Kirche zu ihren Eskapaden getrieben werden.

Zu dieser Skandalchronik gehört auch das Kapital der Priesterkinder, zu denen sich ihre Väter nicht bekennen dürfen und für deren lebenslange Kontaktsperre die Mütter von der Kirche Alimente und Schweigegeld beziehen.

Die Abgabe des staatlichen Bildungsauftrags an private, vor allem kirchliche Institutionen führt zur Zerstörung eines einheitlichen Bildungssystems und begünstigt den Machtmissbrauch.

Die ernsten Verbrechen der Gottesmänner gegen die Menschenrechte und die Menschenwürde machen die Konsequenz überfällig, den rechtlichen Sonderstatus der Kirchen generell aufzuheben.
Die Sonderbeziehung von Staat und Kirche leistet dem institutionellen klerikalen Machtmissbrauch Vorschub.
Die Privilegierung der Kirchen bedeutet die Diskriminierung konfessionsfreier Menschen.
Die strikte Trennung von Staat und Kirche sowie Kirche und Schule gehört wieder auf die Tagesordnung.
Keine rechtsfreien Räume für Kleriker, Arbeits- und Tarifrecht auch in kirchlichen Einrichtungen, Kirchen raus aus dem Bildungswesen, Abschaffung der "Militärseelsorge"!

Deutscher Freidenkerverband, 14.3.2010, Verbandsvorstand (Mitglied der Weltunion der Freidenker, Sitz Paris)

Raute

Reinhold Schramm: Deutsche Rüstungsindustrie verdoppelt Exporte: Für den Profit der Reichen über Leichen!

Im zweiten Weltkrieg standen mehr als 110 Millionen Menschen unter Waffen. Dieser imperialistische deutsche und japanische Weltkrieg verursachte die größten Zerstörungen und forderte die höchsten Blutopfer. Er vernichtete über 55 Millionen Menschenleben, darunter 20 Millionen Sowjetbürger, 6,5 Millionen Deutsche, 6 Millionen Polen, über 5 Millionen Chinesen, 2,5 Millionen Japaner, 1,7 Millionen Jugoslawen, sowie 635.000 Franzosen, 500.000 Italiener, 368.000 Briten und 273.000 Bürger der USA. In Europa wurden etwa 11 Millionen Menschen in Zuchthäusern, Konzentrationslagern und anderen Arbeits- und Vernichtungslagern (auch) der Deutschen Industrie umgebracht.

Ergebnisse aus den aktuellen SIPRI-Untersuchungen: Die Friedensforscher warnen vor einem weltweiten Wettrüsten.

Die Bundesrepublik Deutschland ist nach den USA und Russland der größte Rüstungsexporteur der kapitalistischen und imperialistischen Welt. Kriegsschiffe, darunter auch U-Boote der HDW-Werft in Kiel, machten in den vergangenen fünf Jahren 44 Prozent der deutschen Rüstungsexporte aus. Vor allem durch den Bau von U-Booten und Panzerfahrzeugen hat Deutschland seine Exporte für Vernichtungswaffen in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt.

Nach Erhebungen des SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) stieg der deutsche Weltmarktanteil am Export zwischen 2005 und 2009 auf elf Prozent. Der Exportanteil der USA liegt bei 30 Prozent und für Russland bei 23 Prozent. Von 2000 bis 2004 lag der deutsche Weltmarktanteil am Rüstungsexport noch bei sechs Prozent.

Wichtigster Abnehmer für die deutsche Rüstungsindustrie ist der NATO-Vorposten Türkei. An die Türkei gingen 14 Prozent der deutschen Rüstungsausfuhren. An Griechenland 13 Prozent und an Südafrika 12 Prozent. Kriegsschiffe machten 44 Prozent und Panzerfahrzeuge 27 Prozent aller (offiziellen) deutschen Ausfuhren für Vernichtungsmittel, Waffen und Waffensysteme aus. Die Türkei unterzeichnete 2009 einen Vertrag zur Lizenzherstellung von sechs deutschen U-Booten der Klasse U214 (HDW/ThyssenKrupp Marine Systems) im Wert von zwei Milliarden Euro. Griechenland bekam eine Lieferung von drei in Lizenz hergestellten U-Booten.

Die deutsche Bundesregierung des BDI-BDA unterschlägt Angaben über deutsche Rüstungsexporte, weil sie Kompensationsgeschäfte und den Handel mit gebrauchter Bundeswehrausrüstung sowie "Geschenke" nicht in die offizielle Statistik einbezieht. (...)

Weltweit stieg der Waffenhandel in den letzten fünf Jahren um 22 Prozent [Kriegsvorbereitung für den ökonomischen Verteilungskampf und Weltkrieg um Rohstoffe]. Vor allem der Handel mit Kampfflugzeugen habe deutlich zugenommen. "Staaten mit entsprechenden Ressourcen haben erheblich Mengen geordert. Die Reaktion von Rivalen aus der jeweiligen Region bestand dann darin, ebenfalls zu bestellen", sagte Paul Holtom, SIPRI-Forschung. Paul Holtoms SIPRI-Institut warnt vor einem Rüstungswettlauf in Spannungsgebieten, im Nahen Osten, in Nordafrika, Süd- und Südostasien sowie Südamerika. Der profitable Waffenhandel in Südamerika in den letzten fünf Jahren habe sich gegenüber 2000 bis 2004 um 150 Prozent erhöht. Auch das vom Staatsbankrott bedrohte EU-Griechenland gehört zu den fünf größten Rüstungskäufern der Welt. Die USA und Russland machten rund 40 Prozent ihrer Rüstungsgeschäfte mit dem Verkauf von Kampfflugzeugen.

Die Geschichte der imperialistischen Weltkriege und Folgekriege lehrt uns, dass es notwendig ist, für antiimperialistische Umwälzung, Solidarität und Frieden vor Ausbruch des Krieges zu kämpfen.

Es darf nicht zugelassen werden, dass die Menschheit in eine ökologische und nukleare Katastrophe durch das (imperialistische) Kapital gestürzt wird.

Reinhold Schramm, Berlin

Raute

Martin Dressel: Bundesrecht schützt Kriegsverbrecher

Es ist hohe Zeit, dem Versuch, die DDR zum Unrechtsstaat zu verteufeln, die Frage an die BRD als einer sich selbst Rechtsstaat nennenden Diktatur des Kapitals entgegen zu halten: "Wie wurde das Recht der BRD gegenüber den Tätern angewendet, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben?"

Es ist durchaus kein Geheimnis, dass sich eine große Zahl der Kriegsverbrecher nach 1945 auf die Gebiete der westlichen Besatzungszonen zurückzogen. Die Regierung Adenauer musste sich auf diese Tatsache einstellen. Und sie tat das auf ihre Weise, indem sie den Tätern weitgehend Schutz gewährte.

Nachdem nach 1946 durch ein ganzes Heer von Ideologen, deren Vergangenheit häufig persönlich mit dem faschistischen Staat verbunden gewesen war, die systematische Abwertung des Nürnberger Prozesses mit zunehmendem Erfolg eingetreten war, glaubte man, die Verfolgung der Kriegsverbrecher allmählich einschlafen lassen zu können. In der Negation Nürnbergs spielten solche "Argumente" eine Rolle wie: "Nürnberg war ein Gericht der Siegermächte", "Nürnberg verletzte den Grundsatz 'nulla poena sine lege' und den Aufrechnungsgrundsatz 'tu quoque'.

Wo juristisch verbrämte Argumente nicht ausreichten, suchte man Zuflucht zum "Tabula-Rasa-Prinzip": So gestaltete sich die Rechtsprechung in den ehemaligen Westzonen in der zögernden Anwendung des Kontrollratsgesetzes Nr. 10, das nach 1949 keine Anwendung mehr fand, weil die "deutschen Gesetze allemal milder seien als das Konrollratsgesetz Nr. 10". Dadurch wurde ermöglicht, alle Berührungspunkte zum Völkerstrafrecht zu vermeiden und jetzt auch die traditionellen bürgerlichen Strafrechtsideologien und -theorien, die für die Bekämpfung konventioneller Individualstrafen geschaffen worden sind, heranzuziehen.

Mit der Gründung der BRD beginnt eine neue Etappe in der Praxis der Verfolgung von Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen. Mit der Abschaffung der Todesstrafe, gepriesen als humanitärer Akt, war zunächst einmal die physische Existenz der Täter gesichert. In großem Umfang setzte dann die Amnestierung der von den westlichen Alliierten verurteilten Kriegsverbrecher ein.

Die Prozesspraxis wurde abgesichert durch gesetzgeberische Maßnahmen wie das "Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit" und den so genannten "Überleitungsvertrag". Folglich ging die Spruchpraxis in der Zeit von 1949 bis 1958 systematisch zurück. Nach Forschungen standen 1949 1.520 Personen wegen Kriegsverbrechen vor Gericht, 1958 waren es noch 25. Durch die Nichtanerkennung des Völkerrechts für diese Straftaten urteilten die Gerichte auf Grundlage des innerstaatlichen BRD-Rechtes, also nach § 211 (Mord) und § 212 (Totschlag). Der Totschlag war inzwischen verjährt. Das führte bei zahlreichen Prozessen dazu, dass die Mordanklagen in Totschlagsdelikte umgewandelt wurden. Die angeklagten Mörder und Kriegsverbrecher verließen dann wegen der "Verjährung" ihrer Verbrechen, die ja nur "Totschlag" waren, als freie Bürger den Gerichtssaal.

In diesem Zusammenhang ist auch die Schaffung der "Ludwigsburger Zentralstelle ..." im Dezember 1958 zu sehen. Ihre Aufgabe bestand darin, alles Material zu Kriegsverbrechen deutscher Bürger zu sammeln, zu sichten und den Staatsanwaltschafen zuzuleiten. So erfolgte eine Zentralisierung des Belastungsmaterials. Die Verfolgung von Kriegsverbrechen der Wehrmacht aber war der Zentralstelle ausdrücklich entzogen. Trotzdem leitete die Zentralstelle für rund 1.000 Ermittlungsverfahren Material an die Staatsanwaltschaften. Keines dieser Materialien führte zu einer Anklage! Bis 1964 wurden von der Zentralstelle 86 Verfahren gegen Mitarbeiter zentraler faschistischer Dienststellen initiiert. Nur in zwei von diesen 86 Verfahren kam es zu einer Verurteilung! Im Jahr 1967 beschäftigte die Zentralstelle 121 Mitarbeiter, davon 49 Staatsanwälte. 2009 zählte man 19 Bedienstete, davon sechs Staatsanwälte. Sie verfügen über geringe Mittel und kaum über moderne Technik. Ihre ursprüngliche Aufgabe geht dem Ende zu. geblieben sind aber Berge von Dokumenten, zu denen es noch immer nur schwierigen Zugang gibt. In den Regalen befinden sich 1.200 m Akten. Seit ihrer Gründung hat die Zentralstelle 7.600 Vorermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaften übergeben, davon kamen nur rund 10 % zur Anklage und davon endeten nur rund 5 % mit einer Verurteilung. Als Ergebnis einer über 50-jährigen Arbeit verbleiben ganze 38 Fälle!

Analysiert man die Spruchpraxis im Zeitraum von 1958 bis 1969, so hatten sich in dieser Zeit 543 Personen vor Gericht zu verantworten. 114 Verurteilte waren an Mord- bzw. Totschlagverhandlungen beteiligt, bei denen es um den Tod von insgesamt 660.851 Menschen ging. Die Verurteilungen erfolgten wegen Beihilfe oder Mittäterschaft zu Mord und Totschlag. Insgesamt sprachen die Gerichte 558 Jahre Freiheitsentzug aus. In 50 % dieser Verfahren wurden erhebliche Abweichungen des Urteils vom Strafantrag sichtbar. In 48 Fällen beantragte die Staatsanwaltschaft lebenslänglich wegen Mordes, die Gerichte erkannten dagegen auf sehr niedrige Freiheitsstrafen. In sechs Fällen beantragte die Staatsanwaltschaft lebenslängliches Zuchthaus, die Gerichte erkannten auf Freispruch. Vor Gericht standen ausschließlich untere Chargen der SSD- und KZ-Mörder. Kein einziger Prozess führte die Schreibtischtäter einer gerechten Strafe zu.

35 Angeklagte waren bis zur Verurteilung im bundesdeutschen Polizeidienst, vor allen Dingen bei der Kriminalpolizei tätig. Die Untersuchung der Lebensläufe von 60 Richtern und Staatsanwälten, die in diesen Prozessen tätig waren, ergab, dass bei 19 von ihnen, also bei fast einem Drittel, eine aktive faschistische Haltung nachweisbar war, wie Zugehörigkeit zur SS, SA, NSDAP und anderen faschistischen Organisationen.

An diese Tatsachen ist zu denken, wenn heute der DDR vorgeworfen wird, sie hätte hunderte Nazi- und Kriegsverbrecher gedeckt und für operative Zwecke eingesetzt.

Professor Rüter von der Universität von Amsterdam ist dieser Behauptung nachgegangen. Seine Recherchen bei 40 Behörden hatten das Ergebnis, dass kein einziger verurteilenswürdiger NS-Verbrecher zu finden war.

Eine Methode der Rechtfertigung der Kriegsverbrechen bestand damals in der BRD in der Konstruktion einer so genannten "ausweglosen Befehlssituation" bzw. des "Befehlsnotstandes" und des "Handelns auf Befehl". Aber ein Verbrechen wird nicht dadurch rechtmäßig, dass es in Gestalt eines Befehls auftritt. Dennoch fand die Konstruktion des Befehlsnotstandes bei vielen Urteilen Anerkennung.

Wir finden dieses Phänomen in der Gegenwart wieder - bei der Bewertung der Vorgänge von Kundus. Danach dürften die US-Piloten straffrei bleiben, obwohl sie einem "aufgenötigten" verbrecherischen Befahl folgten. Aber dieses Mal ist immerhin der Befehls-Geber vorhanden. Was wird geschehen?

Mit dem Ulmer Einsatz-Gruppe-Urteil schufen sich die Gerichte der BRD ein Modell zur Begünstigung der NS-Verbrecher. Die Angeklagten wurden zwar alle verurteilt, aber keiner wurde als Täter bezeichnet. Obwohl Beweise für ihre eigene Täterschaft und somit ihr eigenes Handeln vorhanden waren, wurden sie ausschließlich als Gehilfen verurteilt. Die eigentlichen Täter seien Hitler, Göring, Himmler usw., denen die Angeklagten nur Beihilfe, und diese auch noch oft unter dem Druck des "Befehlsnotstand" geleistet hätten. So konnten die Verbrecher in Gehilfen verwandelt werden, das führte zu Strafmilderungen und vor allem zu herabgesetzten Verjährungsfristen.

Verfahrensverschleppung, Nichtanerkennung vorliegenden Beweismaterials, fortgesetzte Haftverschonung, lautlose Amnestie, Diskriminierung von Zeugen, Einstellung von Verfahren mit fadenscheinigen Gründen waren das prozessuale Instrumentarium, was bundesdeutsche Gerichte bei diesen Verfahren anwandten.

Es stände dem "Rechtsstaat" BRD angesichts dieser Tatsachen gut zu Gesicht, endlich die eigene Geschichte objektiv aufzuarbeiten.

Martin Dressel, Berlin

Raute

Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF): Entschließungen, angenommen auf dem Internationalen Vorstandstreffen am 9. Januar 2010

Der internationale Vorstand berief ein spontanes Entschließungskommittee, das folgende Personen umfasste: Susi Snyder (internationales Büro), Emma Rosengren (Schweden) und Laura Roskos (USA). Die Resolution zum Thema a) Kriegsverbrechen Irak war von der australischen Sektion vor dem Treffen eingereicht worden. Eine zweite Resolution zum Nahen Osten ergab sich während der Diskussionen dem Regionaltreffen "Naher Osten". Beide vorgelegte Entschließungen wurden mit geringfügigen Modifizierungen wie vorgelegt angenommen.

a) Kriegsverbrechen - Irak

Die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF) stellt bei ihrem Vorstandstreffen in Ahmedabad, Indien (Gujarat), im Januar 2010 fest:

- Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, George W. Bush, der britische Premierminister Tony Blair, der spanische Premier Jose Maria Aznar, der niederländische Premier Peter Balkenende sowie der dänische Premierminister Anders Fogh Rasmussen und der australische Premier John Howard bildeten eine "Koalition der Willigen", die die Entscheidung traf, im Irak militärisch zu intervenieren und zwar in Ermangelung einer diesbezüglichen Resolution durch den UN-Sicherheitsrat.

- Die Entscheidung, im Irak militärisch zu intervenieren, wurde nach und nach als ein illegaler Krieg klassifiziert.

- Die Staatsoberhäupter handelten als Vertreter entwickelter Demokratien, aber sie trafen ihre Entscheidung über die militärische Intervention im Irak ohne Zustimmung ihrer eigenen Bevölkerungen.

- Im Bewusstsein, darüber, dass sich Millionen Menschen in den USA, in Großbritannien, Spanien und Australien erhoben, um gemeinsam mit weiteren Millionen in anderen Ländern weltweit in den umfangreichsten Antikriegsprotesten, die die menschliche Geschichte kennt, ihren Widerstand gegen die Kriegsvorstellungen dieser Führer zum Ausdruck zu bringen,

- in tiefer Besorgnis, darüber, dass die Invasion des Irak Millionen Flüchtlinge innerhalb und außerhalb des Landes verursacht hat sowie unzählige Tote und Millionen körperlich und seelisch verletzter Menschen zur Folge hatte,

- in eben solcher Sorge darüber, dass das Land und die natürliche Umwelt der irakischen Bevölkerung über Jahre hinaus zerstört und verseucht wurde,

- weiter besorgt darüber, dass die Begründungen der genannten Entscheidungsträger für ihre Militärinvasion sich als falsch und unzutreffend erwiesen haben,

- in der Überzeugung, dass die genannten politischen Führungspersönlichkeiten haftbar gemacht werden müssen und sich vor Gericht verantworten müssen, so dass die Gesellschaft und zukünftige Generationen aus deren Fehlern Schlüsse ziehen können,

- beschließen wir, dass die WILPF/IFFF jeden wohlerwogenen Vorstoß unterstützen wird, der zu einer formellen Anklage gegen die genannten Verantwortungsträger führen wird.


b) Nahost

Die IFFF, versammelt zu ihrem Internationalen Vorstandstreffen in Ahmedabad, Indien, im Januar 2010

- bestätigt die voraufgegangenen Nah-Ost-Resolutionen, die seit 1989 jährlich verabschiedet wurden, um die unveräußerlichen Rechte des Palästinensischen Volkes zu bestärken, die da beinhalten: Das Recht auf Selbstbestimmung, das Rückkehrrecht und das Recht auf einen Palästinensischen Staat in den Grenzen vor 1967, sowie die Durchsetzung der folgenden UN-Sicherheitsrat-Resolutionen 242, 252, 338, 465, 1322 sowie den Entschluss Nummer 194 der UN-General-Versammlung,

- heißt die Initiative von Mahmoud Abbas willkommen, mit der im Januar 2010 zum gewaltlosen Widerstand gegen die Israelische Besatzung aufgerufen wird,

- erkennt das unverhältnismäßige Leid der Bevölkerung von Gaza, unterstützt die Bemühungen des GAZA FREEDOM MARCHES und fordert die ägyptische Regierung auf, den Marschieren feien Zugang nach GAZA zu gewähren,

- anerkennt Jerusalem als Hauptstadt von Palästina gemäß den vorliegenden völkerrechtlichen Entschlüssen,

- beglückwünscht den Präsidenten und das Volk von Palästina dafür, dass es Ihnen gelungen ist, Jerusalem als arabische Kulturhauptstadt der UNESCO für das Jahr 2009 anerkannt zu wissen, trotz der Israelischen Angriffe auf kulturelle und religiöse Orte und Einrichtungen inklusive der Zerstörung historischer Teile der Al-Aqsa Moschee.

- heißt den Goldstone-Report willkommen, der vom UN-Menschenrechtsrat in seiner 12. Sitzung im Oktober 09 angenommen wurde und fordert die volle Implementierung aller seiner Empfehlungen,

- ruft die Regierungen Israels und Palästinas auf dazu, sofort mit unabhängigen Untersuchungen zu beginnen, wie sie im Goldstone-Bericht gefordert werden und zwar hinsichtlich der Frage, inwiefern ihre Aktivitäten während der "Operation Gegossenes Blei" gegen international verbriefte Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht verstießen oder Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit implizierten,

- unterstützt die Empfehlungen des Goldstone-Berichts, dass für den Fall, dass diese unabhängigen Untersuchungen nicht bis Mai 2010 durchgeführt sind, der Vorgang dem Internationalen Kriminalgerichtshof zu überantworten ist,

- stimmt überein darin, die BDS-Bewegung (Boycott, Divestment, Sanctions/Boykott, Rückzug von Investitionen, Sanktionen) gegen Israel zu unterstützen und fordert die Sektionen auf, Informationen zu verbreiten mit Listen der zu boykottierenden Firmen. Die IFFF ruft alle ihre Sektionen dazu auf, ihre Regierungen zu ermutigen, jeglichen Handel mit Israel als Teil dieser Bewegung zu beenden.


Übersetzung: Irene Eckert, während der Jahrestagung der deutschen Sektion der IFFF in Berlin-Kreuzberg, Oranienstr. 34, Sonntag, den 21.02.2010

Raute

Ioannis Eleftheridis: Interview - Es gibt keine Alternative zum Sozialismus

Interview mit Ioannis Eleftheridis über die aktuellen Kämpfe in Griechenland, die kapitalistische Krise und die studentische Bewegung.

Frage: Griechenland hat in den vergangenen Jahren eine Neuverschuldungsrate von 12,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes angehäuft. In der Eurozone sind aber nur maximal drei Prozent erlaubt. Jetzt sind auch die Währungshüter der EU beunruhigt. Wie konnte es so weit kommen?

Griechenlands ökonomische Probleme resultieren im Allgemeinen aus seiner Position in der EU und im internationalen kapitalistischen System. In Griechenland waren es vor allem Jahre und Jahrzehnte der unternehmerfreundlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik, die die Staatseinnahmen erodieren ließen. Politiker der beiden großen Parteien PASOK und Nea Dimokratia sind sich einig darin, dass das niedrige Lohnniveau und die niedrigen Unternehmenssteuern Voraussetzungen für die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands sind. In den letzten Jahren konnten transnationale Banken und Konzerne in Griechenland unbehelligt von staatlichen Steuerbescheiden Profite von mehreren Hundert Milliarden Euro generieren. Aufgrund der niedrigen Löhne bringt natürlich auch deren Besteuerung nicht viel ein. Nicht Griechenland ist arm: Nur die große Mehrheit der Bevölkerung ist es. Eng damit zusammen hängt die von den herrschenden Parteien verbreitete Ideologie von der "Einbahnstraße Europa". Zur Europäischen Union und zum Euro, also: zur ökonomischen Unterordnung unter die Kernländer der EU und ihr Kapital, gebe es demnach keine Alternative. Dass die EU als Europa des Kapitals, als imperialistisches und arbeitnehmerfeindliches Projekt, entschleiert wird ist eine zentrale Aufgabe der marxistischen Linken - umso mehr, da Parteien wie die deutsche Linkspartei, die KPÖ oder das Wahlbündnis SYRIZA in Griechenland im linken Gewand dieselbe Pro-EU-Politik betreiben wie die Regierungen. Als Griechenland seine nationale Währung, die Drachme, zugunsten des Euros aufgegeben hat, begab es sich der Fähigkeit zu einer eigenständigen Geldpolitik. Normalerweise kann die Notenbank eines Landes bei ökonomischen Schwierigkeiten in den Wechselkurs intervenieren: Sie kann dann entweder den Export durch eine Abwertung oder den Import durch eine Aufwertung der Währung fördern. Griechenland würde in diesem Fall normalerweise abwerten, um die Exportwirtschaft zu fördern und das Handelsbilanzdefizit zu verringern. Das geht aufgrund des Euros aber nicht mehr. Hinzu kommen die hohen Rüstungsausgaben, die gemessen am BIP die höchsten in der EU sind. In Europa liegen nur die Türkei, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien darüber.

Frage: Was bedeutet die explodierende Staatsverschuldung für die Menschen in Griechenland?

Es gibt zwei mögliche Richtungen: Entweder die Regierungsparteien und Arbeitgeberverbände führen ihre Großoffensive auf den Preis der Arbeitskraft fort und haben Erfolg damit. In diesem Fall würde der Lebensstandard noch weiter sinken und die Arbeitslosigkeit würde weiter steigen. Betroffen wären vor allem junge Menschen, Arbeiter und Angestellte und die Migranten, die in Griechenland ohnehin oft eher wie Vieh als wie Menschen behandelt werden. Die andere Möglichkeit wäre, dass alle Opfer des Systems an der Seite der Arbeiterbewegung erfolgreich Widerstand gegen die staatliche Krisenbewältigung und Umverteilung von unten nach oben leisten. In diesem Fall müssten alle Beschäftigten sich vereinen und ihren Lebensstandard verteidigen. Die Grundlagen einer solchen Politik im Interesse der Massen sind in den letzten Monaten gelegt worden.

Frage: Anfang Februar gingen hunderttausende Griechen zu gemeinsamen Kämpfen aller Arbeitenden auf die Straßen um sich gegen antisoziale Sparmaßnahmen zu wehren. Wie sieht es aktuell bezüglich solcher Kämpfe in Griechenland aus?

Griechenland hat im Vergleich zu anderen EU-Ländern aus der Sicht des Kapitals einen großen Nachteil: Es hat eine starke, konsequente und kampferprobte Kommunistische Partei, die KKE. Anders als etwa die "kommunistischen" Parteien Frankreichs, Spaniens, Österreichs oder Italiens hat die KKE den Weg der Revolution und des Sozialismus nie verlassen. Der Dachverband der griechischen Gewerkschaften dagegen, die GSEE, dient im Großen und Ganzen den Interessen des Kapitals. Das Besondere in Griechenland ist aber, dass es außer dem PASOK-dominierten Dachverband auch eine sehr starke und schnell erstarkende Opposition gibt: die PAME (übersetzt etwa: Kampffront aller Arbeiter). PAME ist keine rein kommunistische Gewerkschaft, aber eine klassenkämpferische. Viele PAME-Aktivisten sind Kommunisten, aber auch viele andere Werktätige, die sich die Zumutungen des Kapitalismus nicht gefallen lassen wollen, sind dabei. Strategisches Ziel von sowohl KKE als auch PAME ist die Einheit der Arbeiterklasse im Kampf für ein besseres Leben, das nach Meinung der KKE nur in einer sozialistischen Gesellschaft voll verwirklicht werden kann. Ein Beispiel: Als marxistisch-leninistische Partei ist die KKE natürlich dem Internationalismus verpflichtet. Die empörenden Arbeits- und Lebensbedingungen der Mehrzahl der Immigranten sind ein Arbeitsschwerpunkt von KKE und PAME. So wird versucht, eine Solidarisierung aller Arbeiter in Griechenland zu erreichen. Die Erfolge in der letzten Zeit sind beachtlich und sollten der revolutionären Linken in ganz Europa zum Bezugspunkt werden: Die von PAME organisierten Generalstreiks am 17. Dezember und 24. Februar waren auf ganzer Linie erfolgreich. Die große Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung, sowohl Griechen als auch Immigranten, ist auf die Straße gegangen. Ich glaube also, dass die sozialen Kämpfe auch in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit eine emanzipatorische Richtung einschlagen werden. Daraus könnten sich neue Perspektiven für die marxistische Linke in Europa ergeben, die sich heute aber noch nicht abschätzen lassen.

Frage: Was bedeutet das griechische "Verschuldungsproblem" für die EU insgesamt?

Der griechische Staat hat ein Problem, aber es wird in seinem Ausmaß übertrieben. Die vorherrschenden Darstellungen haben meistens eher den Charakter von Propaganda als von seriösen Kommentaren. Es gibt Staaten mit einer weitaus höheren Verschuldung als Griechenland. Japans Schulden betragen fast 200% des BIP, dagegen erscheint die griechische Verschuldung ja noch einigermaßen beherrschbar. Auch in der EU gibt es Staaten, die hoch verschuldet sind: Irland, Belgien, Portugal, Italien, Spanien, Ungarn. Die Neuverschuldung durch die Wirtschaftskrise ist in Japan, Großbritannien, den USA oder Irland viel höher als in Griechenland. Da Griechenland keine sehr große Volkswirtschaft ist, fällt seine Verschuldung absolut auch für die EU nicht so sehr ins Gewicht wie etwa die italienische. Das momentane Theater hat meines Erachtens zum Ziel, durch einen weiteren Angriff auf die Rechte der Arbeiter die zivilen öffentlichen Staatsausgaben zu kürzen. Griechenland ist dabei ein vermeintlich einfaches Ziel, es wird aber nicht dabei bleiben: Auch andere Länder an der Peripherie der EU könnten bald in den Würgegriff geraten. In den vergangenen Jahrzehnten war die Erpressung durch Staatsschulden immer das Mittel, wie der Internationale Währungsfonds Länder der Dritten Welt zum Abbau von Schutzbarrieren für die eigene Wirtschaft und Bevölkerung gezwungen hat. Als sich Jugoslawien geweigert hat, den Konditionen des IWF (in der zweiten Hälfte der 80er) und denen der EU (in den 90ern unter Milosevic) nachzukommen, wurde es wenig später von der NATO bombardiert - natürlich unter dem Vorwand, einen angeblichen "Völkermord" zu verhindern, der ja nachweislich zu diesem Zeitpunkt nicht mal ansatzweise stattfand. Bewusste Verzerrungen im Bezug auf die Finanzen eines Staates sind auch nichts Neues: Die allseits geglaubte Lüge vom "Staatsbankrott" der DDR geistert ja schon seit 2 Jahrzehnten durch die deutsche Medienlandschaft. Damals sollte die Dramatisierung der ökonomischen Schwierigkeiten der DDR dazu dienen, die katastrophalen Auswirkungen der "Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion" mit der BRD zu kaschieren und der DDR in die Schuhe zu schieben. Außerdem konnten so, wie jetzt in Griechenland, massive Einschnitte in die Rechte der Werktätigen durchgeführt werden.

All das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass von Seiten des Kapitals nicht das geringste Interesse daran besteht, dass Griechenland aus der EU oder der Eurozone fliegt. Für deutsche und französische Unternehmen ist die EU eine Art Hinterhof. Die Annexion der DDR und die Expansion der EU nach Osten war ein großer Glücksfall für das deutsche Kapital. Sollte Griechenland da herausbrechen, etwa um einen sozialistischen Entwicklungsweg einzuschlagen, wäre das ein Verlust für diese Unternehmen. Das wäre in der Tat nur für die Mehrheit der Bevölkerung in Griechenland ein Grund zur Freude. Hinzu kommt, dass die EU den Euro zur Reserveweltwährung machen und somit dem Dollar den Rang ablaufen will. Wenn auf dem Finanzmarkt Wetten über die Zahlungsunfähigkeit eines Euro-Lands abgeschlossen werden, untergräbt das die Glaubwürdigkeit des Euro und damit seine Stellung auf den internationalen Devisenmärkten.

Frage: Glaubst du, die Krise der Weltwirtschaft ist eigentlich schon überstanden?

Sicher nicht. Die momentane Krise ist entweder die schlimmste oder die zweitschlimmste in der Geschichte des Kapitalismus. Die Krise von 1929ff mündete in die Große Depression und wurde letztendlich erst durch die gigantischen Kriegsausgaben beendet. Die Krise heute ist lediglich eine heftige Eruption, die an einen jahrzehntelangen Abwärtstendenz der Ökonomie anschließt. Die Wachstumsrate des BIP war in den führenden Industrienationen in den letzten Jahrzehnten rückläufig. Dieser Abwärtskurs der industriellen Konjunktur führte zu einer massiven Flucht in die Finanzmärkte, aber einen Weg aus der Stagnation bot das nicht. Die Ausweitung der Kreditvergabe konnte, z.B. im Bausektor in den USA, die Schwäche der wirksamen Nachfrage (d.h. in erster Linie die Armut der Bevölkerung) über einen Zeitraum ausgleichen, um ab 2007 mit dem Platzen der Immobilienblase in eine handfeste Krise zu führen. Das Ausweichen des Kapitals aus einer stagnierenden "Realökonomie" in den Finanzsektor kann natürlich nicht unbegrenzt die immanenten Widersprüche des Systems zudecken: Eigentlich treibt man so nur den Teufel mit dem Beelzebub aus. Genauso wenig können die führenden kapitalistischen Staaten die Auswirkungen von Krisen beliebig oft durch Konjunkturprogramme und Banken-Rettungspakete wegwischen. In den vergangenen drei Jahren ist die Neuverschuldung aller wichtigen Industriestaaten geradezu explodiert. Eine schwere Rezession wird das nicht verhindern können, aber trotzdem befinden sich die weltweiten Staatsschulden in Rekordhöhe und eine Chance auf Rückzahlung der Schulden besteht so gut wie nicht. Mittlerweile halten manche Analysten die Bildung neuer Blasen in der nahen Zukunft wieder für wahrscheinlich. Ein weiterer tiefer Einbruch der Weltwirtschaft würde den Staatsfinanzen vieler weiterer Länder den Rest geben.

Die Ursachen für die Schwäche der ökonomischen Entwicklung ist somit der Kapitalismus selbst in seinem monopolistischen, finanzkapitalistischen Stadium. Lenin hatte Recht, als er den Monopolkapitalismus wesentlich als ein überreifes, verfaulendes System beschrieb. Ich glaube, dass die Fäulniserscheinungen des Kapitals heute mehr und mehr in Erscheinung treten. An der enormen Menge an Liquidität, die im Finanzsektor hin- und herspekuliert wird, sieht man, wie groß der von der Arbeiterklasse produzierte Reichtum ist. Dieser kann allerdings auf dem inzwischen erreichten Verwesungsstadium des Systems noch nicht mal im kapitalistischen Sinne "produktiv" verwendet werden.

Frage: Wie kann man jetzt handeln? Welche Forderungen sind deines Erachtens am wichtigsten um den Zumutungen der kapitalistischen Verwertungslogik zu begegnen?

Man muss natürlich unterscheiden zwischen begrenzten, taktischen Nahzielen und der strategischen Orientierung. Die Strategie darf sich nicht auf das Anvisieren von Reformen beschränken, denn der Grund für Armut, Kriege, Krisen, Rassismus, Umweltverschmutzung und vieles mehr ist die Logik des Kapitalismus selbst: ein System, das darauf beruht, aus Geld mehr Geld zu machen. Dafür ist die aktuelle Krise nur eine von vielen Bestätigungen. Taktisch kann und muss man meines Erachtens die Rechte und den Lebensstandard der lohnabhängigen Massen verteidigen und ausbauen. Dafür wäre es notwendig, einen Stopp der Umverteilung von unten nach oben zu erzwingen, die Krisenlasten die Banken und Konzerne tragen lassen, statt Abbau des Normalarbeitsverhältnisses und der Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich fordern usw. In Griechenland ist ein Mindestlohn von 1400 (brutto) seit Jahren eine der Hauptforderungen von PAME. All das erfordert eine wirkliche Massenbewegung, die bereit ist, für ein besseres Leben zu kämpfen. Dass aber, selbst wenn diese Ziele erreicht werden, nicht alles getan ist und das grundlegende Problem der Kapitalismus selbst ist, darf man dabei nie aus dem Auge verlieren. In den Verlauf dieser Kämpfe die sozialistische Perspektive einzubringen, ist Aufgabe der Kommunisten dabei.

Frage: Du bist in der Marxistischen Aktion Tübingen organisiert. Worin siehst du den Zweck der Organisation?

Wenn ich davon spreche, dass die Kommunisten sich in Kämpfe einmischen müssen, stellt sich natürlich die Frage, was zu tun ist, wenn es in einem Land keine organisierte kommunistische Bewegung gibt. Das ist in Deutschland leider mehr oder weniger der Fall. Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ist politisch marginal, überaltert und neigt immer mehr zu offen sozialdemokratischen Positionen. Alle anderen bundesweiten Organisationen mit marxistischem Anspruch sind noch irrelevanter und machen meines Erachtens schwere praktische Fehler. Die Marxistische Aktion Tübingen ist keine Partei, aber eine Organisation zum Aufbau einer kommunistischen Bewegung vor Ort. Ich bin der Meinung, dass es über kurz oder lang allerdings um die Bildung einer kommunistischen Partei in Deutschland gehen muss.

Frage: Was sind eure aktuellen Arbeitsschwerpunkte?

Ich würde sagen: Bildungspolitik, Internationalismus und die Vermittlung von marxistischem Grundlagenwissen.

Frage: Was war die Rolle der Marxistischen Aktion bei den Studierendenprotesten?

Wir haben uns aktiv in die Bildungsproteste im Herbst 2009 eingebracht, sie unterstützt und mitorganisiert. Wir haben dabei sowohl inhaltlich zur Ausarbeitung vieler Forderungen beigetragen, als auch organisatorisch vieles geleistet. Außerdem haben wir uns bemüht, immer wieder aufzuzeigen, wie beschränkt ein Protest ist, der nur um bessere Studienbedingungen geht. Zwar gab es in Tübingen erfreuliche Ansätze einer Solidarisierung mit den Beschäftigten an der Uni. Dennoch war immer ein Teil der Protestierenden dagegen, wenn der Zusammenhang zwischen den zahlreichen Missständen einerseits und der Verwertungslogik des Kapitals sowie der objektiven Rolle des Bildungssystems als Selektionsmechanismus für den kapitalistischen Arbeitsmarkt andrerseits diskutiert und herausgestellt wurde. Darauf kommt es aber an und dafür werden wir uns weiterhin einsetzen.

Frage: Warum bist du Kommunist?

Irgendwie war ich immer der Meinung, dass der alte Marx diese Gesellschaft trotz allem viel besser erklärt hat als alle anderen. Davon konnte mich auch mein Politik-Studium nicht abbringen. Wer verstehen will, nach welchen Gesetzen der Kapitalismus funktioniert und wieso seine Verteidiger allesamt daran scheitern, ihn vernünftig zu erklären, der kommt um Marx und "Das Kapital" nicht herum. Durch die Analyse des Kapitalismus werden aber sein parasitärer Charakter, seine menschenfeindliche Logik und seine Historizität freigelegt. Deshalb und weil alle anderen ökonomischen Theorien an einer konsistenten Analyse scheiterten, nannte Marx die von ihm begründete Wissenschaft ja auch "Kritik der Politischen Ökonomie". Aus der wissenschaftlichen Theorie folgt also eine revolutionäre Praxis, denn das momentane System ist, egal wie und wie oft es reformiert wird, absolut unzumutbar. Dass jeden Tag Hunderttausend Menschen an Hunger sterben, obwohl es ohne Probleme möglich wäre, sie zu ernähren, macht es zur Pflicht für jeden denkenden Menschen, dem Kapitalismus den Kampf anzusagen. Auch in den Industrieländern werden immer größere Teile der Bevölkerung in immer größerem Maße vom wachsenden gesellschaftlichen Reichtum ausgeschlossen. Hinzu kommt: Der Kapitalismus ist genauso rücksichtslos gegen die Natur, wie er es gegen den Arbeiter ist. Wenn wir ihn nicht rechtzeitig überwinden, steht uns möglicherweise nichts weniger bevor als die totale Vernichtung unserer Lebensbedingungen noch in diesem Jahrhundert. Nur eine sozialistische Planwirtschaft, für die Nachhaltigkeit und Naturschutz Planziele von höchster Priorität sind, kann das verhindern. Das sozialistische Kuba zeigt, dass eine andere Welt möglich ist: In einer Studie des WWF war Kuba das einzige Land der Erde, das die Kriterien für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung erfüllte.

Langer Rede kurzer Sinn: Wenn wir wollen, dass unsere und unserer Kinder Zukunft besser und nicht schlimmer wird, dann sehe ich keine Alternative zum Sozialismus und Kommunismus.

Ioannis Eleftheridis ist Politikwissenschaftler und Aktivist der "Marxistischen Aktion Tübingen".Quelle: www.marxistische-aktion.de

Raute

Michael Opperskalski: Über Wolfgang Harich

Die Marx-Engels-Stiftung hat gemeinsam mit der Tageszeitung junge Welt am 13. März in Berlin in der jW-Ladengalerie ein Kolloquium zum 15. Todestages des "streitbaren Philosophen" durchgeführt. Titel der Tagung: "Wolfgang Harich und seine Impulse für die Philosophie in Deutschland". Als Referenten waren geladen: Prof. Dr. Erich Hahn, Dr. Andreas Heyer, Dr. Klaus Höpke, Prof. Dr. Siegfried Prokop, Dr. Werner Seppmann, Dr. Robert Steigerwald, Dr. Claudius Vellay und andere. Die Initiatoren formulierten als Ziel der Tagung, dass "wesentliche Impulse für die weitere theoretische Arbeit wie für das eigene politische Handeln und die im Alltag zu führende linke Debatte" das Ergebnis sein sollen. Es sollte also keine Gedenkfeier sein, sondern eine richtungsweisende Tagung für, ich wiederhole, "die weitere theoretische Arbeit", außerdem das "eigene politische Handeln" und für die "linke Debatte". Das sollte durch die Erörterung der "Impulse für die Philosophie in Deutschland", die Harich offensichtlich gegeben hat, erreicht werden. Philosophie in Deutschland. Philosophie wo? In Deutschland! Da kam ich ins Grübeln: Es gibt im Kapitalismus bekanntlich zwei Hauptklassen. Es gab über 40 Jahre in Deutschland zwei unterschiedliche Staaten, und in dem einen herrschte die Bourgeoisie, in dem anderen die Arbeiterklasse. Im Szenario dieser beiden Staaten - und damit dieser beiden Klassen - bewegte sich Wolfgang Harich. Schauen wir doch einmal nach, wer Wolfgang Harich zu DDR-Zeiten war.

Man stößt sofort auf ihn und eine sich um ihn herum bildende Gruppe in und um den "Aufbau-Verlag" Ende der 50er Jahre. Wolfgang Harich gehörte damals zum Herausgeberkreis der "Deutschen Zeitschrift für Philosophie", die im "Aufbau-Verlag" erschien. Vom 22. bis 25. November 1956 hatte Wolfgang Harich unter dem Titel "Über die Aufgaben der SED im Kampf für die Festigung ihrer Reihen, für die sozialistische Demokratisierung der DDR und für die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands auf der Grundlage der Demokratie, des Sozialismus, der nationalen Souveränität und Unabhängigkeit und der Freundschaft mit allen Völkern" (später auch als "Plattform" bekannt geworden) ein Positionspapier erarbeitet, das - neben anderen Schriften aus seiner Feder - eindeutig revisionistischen Charakter hatte und auf eine Beseitigung der marxistisch-leninistischen Führung der SED orientierte:

"Schon in der Präambel wurde in erfreulicher Deutlichkeit das Grundproblem der DDR im Jahre 1956 benannt. Im ZK der SED gäbe es dominierende Kräfte, die die Notwendigkeit ernster theoretischer und praktischer Schlussfolgerungen aus dem XX. Parteitag der KPdSU verkennen. (...)

Das eigentliche Programm bestand aus drei Schwerpunkten, am Beginn stand der Komplex Erneuerung der SED. (...) Zu diesem Zweck müsse das Parteistatut der SED, das in der Stalinschen Periode angenommen wurde, überprüft werden. (...) Die Neufassung des Statuts müsse die Aussagen zur innerparteilichen Demokratie in früheren Parteistatuten aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung berücksichtigen, ebenso das Statut des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens (sic! d.Verf.) und die Organisationsprinzipien des XX. Parteitages der KPdSU (sic! d.Verf.), (...)

Akzeptiert wurde nur ein Marxismus-Leninismus, der sich schöpferisch in Übereinstimmung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen weiterentwickelt und historische Dogmen kritisch überwindet. Als Beispiel für eine dringend notwendige Überwindung wurde die Stalinsche These von der ständigen Verschärfung des Klassenkampfes bei wachsenden Aufbau-Erfolgen des Sozialismus genannt. Ebenso wurde ein neues Verständnis der Geschichte gefordert. Die Politik des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens seit 1948 (sic! d. Verf.), der Volksaufstand 1953 in der DDR (sic! d. Verf.), der XX. Parteitag der KPdSU (sic! d.Verf.), der Posener Volksaufstand vom Juni 1956 (sic! d. Verf.) und der ungarische Volksaufstand von 1956 (sic! d. Verf.) sollten als Glieder in der Kette des Aufbegehrens der Arbeiter gegen den Bürokratismus der Stalinschen Periode verstanden werden. Herangezogen werden sollten auch die Werke namhafter sozialdemokratischer Historiker. Die Geisteswissenschaften sollten zur umfassenden Ausarbeitung der These von der Mannigfaltigkeit des Übergangs zum Sozialismus beitragen. (...)

Für die Beziehungen der SED zu anderen Parteien sah der Programmentwurf vor, 'die einseitige Bindung der SED und die sowjetische Bruderpartei' zu beenden. Stattdessen sollten die Beziehungen der SED zu den Parteien besonders intensiviert werden, die bei der Überwindung der Fehler der Stalinschen Periode bereits große Fortschritte gemacht haben. Dazu zählen: Der Bund der Kommunisten Jugoslawiens (sic! d. Verf.), die KP Chinas, die PVAP, die Sozialistische Partei Ungarns, die KP Italiens und die KP der USA. Da die SED aus der Verschmelzung von KPD und SPD hervorgegangen sei, müssten auch zur Sozialistischen Partei Italiens (Nenni) freundschaftliche Beziehungen hergestellt werden. (...)

Besonderer Nachdruck wurde auf die Gestaltung neuartiger Beziehungen zwischen SED und SPD gelegt. Jedoch müsse die SED zuerst Voraussetzungen für eine Verständigung mit der SPD durch konsequente Entstalinisierung schaffen. Ebenso müsse die SED die reale Möglichkeit eines friedlichen, parlamentarischen Weges zum Sozialismus in der Bundesrepublik auf der Grundlage des Grundgesetzes anerkennen. Zu den Voraussetzungen zähle auch die rücksichtslose Kritik an Fehlern der KPD, die in der Vergangenheit die Wiederherstellung der Einheit der Arbeiterbewegung erschwert hätten. (...)

Ein entscheidendes Hindernis, der Einheit zuzustimmen, sei für viele Sozialdemokraten die einseitige Bindung der KPD und SED and die KPdSU gewesen. Die Bedenken Dr. Schumachers im Jahre 1946 hätten sich im Nachhinein als völlig richtig erwiesen (sic! d. Verf.). (...)."(2)

In diesem Positionspapier werden dann Schritte zu seiner Durchsetzung entwickelt. Und ganz oben steht folgender:

"1. Führungswechsel in der SED, Verkündung des Programms des besonderen deutschen Weges zum Sozialismus durch die SED, Durchführung des Programms, soweit es sich auf die DDR bezieht. Schaffung der inneren Voraussetzung zur Verständigung mit der SPD, innerhalb der DDR durch konsequente Entstalinisierung und Demokratisierung."(3)

Es versteht sich von selbst, dass mit der Ablösung der marxistisch-leninistischen SED-Führung und der Umsetzung des Programms von Harich und seinen Anhängern bereits in den 50er Jahren eine Liquidierung des Sozialismus in der DDR, die konsequentermaßen folgende Annexion der DDR durch den BRD-Imperialismus eingeleitet worden wäre - alles unter der Flagge eines "demokratischen Sozialismus" und in Zusammenarbeit mit der SPD-Führung. Mit anderen Worten: "Perestroika" und "Glasnost" vorverlegt ...

Doch Harich ging noch einen Schritt weiter, der sich aus seinen Positionen allerdings logisch erschließt. In seiner umtriebigen Suche nach Bündnispartnern und Unterstützern für sein Programm kontaktierte er die SPD in Westberlin, die ihn sofort an das "Ostbüro" weiterleitete. Der ehemalige Funktionär des "Ostbüros" Helmut Bärwald erinnert sich: "Nach Beginn der Entwicklung der SED zu einer 'Partei Neuen Typus' in den Jahren 1948/49 und insbesondere nach Gründung des SED-Staates im Oktober 1949 suchten immer mehr dieser Menschen Verbindungen zum Ostbüro, darunter auch zahlreiche oppositionelle Kommunisten und Sozialisten, teilweise auch höhere Funktionäre der SED, sogenannter Massenorganisationen oder aus der staatlichen Administration. (...) Bisweilen wurde das Ostbüro auch um Veröffentlichung von Aufsätzen, Memoranden oder politisch-ideologischer 'Plattformen' von Oppositionellen gebeten (...). Bemerkenswert ist das Gespräch, das Prof. Dr. Wolfgang Harich, damals Lektor im Ostberliner Aufbau-Verlag, Dozent für Geschichte der Philosophie an der Humboldt-Universität und Mitherausgeber der Ostberliner 'Deutschen Zeitschrift für Philosophie' und einer der führenden Köpfe der 'revisionistischen Opposition' innerhalb der SED, im Jahre 1956 mit Vertretern des Ostbüros in West-Berlin hatte (...). Ende 1956 wurde Harich gemeinsam mit anderen Oppositionellen vom Staatssicherheitsdienst des SED-Staates verhaftet und im März 1957 vor Gericht gestellt. Einer der Anklagepunkte in dem Gesinnungs- und Terrorprozess lautete: Agententätigkeit für das Ostbüro der SPD. (...)"(4)

Harich musste wissen, wen er mit dem "Ostbüro" zwecks Diskussion und Unterstützung kontaktierte. Die konterrevolutionäre Agentenrolle dieser Organisation im Rahmen der imperialistischen Diversionsstrategie war in der DDR bereits enthüllt worden. Wir sehen also: wieder einmal schließt sich der Kreis zwischen Revisionismus und offener Konterrevolution, ob dies von allen Beteiligten nun subjektiv gewollt wurde (ist) oder nicht ...


Das "Ostbüro" der SPD

Der ehemalige leitende Funktionär der SPD und ihres "Ostbüros" Helmut Bärwald präzisiert in seinem Buch "Das Ostbüro der SPD" die Rolle dieser Organisation:

"Nicht von Anfang an, jedoch bis spätestens Ende 1946 konkretisiert, erhielt das Ostbüro vom Parteivorstand (der SPD, d. Verf.) sechs Hauptaufgaben zugewiesen, die während der fast 25jährigen Arbeit des Ostbüros bis Januar 1971 mit den jeweiligen Situationen und Entwicklungen entsprechender Gewichtigkeit erfüllt wurden:

Kontaktstelle der SPD für Sozialdemokraten in der SBZ/DDR und Koordinierungsstelle für die Sozialdemokraten und sozialdemokratischen Gruppen, die politischen Widerstand gegen die Gewalt- und Willkürherrschaft in der SBZ/DDR leisteten. Gelegentlich bereits in den ersten drei Jahren nach Gründung des Ostbüros, vermehrt nach Gründung der DDR und nach der Umformung der SED in eine 'Partei neuen Typus', nahmen Personen mit diesem Büro Kontakt auf, die bis dahin zur SPD und zur Sozialdemokratie keine Beziehungen und keine Berührungspunkte hatten. Darunter befanden sich etliche gegenüber der SED-Führung und deren Politik in Partei und Staat und deren innerparteilichem Regiment oppositionell eingestellte Kommunisten.

Beschaffung, Sammlung, Auswertung und Verwertung von Informationen über die Lage und die Entwicklung in der SBZ/DDR (...).

Aufklärungsarbeit innerhalb der SED und anderen politischen bzw. gesellschaftlichen Organisationen und innerhalb der gesamten SBZ/DDR.

Herausgabe von Informationen und Analysen über die Lage und die Entwicklung in der SBZ/DDR an die Öffentlichkeit, an politische Institutionen und staatliche Stellen (bis 1949 in den westlichen Besatzungszonen) in der Bundesrepublik Deutschland und im westlichen Ausland.

Beobachtung, Analyse und Abwehr von gegen die SPD und (ab 1949) gegen die Bundesrepublik Deutschland und deren freiheitliche demokratische Grundordnung sowie gegen Mitarbeiter des Ostbüros gerichteter Aktionen von Geheimdiensten der Sowjetunion, der DDR und anderer Ostblockstaaten und der 'Westarbeits'-Apparate des SED-Staates und der Sowjetunion.

Überprüfung und Betreuung von Flüchtlingen aus der SBZ/DDR durch die dem Ostbüro angeschlossene Flüchtlingsbetreuungsstelle 'Ost', Betreuung politischer Häftlinge bzw. deren Familien und Mitwirkung an 'Freikaufaktionen' für politische Häftlinge."(5)

"Das Ostbüro der SPD hat wie mit anderen staatlichen Stellen, mit Forschungsinstituten und dergleichen auch mit Geheimdiensten des eigenen Landes, vor allem in den Bereichen Informationsbeschaffung und Informationsaustausch zusammengearbeitet und auch an der Anfertigung von Analysen mitgewirkt. Diese Zusammenarbeit wurde von der Parteiführung als in einer Demokratie durchaus passend, gerechtfertigt und als selbstverständlich betrachtet, und bis zum Ende des Ostbüros niemals untersagt.

General Reinhard Gehlen (Nazi-General und -Geheimdienstfachmann, gründete im Auftrag der CIA and anfänglich von ihr sogar direkt bezahlt den BND, d.Verf.) berichtet in seinen 'Erinnerungen 1942-1971' über ein Gespräch mit dem SPD-Vorsitzenden Dr. Kurt Schumacher am 21. September 1950 im Beisein von Erich Ollenhauer, Annemarie Renger, Prof. Carlo Schmidt und Fritz Erler. Dieses Gespräch drehte sich hauptsächlich um die Rolle und Standort eines Auslandsgeheimdienstes wie des BND in der Demokratie. General Gehlen erinnert sich: 'Ich hatte das gute Gefühl, dass ich in allen wesentlichen Punkten eine Übereinstimmung mit Kurt Schumacher erzielen konnte. Zuletzt sicherte er mir zu, dass die SPD die Arbeit der Organisation unterstützen (...) werde.'

Auch Geheimdienste aus anderen NATO-Staaten unterhielten gute Beziehungen zum Ostbüro, dessen Archiv und dessen sachkundige und informative Expertisen über die SBZ/DDR, über die Entwicklung des internationalen Kommunismus und über kommunistische 'Westarbeit' seit 1946 auch im Ausland sehr geschätzt waren."(6)

"Nicht nur die Organe der Partei (Parteivorstand, Schiedskommission u.a.) sowie Gliederungen der SPD (Bezirke, Unterbezirke u.a.) erbaten vom Ostbüro die Überprüfung von Personen bzw. Personengruppen, sondern auch andere Organisationen (Gewerkschaften, Arbeiterwohlfahrt u.a.) und staatliche Organe. Das Ostbüro arbeite in seinem Arbeitsbereich 'Abwehr und Sicherheit' engstens und vertrauensvoll mit staatlichen Abwehr- und Sicherheitsorganen zusammen; nicht in administrativ kühler Distanz, sondern zumeist in geradezu kameradschaftlicher Weise. Als herausragende Beispiele sind die guten Kontakte des Ostbüros zum 14. Kommissariat der Kriminalpolizei in Bonn, zum Staatsschutz-Kommissariat der Hamburger Kripo, zum Staatsschutz-Bereich des Bundeskriminalamtes und zur Sicherungsgruppe Bonn des BKA, zum Bundesamt für Verfassungsschutz und zu den Landesämtern für Verfassungsschutz zu nennen. (...)

Man sollte sich überlegen, von wem man "wesentliche Impulse für die weitere theoretische Arbeit wie für das eigene politische Handeln und die im Alltag zu führende linke Debatte" einholen will. Und man sollte sich überlegen, warum die Marx-Engels-Stiftung und die Tageszeitung junge Welt der Auffassung sind, dass Wolfgang Harich dazu geeignet sein könnte.

Michael Opperskalski, Köln


Anmerkungen

(2) S. Prokop, "Ich bin zu früh geboren. Auf den Spuren Wolfgang Harichs", Berlin, 1997, S.103ff
(3) ebenda, S.107
(4) H. Bärwald, "Das Ostbüro der SPD", Krefeld 1991, S.47
(5) Helmut Bärwald, "Das Ostbüro der SPD", Krefeld, 1991, S.28/29
(6) ebenda, S.52/53

Raute

KOMMUNISTISCHE PARTEIEN DER EU-LÄNDER

Gemeinsame Erklärung kommunistischer und Arbeiterparteien der EU-Länder(7)

Der EU-Gipfel der Staatschefs der EU-Mitgliedsländer vom 11. Februar 2010 signalisiert einen neuen scharfen Angriff gegen die Arbeiterklasse und die Völker Europas. Die Beschlüsse dieses Gipfels intensivieren in Übereinstimmung mit der "Strategie der EU 2020", welche die Lissabon-Strategie fördert und vertieft, die volksfeindliche Politik der Europäischen Union (EU) und der bürgerlichen Regierungen in Gestalt von harten Maßnahmen gegen die Arbeiterklasse und die Völker.

Die Strategie der EU für einen Ausweg aus der Krise beruht auf die Durchsetzung von radikalen Veränderungen in den sozialen Sicherungssystemen, auf die Erhöhung des Renteneintrittsalters und auf drastische Kürzungen bei den Löhnen, den Renten und den sozialen Leistungen in ihrer Gesamtheit. Dieser Angriff trägt den Stempel der liberalen und sozialdemokratischen Kräfte, die die Strategie des Kapitals in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union (EU) unterstützen.

Das öffentliche Defizit, die Staatsverschuldung und die Überwachung der Volkswirtschaften verschiedener Mitgliedsstaaten wie im Fall von Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und weiteren Ländern wird zur ideologischen Einschüchterung der Arbeiter aus ganz Europa benutzt. Die transnationalen Konzerne und die Banken haben enorme Profite aus der Ausbeutung der Arbeiter und den staatlichen Subventionen und Steuerbefreiungen gezogen, sowohl bevor als auch während der Krise.

Gegenwärtig konkurrieren sie um den größten Anteil an den neuen Leihen. Einmal mehr bürden sie die Lasten den Arbeitern, den Armen und den kleinen und mittleren bäuerlichen Familienbetrieben sowie den selbstständig Arbeitenden mittels Panikmache und Einschüchterungskampagnen auf.

Der Widerstandsgeist unter den europäischen Arbeitern nimmt zu. Sie sind nicht bereit, die Kosten der Krise zu übernehmen, weil sie nicht im Geringsten verantwortlich für die Krise sind.

In Griechenland, Portugal und den anderen Ländern organisieren die Arbeiter, die Beamten und kleinen und mittleren Bauern öffentliche Protestkundgebungen und treten in Streik gegen die angenommenen harten Kürzungsmaßnahmen.

Die unterzeichnenden Kommunistischen und Arbeiterparteien spielen eine tragende Rolle in dieser Bewegung und stehen an der Spitze des Klassenkampfes.

Wir Kommunistischen und Arbeiterparteien rufen die Arbeiterklasse und die Völker jeden Landes dazu auf, sich zu ihrem Gegenangriff zu organisieren und die Parteien zu verurteilen, die die volksfeindliche Offensive der Europäischen Union (EU) unterstützen, so dass sich die Reihen der klassenbewussten Gewerkschaftsbewegung verstärken, so dass die Sozialpartnerschaft zurückgewiesen wird und eine starke Antwort auf den Angriff gegen die Klassen der Volksmassen erfolgt, welche vor Ort fordern: feste Beschäftigung mit vollen Rechten für alle, wesentliche Erhöhung der Löhne, Abschaffung aller anti-sozialen und gegen die Arbeiter gerichteten Gesetze, Senkung des Renteneintrittsalters und eine ausschließlich kostenlose Bildung, Gesundheitsfürsorge und soziale Dienstleistung. Die Arbeiter können ohne die Kapitalisten besser leben. Sie sind diejenige, die den Reichtum produzieren. Und deshalb müssen sie ihn genießen dürfen.

Die unterzeichnenden Kommunistischen und Arbeiterparteien:

Workers' Party of Belgium; Communist Party of Britain; New Communist Party of Britain; Communist Party of Bulgaria; Party of the Bulgarian Communists; AKEL, Cyprus; Communist Party in Denmark; Communist Party of Estonia; Communist Party of Finland; Communist Party of Greece; Hungarian Communist Workers' Party; Communist Party of Ireland; Workers' Party of Ireland; Party of the Italian Communists, Italy Socialist Party of Latvia; Socialist Party of Lithuania; Communist Party of Luxembourg; Communist Party of Malta: New Communist Party of the Netherlands; Communist Party of Poland; Communist Party of Romania; Communist Party of Slovakia; Communist Party of Peoples of Spain; Communist Party of Sweden.

As Norway is an associated member of the EU, Communist Party of Norway also endorses the statement.

Other Parties: Pole de Renaissance Communiste en France

Wir wiederholen nochmals: Aus der BRD hat keine Partei unterzeichnet!

Quelle: www.kke.gr


Anmerkung

(7) Aus der BRD hat keine Partei unterzeichnet!

Raute

RUSSEL-TRIBUNAL ZU PALÄSTINA UND ISRAEL

Reiner Bernstein: Beschlüsse des Russel Tribunals über Palästina, 1. Sitzung in Barcelona vom 1.-3. März 2010. Kurzbericht

Das acht Personen umfassende internationale Russell-Tribunal hat auf seiner ersten Sitzung vom 01. bis 03. März 2010 in Barcelona gegen Israel schwere Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen und wegen der Verletzung internationaler Rechtskodices erhoben und die Europäische Union beschuldigt, gegen die von ihr unterzeichneten Verträge wie das "Euro-Mediterranean Association Agreement" vom 25. November 1995 in der Fassung vom 21. Juni 2000 und den Vertrag von Lissabon zu verstoßen, der zum 01. Januar 2010 in Kraft trat.

Das sich auf ein Verlangen zahlreicher Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens berufende Tribunal hat sein Urteil in fünf Bereichen substantiiert: Auf dem Gebiet

- der Verletzung der Achtung der Rechte des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung, insofern es keine Souveränität über das ihm gehörende Territorium ausüben könne,

- der Anlage und Unterhaltung der Siedlungen sowie der Plünderung natürlicher Ressourcen, wobei Israel die Bestimmungen von Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention vom 12. Januar 1949 breche,

- der Annexion Ost-Jerusalems in Verletzung der Resolution 478 des UN-Sicherheitsrates vom 20. August 1980,

- der Blockade des Gazastreifens, indem Israel Artikel 33 der Vierten Genfer Konvention verletze, und der Operation "Gegossenes Blei" im Dezember 2008 / Januar 2009,

- des Baus der Mauer in den besetzten Gebieten, insofern Israel den Palästinensern den Zugang zu ihrem Land verweigere, somit ihre Eigentumsrechte verletze und erheblich die Bewegungsfreiheit einschränke, obwohl Israel seit dem 03. Oktober 1991 die Internationale Konvention [zur Achtung] ziviler und politischer Rechte unterschrieben hat, und

- der Aushebelung des Assoziierungsvertrags zwischen der Europäischen Union und Israel.

Des weiteren hat das Tribunal Israels Nichtachtung der Resolutionen 242 (1967) und 338 (1973) des UN-Sicherheitsrates beklagt, die Politik der systematischen Diskriminierung von Palästinensern auf israelischem Territorium, die Verweigerung des Rechts auf Rückkehr für palästinensische Flüchtlinge in ihre Heimat sowie die gezielten Tötungen von Palästinensern, ohne ihnen als angeblichen Terroristen zunächst habhaft werden zu wollen.

Zu diesen Beschuldigungen habe das Tribunal schriftliche Stellungnahmen von Experten eingeholt und weitere mündliche Einlassungen ("statements") zur Kenntnis genommen. Zu den Eingeladenen gehörten Mitglieder des Europäischen Parlaments, die Israelis Michael Sfard [Sfarad] (Rechtsanwalt) und Meir Margalit ("Komitee gegen Hauszerstörungen" und Mitglied des Jerusalemer Stadtrates für die Partei "Meretz) sowie die palästinensische Autorin und Ärztin Ghada Karmi (London). Dem Vertreter des "Palestinian Council for Human Rights", Daragh Murray, sei von den israelischen Behörden die Ausreise aus dem Gazastreifen verweigert worden.

Die Europäische Union und die deutsche Bundesregierung hätten sich, so wird weiter berichtet, damit begnügt, auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 08. Dezember 2009 zu verweisen. Die übrigen EU-Mitgliedsstaaten verzichteten auf eine Stellungnahme.

Angesichts der vom Tribunal aufgelisteten Rechtsbrüche wäre man versucht, zur Tagesordnungen überzugehen, weil sie vielfach dokumentiert worden sind. Wenn sich die Befassung mit dem Papier lohnt, dann besonders deshalb, weil die ungleich interessanteren Ausführungen der Europäischen Union gelten. Denn gegen sie wird der Vorwurf erhoben, ihr Bekenntnis zur Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit, der Achtung des Gesetzes sowie des Respekts gegenüber Menschenrechten die eigenen Überzeugungen, wie sie ihrem politischen Selbstverständnis entsprechen und im "Euro-Mediterranean Association Agreement" und im Vertrag von Lissabon niedergelegt sind, gegenüber Israel systematisch zu ignorieren. Mehr noch: Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten fördern nach Auffassung des Tribunals passiv und aktiv die Verletzung des internationalen Rechts, indem sie

- Waffen und Komponenten von Waffen an Israel liefern,
- Exporte von Produkten aus den Siedlungen in den besetzten Gebieten nach Europa genehmigen,
- Israel an Forschungsprogrammen beteiligen, in welche die Siedlungen einbezogen sind,
- es versäumen, die Zerstörungen der Infrastruktur im Gazastreifen während der Operation "Gegossenes Blei" zu beklagen,
- es unterlassen, Israel zur Achtung der Menschenrechte aufzufordern,
- es dulden, dass europäische Unternehmen wirtschaftliche Beziehungen zu Projekten in den besetzten Gebieten unterhalten, und
- dennoch entscheiden, ihre Beziehungen zu Israel im Rahmen des "Euro-Mediterranean Association Agreement" aufzuwerten.

Daraus folgt für das Tribunal die Aufforderung an die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten, es nicht länger bei Erklärungen des Bedauerns und der Ablehnung einschlägiger israelischer Maßnahmen zu belassen. Solche Äußerungen seien nicht mehr als ein erster Schritt, Israel zur Einhaltung seiner Verpflichtungen zu drängen. Bis zu ihrer Einhaltung laufe das bisherige Verhalten auf die rechtswidrige Unterstützung der israelischen Politik hinaus. Denn es sei unvorstellbar, dass sich Europa der genannten Verletzungen nicht bewusst sei.

Unter den Empfehlungen des Tribunals sticht die Aufforderung an das Europa-Parlament hervor, das Assoziierungsabkommen mit Israel zu suspendieren.

Der Bericht des Russell-Tribunals ist ein weiterer Markstein auf dem Wege zur internationalen Isolierung Israels. Auch wenn man seinen Zuspitzungen nicht in allen Details folgen mag, zumal da die regionalen politischen Kontexte ausgeklammert bleiben, so ist dringend zu wünschen, dass die EU-Mitgliedsstaaten, der Europäische Rat in seiner neuen Struktur, die EU-Kommission und das Europa-Parlament ernsthaft ihre bisherige Politik unter dem Gesichtspunkt einer Erfolgskontrolle Revue passieren lassen.

Es reicht nicht aus, von der Islamischen Widerstandsbewegung die Erfüllung der bekannten drei Forderungen einzuklagen: Verzicht auf Gewalt, Anerkennung Israels und Zustimmung zu unterschriebenen Verträgen und Vereinbarungen. Auch die israelische Politik muss es sich gefallen lassen, an der Einhaltung des internationalen Rechts gemessen zu werden, zumal, da sie nicht müde wird, Sanktionen gegen Irans Achmadinedjad zu verlangen.

Ein Repräsentant der israelischen Gruppe "Breaking the Silence", der ehemals in Hebron stationierte 27jährige religiös-orthodoxe Yehuda Shaul, hat in diesen Tagen gegenüber der Deutschen Welle darum gebeten, ihn vor Gericht zu stellen. Denn er habe im "Militärdienst so viele Untaten begangen, dass ich dafür eigentlich für Jahrzehnte ins Gefängnis müsste". (...)

Reiner Bernstein, München

Raute

DEBATTEN IN DER DKP

Redaktion offen-siv: Es geht an's Eingemachte - die Debatten in der DKP spitzen sich zu

Über die sehr hitzigen Debatten um das so genannte "Papier der 84" haben wir bereits berichtet, ihren Charakter analysiert. Doch diese Debatte ist inzwischen Vergangenheit, wurde abgelöst durch eine Debatte um ein Grundsatzpapier des Sekretariats des Parteivorstands, die faktisch zu einer Debatte um grundlegende Positionierungen, Strategien und Orientierungen der DKP geworden ist. Die Mehrheit des Parteivorstandes hat das so beschlossen und mit diesem Beschluss zugleich auf eine ideologische Konferenz im Frühjahr des nächsten Jahres orientiert, wo dieses Papier wohl festgeklopft werden soll - vielleicht mit höchstens kosmetischen und/oder einigen stilistischen Änderungen.

Dieses Papier des DKP-Sekretariats stellt alle Grundpositionen einer kommunistischen Partei in Frage und verleiht deshalb dem revisionistischen Entwicklungsweg der DKP eine qualitativ höhere Stufe, von der es unter den derzeitigen Bedingungen und bei realistischer Betrachtung der realen Kräfteverhältnisse in der DKP dann kaum noch einen Weg zurück geben wird, wenn es nicht gelingen sollte, dieses Papier komplett zurückzuweisen. Man kann es nicht verbessern, sondern nur von A bis Z ablehnen!

Dieses Papier ist zugleich der handfeste Beweis für die Illusion von der "Einheit der Gegensätze" (Hans Heinz Holz), denn es beweist die strategische Unmöglichkeit einer friedlichen Koexistenz zwischen Revisionisten und Marxisten-Leninisten in der kommunistischen Partei, zumal wenn erstere über den Parteiapparat verfügen und in der Lage sind, sich immer wieder Mehrheiten zu organisieren. Und besonders leicht haben sie es, wenn ihre marxistisch-leninistischen parteiinternen Opponenten über keine einheitliche Strategie und Taktik verfügen und glauben, immer neue "Kompromisse" aus taktischen Erwägungen heraus eingehen und damit Stück für Stück den Verlust der eigenen Identität hinnehmen zu müssen.

Wir dokumentieren an dieser Stelle zwei Stellungnahmen (nachzulesen neben anderen unter: www.kommunisten.de, Rubrik: "Debatte") aus der DKP, die das Papier des Sekretariats von marxistisch-leninistischen Positionen aus kritisieren.

Redaktion offen-siv


DKP-Leipzig:

Uns haben die bisherige Diskussionen um die weitere programmatische Orientierung unserer Partei stellenweise arg irritiert. Für einige von uns war es zunächst unverständlich, warum in nicht wenigen Stellungnahmen mit dem Vorwurf des Revisionismus und ähnlichen Anschuldigungen operiert wurde. Nicht weniger unverständlich war aber auch die Art und Weise, in der seitens des Gen. Stehr reagiert wurde. Unsere Sorge war und ist: Wenn sich dieser Stil des Umgangs miteinander fortsetzt, wird es zu einer Selbstdemontage unserer Partei kommen. Wer sich derart zofft ist nur noch mit sich selbst beschäftigt, kann nicht in der Lage sein, auf die drängenden politischen Herausforderungen unserer Zeit zu reagieren.

Jetzt haben wir mit nicht geringerer Aufmerksamkeit die vom Parteivorstand erarbeiteten 'Politischen Thesen des 19. Parteitages der DKP' zur Kenntnis genommen. Wie damit Voraussetzungen geschaffen werden sollen, "das während der Jahreshauptversammlungen, Kreis- und Bezirkskonferenzen der Parteitag gründlich vorbereitet werden kann", bleibt schon an sich aber nun umso rätselhafter, weil zwischenzeitlich mitgeteilt wurde, dass das alles auf 2011 vertagt werden soll.

Dass es auch in unserer Partei notwendig ist, die Programmdiskussion fortzusetzen ist eine banale Selbstverständlichkeit. Dies umso mehr, weil das derzeit beschlossene Programm kein in sich geschlossenes Ganzes darstellt. Viel eher reflektiert dies nicht nur den unterschiedlichen Schreibstil verschiedener Autoren, sondern auch den Zustand unserer Partei. Trotz dieser Mängel ist dieses Programm im Vergleich mit allen anderen kommunistischen und sozialistischen Parteien (so weit vorhanden) das derzeit beste.

Dass es sinnvoll ist, in Vorbereitung einer programmatischen Debatte, Thesen zu erarbeiten halten wir durchaus für richtig. Aber das, was da vorliegt, sind Bruchstücke von Artikeln aber keine Thesen. Als Modell sollten die 11 Marxschen Thesen zu Feuerbach dienen. Das ist keine kurze, präzise Darstellung der wichtigsten programmatischen Schwerpunkte, auf die sich unsere Partei orientieren sollte. Dieser Text ist für die Mehrzahl derjenigen, die das lesen sollen, schon deshalb eine Zumutung, weil viel zu lang, abschweifend und nicht geeignet, um irgendwen dazu zu bringen, sich ernsthaft mit den Zielstellungen unserer Partei zu beschäftigen. Dass da schon ganz andere diese Meinung hatten geht aus folgendem Zitat hervor: "ein Programm muss kurze Thesen geben, die keine überflüssigen Worte enthalten, und die Erläuterungen Kommentare, Broschüren der Agitation usw. überlassen." (LW Bd 6. S.46)

Aber die für uns eigentlich ausschlaggebenden Gründe der Ablehnung dieses Papiers sind inhaltlicher Art.

Wer es in der gegenwärtigen Situation für angebracht hält, die programmatische Diskussion unter das Zitat aus der deutschen Ideologie stellt, muss sich fragen lassen, was das soll: Hier kann man gleich Bernsteins Ausspruch aus dem Jahre 1899 nehmen: "Das, was man gemeinhin Endziel des Sozialismus nennt, ist für mich nichts, die Bewegung alles.." Als Anregung zum Nachdenken: 1902 schrieb ein gewisser Uljanow denen, die in der damaligen Situation Marx Satz zitierten: "Jeder Schritt wirklicher Bewegung ist wichtiger als ein Dutzend Programme" in ihr 'Stammbuch': "Diese Worte in einer Zeit der theoretischen Zerfahrenheit wiederholen ist dasselbe, als wolle man beim Anblick eines Leichenbegängnisses ausrufen: 'Mögen euch immer so glückliche Tage beschieden sein!'" (LW Bd. 5. S.379)

Was hier vorgelegt und ursprünglich zum Beschluss des nächsten Parteitages erhoben werden sollte, liegt deutlich unterhalb des Niveaus der Linkspartei. Wir haben die Entwicklung dieser Partei aus eigener Erfahrung äußerst aufmerksam verfolgt. Viele von uns waren Mitglieder der PDS und wir wissen, wohin die Linie führt, die in den jetzt hier vorliegenden Thesen beschrieben wurde. Unsere Parteidisziplin, unser Gewissen, unser im Verlaufe mehrerer Jahrzehnte angeeigneter Klassenstandpunkt, die Erfahrungen unseres Lebens gestatten uns nicht, tatenlos zuzusehen, wie hinter dem Vorhang, Verteidiger der Partei zu sein, ihr marxistisch und klassenmäßig begründeter Charakter, ihr Wesen und ihre daraus folgende Politik einer Revision unterzogen werden sollen, die weg von Marx, Engels und Lenin führt.

Was wir, was unsere Partei jetzt dringender denn je braucht, ist eine inhaltliche Neubesinnung, die als Programm des Handelns, der Orientierung und Mobilisierung der von der Krise des Kapitals in ihrer Existenz bedrohten Massen verstanden werden kann. Das, was hier vorliegt ist nicht nur unausgereift, sondern ein Gemisch aus halbherzigen Versatzstücken kommunistischer resp. sozialistischer Herkunft, das derzeitig gängige Redewendungen der Massenmedien und regierungsoffizielle Selbstdarstellungen ebenso in sich einschließt, wie prinzipienlose Anpassung an reformistische Positionen. Wenn das als die Richtung angesehen wird, die Heinz Stehr meint, wenn er unterstellt, dass sich erst noch entscheiden müsse, 'ob jeder diesen Weg mitgehen kann', dann ist nicht mehr zu fragen wo das hingehen soll. Wenn wir uns angesichts der dramatischen Zuspitzung der Widersprüche des nach dem Scheitern der Frühphase des Sozialismus übrig gebliebenen und von seiner scheinbaren Allmacht geradezu trunken und hemmungslos gewordenen Kapitals in diesem Stile mit uns selbst beschäftigen, wird das kein Mensch verstehen.

Unterschiede zum Programm finden sich schon in der Gliederung der Thesen. Was hier als 'Weg aus der Krise: Der Mensch geht vor Profit - den Kapitalismus überwinden' dargestellt wird, wird u.a. mit der Frage eingeleitet, ob 'unsere Losungen zu wenig radikal sind'. Genau hier liegt das Problem: Wie kann man sich ernsthaft mit dem 'Charakter der Krise' beschäftigen, wenn das dafür ursächliche Wesen des Kapitalismus außen vor bleibt?

Nur folgerichtig ist es dann, wenn bei der Charakterisierung dieser Krise regierungsoffizielle Sprachregelungen übernommen werden. Denn es geht gar nicht um die 'Verstaatlichung wichtiger Teile des Bankensystems', sondern um Verstaatlichung der Verluste, die bei Hedgefonds, Derivaten und anderen kriminellen Spekulationen angefallen sind. Gewinne und 'Boni' die die dafür Verantwortlichen kassiert haben, werden davon nicht berührt. Die Rolle der Weltwährung, d.h. des US-$, bei der Umverteilung des weltweit erarbeiteten Reichtums, die darüber laufende Finanzierung des Terrors der US-amerikanischen und NATO-Kriege - alles das wird mit keinem Wort erwähnt.

Die Passagen zur EU hinterlassen bei unvoreingenommenem Lesen den Eindruck pflichtgemäßen Räsonierens. Hier wird nicht analysiert, welche neuen resp. anderen Kampfbedingungen für die kommunistischen Parteien Europas damit verbunden sind. Folgerichtig wird auch nur über die Art und Weise unseres Mitwirkens in der Europäischen Linken gesprochen. Wo bleibt die Suche nach einem organisierten Zusammenwirken der kommunistischen Parteien Europas? Wie kann unsere internationalistische Verantwortung für die Nutzung dieser Chancen wahrgenommen werden? Wie kommen wir mit anderen kommunistischen Parteien und Gruppierungen in unserem Lande zusammen? An der Basis gibt es viel mehr Gemeinsamkeiten als zwischen den leitenden Gremien! Wie lange soll dieser Zustand noch andauern? Warum und mit welchem Recht wird die Zusammenarbeit mit der kommunistischen Initiative behindert und diskriminiert?

Dieses Papier kann nicht überarbeitet werden. Die darin vertretene Linie läuft auf eine Selbstdemontage hinaus. Wir verweigern diesen Thesen unsere Zustimmung. Aus der mit dieser Kritik übernommenen Verantwortung leiten wir für uns die Verpflichtung ab, in Fortsetzung des schon zum vorangehenden Parteitages eingereichten Antrages unserer Parteigruppe einen Entwurf für ein programmatische Orientierung unserer Partei zu erarbeiten.

Wir verlangen, dass die mit diesen Thesen fortgesetzte und neu ausgelöste Diskussion um die politische Grundorientierung der DKP zum Gegenstand der Diskussion auf dem XIX. Parteitag gemacht wird. Ferner fordern wir von dem von uns gewählten Vorstand, dass dieses Schreiben allen Mitgliedern des Parteivorstandes, der Zentralen Revisionskommission und den Vorsitzenden und Sprecher/innen der Bezirke zugestellt wird.

DKP Leipzig

Raute

Patrik Köbele: Eine Revision von Grundfragen kommunistischer Identität

Vorbemerkung:

Das Sekretariat des Parteivorstands der DKP hat einen Entwurf von "Politischen Thesen des 19. Parteitags der DKP" in den Parteivorstand eingebracht. Der Parteivorstand veröffentlicht diese Thesen als Thesen des Sekretariats. Wobei es nach den Informationen, die ich auf zwei Auswertungen dieser PV-Tagung erhielt, in der Diskussion eine mehrheitliche Zustimmung der PV-Mitglieder zu den Inhalten dieser Thesen gab. Der Parteivorstand beschloss, offensichtlich auch im Ergebnis der starken Kritik aus der Partei, diese Thesen nicht als Antrag an den Parteitag zu stellen. Das ist gut. Trotzdem sollen sie Grundlage einer Parteidiskussion sein.

Sie stellen in der jetzt vorliegenden Fassung also mindestens die Meinung des Sekretariats des Parteivorstands dar.


Meine Stellungnahme dazu ist:

Dieser Entwurf revidiert wesentliche Grundfragen kommunistischer Identität. Warum ich dieser Meinung bin, begründe ich im Folgenden:

Dieser Entwurf kündigt damit den Konsens auf, der bislang auf dem Boden des mehrheitlich beschlossenen Parteiprogramms besteht. Dies gilt auch für die Fragen, in denen das Parteiprogramm Formulierungen enthält, die einen Kompromiss zwischen unterschiedlichen, in der Partei existierenden Standpunkten darstellen.

Dieser Entwurf muss auch als Kampfansage an diejenigen Kräfte in der DKP verstanden werden, die eine solche Revision nicht mittragen. Dies verdeutlicht auch das Interview mit Heinz Stehr in der UZ vom 8. Januar 2010. Heinz Stehr zum Charakter des Dokuments: "Das sind Thesen zu verschiedenen politischen Problemen, zu aktuellen und perspektivischen Aufgaben, zu ideologisch-politischen Herausforderungen und zur Aufgabe der DKP, auch zur Frage des Verhältnisses der DKP zu anderen gesellschaftlichen Kräften." Er macht deutlich, dass es ein programmatisches Dokument ist. Um an anderer Stelle zu formulieren: "Ob jeder diesen Weg mitgehen kann, wird sich dann entscheiden. Aber es geht jetzt darum, dass wir für kollektiv und mehrheitlich richtig erachtete Positionen auch entsprechende Mehrheiten finden, die Partei in diese Richtung auch formieren und organisieren, (...)". Deutlicher kann man eine Kampfansage nicht formulieren. Wo sehe ich die Revision wesentlicher Grundfragen unserer kommunistischen Identität?

Dieser Eindruck wird durch das Interview von Leo Mayer im Ergebnis der Tagung des Parteivorstands, veröffentlicht auf www.kommunisten.de, noch verstärkt.


Imperialismus

Wörter, wie imperialistische Aggression bzw. imperialistische Unterdrückung tauchen zwar (noch?) auf, die Kennzeichnung von Staaten, z.B. Deutschland, als imperialistisch unterbleibt. Imperialismus wird bestenfalls noch moralisierend, im bürgerlichen, nicht aber im Leninschen Sinne, als höchstes Stadium des Kapitalismus, gebraucht. Die Leninsche Imperialismusanalyse wird über Bord geworfen. Selbst angesichts aktueller Tendenzen, die das Gegenteil beweisen, lebt der kollektive Imperialismus inhaltlich wieder auf: "Im koordinierten Vorgehen der Zentralbanken und in der Abstimmung der vielfältigen nationalen Konjunkturprogramme zeigt sich - bei allen Widersprüchen - eine gewachsene (!) Internationale Kooperation, (...)", (S.8) "dabei handelt es sich nicht um die Rückkehr zu staatmonopolistischen Regulierungsformen zurückliegender Jahrzehnte." (S.6) Um was es sich handelt, wird dann nicht gesagt, aber statt Imperialismus heißt es nun: "Der globale Kapitalismus - als ein gesellschaftliches Verhältnis" (S.6).

Dass es dabei zu ganz merkwürdigen Aussagen kommt, wie "In dem Sechseck - USA, Europa, China, Russland, Indien, Japan - werden die globalen Machtverhältnisse neu justiert", (S.7) (bürgerliche Ökonomen würden hier sicher von der EU sprechen und noch Brasilien benennen), kann noch als Schludrigkeit durchgehen, dass aber "die Hauptkonkurrenten bei der Herausbildung eines neuen Kräfteverhältnisses die USA und China sind," (und) "um die herum die Hauptlinien von Konflikt, wie auch von Kooperation verlaufen" (S.7) ist zwar eine interessante These, hat aber mit Leninscher Analyse nichts zu tun.


Rolle und Bedeutung der Arbeiterklasse

Nachdem viel Merkwürdiges über die Entwicklung der Klasse gesagt wird, wie z.B.: "Im Unterschied zu früheren Phasen kapitalistischer Entwicklung ist heute die prekäre Beschäftigung nicht mehr Ausdruck der Rückständigkeit, sondern Ausdruck der Modernität des Kapitalismus." (S.13) oder "Der moderne Kapitalismus hat die soziale Basis der Arbeiterbewegung zersetzt und aufgelöst" (S.14), wird dann im letzten Teil die Katze aus dem Sack gelassen: "der Sozialismus wird nicht nur das Werk der Arbeiterklasse sein, sondern das gemeinsame Projekt von gleichberechtigten unterschiedlichen sozialen und weltanschaulichen - im weitesten Sinn emanzipatorischen - Kräften." (Unterstreichung P.K. S.18). Die Arbeiterklasse, (im Bündnis mit anderen, bei Avantgarderolle der Arbeiterklasse) wird als revolutionäres Subjekt über Bord geworfen.


Sozialismus

Was in diesen Thesen über den Sozialismus, der in Europa durch die Konterrevolution zerschlagen wurde, ausgesagt wird, ist weder solidarisch, noch differenziert, sondern besserwisserisch negativ. Da wundert es dann auch nicht, wenn der kommende Sozialismus kleinbürgerlich - moralisierend als rosarotes Wolkenkuckuksheim dargestellt wird. "In ihrem partizipativen demokratischen Charakter, und nicht in der puren Fähigkeit etwas zu erzwingen, liegt für die revolutionäre Macht die Garantie (!), auch angesichts einer sich restaurierenden Konterrevolution zu überleben." (S.23) Das ist nicht nur ein Skandal angesichts der Opfer von Konterrevolutionen, z.B. in Chile, das ist bürgerlich durch und durch. Bei Sätzen wie "deshalb kann es für die DKP nur einen demokratischen Weg zum Sozialismus geben", (S.23) fragt man sich natürlich, ob die bisherigen Wege undemokratisch waren. Wenn diese Demokratie dann aber illusionär und klassenneutral als "mit der vollständigen Achtung des Willens der Mehrheit, der Anerkennung unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Positionen in der Gesellschaft, der Entwicklung der individuellen und kollektiven Freiheiten und Menschenrechte, der Achtung der Autonomie der Gewerkschaften und Bewegungen" (S.23) übersetzt wird, dann ist dies eindeutig ein Bruch mit unseren bisherigen Aussagen.


Rolle und Bedeutung der Kommunistischen Partei

Wie nicht anders zu erwarten kulminieren diese Revisionen kommunistischer Identität dann in der Beschreibung von Rolle und Bedeutung der kommunistischen Partei.

Analysierten wir den Feminismus bislang noch als (klein-)bürgerliche Ideologie in der Frauenbewegung, so sind wir heute eine Partei, die "feministische Fragen (...) in ihrer Gesamtheit aufnimmt." (S.24) Vielleicht eine Kleinigkeit oder aber die Schaffung der Kompatibilität zu Europäischen Linkspartei.

Die Hauptaufgabe der KP, die Formierung der Klasse von einer "Klasse an sich" zu einer "Klasse für sich", das dafür notwendige Hineintragen von sozialistischem Klassenbewusstsein, wird schlicht negiert: "Die Erfahrungen zeigen, dass Klassenbewusstsein nicht durch eine Praxis entsteht, die mit dem vereinfachten Bild vom "Hineintragen des Bewusstseins" umschrieben werden kann. Dahinter steht eine viel komplexere und kompliziertere Aufgabe marxistischer Theorie und der Partei. Diese besteht nicht in erster Linie in einer platten "ideologischen Aufklärung", deren Inhalte von vorneherein feststehend sind und die man also annehmen kann oder auch nicht, sondern in der Kommunikation und Systematisierung von unterschiedlichen Erfahrungen und Wissen." (S.21) Eine klare Absage an ein marxistisch-leninistisches Parteikonzept.

Die Rolle der Partei wird vorwiegend dadurch bestimmt, was sie angeblich nicht ist bzw. sein darf, um am Ende eigentlich gar keine Rolle mehr zu haben. Zumindest keine kommunistische. Kostproben: "Die DKP und die Idee des Kommunismus gewinnen Ausstrahlung durch den Geist der Demokratie, der Kultur, der Humanität, der Solidarität, den die Partei ausstrahlt. Die DKP ist und will ein Raum des Dialogs, des Lernens und der Solidarität sein - eine Partei der GenossInnen, die die vielfältigen Diskriminierungen, die das Leben im Kapitalismus prägen, nicht reproduziert." Oder "Der Kommunismus als Bewegung (...) ist eine der bedeutendsten Komponenten im langen Kampf der arbeitenden Menschen." (S.18) Dass diese bedeutende Komponente natürlich nicht um Hegemonie kämpfen darf ist klar: "Die Hegemonie des Kommunismus in der Arbeiterklasse und in den Bewegungen kann also nicht die Voraussetzung für die Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse sein. Sondern wir haben zu prüfen, welchen Beitrag unser Ansatz als KommunistInnen in diesem Prozess erbringen kann, damit und in dem die arbeitende Klasse selbst ihre Zukunft gestaltet." (S.18)

Möglicherweise beinhaltet dieser Ansatz ja, dass wir den Reformismus oder reaktionäre Positionen dazu bringen, sich nach einer Prüfung selbst zu verwerfen - kommunistisch ist er jedenfalls nicht.

Es verwundert nicht, dass die Weltanschauung des Marxismus-Leninismus in diesem Dokument nur als eine dogmatischen Form vorkommt, die sich von vielen neuen abgekapselt hätte. (S.25)

Dieses, in den Thesen dargestellte Parteikonzept ist revisionistisch. Dass der Gebrauch des Worts "Revisionismus" darum mit einem Bannstrahl belegt wird, verwundert ebenfalls nicht (S.25).

Konsequent soll dann festgeschrieben werden, "dass es unter den gegenwärtigen Bedingungen offensichtlich bei Wahlen auf Landes-, Bundes- und Europaebene gegenwärtig keinen wahlpolitisch relevanten Raum für die DKP gibt." (S.12)

Diese parlamentaristische Herangehensweise an Wahlen wird auch nicht besser durch die Feststellung dass "jedoch auch Situationen vorstellbar sind, in denen es sinnvoll und möglich erscheint, diese Prozesse durch eine eigene Kandidatur - ungeachtet des zu erwartenden Ergebnisses - zu befördern" (S.12).

Faktisch wird in diesem Papier die Partei zu einer Denkfabrik, die in Bewegungen mitschwimmt - das ist der Abschied von der kommunistischen Partei.

Und wer diesen Weg nicht mitgeht, dem wird in These 11 (Seite 24) klar gemacht, dass er die "freiwillige Disziplin" der Partei verlässt, denn der "Zusammenhalt der Partei (...) setzt die notwendige Disziplin und Loyalität (!) zur Partei voraus." Alles andere "sind Elemente der Desintegration der Partei." (S.24)

Werden diese Thesen die inhaltliche Basis der DKP, dann kann und werde ich auf dieser Basis keine Disziplin entwickeln, denn es ist nicht mehr die inhaltliche Basis der DKP, der kommunistischen Partei, in die ich vor 32 Jahren eingetreten bin.

Patrik Köbele

Raute

FERNSTUDIUM

Frank Flegel: Bericht vom Startseminar des 3. Durchgangs unseres marxistisch-leninistischen Fernstudiums

Am Sonnabend, den 20. und Sonntag, den 21. März 2010 fand in Hannover das Startseminar des dritten Durchgangs unseres Fernstudiums statt.

42 Teilnehmer/innen waren nach Hannover gekommen, zwei Drittel davon sehr junge Menschen. So sind manche noch Schüler, manche sind in der Ausbildung, einige haben gerade ein Studium begonnen, viele sind unorganisiert, diejenigen, die organisiert sind, verteilen sich auf die SDAJ, die Rote Hilfe, die DKP, Solid, Die Linke, FDJ, mehrere waren oder sind Schülervertreter auf kommunaler oder Landesebene.

Das Besondere dieses dritten Durchgangs unseres Fernstudiums war, dass wir gleichzeitig mit einer Teamerausbildung begonnen haben. Neuen Genossinnen und Genossen aus dem vorherigen Durchgang des Fernstudiums haben sich dazu entschlossen, selbst Teamer für das offen-siv-Fernstudium werden zu wollen, also nicht nur die Inhalte zu lernen, sondern sich auch mit den Fragen der Vermittlung, der Didaktik und Methodik zu beschäftigen. Dazu hatten wir Ende Februar mit diesen neun Teamerkandidaten bereits ein Seminar durchgeführt, bei dem wir Aufteilungen auf die beiden Bereiche Politik und Ökonomie des Fernstudiums vorgenommen haben, festgelegt haben, welche Theoriebausteine unsere "Auszubildenden" selbstständig übernehmen und welche neuen methodischen Möglichkeiten wir nutzen können. So war es jetzt beim Startseminar z.B. möglich, nach der zentralen Theorievermittlung Kleingruppen als Vertiefungsseminare unter Leitung unserer Teamerkandidaten anzubieten. Als für die Ausbildung besonders wertvoll stellte sich die Struktur des Fernstudiums heraus, nämlich die Tatsache, dass man als Teamer den Stoff bei jedem Wochenendseminar nacheinander an zwei Gruppen vermittelt (am ersten Tag hat die Gruppe A Ökonomie und die Gruppe B Politik, am nächsten Tag umgekehrt). Dadurch ist es für unsere Teamerkandidaten möglich geworden, Hinweise und Verbesserungstipps am zweiten Tag sofort umzusetzen und auszuprobieren.

Nachdem es beim Startseminar zunächst um die philosophischen und wissenschaftstheoretischen Grundlagen ging, waren im ökonomischen Teil die Analyse der Ware, des Geldes, der Warenzirkulation und die Entwicklung des allgemeinen Begriffs des Kapitals Thema, während im politischen Teil die Klassen, der Klassenkampf, die daraus entstehenden Bewusstseinsformen und die Notwendigkeit der Partei diskutiert wurden. Zusätzlich gab es einen kurzen Überblick über die Geschichte der Gesellschaftsformationen - und zum Abschluss, am frühen Sonntag-Nachmittag, kam Kurt Gossweiler zu uns ins Seminar. Er hat es sich trotz seines hohen Alters von 92 Jahren nicht nehmen lassen, unseren neuen Fernstudenten/innen seine Erfahrungen über Lernen und Kämpfen zu vermitteln. Die Aufmerksamkeit unserer jungen Leute war unbeschreiblich, egal, ob er von seinen Forschungsarbeiten zur Faschismusanalyse, über seinen politischen Werdegang angefangen von der illegalen antifaschistischen Arbeit als Schüler im faschistischen Deutschland, sein Überlaufen zur Roten Armee, seine Arbeit an der sowjetischen Antifa-Schule berichtete, oder ob er seine Arbeit in und für die DDR und seine antirevisionistischen Forschungen darstellte. Wir danken Kurt Gossweiler an dieser Stelle nochmals ganz herzlich dafür, die Strapaze dieser Reise zu unseren Fernstudenten/innen auf sich genommen zu haben - und wir danken ebenso ganz herzlich dem Genossen Henry Focke dafür, Kurt von Berlin nach Hannover und dann wieder von Hannover nach Berlin gefahren zu haben.

Inzwischen haben die Fernstudenten/innen ein internes Internet-Forum für Fragen, Diskussionen, Erklärungen usw. eingerichtet, in NRW ist ein erstes Zwischentreffen anberaumt, in der Schlussreflektion des Startseminars wurde angeregt, auch dreitägige Seminare oder vielleicht gar zwischendurch einen Wochenlehrgang ins Auge zu fassen - also: es ist Energie vorhanden, Freunde am Lernen und von uns die notwendige Klarheit. Das werden gute eineinhalb Jahre werden.

Frank Flegel, Hannover

Raute

AUS DER LESER/INNEN-POST

Gerhard Naumann: Zur "Neujahrsbotschaft" von Irene Eckert

1. Sie gibt einen guten Überblick über die wesentlichen aktuellen politischen Probleme und Prozesse.

2. Das "Gespenst des Kommunismus" darf nicht mit dem Streben von Ländern nach der "zukünftigen kommunistischen Gesellschaftsordnung" gleichgesetzt werden.

a. wie zu Marxens Zeiten wird das Gespenst zur Panikmache benutzt,

b. dem Gespenst wird heute verleumderisch ein bösartiger Inhalt unterstellt (DDR = Diktatur etc.)

c. es hat noch nie einen kommunistischen Staat, geschweige denn Gesellschaftsordnung gegeben und niemand kann sich das heute als Ziel stellen. Wer begriffen werden will, muß sich auch exakte, wissenschaftlich begründete Begriffe angewöhnen. (Das sind keine "Denksportaufgaben"!) Z.B. gebraucht sie den geschichtsfälschenden Begriff "Wiedervereinigung".

Stimmt es, daß 1956 die meisten kommunistischen Parteien "umgekippt" sind und wieso nach 1956? Die meisten sind m.E. erst in den achtziger und neunziger Jahren, außer China, umgekippt. Und nicht nur wenige konnten sich davor eine "Massenbasis sichern".

Es stimmt, daß die Abwendung vom ML die meisten KP von innen heraus von der Massenbasis trennte und daß sie oft nicht nur bedeutungslos wurden, sondern sich in sozialdemokratischer Manier dem bourgeoisen Zeitgeist unterordneten, also keine KP mehr waren. Die Autorin übersieht aber, daß mindestens zur Hälfte dafür der äußere Einfluß, hineingetragener Opportunismus und Revisionismus als Waffe des Kalten Krieges gesorgt hat.

Und daran sind nicht nur Chrustschow und der CIA-Agent Gorbatschow schuld, sondern auch westliche kommunistische Führer und Theoretiker, die auch bis heute noch in die gleiche Richtung wirken. Auch in diesem Sinne wirkt der Kalte Krieg weiter als Waffe gegen alles, was nicht den US-amerikanischen Weltherrschaftsansprüchen und ihren Gefolgsleuten dient. Diese Prozesse dürfen nicht auf "Geschichtsrevisionismus" reduziert werden. Die "Lähmung der Widerstandskraft der Völker" ist nicht nur daraus zu erklären, sie ist ein Ergebnis des Klassenkampfes insgesamt.

Vor die "Beteiligung ... der Großmacht Deutschland ... (an) zerstörerischen Kriegen" ist die USA zu setzen. Irene Eckert macht ja Deutschland größer als unsere gegenwärtigen Herrscher. Schon vor der "Wiedervereinigung" haben die USA über 280 Kriege verbrochen. Selbst mit den Mitteln, daß einstige Freunde später als Feinde in der Terrorbekämpfung gehandelt wurden (Iran, Irak, Afghanistan, Taliban). Übrigens war Deutschland nicht erst 1991, sondern bereits 3 Tage nach dem Annageln der DDR am Golfkrieg der USA beteiligt (30 Milliarden Dollar).

3. Zwingend richtig, daß "wer ... eine neue Welt errichten will, ... die geschichtlichen Tatsachen begreifen (muß)" und in wessen "Interesse und mit welchen Methoden die Geschichte ... umdefiniert" wird. Wer hinter allem das Klasseninteresse entdecken will, muß sich erstmal als Teil seiner Klasse verstehen. Und genau das wird heute auch, und wieder, mithilfe von sogenannten Linken, zugeschüttet. Den Rest besorgt die materiell aufgetürmte Existenzangst. Wer die heutigen Prozesse so versteht, kann sich auch die vielgestellte Frage beantworten, warum fast ein ganzes Volk einem faschistischen Verbrecherregime nachgelaufen ist. Und das, als kurz vorher noch eine kampfstarke KP mit Massenbasis existierte. Die Frage ist heute gleichgestellt, mit dem Nachteil, daß es z.Zt. keine solche Partei gibt und nächstens auch nicht in Aussicht ist. Entweder sie kommt und macht es besser, oder Deutschland geht wieder den faschistischen Weg ins endgültige Aus. (Das große Karthago führte drei Kriege ...)

4. Die zwei deutschen Staaten sind nicht im "Ergebnis der Kräfteverhältnisse zwischen den einstigen Alliierten" entstanden. Diese Formulierung suggeriert, daß "die Alliierten" Deutschland gespalten haben, und das stimmt nicht. Die SU wollte ein einheitliches Deutschland in den in Potsdam festgelegten Grenzen und hat dazu in den Folgejahren zusammen mit der DDR 110 Vorschläge unterbreitet, darunter mit sehr großem Entgegenkommen, das heutzutage sogar von Linken teilweise als Aufgabe der DDR durch die UdSSR verurteilt wird. Alle Vorschläge wurden von den westlichen Alliierten, die da schon keine mehr waren, zurückgewiesen und mit gegenteiligen Forderungen beantwortet. Im Gegenteil, der kalte Krieg, der schon im heißen entstand, wurde verstärkt. (Reden von Churchill, Truman und Byrnes 1946/47). Die USA und Großbritannien wollten bereits in Potsdam die Zersplitterung des deutschen Konkurrenten. Das scheiterte an Stalins Widerstand.

5. Die Feststellung: "Noch war man sich in beiden Deutschlands im Volke einig: von deutschem Boden sollte nie wieder Krieg ausgehen" ist leicht übertrieben. Die massenhaft verbreitet Meinung nach den fürchterlichen Erfahrungen war: Nie wieder Krieg! Und selbst Adenauer rief demagogisch: wer jemals wieder ein Gewehr in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfaulen! Sprachs, spaltete mithilfe der USA Deutschland und forcierte die Wiederaufrüstung.

Es stimmt, daß im Westen wie im Osten unter der großen Mehrheit der Bevölkerung eine schockierte Antikriegsstimmung herrschte. Sie wurde im Osten von der sowjetischen Besatzungsmacht, den Gewerkschaften (bereits 1945 gegründet!, im Westen 1949) und der SED sowie der anderen demokratischen Parteien und Massenorganisationen in eine breite Friedensbewegung kanalisiert. Im Westen wurde sie, wie richtig von I.E. festgestellt, weitgehend niedergemacht und die Kriegsverbrecher behütet, manche sogar wieder an die Macht gehievt (Globke, Gehlen, Filbinger). Sogar die im Ergebnis der Volksbefragung auch in Hessen verlangte Enteignung der Kriegsverbrecher wurde von den USA auf Verlangen Adenauers verhindert. In Sachsen und Thüringen wurde das Verlangen von fast 70 % der Wähler strikt erfüllt. Übrigens waren diese Volksbefragungen die einzigen freien Wahlen, die es nach dem Krieg in beiden Teilen Deutschlands gegeben hat.

Die Losung: "Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen" verbreitete sich erst mit dem zwiespältigen Grundlagenvertrag zwischen der DDR und der BRD, der einen Fortschritt markierte, aber mit dem Zugeständnis der 'Reisefreiheit' und der von der SED eingeräumten möglichen 'Friedfertigkeit' des Kapitalismus schlimm behaftet war.

Starke Friedensbewegungen gab es in Ost wie in West. Aber in Ost wurde sie vom Staat gewollt und gefördert, in West das Gegenteil. Was den Westmächten an Friedenszugeständnissen abgerungen werden konnte, geht zuerst auf das Konto der DDR und der SU. Das herausragendste Zeichen dafür ist, daß die DDR nie Krieg geführt hat und die BRD es sich nicht traute, solange die DDR existierte. Dazu hat die "innerdeutsche Grenze", die wesentlich Grenze zwischen zwei feindlichen Militärpakten war, entscheidend beigetragen.

Aber drei Tage danach 'traute' sich die jetzige BRD, nicht erst "zehn Jahre nach dem Fall der innerdeutschen Grenze". Wenn I.E. in dieser Zeit an die Linken eine Botschaft richtet, dann sollte sie die westorientierte Einseitigkeit überwinden. Aber das haben selbst manche marxistischen Theoretiker aus dem Westen noch nicht geschafft.

6. Die Formulierung "Deutschland" hat sich "zum dritten Mal in diesem Jahrhundert an der unprovozierten Bombardierung von Belgrad" (beteiligt), liegt auch unter dem Tatbestand. Es muß heißen: der deutsche Imperialismus (von den USA und der CDU wieder an die Macht gehoben) hat dreimal im vergangenen Jahrhundert gegen Serbien einen Aggressionskrieg geführt. Politische und tatkräftige Helfershelfer waren Schröder, Fischer und Genscher. Die dürfen daher wie ihre konzern- und bankbossischen Hintermänner mit ruhigem Gewissen als Kriegsverbrecher bezeichnet werden. Von ihnen besteht eine klare Fortsetzungslinie zu Merkel und Guttenberg. Wie Hitler, Bush und Obama zaubern sie völkerrechtliche Begründungen und Friedfertigkeiten herbei, um völkermordende Kriege in aller Welt 'völkerrechtlich' zu führen, bzw., wie Merkel gegenüber Iran, mit großkotzigen Drohungen aufzuwarten. Angeblich im Auftrag der Gemeinschaft der Völker und der Europäischen Gemeinschaft. Wie diese 'Gemeinschaft' in einem vereinten Europa im Kapitalismus aussieht, hat Lenin schon 1920 charakterisiert. Der Lissaboner Vertrag bestätigt ihn voll und ganz. Griechenland ist das aktuellste Opfer.

In den Abschnitt mit der "lähmenden Wirkung" sogenannter Friedensbewegungen (Friko) gehört unbedingt, und das noch davor, Israel hinein. Wer gegen die kriegsverbrecherischen Aktionen dieses Staates auftritt, wird des Antisemitismus' beschuldigt. Eine Schande, daß das sogar bis in führende Kreise der Partei Die Linke hineinreicht. Damit wird in ihre erklärte Anitkriegshaltung und Forderung nach Abzug der Bundeswehr aus dem Ausland eine Kerbe geschlagen, und sie wird unglaubwürdig.

7. Angesichts der kaltkriegerischen Stalinismushetze sollte I.E unbedingt sagen, wo bei Brecht dieser Ausdruck "verdienter Mörder des Volkes" steht. Den Antikommunisten ist zuzutrauen, daß sie auch diesen Begriff untergeschoben haben, wie z.B. den Ausdruck 'Molotowcocktail' für Terrorsprengsätze. Die müßten eigentlich Dullescocktails heißen, weil vom CIA der Terrorismus erfunden und zuerst ausgeführt worden ist. Molotow hat sich nur entsprechend gewehrt.

'Stalinismus' ist eine Hauptwaffe zur Spaltung linker Organisationen und Bestrebungen und zur totalen Irreführung der Massen geworden. In diesen Topf wird nicht nur der 'Mörder Stalin' geworfen, sondern auch alle politischen Organisationsformen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Zustände und Strategien, die den Profitzielen des Kapitals entgegenstehen. ('kommunistische' Regimes sind des Bösen, SED-Diktatur, Unrechtsstaat DDR, Parteistrukturen etc).

Den von I.E. dargelegten Verdienste Stalins ist zuzustimmen, auch daß es im Westen wie in der DDR einige Kommunisten (Lehrer und Theoretiker) gab und gibt, die im Grunde dem antikommunistischen Mainstream folgten. Inwieweit das von der "kommunistischen Zentrale" (DKP?) vorgegeben ist, kann ich nicht beurteilen. Und den Begriff "Geschichtsdeutung" könnte die Autorin ruhig durch Geschichtsfälschung ersetzen.

Trotzdem scheint mir die Beurteilung Stalins durch I.E zu undifferenziert. Er hat Kommunisten umbringen, einsperren oder von ihren Funktionen entfernen lassen, die unschuldig waren. Er war mißtrauisch gegen alle, die eine andere Meinung hatten. Das hat leider dazu beigetragen, daß diese antikommunistische Hetze auf fruchtbaren Boden fiel und seine dem überwiegende Verdienste (Schreibweise wie im Original; d.Red.) ins Gegenteil verwandelt wurden. (Stalin hat mit Hitler zusammen Polen ausradiert, die Deutschen sind die eigentlichen Opfer des Krieges etc.) Vergessen darf man auch nicht, daß bei allen Verdiensten Stalins die Leistungen letztlich von den Völkern der Sowjetunion und der KPdSU gebracht wurden, wegen Stalins Verdiensten und trotz seiner Fehler.

8. China hat keinen "Stalinkurs" befolgt. Das liegt aber nicht daran, daß sie, die Chinesen, "als alte Kulturnation einfach mehr Respekt vor den Alten" hatten oder haben. Hat man in Rußland und in der SU keinen Respekt vor den Alten gehabt und sind die keine "Kulturnation"? Es könnte ja sein, daß die Chinesen nach der selbstgemachten Katastrophe der Kulturrevolution das hatten, was der SU und der DDR gefehlt hat: Pragmatismus, und zwar auf der Grundlage marxistischer Theorie. Pragmatismus hatte Lenin schon entworfen, als er in das rückständige Rußland kontrolliert Kapitalismus hereinließ. Das machen die Chinesen jetzt auch. Und sie haben natürlich Probleme damit, neben ihren gewaltigen Fortschritten, weil im Fortschreiten immer neue Probleme entstehen. Sie haben damit zu kämpfen, die Chinesen, aber sie wissen, wohin sie wollen und wie es von Etappe zu Etappe zu machen ist. Das bahnt sich auch in Bolivien und Venezuela an, wenn auch unter ganz anderen Voraussetzungen und Bedingungen. Darin liegt das Geheimnis, das hoffen läßt: Marxismus-Leninismus kennen, um ihn auf die konkreten Verhältnisse anzuwenden. Wir (in der DDR) haben immer nur von schöpferischer Anwendung gesprochen, sie aber nicht vollzogen. Warum dabei sich "mit dem Phänomen Trotzki" befassen? Das wäre nur Ballast.

Dieser Pragmatismus ist auch nötig, wenn man 'die Massen' mobilisieren will, die mit Lügen und Ideologien überschüttet werden, die ihren Interessen entgegenstehen. Und die Jugend wird zu ihrem "individuellen Glücksstreben" ganz materiell und medial hingelenkt. Dieses 'Glücksstreben' ist blinde Auswegsuche und Irreführung.

Richtig dabei, daß die Kraft, die das will, die "Aneignung der Geschichte des Sozialismus" vollbringen "und die Ursachen seines vorübergehenden Scheiterns" erkennen muß. Nicht die erlogenen Ursachen, mit denen sich sogar die führenden Leute der Partei Die Linke ihren im Kern gesunden Ast absägen, sondern die wirklichen. (Jüngstes Beispiel: die Rezension Gysis zum Buch von Friedrich Wolff: 'Verlorene Prozesse ...', in der er voll den Anordnungen Kinkels von 1991 an die Bundesdeutsche Justiz zur Delegitimierung der DDR und der SED folgt). Diese Kraft muß mit der beweiskräftigen Agitation gegen die Zustände beginnen, die heute die Mehrheit der Bevölkerung bedrohen. Davon wieder die Mehrheit hat gar nicht erkannt, daß die gesamte Politik gegen ihre Interessen gemacht wird. Die beste Beweiskraft haben dabei die Argumente, die mit dem sozialistischen Vorbild der DDR die heutigen Zustände vergleichen und damit entlarven. Eigentlich hätten wir es, weil dieses aktive Erleben gehabt, jetzt damit leichter als die in Bolivien und Venezuela, aber wir sind weit hinter ihnen.

Gerhard Naumann, Berlin

Raute

Dieter Hillebrenner: Lieber Klaus, lieber Frank!

Gesandt an:
"RotFuchs", Klaus Steiniger, Berlin;
"offen-siv", Frank Flegel, Hannover.

Das Folgende ist ein Leserbrief. Sein Anlass sind Franks Beiträge "Erlebnisse mit kommunistischen und linken Organisationen während der letzten sechs Monate" ("offen-siv"-Heft 7/2009) und "Über die Angst" ("offen-siv" Heft 1/2010). Den Gegenstand meines Briefes bildet das darin zum Ausdruck kommende Problem - das Verhältnis zwischen beiden Zeitschriften. Es beunruhigt mich seit Jahren, erfüllt mich angesichts der Krisensituation im Lande und der fortschreitenden Militarisierung der Gesellschaft mit wachsender Sorge, und es hat mich durch seine Zuspitzung persönlich erreicht. Denn ich bin "RotFuchs-Aktivist" (Klaus bezeichnete mich so im Glückwunsch zum 75. Geburtstag) und bekennender "offen-siv"-Sympathisant (meine Wertung).

"RotFuchs" und "offen-siv" lernte ich in dieser Reihenfolge vor Jahren kennen und im Verlauf der Zeit auch schätzen. Beide schienen sich gegenseitig zu ergänzen. So mein Eindruck. Hier die Vielfalt der politischen Themen mit der großartigen Möglichkeit, einem breiten Leserkreis insbesondere die historischen Leistungen des realen Sozialismus überzeugend zu vermitteln. Dort die theoretische Bearbeitung grundlegender Probleme und anstehender Fragen. Gemeinsam - trotz des begrenzten Potentials - eine beachtliche Kraft bei der Analyse unserer Niederlage, für die Zusammenführung von Kommunisten und in der ideologischen Auseinandersetzung. Meine Auffassung wurde durch die Konferenzen bestätigt, die zum 50. Jahrestag der DDR und ein Jahr später zum Imperialismus und den antiimperialistischen Kämpfen im 21. Jahrhundert stattfanden. Der Gedanke der Gemeinsamkeit beider Zeitschriften war mir auch in einem anderen Zusammenhang gegenwärtig. Zum 75. Geburtstag (2003) von Peter Hacks entstand eine Festschrift mit 36 Beiträgen. Die Autoren, darunter ihr beide, kamen überein, ihr aus dem Verkauf der Festschrift erworbenes Honorar zu gleichen Teilen den Zeitschriften "Rotfuchs" und "offen-siv" zukommen zu lassen. Das war ganz im Sinne von Hacks, der beide Zeitschriften auf vielfältige Weise unterstützte und ihren "Chefs" hohe Anerkennung zollte: "Steiniger ist nicht Lenin, aber ich bewundere die Besonnenheit und Behutsamkeit seiner Schritte", sagte er im Zusammenhang mit Erwägungen einer KP-Gründung. Lobend sprach er von "Flegels Konferenz" (1999). Frank nannte er in einem Atemzug mit Hans Heinz Holz als "seltene Männer" in der westdeutschen kommunistischen Bewegung. Und er legte großen Wert darauf, zu den Gründungsmitgliedern des Herausgebergremiums von "offen-siv" zu gehören.

Das alles ist leider längst Vergangenheit. Ich bemerkte, wie sich "RotFuchs" und "offen-siv" nach 2003 sogar bei Jubiläen hervorragender Persönlichkeiten aus dem Weg gingen. Die Festschrift zum 90. Geburtstag (2007) von Kurt Gossweiler enthält keinen Gruß vom "RotFuchs", die Festschrift zum 90. Geburtstag (2010) von Heinz Keßler ist ohne Glückwunsch von "offen-siv". Es kam nicht wieder zu einer gemeinsamen Veranstaltung. Zum 60. Jahrestag der DDR lud "offen-siv" zur Konferenz "... und der Zukunft zugewandt" ein. "RotFuchs" schlug die Einladung zu einer gemeinsamen Konferenz mit der Begründung aus, eine eigene Veranstaltung durchzuführen. Die negativen Folgen für die Arbeit vor Ort ließen nicht lange auf sich warten. Aus der Konferenz "... und der Zukunft zugewandt" machten "RotFüchse" eine Konferenz der "Kommunistische Initiative" (KI) und aus der Zeitschrift "offen-siv" die "Ideologiezeitung der KI". Zu den Folgen gehört die "Bearbeitung" von Franks Einladung zur "offen-siv"-Konferenz an das "Kommunistische Aktionsbündnis Dresden" ("KAD" - es hat drei Sprecher - alle drei "RotFüchse" - und einen "Koordinierungsrat").

Frank beschreibt in seinem Beitrag im Heft 7/09 im Hinblick auf das KAD nur die "Methode" des Vorgehens der dafür Verantwortlichen. Es war insgesamt - wie ich es erst nach Einsicht in den gesamten Briefwechsel verspätet mitbekam - viel beschämender. Auch um mich machten die Folgen keinen Bogen (aber das ist bereits ein neues Thema).

Die entstandene Situation kann ich mir nur zum Teil aus verletzten Eitelkeiten, Altersstarrsinn, Konkurrenzdenken, Anspruch auf ein Wahrheitsmonopol oder allerlei andere gegenseitige Vorwürfe, auch Verdächtigungen aus den "Führungsetagen" beider Zeitschriften erklären. Aus meiner "Froschperspektive" reflektiert das gespannte Verhältnis tief greifende Probleme, die über beide Zeitschriften hinausgehen. Ich frage mich, gibt es unter den Kommunisten / am Marxismus orientierten Linken in der BRD nicht ein bis heute ungelöstes Ost-West-Problem, das objektiv und subjektiv in den über 40-jährigen unterschiedlichen Kampfbedingungen und damit unterschiedlichen Kampferfahrungen (Lebensleistungen) wurzelt? In den beiden deutschen Staaten mussten die Kommunisten auf qualitativ unterschiedlichen Ebenen den Klassenkampf gegen den gemeinsamen Feind führen.

In der DDR war dieser Kampf staatlich organisiert. Er besaß im Blickfeld einer Bevölkerungsmehrheit eine vorrangig internationale, eine äußere Dimension: Friedenssicherung und Solidarität. Seine "erlebbare Wirklichkeit" (Hans Heinz Holz) war auch für die Mehrzahl der über zwei Millionen SED-Mitglieder im Alltag nicht gegenwärtig. Die Losung: "Mein Arbeitsplatz - mein Kampf für den Frieden" sollte helfen, die Dimensionen zu erfassen. Doch die Losung verkam infolge unserer formalen politisch-ideologischen Arbeit und anderer Mängel, auch Missstände, Schritt für Schritt. Wirklich erlebbar war der Klassenkampf im Innern nur für einige Zehntausend: An vorderster Front die Mitarbeiter der Staatssicherheit. Der Charakter ihrer Tätigkeit erlaubte - außer in einigen wenigen Fällen - keine Aufklärung der Bevölkerung über diesen Kampf und die Härte, mit der er geführt werden musste. Die Folgen dieses von der Konterrevolution zielstrebig genutzten Umstandes sind hinreichend bekannt.

Im Unterschied zur DDR war der Klassenkampf für die etwa 40.000 organisierten Kommunisten in der BRD alltäglich erlebte individuelle Anforderung und Auseinandersetzung, Berufsverbote, Illegalität, Verfolgungen und Einkerkerungen konnten ihre Treue zum Sozialismus, ihr Bekenntnis zur Sowjetunion und zur Verteidigung der DDR nicht brechen. Ihnen wurde eine Haltung abverlangt, von der Hunderttausende SED-Mitglieder keine rechte Vorstellung hatten. Vergessen wir nicht, dass im Unterschied zur SED-Führung die Genossen der DKP die These von der "Friedensfähigkeit des Imperialismus" strikt ablehnten! Der Sieg der Konterrevolution, die Selbstaufgabe der SED, die Flucht von mehr als zwei Millionen SED-Mitgliedern in die Anonymität und die Millionen (Noch)-DDR-Bürger im Wettlauf zum "Begrüßungsgeld" musste für westdeutsche Kommunisten ein Schock sein, der ihr Bild von der DDR trübte.

Doch zu diesen subjektiven Sachverhalten kommt ein objektiver hinzu: Die Klassenkampferfahrungen der Kommunisten in der BRD (außerparlamentarisch, im Betrieb, in den Gewerkschaften) wurden plötzlich für die verbliebenen Kommunisten im Anschlussgebiet von großer aktueller Bedeutung. Diese Aufwertung von Klassenkampferfahrungen westdeutscher Kommunisten stand die Entwertung der Erfahrungen der ehemals Macht ausübenden Kommunisten der DDR gegenüber. Ihre Erfahrungen waren für den aktuellen Kampf wertlos (ich erlebte es bis 2003 als Beschäftigter in einem 900-Mann-Betrieb, der 1990 in Sachsen entstand). Vor allem durch diesen Sachverhalt (der durch die nach 1990 erlebten politischen Strafverfolgungen, sozialpolitische Willkür, Demütigungen u.a. noch verstärkt wurde) sahen ostdeutsche Kommunisten ihre Lebensleistung durch ihre westdeutschen Kampfgenossen gering geschätzt.

Vor diesem Hintergrund vollzog sich die Ende der 90er Jahre geführte Kontroverse im DKP-Parteivorstand und mit der Gruppe Berlin-Nordost. Klaus und Bruni erlebten sie als Akteure, ich als UZ-Leser. Die Klarstellung der Bedeutung der DDR als größte Errungenschaft der deutschen Arbeiterbewegung war nicht schlechthin eine Art "Befreiungsschlag". Es ist eine Einschätzung, der eine konsequent dialektische, historisch-materialistische Beurteilung zugrunde liegt. Diese Einschätzung wurde von herausragender Bedeutung nicht nur für die Auseinandersetzung. Diese Leistung ist und bleibt mit dem Namen "Steiniger" verbunden. Sie wurde von Klaus wie ein Pfahl in den Boden gerammt. Sie wurde für Kommunisten zum Kriterium politischer Standortbestimmung, anerkannt von "RotFuchs" und "offen-siv", DKP und KPD, KPD(B) und KI u.a.

So weit, so gut. Denn die Anerkennung dieser Wahrheit schloss zumindest zwei Überlegungen ein. Die historische Bedeutung der DDR anerkannte eine numerisch bedeutungslose und politisch einflusslose Minderheit in der BRD, die selbst zerstritten war und ist. Von Ausschlag gebender Bedeutung wurde deshalb, wie mit dieser Erkenntnis umgegangen wird. Sie war zunächst eine Art geistiger Sammelpunkt für Gedemütigte und Verunsicherte im Osten! Sie kann beruhigen und aufrütteln, man kann sich darin "einigeln" und gegenseitig auf die Schultern klopfen, man kann sie als Aufbruch verstehen und danach handeln. Von ihr geht auch eine Gefahr der "Ost-Zentrierung" aus, die dem Kampf um die Einheit der Kommunisten abträglich ist. Es gab und gibt also zahlreiche Möglichkeiten ihrer Nutzung.

Die "Flegel"-Konferenz 1999 zeigte den für Kommunisten folgerichtigen und somit notwendigen Umgang mit dieser Erkenntnis. In der "RotFuchs"-Dezemberausgabe 1999 schrieb Genossin Annemarie Mühlefeldt: "Was hindert uns eigentlich daran, Zusammenkünfte dieser Art zu wiederholen? Dabei kann es nicht darum gehen, zweifellos noch bestehende Unterschiede in der Bewertung ideologischer und politischer Fragen zu überspielen. Wir sollten vielmehr jene Felder bestimmen, auf denen wir verhältnismäßig problemlos gemeinsam auftreten können. Letztlich geht es darum, wieder zu einer einflussreichen Kraft unter den Linken in Deutschland zu werden, wovon wir gegenwärtig noch weit entfernt sind."

Der "RotFuchs" war somit nicht nur auf-, sondern herausgefordert, den nächsten Schritt im Gleichschritt zu vollziehen. Das hieß die zielstrebige Mitarbeit an der Niederlagenanalyse, an der andere bereits seit Jahren intensiv arbeiteten und beachtliche Ergebnisse vorgelegt hatten. Ist mein Eindruck falsch, dass der "RotFuchs" mit Zeitverzug, zögerlich und halbherzig sich dieser Aufgabe stellte? Wirkten jetzt nicht die o.a. Probleme mit den unterschiedlichen Klassenkampferfahrungen in recht eigentümlicher Weise nach, die sich auch in unterschiedlichen Auffassungen zum Gegenstand der Niederlagenanalyse und den Hauptursachen unserer Niederlage offenbarten? Warum kam es beim "RotFuchs" in diesem Zusammenhang zu einer Art "intellektuellem Aderlass"? Als ich in einer Diskussion mit hiesigen "RotFüchsen" die Meinung vertrat, wir müssen weiter an den Ursachen unserer Niederlage arbeiten, wurde mir entgegnet: "Ja keine neue Fehlerdiskussion angesichts der massiven ideologischen Angriffe des Gegners" (Dieses Argument hatte ich vor mehr als 20 Jahren in der DDR zu Genüge gehört).

Jetzt wurde mir erst klar, dass mancher "RotFuchs" die Niederlagenanalyse auf Fehlersuche reduzierte, was zu verheerenden Folgen führen musste. Niederlagenanalyse ist für mich Analyse von Erfahrungen unterschiedlicher Qualität (K. Steinitz): Wir benötigen die positiven und aufhebenswerten Erfahrungen; es geht um Fehler, Entstellungen und defizitäre Entwicklungen; letztlich brauchen wir Kenntnis über widersprüchliche Ergebnisse und Erfahrungen. In einer Fehlersuche finden wir keine Antwort auf die Frage, warum sich der Sozialismus sieben Jahrzehnte in der Sowjetunion und vier Jahrzehnte auf deutschem Boden unter schwierigsten Bedingungen behaupten konnte. Eine Fehlersuche läuft am Erkenntnisgewinn vorbei. Aber dieser Erkenntnisgewinn ist es ja gerade, der unsere Position in der Auseinandersetzung stärkt. Vor allem ist der Erkenntnisgewinn das Kostbarste, was wir "Großväter" unseren "Enkeln", die es besser richten sollen, übergeben können.

Bereits bei der Niederlagenanalyse sollte sich zeigen, dass "RotFuchs" und "offen-siv" nicht zum "Gleichschritt" fanden. Bei der nunmehr anstehenden Erarbeitung von Schlussfolgerungen aus der Niederlagenanalyse wurden gravierende Unterschiede und auch Gegensätze deutlich, die meine Vorstellungen vom gleichen Schritt und Tritt in Träumereien auflösten. Die zum 60. Jahrestag der DDR durchgeführten Konferenzen beider Zeitschriften geben darüber Aufschluss.

"offen-siv" veranstaltete eine zweitägige, wissenschaftliche Konferenz mit internationaler Beteiligung. Bereits der Titel: "... und der Zukunft zugewandt" machte die Blickrichtung deutlich. Die "offen-siv"-Konferenz blieb nicht bei einer grundlegenden DDR-Würdigung stehen. Indem sie auf die Zukunft verwies, wandte sie sich der Jugend zu, der die Zukunft gehört. Die Begründung und Vorstellung der Kommunistischen Initiative (KI) wurde zur wichtigsten Schlussfolgerung aus der Niederlagenanalyse für die weitere Arbeit. Es bedurfte keines besonderen Hinweises. Die Konferenzteilnehmer sahen mit eigenen Augen, dass die Entwicklung der KI mit einem Generationswechsel einhergeht. Ein außerordentlicher Anspruch an alle Beteiligten, an "Alte" und "Junge". (Hier liegt aus meiner Sicht die größte der uns bevorstehenden Anforderungen. Auf die bereits existierenden Widerstände hat Frank verwiesen.) Erinnern wir uns Lenins Hinweis, dass sich die Jugend zwangsläufig auf anderen Wegen dem Sozialismus nähert, nicht auf dem Weg, nicht in der Form, nicht in der Situation wie ihre Väter und Großväter. Der DDR-Aufbau-Generation, uns "Alten", war der Weg buchstäblich freigekämpft durch die Befreiung des deutschen Volkes vom Faschismus. Wir verfügten über das Beispiel des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion. Es existierte ein völlig verändertes Kräfteverhältnis in der Welt, geschaffen durch den Augstieg der Sowjetunion zur zweiten Weltmacht. Was findet die heutige Jugend - sofern sie sich überhaupt sozialistisch orientiert - vor? Benötigt sie nicht Kenntnisse, die weit über die der "Alten" hinausgehen? Fragen über Fragen.

Eine Bemerkung zum Charakter der Konferenz sei angefügt. Die Konferenzteilnehmer mussten zwei Tage geistig angestrengt arbeiten. Ihre Mitarbeit war gefordert. Es gab Zeit zur Diskussion und Gelegenheit zu Nachfragen. Wer wirklich etwas über die KI erfahren wollte, hier bekam er eine (vorläufige) Antwort. Wer immer im Nachhinein diese Konferenz zu disqualifizieren versucht, indem er behauptet, es wäre eine KI-Konferenz gewesen, der stellt sich selbst ein Bein. In Pausengesprächen lernte ich drei Konferenzteilnehmer kennen, die aus ihrer Organisiertheit kein Hehl machten: KPD-Funktionär, DKP-Funktionär und Vorsitzender einer "RotFuchs"-Regionalgruppe. Aus den Gesprächen entnahm ich, dass sie nichts von Abgrenzung oder Ausgrenzung hielten. Ihnen ging es um die Gemeinsamkeiten. Und sie wollten mehr über die KI erfahren, so wie ich. Das alles stimmte mich optimistisch. Viele Denkanstöße nahm ich mit nach Hause.

An der "RotFuchs"-Konferenz konnte ich nicht teilnehmen. Mir blieb das Redeskript in der im Internet veröffentlichten Fassung. Ich las es sechs mal, weil ich nicht glauben wollte, dass "RotFuchs" zum 60. Jahrestag der DDR eine Gedenkveranstaltung konzipiert hatte, die sich mit dem Blick zurück begnügte. Damit nicht genug. Mit dem Blick auf die DDR geriet der real existierende europäische Sozialismus an den Rand des Blickfeldes. Sonderbare, unverständliche Thesen musste ich lesen. Anerkannte Ergebnisse der Niederlagenanalyse fanden keinen Eingang in die Rede zum 60. Jahrestag der DDR. Man fragt sich unwillkürlich: warum ging die DDR unter, aber Cuba existiert noch? Nach dem grob skizzierten Bild der SED stellte ich mir die Frage, warum wir 20 Jahre nach unserer Niederlage immer noch keine schlagkräftige kommunistische Partei haben. Insgesamt spürte ich als Leser zuviel Wehmut der Erinnerung an vergangene Errungenschaften. Der "Blick zurück" blieb nicht ohne Folgen: Inmitten der schwersten Krise, in der die marxistisch orientierten Kräfte so schwach wie noch nie in Krisenzeiten sind, finde ich im Referat keinen Gedanke dazu und keine Schlussfolgerungen. Es ist einfach nicht zu fassen, dass die Jugend überhaupt keine Erwähnung findet. Die junge Generation, die durch unsere Niederlage, die ideologischen Verhältnisse und ihre eigenen sozialen Erfahrungen über ihre Lebensperspektive tief verunsichert ist, entgeht der Aufmerksamkeit der "Rot-Füchse". Sind es nicht unsere Enkel, die Jugendlichen zwischen 20 und 25 Jahren, deren Armutsrisiko fünf mal höher ist als das der über 65-Jährigen im Osten, die Jugendlichen, die nur wählen können zwischen Hartz-IV und Afghanistan-Einsatz mit der Bundeswehr?

Ich komme ins Grübeln. Wie ist so etwas möglich? Warum dieses völlig unterschiedliche Herangehen an die Würdigung des 60. Jahrestages der DDR? Warum bleibt der "RotFuchs" auf halbem Wege stehen? Gibt es einen Zusammenhang mit der Niederlagenanalyse? Ist es Ausdruck eines Generationsproblems im Osten, wie es im Westen so nicht existiert?

Mein Blick ist auf jene Generation gerichtet, die ihre Sozialisation nach der Niederlage des europäischen Sozialismus hat. In den alten Bundesländern sind die gesellschaftlichen Verhältnisse für Jung und Alt die gleichen geblieben, es ist die kapitalistische Gesellschaft. Im Osten hingegen gab es nur für die "Alten" einen gesellschaftlichen Umbruch, der seinesgleichen sucht. Wurde er nicht verkraftet? Für die "Jungen" hingegen gab es keinen gesellschaftlichen Umbruch. Sie erleben den Kapitalismus im wesentlichen von Anbeginn. Für die "Alten" ist die DDR ihre Lebensleistung. Damit kann die junge Generation nichts anfangen, zumal die DDR nicht mehr existiert. Die Ratschläge und Erfahrungen der "Alten" werden für sie fragwürdig. Ein politisch interessierter junger Erwachsener meinte nach dem Lesen des "RotFuchs": "Das ist etwas für DDR-Rentner. Wir haben andere Sorgen und Probleme." Können wir so eine Auffassung einfach mit einer Handbewegung abtun bzw. nicht beachten? Viele Jugendliche haben Fragen, die wir "Alten" nicht beantworten können. Auch deshalb geht unter "RotFüchsen" die Angst um. Und diese Angst potenziert sich, wenn sich "diese Jugend" in das Zusammenführen von Kommunisten einmischen will und dazu die Initiative ergreift.

Lieber Klaus, lieber Frank!

Offenheit gegen Offenheit lautet einer meiner Grundsätze. Ich halte nichts von "Breitseite schießen" und "Schießen aus verdeckter Feuerstellung" unter Gleichgesinnten (Beide sind Schießverfahren, gehören also zum Militärischen). Auch ist mir das Lesen zwischen den Zeilen zuwider. Deshalb dieser Leserbrief. Ich habe meine Sorgen und einige Überlegungen vorgetragen. Die Widerspruchsentwicklung zwischen beiden Zeitschriften ist jetzt objektiv und subjektiv mit der Entwicklung der KI verknüpft. Das betrifft die Widerspruchslösung wie die Widerspruchsverschärfung. Es ist deshalb mein Wille, mit meinen bescheidenen Möglichkeiten die uns nachfolgende Generation bei ihrem, bei unserem gewaltigen Vorhaben zu unterstützen, Kommunisten zusammenzuführen. Was wir zwei Jahrzehnte nicht vermochten, soll jetzt auf andere Art und Weise gelingen. Der erneute Anlauf kann ebenso misslingen. Doch zunächst heißt es für mich in meinem Dresdener Aktionsradius: Alle Kräfte zur Unterstützung der Kommunistischen Initiative!

Ich verbleibe in Verbundenheit mit beiden Zeitschriften,

Euer Dieter Hillebrenner

Raute

RECHENSCHAFTSBERICHTE 2009

Frank Flegel: Politischer Rechenschaftsbericht der Zeitschrift offen-siv für 2009

Wir gingen in das Jahr 2009 mit dem gerade veröffentlichten Aufruf der Kommunistischen Initiative.

Aus Kreisen der DKP, des RotFuchs und von kommunisten-online.de kam sofortige Ablehnung. Zwar hatten wir damit gerechnet, dass es nicht ganz einfach würde und viele Diskussionen bevorstehen würden, dass wir aber sofort als geheimdienstgesteuerte Spalter dargestellt wurden, überraschte uns in dieser Heftigkeit doch ein wenig.

Trotz der Abwehr dieser Kräfte entstand aber ein unsere Erwartungen weit übertreffendes Interesse an der Kommunistischen Initiative.

Zur Jahreswende 2008/2009 war unser Buch "Unter Feuer" erschienen, das wir ja u.a. als Zuarbeit für die KKE angelegt hatten und bei unserer Veranstaltung zum 60. Jahrestag der Gründung der DDR offiziell der griechischen Delegation überreichen konnten. Im ersten Halbjahr 2009 fand "Unter Feuer" einen erfreulich großen Absatz, wir brachten mehr als 1000 Exemplare unter die Leute, was u.a. auch dazu führte, dass diese Buchveröffentlichung keinen finanziellen Schaden hinterließ, sondern sich selbst trug.

Anfang des Jahres führten wir gemeinsam mit der Kommunistischen Initiative in Berlin eine Veranstaltung zu Venezuela durch. Mit dieser Veranstaltung fielen wir hart auf den Boden der Realität. Der Besuch der Veranstaltung und die inhaltliche Qualität blieben hinter unseren Erwartungen zurück. Neben der selbst verantworteten inhaltlichen Schwäche des Referenten zeigte uns diese Veranstaltung, dass unsere Mobilisierungskraft gegen die eben beschriebene Blockadehaltung aus dem Stand heraus bei weitem nicht ausreichend ist.

Diese Erfahrung hatte tief greifende Konsequenzen, denn wir hatten selbstverständlich vor, zum 60. Jahrestag der Gründung der DDR eine würdige Veranstaltung durchzuführen. Wir diskutierten zwei Monate lang, ob wir eine solche Veranstaltung tatsächlich würden stemmen könnten oder ob wir uns dem Druck der Blockade und der üblen Nachrede vielleicht nicht gewachsen zeigen würden, also letztendlich vor einem leeren Saal säßen.

Erst die große internationale Resonanz auf unsere Anfragen und die Idee, die Veranstaltung mit einem über Voranmeldungen definierten Publikum durchzuführen, führten dazu, dass wir im Herausgebergremium unserer Zeitschrift den Beschluss zur Durchführung fassten. Das war, wie sich dann im Oktober zeigte, sehr gut so.

Gleichzeitig lief der zweite Durchgang unseres Fernstudiums weiter und dort entwickelten sich unter den Fernstudenten/innen Überlegungen zur Schaffung eines über das Fernstudium hinausgehenden weiteren Zusammenhangs zu Theorie- und Forschungsarbeit. Konkret ging es um die Bereiche Imperialismus der BRD, zyklische und allgemeine Krise des Kapitalismus und Geschichte der KPdSU. Die Projekte sind langfristig angelegt (z.B. Geschichte der KPdSU auf fünf Jahre), die Arbeitsgruppe zum BRD-Imperialismus hat als erste die Arbeit aufgenommen.

Ein zweiter Schwerpunkt dieser Diskussionen war die Frage nach einer Regionalisierung des Fernstudiums, also einer Qualifizierung jetziger Fernstudenten/innen zu Anleitern/innen in den Regionen. Und drittens hatten unsere Fernstudenten ein großes Interesse an der Kommunistischen Initiative.

Im Frühjahr und Sommer des Jahres 2009 besuchten wir mehrmals das Sekretariat des ZK der KPD, um über Kooperationen zu diskutieren. Zwischenzeitlich entwickelte sich das Ganze sehr positiv, es gab Planungen, die geplante DDR-Konferenz gemeinsam zu veranstalten, eine gemeinsame Broschüre zur Epochebestimmung herauszugeben und ein Mitglied des Sekretariats der KPD mit Stimmrecht ins Herausgebergremium der offen-siv aufzunehmen. Realisiert wurde von all dem nichts, weil man sich in der Führung der KPD offensichtlich dafür entschied, dem Druck von DKP und RotFuchs nachzugeben. So wurden erst die Umsetzungen der Beschlüsse verschleppt und schließlich ein Anlass im Themenbereich des Antifaschismus dazu benutzt, aus der beschlossenen Unterstützung der DDR-Veranstaltung auszusteigen - inklusive Kündigung der gesamten Zusammenarbeit und des verabredeten Referates über die Weltfestspiele der Jugend in Berlin.

Unser Herausgebergremium beschloss im Sommer 2009, eine Forschungsarbeit über die DKP in die Wege zu leiten, deren Resultate wir wahrscheinlich Ende des Jahres 2010 werden veröffentlichen können.

Im Oktober dann fand unsere DDR-Konferenz statt. Sie war ein großer Erfolg, und dies sowohl inhaltlich als auch organisatorisch, sowohl, was die Beteiligung aus dem Inland, als auch, was die Beteiligung aus dem Ausland anging. Rund 150 Genossinnen und Genossen waren anwesend, sie hielten zwei Tage mit großem Interesse und hoher Konzentration durch, was sicherlich auch an der sehr aufmerksamen und konstruktiven Atmosphäre lag - und an unserer Konzeption: wir wollten nicht nur zurückschauen, sondern auch nach vorn. So hieß das Ganze denn auch "Und der Zukunft zugewandt". Inzwischen ist das Buch mit den Beiträgen der Konferenz erschienen, die Nachfrage übersteigt unsere Erwartungen.

Im November fand das Abschlussseminar des zweiten Durchgangs unseres Fernstudiums statt. In dessen Resultat erklärten neun Genossen/innen, dass sie sich zu Teamern unseres Fernstudiums ausbilden lassen wollen, d.h. dass sie den dritten Durchgang als "Auszubildende" mitmachen, also ausgewählte Theoriebausteine schon selbst vermitteln, Kleingruppen leiten, zwischendurch in der Teamer-Ausbildungsgruppe Probeläufe durchführen, Vermittlungsprotokolle anlegen usw. Für die Ausbildung der neuen Teamer führen wir zwischen den Seminaren des Fernstudiums gesonderte Teamerseminare durch.

Im Dezember dann nabelte sich die Kommunistische Initiative endgültig von der offen-siv als ihre "Mutter" ab, d.h. das vorläufige, weil vom Herausgebergremium der offen-siv bestimmte Organisationskomitee organisierte den ersten Perspektivkongress der Kommunistischen Initiative, löste sich dann auf und überließ es dem Kongress, ein eigenständiges, vom Perspektivkongress demokratisch legitimiertes Führungsgremium zu wählen(8).

Als kurzes Resumee kann man festhalten, dass das Jahr 2009 für uns vorwärtsweisend und erfolgreich verlaufen ist.

Es ist uns mehr als erwartet gelungen, die verknöcherten Verhältnisse aufzubrechen und zum Tanzen zu bringen. Es ist mehr Klarheit entstanden.

Die Kommunistische Initiative zeigt eine hohe Dynamik.

Wir können zufrieden sein. Aber es kommen nun natürlich neue Aufgaben auf uns zu, größere Aufgaben, vielfältigere und kompliziertere Aufgaben. Diese Herausforderungen anzunehmen sind wir gern bereit.

Frank Flegel, Hannover


Anmerkung

(8) Der Konferenzreader ist zu bestellen unter: www.kommunistische- initiative.de

Raute

Frank Flegel: Verlegerischer Rechenschaftsbericht der Zeitschrift offen-siv für das Jahr 2009

Wir haben die sechs Zweimonatshefte herausgebracht,

Januar-Februar mit
März-April mit
Mai-Juni mit
Juli-August mit
September-Oktober mit
November-Dezember mit
              100 Seiten
              100 Seiten
              116 Seiten
               96 Seiten
               56 Seiten
              136 Seiten

Zwei Sonderhefte sind erschienen:

Das Kompendium des Fernstudiums mit
Der Imperialismus der BRD mit
112 Seiten
108 Seiten

Insgesamt gab es 824 Druckseiten von uns.

In der ersten Hälfte des Jahres gab es einige Abbestellungen wegen unserer konsequenten Haltung zum antiimperialistischen Kampf des fortschrittlichen Teils des politischen Islam. Das muss man hinnehmen, es ist Teil der politischen Klärungsprozesse.

Insgesamt standen in diesem Jahr sieben Kündigungen und drei erloschene Abos wegen des Ablebens der Bezieher 32 neuen Abos gegenüber.

Die Entwicklung ist langsam und mühsam, aber immerhin positiv.

Die Finanzen machen uns Sorgen.

Frank Flegel, Hannover

Raute

Anna C. Heinrich: Finanzieller Rechenschaftsbericht der Zeitschrift offen-siv für das Jahr 2009

Das alles oben Geschilderte haben wir mit einem Spendenaufkommen von 11.198,39 Euro inklusive eines Zuschusses unseres Freundeskreises in Höhe von 2.000 Euro plus Büchereinnahmen von gut 2.100 Euro geschafft.

Nun die Abrechung im Einzelnen:

Einnahmen:
Spendeneinnahmen für unsere Zeit-
schrift inklusive Zuschuss 2.000,00
Euro von unserem Freundeskreis
Erlöse aus den Büchern(9):
Summe Einnahmen:

11.198,39
2.128,20
13.326,59

Ausgaben:
Porto:
Druck:
Büro:
Sonstiges:
Summe Ausgaben:
                  2.779,57
                  6.997,20
                    795,69
                    285,00
                 11.571,46
Saldo Zeitschrift:
                + 1.755,13

Und dann war da noch die Veranstaltung zum 60. Jahrestag der Gründung der DDR:

Einnahmen
aus Eintrittsgelder, Spenden und Standverkäufen:
2.698,00

Ausgaben
für Saalmiete, Konferenztechnik, Versorgung der
Teilnehmer/innen, Versorgung u. Übernachtung
der ausländischen Gäste, sonstiges:


 3.832,04
Saldo DDR-Veranstaltung:
-1.134,04
Gesamtabrechung:
 + 621,19

Das klingt erstmal gar nicht so schlecht.

Was man berücksichtigen muss ist aber, dass wir 2011,- Euro Zuschuss vom Freundeskreis bekommen haben, wofür wir den Mitgliedern unseres Freundeskreises unendlich dankbar sind. Aber das hieß auch, dass wegen der DDR-Veranstaltung vom Freundeskreis nichts anders subventioniert werden konnt (wie z.B. in der Vergangenheit Auslandsreisen einzelner Genossen zu Tagungen, Konferenzen oder anderen wichtigen Zusammenkünften o.ä.).

Was man außerdem berücksichtigen muss ist die Tatsache, dass wir nur acht Hefte gemacht haben, in den Jahren davor waren es immer zehn Hefte gewesen.

Und was man drittens berücksichtigen muss und was uns wirklich Sorgen macht: Unser Spendenaufkommen ist in 2009 im Vergleich zum Jahr 2008 um 20 % gesunken!

Der Beginn des Jahres 2010 brachte hohe Kosten: 4.200,- Euro Druckkosten für 1.200 Exemplare von "Und der Zukunft zugewandt", 1.200,- Euro für sieben Schulungshefte für das Fernstudium in einer Auflage von je 250 Stück, rund 400,- Euro Porto für die Buch- und Heftverschickung und 800,- Euro Postpauschalgebühr für die Teilnahme am Einzelverschickungssystem "Postvertriebsstück". Jetzt sind wir finanziell vollkommen ausgeblutet. Einen Teil der Druck- und Portokosten haben Frank und ich privat übernommen.

Wir bitten Euch um Spenden!

Wir bitten Euch sehr eindringlich um Spenden!!

Ohne Euch sind wir verloren!!!

Konto Frank Flegel, 3090180146 bei der Sparkasse Hannover, BLZ 250 501 80.

Für Überweisungen aus dem Ausland: Konto Frank Flegel,
Internat. Kontonummer (IBAN): DE10 2505 0180 0021 8272 49,
Bankidentifikation (BIC): SPKHDE2HXXX; Kennwort Offensiv.

Anna C. Heinrich, Hannover


Anmerkung

(9) Auferstanden aus Ruinen: 48,00 Euro; Und was war es nun wirklich: 24,00 Euro; Niederlagenanalyse: 125,00 Euro; Unter Feuer: 1.931,20 Euro

Raute

IMPRESSUM

offen-siv, Zeitschrift für Sozialismus und Frieden

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik e.V.

Geschäftsführung, Redaktion, Satz, Herstellung und Schreibbüro:
A. C. Heinrich und F. Flegel
Druck: Lange und Haak, Orsingen-Neuzingen.
Bezugsweise: unentgeltlich, Spende ist erwünscht.

Postadresse: Redaktion Offensiv
Frank Flegel, Egerweg 8, 30559 Hannover
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E-Mail: redaktion@offen-siv.com
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Spendenkonto Inland: Konto Frank Flegel,
30 90 180 146 bei der Sparkasse Hannover, BLZ 250 501 80

Spendenkonto Ausland: Konto Frank Flegel, Internat. Kontonummer.
(IBAN): DE 10 2505 0180 0021 8272 49
Bankidentifikation (BIC): SPKHDE2HXXX; Kennwort Offensiv

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A. Vogt, Telefon: 0351 - 41 79 87 91
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*


Quelle:
Offensiv Nr. 2/2010 - Zeitschrift für Sozialismus und Frieden
Postadresse: Redaktion Offensiv
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Internet: www.offen-siv.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2010