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ROTER BRANDENBURGER/002: Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei - Landesvorstand Brandenburg 2/11


Roter Brandenburger - Februar 2011
Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei - Landesvorstand Brandenburg


9. Januar 2011

Selbstverständlich ist die alljährliche Bekundung unsere Treue zum Vermächtnis Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs ein bedeutendes Ereignis in der Hauptstadt Berlin. Erstens, weil sich Zehntausende Menschen dafür in Bewegung setzen und das regelmäßig. Zweitens, weil es sich um ein eindeutig politisches Geschehen handelt, welches sich gegen die heutigen Zustände der Bundesrepublik und die dafür Schuldigen richtet. Drittens, weil es in einer langen, nachhaltigen und edlen Tradition steht. Und mit dem Gedenken Karls und Rosas bleiben die Millionen Gefolterten und Ermordeten im Bewusstsein und somit, was Imperialismus bedeutet. Viertens schließlich, weil das Ereignis gerade in Berlin stattfindet, mit dessen Rolle im Ersten und im Zweiten Weltkrieg, dann als Frontstadt im Kalten Krieg, als Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik und nun als die dieser explosiven Bundesrepublik Deutschland...

Die Herrschenden bekämpfen das Ereignis einstweilen mit den Mitteln der psychologischen Kriegsführung. Die Tagesschau vermeldete am 9. Juni abends hunderte Teilnehmer. Die RBB-Abendschau nannte Tausende. Die Presse der Linkspartei sprach von 40.000. Eine ganze Nebelwand wurde, gestützt auf eine "unglückliche Formulierung" der Gesine Lötzsch, geschossen. Sofort kritisierten die Gysis, Lederers, Paus und Ramelos ihre Kovorsitzende und gerieten so (vielleicht unbedacht) wieder einmal in eine Paktsituation mit den schwärzesten Figuren der BRD. Wären sie Linke im viel beschworenen Sinn Rosa Luxemburgs, so hätte ihre Reaktion lauten müssen: Wir wollen in Deutschland aus München, dem Geburtsort des Hitlerfaschismus, der ehemaligen "Hauptstadt der (faschistischen) Bewegung", nie wieder Überwachungs- und Verbotsdrohungen gegen linke Parteien hören! Antikommunismus war und ist Kernbestandteil faschistischer Ideologie....

Trotz des Versagens der modernen Sozialdemokraten ging diesmal das Konzept der psychologischen Kriegsführung nach innen nicht auf. Im Gegenteil, es wurde deutlicher, wer wer ist und das ist äußerst wertvoll.

Dennoch führte der Erfolg auch zu einem gefährlichen Irrtum. Mancher bewertete die faschistoiden Selbstentlarvungen als Äußerungen einer nervös werdenden deutschen Oberklasse. Falsch! So sieht der auf weltweite politische, wirtschaftliche, ideologische und militärische Expansion gerichtete aktuelle Kurs der BRD aus. Das geht gerade erst richtig los, bevor die Reformatoren des "demokratischen Imperialismus" überhaupt kapieren, wo sie leben...

Genau gegen diesen Gang der Dinge wandte sich die Demonstration der Tausende durch die Frankfurter Allee zur Gedenkstätte der Sozialisten. Vorweg das breite Spruchband "Liebknecht, Luxemburg, Lenin ... niemand ist vergessen". Gleich daneben das Transparent "Die Lehre von Marx ist richtig ... wir erleben es täglich". Es folgten Gruppen mit den Fahnen der DKP und der Linkspartei. Fahnen der trotzkistischen MLPD, der Anarchisten, der Jugendorganisationen SDAJ, 'solid, Rebell, Falken und FDJ signalisierten deren Beteiligung. Die Symbole der Opfer des Faschismus und des heutigen Kampfes gegen dessen aktuellen Schoß konnten in dieser Demonstration selbstverständlich nicht fehlen. Klar der Internationalismus der Teilnehmer: Die klugen griechischen Kommunisten, die disziplinierten kurdischen und türkischen Genossen, die Freiheitskämpfer aus Palästina, Kolumbien, Venezuela, unsere vietnamesischen Freunde. Längst sind nicht alle genannt.

Bereits seit 9 Uhr und ununterbrochen bis 13 Uhr schritten Zehntausende durch die weit geöffneten Tore der traditionsreichen Gedenkstätte. Meist war das ganze Areal voller Menschen, die die ermordeten Gründer der kommunistischen Partei Deutschlands ehrten. Die Rote Nelke des 1. Mai der Arbeiterklasse hat an diesem Ort längst zusätzliche Bedeutung gewonnen. Sie leuchtet rot zu Fuße des hohen Gedenksteins und an den Gedenktafeln revolutionärer Sozialdemokraten und Sozialisten, der Kommunisten und Antifaschisten, der Kämpfer gegen die Spaltung Deutschlands nach 1945 und der Gründer der Deutschen Demokratischen Republik...

So bitter es ist, der Realismus gebietet auch zu berichten, dass die ganze Gruppe der teilnehmenden Führungspersonen der Linkspartei jener Platte ihre Reverenz erwies, die den "Opfern des Stalinismus" gilt. Mancher von ihnen wird noch die Erfahrung machen: Früher oder später werden der Gedenkstein und jene Platte an diesem Ort nicht mehr vereint sein.

In Brandenburg wurde die Gedenkstätte Ziegenhals im vergangenen Jahr abgerissen, obgleich sie der ersten illegalen Tagung des organisierten Widerstandes im faschistischen Deutschland und deren von den Faschisten ermordeten oder im Kampf umgebrachten Teilnehmern gewidmet war und obgleich in Brandenburg eine "rot-rote" Regierung arbeitet. Die Kämpfer und Getöteten waren eben "nur Kommunisten". Schon vor Jahren wurden in Potsdam der Liebknecht-Luxemburg-Ehrenhain einschließlich der dortigen Bildhauerarbeit sowie das Liebknecht-Mahnmal "Kraft und Flamme der Revolution" abgerissen und eine Ausstellung am historischen Wirkungsort Liebknechts beseitigt. Nichts wird vergessen. Daran erinnerte auch eine kleine "Ziegenhalsausstellung" am 9. Januar 2011 anlässlich der Begegnung Zehntausender Revolutionäre in Deutschlands Hauptstadt.

Redaktion

Raute

Kolumne

Die deutschen Kommunisten standen in der ersten Reihe im Kampf gegen den aufkommenden Faschismus. Als ich in die KPD eintrat, wusste ich, dass die KPD nicht irgendeine politische Kraft ist, sondern die einzige Partei, die beweiskräftig entlarvt, dass der Kapitalismus die Ursache für das millionenfache Leid der Menschheit ist, die Ursache für Ausbeutung und Armut. Ein Gesellschaftssystem, das Millionen Menschenleben der Profitsucht des Kapitals opfert. Diese Partei macht keinen Hehl daraus, dass diese Gesellschaft bekämpft und schließlich überwunden werden muss. Mit dem Ziel, eine neue, eine sozialistische und schließlich kommunistische Gesellschaft zu errichten. Für diesen Kampf, der schwer ist, ist die Partei gerüstet mit den wissenschaftlichen Lehren von Marx, Engels und Lenin und mit den Lehren aus dem bisherigen Verlauf der Klassenkämpfe in der Geschichte.

Hier und heute sind deshalb die Kommunisten gefordert, zusammen mit allen Gutgewillten den Kampf gegen die politischen Zustände, gegen den die ständige Verschlechterung der Lebenslage der arbeitenden Menschen, gegen den Kapitalismus zu führen. Dieser Kampf um Menschenrechte, ist aktueller denn je. Er muss heute ausgetragen werden. Die kommunistische Partei verschweigt nicht schamhaft, dass letztendlich die kapitalistische Gesellschaft überwunden werden muss, dass nur so eine gerechte friedliche Gesellschaft errichtet werden kann. Diese Wahrheit, die noch nicht gleich von allen angenommen wird, muss aber ausgesprochen werden. Und das tut heute die DKP.

Weil aber der Widerstand gegen die imperialistische Politik gegenwärtig wächst, bieten die Herrschenden Geschichtslügen zur Verleumdungen der Kämpfe und Ziele der Arbeiterbewegung auf. Sie vergiften die politische Atmosphäre mit der Entstellung der Geschichte des Sozialismus und mit übelstem Antikommunismus, der in der Gleichsetzung von Sozialismus und Faschismus gipfelt. So neu ist das nicht. Es stand schon an der Wiege der kommunistischen Bewegung, die Bürger mit dem "Gespenst des Kommunismus" zu schrecken. Mit der Entstehung des ersten sozialistischen Staates wurde vor der bolschewistischen Gefahr gewarnt. Heute verteufelt man den Sozialismus als "stalinistisch", mit der Absicht, Sozialismus als Alternative in Frage zu stellen. Dieses Klima macht es nicht leicht für die, die in den Reihen der kommunistischen Partei kämpfen.

Ich habe mich in den vergangen Jahren oft gefragt, warum die DKP im Osten nicht stärker vertreten ist als derzeit. Ich weiß aber, dass es viele aufrechte Genossen gibt, die standhaft geblieben sind und solche, die über anfängliche Schwankungen und Irrungen nach unserer zeitweiligen Niederlage wieder Boden unter den Füßen gefunden haben. Viele von ihnen sind aktiv.

Es fällt manchem heute noch schwer, sich zu dem Entschluss durchzuringen, sich zu organisieren. Ich kann die Bedenken verstehen, diesen Schritt zu tun, im Wissen, dass es auch in der DKP Stimmen gab und sicher noch gibt, die undifferenziert die Fehler der SED und DDR, der Geschichte der SU beurteilen. Ich bin sicher, bei manchem Sympathisanten, manchem heute noch "parteilosen Kommunisten" wird eine solche Entscheidung reifen, wenn wir es verstehen, die Einsicht zu vermitteln, dass eine starke Kommunistische Partei heute unentbehrlich ist, dass es an der Zeit ist, dass die Kommunisten vereint marschieren.

Margot Honecker
Santiago de Chile


*


Lob der Partei

Der Einzelne hat zwei Augen
Die Partei hat tausend Augen.
Die Partei sieht sieben Staaten
Der Einzelne sieht eine Stadt.
Der Einzelne hat seine Stunde,
Aber die Partei hat viele Stunden.
Der Einzelne kann vernichtet werden,
Aber die Partei kann nicht vernichtet werden.
Denn sie ist der Vortrupp der Massen
Und führt ihren Kampf
Mit den Methoden der Klassiker, welche geschöpft sind
Aus der Kenntnis der Wirklichkeit.

aus: Bertolt Brecht,
"Die Maßnahme. Lehrstück.", Wien, Leipzig, 1931

Raute

Krieg als gewöhnlicher Job

Im Dezember weilte Stephanie zu Guttenberg unter unseren Frontsoldaten. Redakteure würdigten sie dafür als "mutigste deutsche Baronin". Also eilte Angela Merkel wenige Tage später auch zu unseren Afghanistan-Helden, obgleich sie als Pfarrerstochter einen so edlen Titel schwerlich erwerben könnte. Baronin wie Kanzlerin wurden jeweils vom beliebtesten Politiker der Deutschen begleitet, von Herrn von und zu Guttenberg. Der ist von Hochadel, superreich und schnellte vom Finanz- zum Militärminister empor. Wo der Mann steht, ist vorne. Dahin lud er nun eine dritte bekannte Dame, die Pastorin Margot Käßmann ein. An ihrer Stelle will jedoch lieber ihr Nachfolger im Bischofsamt an die Front fliegen. Na, denn...

Ebenfalls im Dezember patrouillierte noch ein ganz anderes Kaliber im deutsch-kontrollierten Gebiet Afghanistans: US-General Petraeus, ISAF-Oberbefehlshaber. Der lobte die deutschen Soldaten: Erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg würden sie wieder "eine beeindruckende Aufstandsbekämpfung" demonstrieren. Nicht so unverblümt hatte sich Frau Merkel zum Krieg in Afghanistan geäußert. Der "ist für uns eine völlig neue Erfahrung. Wir haben das sonst von unseren Eltern gehört im Zweiten Weltkrieg." Das sei jedoch eine andere Situation gewesen, weil "Deutschland damals der Angreifer gewesen" sei. Will sie uns damit sagen, heute sind es die Aufständischen Afghanistans, die Deutschland angegriffen haben? Schon die Sozialdemokraten und Grünen, die vor neun Jahren die deutsche Truppe dorthin befahlen, täuschten die Öffentlichkeit: "Deutschland wird am Hindukusch verteidigt"...

Seit neun Jahren versprechen uns nun deutsche Minister wenigstens einen Terroranschlag in Deutschland als Beweis für den "Angreifer" Afghanistan. Allein in Berlin bewegten 2010 mehr als 500 sinnlos herumstehende Koffer deutsche Sicherheitskräfte zu Pressewirksamem Eingreifen. Doch der Aggressor hat nicht einmal einen Koffer in Berlin. Selbst in seinem Heimatgebiet verfügt er weder über Drohnen, Raketen, Kampfflugzeuge oder Panzer noch über anderes effektives, modernes Kriegsgerät. Womit könnte der, um Himmelswillen, Deutschland oder gar die ganze NATO nennenswert bedrohen? Sind wir etwa nochmals einer widerlichen Kriegslüge aufgesessen - wie im nun wieder zitierten Zweiten Weltkrieg? ...

Für die nächsten neun Jahre strukturieren die Mächtigen der Bundesrepublik jedenfalls eine Wehrmacht, die für Vaterlandsverteidigung absolut ungeeignet ist. Umso besser jedoch für Aufstandsbekämpfung in anderen, meist fernen Ländern! Wehrpflichtige könnten da nach Sinn und Zweck fragen, für wen sie ihr Leben einsetzen sollen. Also werden ab 1. März keine Wehrpflichtigen eingezogen. An ihre Stelle treten 15.000 Freiwillige. Dazu kommen 170.000 Zeit- und Berufssoldaten, deren Job ohnehin das ehrbare Kriegshandwerk ist. Dafür ist die Propagandaente "Einsparungen" lahm. Erstens brauchen Profikrieger höhere Vergütung und viel mehr Vergünstigungen als Vaterlandsverteidiger. Zweitens erhält ihre "Feuerkraft" eine neue (teurere) Qualität. Drittens bezahlen die neuen Ansprüche an die Rüstungsunternehmen nicht etwa die Unternehmer aus lauter Patriotismus aus ihren Taschen. Die wollen daraus wie üblich auch noch ihren Profit ziehen. Eindeutig: alles was auf diesem lebensgefährlichen Gebiet derzeitig ideologisch und praktisch gemanagt wird, richtet sich auf Kampfeinsätze in anderen Ländern, vielleicht gar im Inneren der BRD, wenn die Hülle der rein repräsentativen Demokratie fällt. Und niemand soll sagen können, er habe das nicht gewusst ...

Längst ist Deutschland von einer neuen Schande überschattet: Alle bisherigen BRD-Regierungsparteien sind inzwischen zu Kriegsparteien geworden. Andererseits gibt es noch Parteien, denen die Kriege missfallen. Doch keine einzige deutsche politische Partei stellt den Kampf gegen den imperialistischen Krieg ins Zentrum ihres politischen Wirkens, macht ihn zur Hauptaufgabe ihrer Mitglieder und Anhänger und konzentriert ihre Kraft damit gegen die konkrete Ursache der wiederholten deutschen Misere. Nach zwei Weltkriegen und langen Jahrzehnten des Kalten Krieges handelt es sich dabei um eine unverzeihliche Unterlassung. Wenn das funktionsfähig ist, was BRD, NATO und EU gerade jetzt strukturieren, kommt eine Korrektur zu spät. Ist das nach all unseren Erfahrungen wirklich so schwer zu begreifen?

Hans Stahl

Raute

Alles was Recht ist I

Die Koalition des Hauses, in dem DEM DEUTSCHEN VOLKE gedient werden soll, beschloss in Übereinstimmung mit den Grünen und gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke, bei der Bodenreform Enteigneten die Möglichkeit einzuräumen, höchst preiswert Land zu kaufen. Rücksichtslos werden Rechte von so genannten Alteigentümern durchgesetzt, sogar Erben, die noch Verwandte vierten Grades sind, dürfen Ansprüche geltend machen. Ein ungeheuerlicher Beschluss, der eindeutig ostdeutsche Landwirte erheblich benachteiligt. In diesen skandalösen Vorgang mischte sich ein Experte für DDR-Geschichte von der Freien Universität Berlin ein und belehrte: "Die Bodenreform war rechtsstaatswidrig." Und er führte weiter aus: "In einem Rechtsstaat kann aber nur der Einzelfall gelten und nicht eine pauschale politische Begründung." Da verkündete einer seine Sicht, erhob sie zugleich zum Dogma. Dass, als die Bodenreform in einem Teil Deutschlands durchgeführt wurde, ein furchtbarer Krieg verloren war, dass es ein Potsdamer Abkommen gab und dass die damals Alliierten die Enteignung der Kriegsverursacher verlangten, blieb dem im Rechtsstaat sozialisierten Historiker offenbar verborgen. Ihm gehe es um die Herstellung historischer Gerechtigkeit, um "nachholende", tat er kund. Und die soll nun wohl kommen, rechtsstaatlich abgesichert. Im Ergebnis eines 2010 durchgeführten Steuerfahndungsverfahrens gegen Liechtenstein zahlen die Schuldigen jetzt fünfzig Millionen Euro und das Verfahren wird eingestellt. Es gibt keine Schuldigen mehr. Wie mag die nachholende historische Gerechtigkeit in diesem Fall aussehen? Es wird sie gar nicht geben, denn der Rechtsstaat machte den Deal.


Alles was Recht ist II

Da gibt es einen Schauspieler mit erheblicher krimineller Energie. Wegen millionenschwerer Immobilien-Betrügereien war er bereits verurteilt. Nun musste der Wiederholungstäter erneut vor Gericht. Viele Verhandlungstage waren angesetzt, über hohe Haftstrafen wurde spekuliert, aber: Der wichtigste Zeuge der Anklage wollte nichts aussagen. Im Rechtsstaat geschieht folgendes: Staatsanwalt, Verteidiger und Angeklagter "einigen" sich darauf, einige Vorwürfe fallen zu lassen, wenn der Angeklagte ein Geständnis ablege. So geschieht es. Im Ergebnis dieser schamlosen Feilscherei wurde der Kriminelle zu fünf Jahren Haft rechtskräftig verurteilt. Nach erneutem Feilschen und "juristischer Rechnung" blieben von der Haftstrafe tatsächlich achteinhalb Monate. Das ist rechtsstaatlich!


Alles was Recht ist III

Im Frühjahr 2001 wollte eine Polin in Frankfurt (Oder) nach Deutschland die Grenze passieren. Es wurden Unregelmäßigkeiten festgestellt, ein Wortgefecht brachte die Frau in Gewahrsam des damaligen Bundesgrenzschutzes. Nach ihrer Freilassung ging sie zur Polizei, um wegen der Freiheitsberaubung Anzeige zu erstatten. Die Anzeige wurde nicht aufgenommen, dafür zwangen Polizisten die Frau mit Gewalt zur Blutentnahme. Einen richterlichen Beschluss gab es nicht. Sowohl Ingewahrsamnahme als auch Blutentnahme waren rechtswidrig. Jetzt [!] hat der Staat an die Frau rund 78.000 Euro zu zahlen, entschied das Oberlandesgericht in Brandenburg. "Warum die Polizisten damals die Blutentnahme ohne richterliche Genehmigung durchführten, war aus den Akten nicht mehr ersichtlich"[!] Alles bleibt ohne weitere Folgen, rechtsstaatlich eben.


Alles was Recht ist IV

Die Berufungskammer des Rostocker Landgerichts hob gerade ein Urteil auf und sprach den Verurteilten vom "Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" frei. Es handelte sich um den "Führer" eines Kinderferienlagers der Heimattreuen Deutschen Jugend, seit 2009 als rechtsextremer Jugendverband mit neonazistischer Ausrichtung verboten. In dem Freienlager wurden bei der Durchsuchung Naziliederbücher, handgemalte Hakenkreuzbanner und andere Nazidevotionalien gefunden. Der Freispruch für den erwiesenen Neofaschisten ist rechtsstaatlich - und wenn er vielleicht Urenkel eines alten Nazis ist, hat er die Chance, höchst preiswert und Gerechtigkeit nachholend Bodenreformland zu kaufen.   gh

Raute

Umfrage bei Radio Moskau

Welche Bedeutung Umfragewerte besitzen, zeigt sich in unserem Lande am besten vor und nach Wahlen. Zufriedenheitsumfragen müssen das gewünschte Ergebnis bringen, sonst brauchte man sie nicht. Umfrageergebnisse sind zumeist wenig zuverlässige Aussagen über das Empfinden von Um- und Zuständen. Besonders auch deshalb, weil die Ergebnisse vielfach interpretierbar sind. In Deutschland sind 71 Prozent der Bevölkerung gegen den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Da fällt es der Alleskannzlerin und ihrem Kriegsbaron ein, zu "ihren" Soldaten zu fliegen, um ihnen "frohe Weihnachten" zu wünschen. Sie nennt den Einsatz plötzlich und unerwartet Krieg und behauptet zynisch, alle in der deutschen Heimat stünden hinter den Soldaten. So interpretiert sie 71 Prozent Ablehnung.

Mit Spannung ist die Interpretation des Ergebnisses einer Telefonumfrage von Radio Moskau im Fernsehprogramm "Urteil über die Geschichte" zu erwarten. Die Sendung sollte offensichtlich deutlich machen, wie groß der Abstand der Menschen zur Sowjetzeit geworden ist, wie sie sich vom Stalinismus abgewendet haben. Hier das Ergebnis der Umfrage:

Einige Ergebnisse der beliebten Abstimmung in der Fernsehsendung "Urteil über die Geschichte" 01.12.2010, 10:10 Uhr:

Frage 1:
Perestroika: Ausweg aus der Sackgasse oder eine Katastrophe?
Ergebnis der Telefon-Reaktionen:
Ausweg aus der Sackgasse: 7%
Eine Katastrophe: 93%

Frage 2:
Der Sowjetmensch - War das ein ideologischer Mythos oder eine historische Errungenschaft?
Ergebnis der Telefon-Reaktionen:
Ein ideologischer Mythos: 6%
Eine historische Errungenschaft: 94%

Frage 3:
War die Stachanow-Bewegung eine sowjetische Propaganda-Kampagne oder ein tatsächlicher Fortschritt der Arbeit?
Ergebnis der Telefonreaktion:
Sowjetische "Propaganda-Kampagne": 6%
Ein tatsächlicher Fortschritt der Arbeit: 94%

Frage 4:
War die Nationalversammlung ein demokratischer Schritt vorwärts oder der sichere Weg ins Chaos?
Ergebnis der Telefonreaktion:
Ein demokratischer Schritt vorwärts: 8%
Ein sicherer Weg ins Chaos: 92%

Frage 5:
Ukraine und Russland: Sind sie besser getrennt oder zusammen?
Ergebnis der Telefonreaktion:
Getrennt besser: 8%
Zusammen besser: 92%


Bei allen Vorbehalten, die man gegenüber solchen Umfragen haben muss: Dass zur gleichen Zeit, am gleichen Ort, auf die gleichen Fragen so viele offenbar altstalinistisch geprägte Menschen fast gleiche Antworten geben und so eine moderne Moskauer TVSendung regelrecht "in die Tonne kloppen", ist eher unwahrscheinlich. Es steht zu vermuten, dass da beim Fernsehen etwas sehr falsch gelaufen ist - oder gar in der gesellschaftlichen Entwicklung?   gh

Raute

EU = Gemeinsamkeit? (Teil 2)

Sechs Monarchien, darunter fünf Königreiche, bilden nun mit 21 rein repräsentativen Demokratien die Europäische Union. Regionen, in denen fast die Hälfte der Bewohner monatlich mehr als 10.000 Euro und oft noch viel, viel mehr einnehmen, stehen solchen voller Armut gegenüber, aus denen die Menschen infolge dessen fliehen. Kreise voller hoch effektiver Produktionsstätten stehen im Gegensatz zu solchen, in denen Hammer und Sense das Produktionsniveau kennzeichnen. Die EU-Bürger sprechen in mehr als dreißig Sprachen. In vier Ländern ist die kyrillische bzw. griechische Schrift üblich. In sechs EU-Staaten gelten nach öffentlichen Angaben mehr als 90 Prozent der Bürger als Katholiken. In 23 der 27 EU-Mitgliedsländer wird der christliche Glaube faktisch als Leitkultur gehandhabt. Kernwaffen bestückte NATO-Gründerstaaten lehren andere EU-Völker Politik der Stärke, denen zuvor militärische Neutralität ein hoher politischer und menschlicher Wert war. Imperialistische Großmächte wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland bringen nun zehn Ländern Menschenrechte bei, die zuvor auf sozialistischen Wegen waren (die liquidierte DDR nicht mitgezählt). In gewissen EU-Ländern leben jene, bei denen sich immer mehr der Besitz von Produktions- und Informationsmitteln konzentriert, während andere Mitgliedsländer immer freier von dergleichen Besitz werden. Elf EU-Länder haben noch eigene Währungen, in sechzehn herrscht der Euro. Reicht diese Tatsachenaufzählung aus, um die Sprengkraft wenigstens anzudeuten, die diesem Staatenkonstrukt innewohnt? ...

Wie in allen Staaten der nur repräsentativen Demokratie, wird auch in der BRD dem Volk die Verfassung, das Grundgesetz, wie ein heiliger Popanz voran getragen. Wer auch nur in den Verdacht gerät, dem nicht gehorsam zu sein, wird zumindest freiheitlich-demokratisch bespitzelt. Die EU-Staaten schufen sich jedoch mit der Zentralbank, dem Europäischen Rat, dem Rat der EU, der Europäischen Kommission, dem Europäischen Gerichtshof usw. EU-Gremien zu Lasten rechtsstaatlicher Souveränität der Mitgliedsländer. Mit deren Entscheidungs- und Exekutivrechten übertreffen sie die Wirkungsmöglichkeit einer Verfassung gewaltig, mit erheblichen Folgen für den Alltag der EU-Bürger und die "große Weltpolitik". Die fast 500 Millionen Menschen der EU-Länder haben auf all diese Gremien kaum Einfluss, nicht einmal durch Wahlhandlungen. Der Hinweis auf das Europaparlament ist in diesem Zusammenhang unsinnig, denn ausgerechnet das einzige gewählte EU-Organ ist das Ohnmächtigste von allen genannten. Kein Wunder, wenn bei den jüngsten EU-Wahlen 53 Prozent der Stimmberechtigten bei dieser Potemkinschen-Dorf-Demokratie nicht mitspielten...

Das Finanzkapital der Montanunion-Staaten tritt immer sichtbarer als eigentliche Macht und Kursgeber der EU zu Tage. Nicht nur, dass sich die Europäische Zentralbank als effektives Lenkungsinstrument erweist. Die großkapitalistischen Unternehmen der BRD zum Beispiel erzielen inzwischen auch die höchsten Gewinne aus ihren "Außenwirtschaftsbeziehungen" mit den anderen, wirtschaftlich schwächeren EU-Mitgliedsländern. Und wenn die, wie Griechenland, Irland u. a., nieder konkurriert sind, werden sie in eine alle Lebensbereiche durchdringende Abhängigkeit gezwungen. Sie geraten in die Lage von Protektoraten. So, wie sich mittels Armut und Arbeitslosigkeit ein Volk (falls es keine Revolution will) zu Untertanen der Kapitalbesitzenden erniedrigen lässt, so nutzt der Finanzadel der EU-Kernländer seine finanzpolitische und wirtschaftliche Überlegenheit zur Unterwerfung der schwächeren europäischen Staaten und Völker aus...

Damit leider nicht genug. Abstrakt gedacht bietet ein so großes Territorium mit so hoher Bevölkerungszahl selbstverständlich enorme Möglichkeiten für wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Nutzen. In der Realität haben wir es jedoch mit dem Finanz- und sonstigen Großkapital zu tun, und dessen Antriebe resultieren nun wirklich nicht aus dem Wunsch, die Völker zu beglücken. Das verlagert zum Beispiel die Werkbänke, sowohl automatisierte Produktionsstätten als auch die Billigarbeitsplätze manueller Tätigkeiten. Aber wohin? Und wo werden andererseits die Stätten der Forschung und Entwicklung, die Denkfabriken, die Komplexe der wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen und vor allem der "Gewinnabschöpfung" konzentriert? Bedenkt der Leser, wie vieler williger Dienstleister eine so gewaltige Finanzelite bedarf? Jedenfalls brachten 17 Jahre EU keine Niveauannäherung der Mitgliedsländer. Im Gegenteil, die einen wurden mächtiger und reicher, die anderen ärmer und abhängiger. Hat die Menschheit je erlebt, dass Kapitalismus ausgleichend zwischen Arm und Reich, Mächtigen und Beherrschten wirkt? ...

Für das Finanzkapital der EU-Kernländer ist diese "Gemeinschaft" einzig und allein Basis seiner "Weltgeltung", seines Strebens nach weltweiten Einflusszonen, Absatzmärkten, Rohstoffbasen und anderen Gewinnquellen. Und wem das immer noch nicht brenzlig genugriecht, dermöge zur Kenntnis nehmen, dass sowohl in Brüssel als auch in Berlin öffentlich angedroht wird, wirtschaftliche Interessen nötigenfalls mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Als wäre das neu! Deshalb verpflichten rechtswirksame EU-Verträge die Mitgliedsstaaten zur Steigerung der Rüstungsproduktion, Erhöhung militärischer Schlagkraft, zur Beteiligung an der Europaarmee und kriegerischen "Auslandseinsätzen". Die politischen Führungsgremien für diese Außen- und Kriegspolitik sind längst beschlossene Sache. Was hat das alles mit Volksinteressen oder gar Demokratie, mit Frieden und Freiheit zu tun? ...

Wir stehen an einem Scheideweg, der in entgegen gesetzte Richtungen führt. Vor jedem Krieg wiegelten die Aggressoren die Völker mit blutrünstigen Feindbildern auf. Und sie beschränkten sich nicht nur auf Kriegshetze, sondern sie inszenierten auch stets blutige "Zwischenfälle", mit denen sie das Volk zum Krieg aufputschten. Das sollte nie vergessen sein. Längst ist ein gemeinsamer, entschlossener Kampf der europäischen Friedenskräfte, Sozialisten und Kommunisten gegen die imperialistischen Strukturen und Handlungen der EU lebensnotwendig geworden. Doch so lange Traumtänzer und Demagogen die Illusion verbreiten können, das Großkapital ließe sich durch "Interessenabwägung" und Zusammenarbeit zu menschlicher Vernunft bringen, wird das nichts...

Allerdings: die von Finanz- und Monopolkapital strukturierte EU ist ein Fakt und der tut seine Wirkung. Den Fakt aus seinem Denken und Handeln einfach auszublenden, ist unklug.   H.ST.


*


• Seit Jahresbeginn 2011 ist Estland als 17. von 27 EU-Ländern der Euro-Zone angeschlossen. Dem voran gingen enorme Kredite, die überwiegend über schwedische Banken nach Estland flossen. Dort wurden sie nicht etwa zu Investitionen für produzierende Wirtschaft genutzt, sondern zur Formierung einer reichen Oberklasse und für durch keine Leistung gedeckten Konsum. Die Folgen zahlt wie immer das Volk. Seit 2007 wurden die Löhne und Gehälter zwischen 20 und 40 % gekürzt. Die Arbeitslosenrate stieg von 7 auf nahezu 18%. Das "Bruttoinlandsprodukt" (BIP) wandelte sich von 7% Plus in fast 14% Minus. Voller Illusionen über das nun folgende Euro-Glück beißen die 1,35 Millionen Bewohner Estlands bisher nur die Zähne zusammen. Anderswo in Europa lacht man hingegen. Ganz ohne die Feldmarschälle Hindenburg oder Guderian lässt sich das Baltikum auch auf finanzdemokratischem Wege fest in den Griff kriegen.

• Belgien, Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien gelten als bankrotte Euro-Länder. Andere nutzen die Lage, um wirtschaftliche in absolute Abhängigkeiten zu wandeln. Griechische Journalisten schrieben "früher rollten Panzer über unseren Kontinent und heute Kanzlerin Merkel". Einigen dieser Länder hat China Finanzhilfen angeboten. Vielleicht auch, um deren Unabhängigkeit zu unterstützen oder den Euro vor dem Dollar zu schützen.

• Für die BRD macht sich die Ausbeutung der EU-Völker deutlich bezahlt. Die privaten Vermögen der Bundesbürger stiegen in den vergangenen 10 Jahren um mehr als 80%, sofern sie nicht der deutschen Unterklasse angehören. Die Zahl der deutschen Millionäre ist auf eine Million angewachsen. Und dieser Gesellschaftsklasse der Millionäre gehört gewissermaßen auch jeder zweite Euro, den die 80 Millionen Bundesbürger noch in ihren Taschen oder auf einem Konto haben. Jeder von uns befindet sich zumindest in finanzieller Abhängigkeit von denen und reichlich viele parieren ihnen längst.

Raute

Einheitsgewerkschaft verteidigen

Ein Betrieb, ein Tarif: ein seit langem aufgegebenes Prinzip

Fortsetzung des Artikels aus der Januar-Ausgabe

Bedingt durch Betriebsschließungen, Ausgliederungen und Umorganisationen etc. wurden sowohl Groß- als auch Mittelbetriebe sowie Verwaltungen bis zur Unkenntlichkeit umstrukturiert. Dabei bedienten sich die Unternehmer insbesondere der Dienste von Dumping-Organisationen, wie der christlichen Gewerkschaften. Aber auch durch Ausgliederung von Bereichen, den Einsatz von oft konzerneigenen Leihund Zeitarbeitsfirmen als Billiglohnanbieter und durch die Auftragsvergabe an Fremdfirmen wurde eine einheitliche tarifliche Bezahlung beseitigt. In zahlreichen Branchen wurden darüber hinaus Absenkungstarifverträge abgeschlossenen, die eine niedrigere Entlohnung bei Neueinstellungen vorsahen. Die überwiegende Mehrheit der Belegschaften hat diese Umstrukturierungen und die damit einhergehenden Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen ohne besondere Gegenwehr hingenommen. Der Grundsatz "ein Betrieb, eine Gewerkschaft, ein Tarif" gehört seit langem der Vergangenheit an.

Die Gewerkschaften haben nicht ernsthaft versucht, sich diesen Unternehmensstrategien zu widersetzen. "Standortsicherungslogik" und "Sozialpartnerschaftsideologie" spielten offensichtlich dabei eine wesentliche Rolle. Ein Betrieb, eine Gewerkschaft und die unterschiedlichsten tariflichen Entlohnungen selbst für die gleichen Tätigkeiten, das kennzeichnet heute die tarifliche Realität in den Betrieben. Tarifverträge mit niedrigeren Einstiegslöhnen bei Neueinstellungen, mit weit unter dem Flächentarif liegenden Löhnen bei den Billiglohnanbietern der Zeit- und Leiharbeit, tragen nicht nur die Unterschrift christlicher oder gelber Organisationen, sondern auch zuständiger DGB-Gewerkschaften.

Von den Bundesregierungen wurde im Interesse des Kapitals mit den Hartz-Gesetzen und der Beseitigung gesetzlicher Schranken zur Ausweitung der Leiharbeit die Schaffung eines breiten Niedriglohnsektors vorangetrieben. Die damit verbundene und gewollte Absenkung des allgemeinen Lohnniveaus hatte auch Auswirkungen auf die Flächentarifverträge. Die lohnpolitische Zurückhaltung der DGB-Gewerkschaften trug mit dazu bei, dass diese Absenkung zu keinen größeren Arbeitskämpfen und sozialen Konflikten führte.

Die Unternehmer sahen sich in ihrem Gewinnstreben nicht gestört, die Gewerkschaftsvorstände nicht in ihrem Tarifgeschäft. Sie waren allzu oft bestrebt, Arbeitskämpfe zu vermeiden. Wenn es sich nicht umgehen ließ, sollten zumindest deren ökonomische Folgen möglichst gering gehalten werden - im Interesse der Standortsicherung und des Kapitals.

Durch den Streik der GDL bei der Deutschen Bahn AG zur Jahreswende 2006/2007 wurde deutlich, wie schnell unter entsprechenden Voraussetzungen die kooperative Tarifpolitik der DGB-Gewerkschaften, hier der "Transnet", in Frage gestellt werden kann. Trotz der von den Medien geführten Diffamierungskampagne gegen die "berufsegoistischen" Interessen der GDL, die von den Vorständen der DGB-Gewerkschaften nicht infrage gestellt wurde, ließ sich die breite Sympathie unter den abhängig Beschäftigten mit dem Streik der Lokführer nicht brechen: "Endlich eine Gewerkschaft, die es ernst meint und handelt." Die über Jahre hinweg praktizierte Lohnzurückhaltung, gestiegene Unternehmensgewinne und selbst bewilligte "Boni" für Banker und Manager nährten diese breite Stimmung auch in der Mitgliedschaft der DGB-Gewerkschaften. Indem die GDL aus der bisherigen Front der Tarifzurückhaltung ausbrach und einen Arbeitskampf führte, machte sie diese Stimmung sichtbar. Solche Beispiele können die Erwartungen der Mitglieder in allen Gewerkschaften beeinflussen und den Druck von unten erhöhen. Dem soll offensichtlich von Seiten der Unternehmer vorgebeugt werden.

Lothar Nätebusch

Artikel wird in der nächsten Ausgabe fortgesetzt

Raute

Faschismus (Teil IX)

Der deutsche Militarismus war also der Schoß, der den Hitlerfaschismus in die Welt stieß. Als Ziehvater handelte das Großkapital. Als Paten betätigten sich feudale Großgrundbesitzer. Das alles erklärt aber noch nicht, wie es geschehen konnte, dass eine eindeutige Mehrheit der Deutschen, selbst der Arbeiter, diesen barbarischen Wahnsinn hinnahm und dann mit betrieb. Nicht einmal die gewaltige Medienmacht in den Händen solcher Gestalten wie Hugenberg oder später Goebbels macht das gänzlich verständlich. Näher heran führt schon eine andere Tatsache. So wenig heute Kevin Normalverbraucher voraussehen kann, wo die weltweite militärische Eingreifpolitik der BRD schließlich endet, so konnte damals Otto Normalverbraucher kaum begreifen, dass der mit den Namen Ebert, Hindenburg und schließlich Hitler verbundene Kurs innerhalb von 21 Jahren in den unsäglichen Zweiten Weltkrieg führen musste. Otto konnte aus der schon damals latenten Judenfeindlichkeit schwerlich auf den ab 1941 organisierten unfassbaren Völkermord schließen. Kann Kevin aus der Normalverbraucherfamilie voraussagen, wohin heute die hoffärtige deutsche Menschenrechtsbelehrung anderer Völker und Staaten schließlich führt? Hinterher weiß jeder immer alles besser - leider zumeist ohne für sich und die Zukunft notwendige Schlussfolgerungen zu ziehen....

Umfassenderes Begreifen wird erst möglich, wenn man die realen Lebensverhältnisse der Menschen in großkapitalistischen Gesellschaftsstrukturen in Rechnung stellt. "Das Sein bestimmt das Bewusstsein", sagt der Volksmund (einen Marx-Satz versimpelnd). Am einfachsten macht das die Arbeitslosigkeit erkennbar. Die bedroht die Besitzlosen (außer in Kriegs- und unmittelbaren Vorkriegszeiten) im Kapitalismus immer. Die Einen motiviert sie zum Klassenkampf. Die Anderen zur Anpassung, zum Lohnverzicht, zur Mehrarbeit, zur Leih- und Wanderarbeit (mit Familien- und Heimatverzicht), zum Almosenempfang, schließlich zu "Fremdenfeindlichkeit" und Nationalismus. Der Angepasste wird zum typischen Untertan. So erzieht sich die besitzende Klasse ihre Nationalisten, Kriegshelden und Faschisten - um später zynisch zu behaupten, "die Mitte des Volkes" sei schuld....

Die Arbeitslosigkeit ist aber nur ein Teil des Bewusstsein beeinflussenden Seins im Kapitalismus. Bei gründlicherer Betrachtung ist unschwer zu erkennen, dass diese Verhältnisse insgesamt zu "sozialdarwinistischem" Denken und Verhalten geradezu drängen. Schließlich galt in Natur und Gesellschaft: Der Anpassungsfähige (und -willige!) sowie Starke überlebt. Die Einen glauben, na, wenn das schon immer so war... Die Anderen hingegen empfinden es umso dringender, die Beziehungen der Menschen dem "Darwinschen" Gesetz zu entziehen und zu dem Zweck die Verhältnisse umzugestalten. Das ist gewiss sehr schwer, aber besser als unter allen möglichen Vorwänden fortwährend gegeneinander in Kriege zu ziehen. Spätestens sechs Jahre nach der Novemberrevolution herrschte in Deutschland wieder die Restauration des Alten. Und, wie wir auf Schritt und Tritt erleben, heute ebenfalls...

Soll alles heißen: Großkapitalistisch strukturierte Verhältnisse bringen bereits spontan faschistisches Denken und Handeln hervor. Sie bieten den denkbar fruchtbarsten Boden für jede ideologische Einwirkung, die Expansions- und Großmachtpolitik unterstützt. Es ist eine Schande, dass in der Bundesrepublik bis heute keineswegs klar ist: Das schlimmste Verbrechen des Hitlerfaschismus bestand in seinen Eroberungskriegen, die zum Zweiten Weltkrieg führten. Alle sonstige Barbarei war ihnen Mittel zum Sieg.   H. St.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Fotomontage von J. Heartfield (1891-1968) "Blut und Eisen"

Raute

Aus dem Februarheft der Roten Kalenderblätter

Vom Rotarmisten in Budjonnys Reiterarmee zum Vorsitzenden des Kommunistischen Jugendverbandes in Deutschland, vom KZ-Häftling in Mauthausen zum Botschafter der Deutschen Demokratischen Republik in Prag - das sind die Lebensstationen von Fritz Große, der 1904 in Altenberg im Erzgebirge geboren, 1957 im Alter von nur 53 Jahren in Berlin verstorben ist. Unser Autor Günter Freyer, der sich seit vielen Jahren um die Würdigung verdienter Kommunisten und Antifaschisten besondere Verdienste erworben hat, ist diesmal dem Lebensweg eines Genossen gefolgt, der sich durch seinen Kampf gegen Faschismus und Krieg als Diplomat der DDR legitimiert hat. Das unterscheidet Fritz Große von den Diplomaten der Bundesrepublik mit ihrer braunen Vergangenheit.

"Man legte die zweiundzwanzig Spartakisten und ihren Führer in dasselbe Grab. Nicht ein Schrei. Aber ein Grollen tief in den Herzen. Und in wie vielen Hirnen mochten die letzten Worte des Führers nachhallen, der letzte Artikel, den Liebknecht für die Rote Fahne vor seinem Tod geschrieben hatte, das Trotz alledem!" So schreibt Romain Rolland über die Beisetzung Karl Liebknechts am 25. Januar 1919 auf dem Friedhof in Berlin Friedrichsfelde. Es ist dies eines der 526 Dokumente, die Annelies Laschitza und Elke Keller zusammengetragen und in dem Buch "Karl Liebknecht - eine Biographie in Dokumenten" 1982 im Berliner Dietz-Verlag veröffentlicht haben. Gestützt auf eine große Anzahl von Dokumenten und dokumentarischen Zeugnissen erlebt der Leser des Buches die Entwicklung Karl Liebknechts vom revolutionären Sozialdemokraten zum Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands. Wer das Buch nicht in seinem Bücherregal hat, sollte zugreifen, wenn er es antiquarisch erwerben kann.

Nach einem bemerkenswerten, zum Nachdenken anregenden Geschichtskommentar von Prof. Dr. Götz Dieckmann über das Ende der DDR folgen in unserem Januarheft drei Annotationen, die über Ereignisse berichten, die zu unterschiedlichen Zeiten am 7. Februar stattgefunden haben. Da wäre als Erstes der 7. Februar 1933. Es ist dies der Tag, an dem Ernst Thälmann in Ziegenhals seine letzte Rede gehalten hat. "Es ist der Bourgeoisie ernst damit, die Partei und die gesamte Avantgarde der Arbeiterklasse zu zerschmettern", erklärte er seinen Genossen an diesem 7. Februar 1933, als die rechten sozialdemokratischen Führer noch immer hofften, dass man sich mit den faschistischen Machthabern arrangieren könnte. Am 7. Februar 1970 fand in Berlin das erste Festival des politischen Liedes statt, über das Michael Forbrig berichtet. Und am 7. Februar 1990 bildet die Kohl-Regierung den "Kabinettsausschuss Deutsche Einheit". Mit der Einsetzung dieses Ausschusses wurden für die Deindustrialisierung der DDR im Interesse der westdeutschen Banken und Konzerne die Weichen gestellt. Nach den Worten von Detlev Krüger wurde damit eine Entwicklung eingeleitet, an deren verhängnisvollen Folgen nicht nur die ehemaligen DDR-Bürger leiden, sondern auch noch deren Kinder und Kindeskinder in Haftung genommen werden.

Prof. Dr. Erich Kundel

Raute

Geschichtskommentar des Monats

Wer ehrlich mit unserer schweren Niederlage umgeht, sollte Friedrich Engels' "Revolution und Konterrevolution in Deutschland", geschrieben 1851, zur Hand nehmen. Dort heißt es: "... wenn man aber nach den Ursachen der Erfolge der Konterrevolution forscht, erhält man von allen Seiten die bequeme Antwort, Herr X oder Bürger Y habe die Revolution 'verraten'. Diese Antwort mag zutreffen oder nicht, je nach den Umständen, aber unter keinerlei Umständen erklärt sie auch nur das Geringste, ja sie macht nicht einmal verständlich, wie es kam, dass das 'Volk' sich derart verraten ließ." (MEW, Band 8, Seite 6)

Es ist nicht widerspruchslos hinzunehmen, wenn gelegentlich der Eindruck erweckt wird, die Konterrevolution sei allein das Ergebnis bundesdeutscher Interventionen gewesen. Es ist unbestreitbar, dass von jener Seite alles Erdenkliche getan worden ist, um die DDR zu unterminieren. Das umfassend aufzudecken, ist verdienstvoll. Doch etwas anderes vom westdeutschen Kapital zu erwarten, war und ist pure Traumtänzerei.

Lassen wir einige Schritte Revue passieren: Die Entwaffnung der Arbeiterklasse der DDR, speziell der Kampfgruppen; die Zerschlagung der Betriebsparteiorganisationen der SED, des Rückgrats der Partei; die Gründung der "Treuhandanstalt", was nichts anderes bedeutete, als das in Jahrzehnten von den Bürgern unseres Landes erarbeitete Volkseigentum für 'herrenlos' zu erklären. Da jedoch Eigentum nie lange ohne Herren bleibt, fanden sich sofort neue Eigner, aus dem Westen natürlich. All das diente allein den Interessen des BRD-Kapitals. Aber vollzogen haben diese ersten verheerenden Schritte nicht Abgesandte der Kohl-Regierung. Und als dann überall Autos mit den Aufklebern "Nie wieder Sozialismus" herumfuhren, wo blieb da die Gegenlosung: "Nie wieder Kapitalismus"?

Zur Wahrheit gehört: Es fanden sich zahlreiche willige Vollstrecker, die im vorauseilenden Gehorsam Schmutzarbeit leisteten. Das ist eine schmerzliche Erkenntnis, aber sie gehört unverzichtbar zur Bilanz, die nach 20 Jahren zu ziehen ist. An dieser Schande werden wir lange zu tragen haben, denn hier liegt eine der Ursachen dafür, dass viele junge Menschen, die den Kapitalismus durchaus als ein menschenunwürdiges System begreifen, dennoch den Sozialismus der DDR sehr skeptisch beurteilen. Hierbei hilft es, noch einmal bei Friedrich Engels auf die Lehren der Revolution und Konterrevolution von 1848/49 zu verweisen: "... als Wrangel ... an die Tore Berlins pochte, ... fand (er) die Tore offen und auf den Straßen als einziges Hindernis friedliche Bürger, die sich köstlich über den Streich belustigten, den sie Wrangel dadurch gespielt, dass sie sich, an Händen und Füßen gebunden, den erstaunten Soldaten auslieferten." (Ebenda, Seite 77).

Prof. Dr. Götz Dieckmann

Raute

Brandenburger Nachrichten in Rot

Typisch Brandenburg

(Cottbus) Im Kreis Märkisch-Oderland subventionieren Steuerzahler mit 3,58 Millionen Euro im Jahr Unternehmen, die Billiglöhne zahlen. Mehr als 24 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten dort für Niedriglöhne. Daraus resultiert der hohe Anteil so genannter Hartz-IV-Aufstocker. Der propagandistisch verkündete Aufschwung des "Arbeitsmarktes" (Arbeitsmarkt = Handel mit Menschen) ist von Anfang an auch ein Aufschwung des "Niedriglohnsektors" und der menschlichen "Leiharbeit". Die BRD-Regierung will die Arbeitslosenstatistik 2011 noch schärfer bereinigen. Die privaten Jobcenter sollen nahezu eine Million Erwerbslose "übernehmen" und in "Qualifizierungen" und "Maßnahmen" verstecken.


S-Bahn - Kaputt-Bahn

(Hennigsdorf) Zum Jahresbeginn konnten 349 von 562 vorhandenen Viertelzügen der Berliner S-Bahn nicht eingesetzt werden. Die Verantwortlichen versuchen sich mit dem wirklich harten Winter herauszureden. Tatsächlich signalisierten Mängel und Ausfälle von Rädern, Achsen, Motoren und Antrieben bekanntlich bereits seit dem Sommer 2009 mit entsprechenden Bahnausfällen den realen technischen Zustand der "modernen" Berliner S-Bahn-Züge. Der ließ sich auch durch höchste Belastung und große Antreiberei der S-Bahn-Mitarbeiter nicht mehr verschleiern. Obendrein verteuert das Unternehmen seit Jahresbeginn auch noch ohne Scham die Fahrpreise. So wird das deutsche Unternehmensniveau ausgerechnet an Hand der Hauptstadt der BRD weltweit publik gemacht. Und der moderne Berliner präsentiert sich als einer, der sich von der Oberklasse alles gefallen lässt.


Freiheit im Eimer?

(Cottbus) Selbst die Stadtherren der bisherigen Brandenburger Großstädte Brandenburg, Cottbus und Frankfurt/Oder müssen gerade die Erfahrung machen: Ohne Geld keine Freiheit. Wachsende Verschuldung, steigende Sozialausgaben, damit Unternehmer "Arbeitnehmer" zu Hungerlöhnen einstellen können und die Mieteinnahmen der Wohnungsvermieter nicht gefährdet sind, leeren die Stadtkassen. Also fasst Brandenburgs Regierungspartei ins Auge, den verarmten und schrumpfenden Städten die Kreisfreiheit zu nehmen und sie ins Umland einzugliedern. Fragt sich, wie die Landkreise diese Städte finanziell am Leben halten sollen. Es sei denn, sie werden alle in den Kreis Potsdam-Mittelmark verlagert. Da leben inzwischen soviel Reiche, dass die armen Städter zumindest statistisch nicht ins Gewicht fallen und sich keine demokratische Armenmehrheit herausbildet. Das reicht für eine repräsentative Demokratie völlig aus. Umso mehr, als die Stadt Potsdam nicht betroffen ist und mit links Königsschlösser und Garnisonkirchen nachbauen kann und die teuren Mieten für dergleichen nicht zu fürchten scheint. Was hier niemand weiß: auch die zahlt schließlich immer "das Volk".


Wappenvögel

(Potsdam) Nach dem Ansehensverlust, den Brandenburg infolge Deindustrialisierung und Bevölkerungsverlust erlitt, trifft dessen Regierung nun ein neuer Schlag. Den roten Adler, ihr stolzes Wappentier, gibt es in der Wirklichkeit leider nicht. In Brandenburgs glorreicher Geschichte hatte man alles mit der Gabelweihe, auch Roter Milan genannt, durcheinander gebracht. Flugs übernahm nun der allerhöchste Regierungschef der Mark die Schirmherrschaft über so einen kleineren Greifvogel, um wenigstens etwas von der eigenen Größe auf den geschrumpften Wappenvogel zu übertragen. Nun aber fürchten die restaurativen Persönlichkeiten der Landeshauptstadt um den schwarzen Adler Preußens. Vielleicht ist der auch nur Attrappe? Was heiligt das Erbe der Monarchie, wenn sich deren Symbol als gewöhnliche schwarze Krähe erweist?

Raute

Prof. Dr. Erich Kundel im Interview

RB: Wie wir Dich in der Partei vor allem als Redakteur der "Roten Kalenderblätter" schon seit vielen Jahren erleben, gilt Dein besonderes Interesse der Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung sowie der Marx-Engels-Forschung. Wie bist Du dazu gekommen?

Erich Kundel: Schon als Neulehrer im mecklenburgischen Zarrentin habe ich mich besonders für den Geschichtsunterricht interessiert. Nach dem Besuch eines Fortbildungslehrgangs in Putbus auf Rügen wurde ich Fachlehrer für Deutsch und Geschichte und war anschließend als Dozent am Institut für Lehrerbildung in Güstrow tätig. Wichtig für meine weitere politisch-ideologische wie fachliche Entwicklung war Anfang der 50er Jahre der Besuch der Karl-Marx-Hochschule in Klein-Machnow und die Aspirantur am Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED in Berlin.

Anlässlich des 15. Jahrestages der Gründung der SED habe ich im April 1961 meine Dissertation über den Gothaer Vereinigungsparteitag von Eisenachern und Lassalleanern im Jahre 1875 verteidigt. Durch die Mitarbeit an den unter der Leitung von Prof. Dr. Heinrich Gemkow vom Institut für Marxismus-Leninismus herausgegebenen Biographien über Karl Marx und Friedrich Engels verstärkte sich der Schwerpunkt meiner wissenschaftlichen Arbeit mehr und mehr auf das Gebiet der Marx-Engels-Forschung. Ich wurde Mitarbeiter und später Leiter der Marx-Engels-Abteilung am Institut für Marxismus-Leninismus. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, an vielen Projekten der Marx-Engels-Forschung und Edition mitzuarbeiten, vor allem als Sekretär der Gesamtredaktion der Marx/Engels Gesamtausgabe (MEGA), die unser Institut gemeinsam mit dem Institut für Marxismus-Leninismus in Moskau herausgegeben hat und von der bis 1989 40 Bände erschienen sind.

Zu einem speziellen Schwerpunkt meiner Forschungs- und Publikationstätigkeit wurde im Laufe der Jahre eine intensive Beschäftigung mit der Pariser Kommune von 1871. Den 100. Jahrestag dieser ersten proletarischen Revolution in der Menschheitsgeschichte konnte ich mit einem kleinen Buch würdigen, das unter dem Titel "Karl Marx und Friedrich Engels - Tagebuch der Pariser Kommune" erschienen ist. Vielleicht kann ich ein wenig zu ihrem 140. Jahrestag beitragen mit "Zwölf Bilder aus den 72 Tagen der Commune de Paris" - einer Broschüre, an der ich zurzeit arbeite.

RB: Was war für Dich der entscheidende Anstoß, um Mitglied der DKP zu werden?

E.K.: Im Dezember 1945 wurde ich mit 19 Jahren Mitglied der KPD. Es waren weniger die theoretischen Erkenntnisse, als vielmehr praktische Erfahrungen, die mich zu einem solchen Schritt veranlasst haben. Ich wollte mitarbeiten am Aufbau eines friedlichen und demokratischen Deutschland, und es war nicht zuletzt der Gedanke der sozialen Gerechtigkeit, der mich in die Reihen der KPD führte. Die Vereinigung von KPD und SPD habe ich vor 65 Jahren in Schwerin erlebt, als ich dort den Neulehrerlehrgang besuchte.

Als SED-Mitglied habe ich mich immer als ein Genosse verstanden, der im Osten Deutschlands für die gleichen Ziele kämpft wie unsere Genossen der KPD und der DKP in der Bundesrepublik. Auf der Parteihochschule teilte ich für ein ganzes Jahr das Zimmer mit zwei Genossen der KPD, die zu uns zum Studium delegiert waren. Ich war Lektor auf Veranstaltungen der DKP und erinnere mich gern an die kameradschaftliche Zusammenarbeit mit Genossen Richard Kumpf, der viele Jahre Leiter der Marx-Engels-Stiftung in Wuppertal war.

Da ich in meiner politischen und wissenschaftlichen Tätigkeit die Gemeinsamkeit zwischen den Kommunisten in der BRD und in der DDR erlebt habe, war es für mich nach dem Sieg der Konterrevolution nicht schwer, mich für die Partei zu entscheiden, in der ich meine politische Heimat finden konnte - und das war nicht die PDS, sondern die DKP. Unterschrieben habe ich meinen Aufnahmeantrag in Paris, an der Mauer der Föderierten, an der die letzten Kommunarden auf dem Friedhof Père Lachaise von der Versailler Soldateska ermordet wurden.

RB: Welche Bedeutung hat für Dich die Arbeit an den "Roten Kalenderblättern"?

E.K.: Ich denke schon, dass ein Periodikum, das sich um die Verbreitung eines marxistisch-leninistischen Geschichtsbildes bemüht, für die politisch-ideologische Bildungsarbeit unserer Partei eine sehr wichtige Rolle spielt. Und das ist umso wichtiger in einer Zeit, in der es inzwischen zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, unsere Vergangenheit, unsere Arbeit und unsere Träume, unser Leben zu verfälschen und in den Schmutz zu ziehen.

Die Fragen stellte Jana Berg

Raute

Der untote Kommunismus

oder wie man Karl und Rosa noch ehren kann

In Potsdam gibt es seit vielen Jahrzehnten die Tradition, eine Woche nach der Liebknecht-Luxemburg-Ehrung in Berlin, beiden auch hier zu gedenken. Immer noch ist der dafür feste Termin sonntags um 10:00 Uhr. Veranstalter ist dabei immer die PDL. Während hier die Teilnahme Jahr für Jahr abnimmt, beginnt sich nunmehr eine neue Tradition herauszubilden. Initiatoren sind hier die AALP (Alternative Antifaschistische Linken Potsdam) und die linken Ultras Babelsberg. Zu dieser anderen Gedenkveranstaltung werden immer die DKP, die PDL und der VVN/BdA eingeladen.

Was passiert da? Es ist abends. Polizei steht hilfl os rum oder sucht im Dunkel einen Verantwortlichen. Fehlende Straßenlampen ringsum machen diese Suche noch schwieriger. Die Uniformierten müssen sich zusammenreißen, um nicht nervös zu werden. Schnell wird aber klar, dass es eine sehr friedliche Veranstaltung wird. Natürlich machen so ca 70, hauptsächlich junge Menschen, meist in schwarz gekleidet, einigen Personen einiges Unbehagen. Aber die jungen Leute haben einen riesigen Arm roter Nelken mitgebracht. Sie haben vorher gesammelt. Und es gibt Kränze. Linke Ultras Babelsberg steht da drauf oder VVN/BdA oder DKP. Alle haben kleine Taschenlampen mit und es werden Teelichte angezündet. Da geben natürlich auch die Polizisten Ruhe. Sie hören zu und wundern sich, dass der totgeredete Kommunismus doch noch irgendwie da zu sein scheint. Drei Teilnehmer reden, dürfen reden. Der erste, man erkennt im Schein der Taschenlampe einen langhaarigen, jungen blonden Mann. Er, von den linken Ultras Babelsberg, spricht davon, dass man an die Opfer der Reaktion denken will. Es ist kurz und knapp. Der junge Mann vom VVN/BdA redet viel über Opfer. Er sagt auch der Totalitarismusdoktrin den Kampf an. Die Rede ist lang und es zieht ein wenig Unruhe ein.

Einer darf noch sprechen, ein Genosse der DKP. Daniel heißt er. Ruhe kehrt wieder ein. Hat er letztes Jahr nicht schon einmal gesprochen? Er stellt in drei Minuten den Zusammenhang her zwischen den Mördern von Maximilian Dortu aus Potsdam, der 1849 ermordet wurde und der Ermordung von Karl und Rosa und der von Herbert Ritter, Hans Otto und Hermann Elfl ein. Das wird verstanden. Da ist die Verbindung von Geschichte, von Nationalem und Lokalem.

Ist es Zufall, oder ist es so ausgemacht? Der DKP-Redner bleibt während der Schweigeminute vorn stehen. Dann legen alle ihre Kränze mit dem Text "Trotz Alledem!", Blumen nieder und stellen ihre Teelichter dazu.

Es fühlt sich für alle gut an, was da gelaufen ist. Auch wenn die jungen Leute jegliche Parteistrukturen rigoros ablehnen, betrachten sie doch gerade die Kommunisten als ihre Verbündeten in ihrem aktuellen Kampf. Sie stellen die so genannte K-Frage nicht, die ja in den letzten Wochen durch die Medien geisterte. Das hat wohl seinen Grund, allgemein und insbesondere in Potsdam. Hoffnung keimt auf.

Herbert Driebe

Raute

Für Helmut Preißler

Preißlers Stimme ist wichtig und gewichtig. Seine Handschrift weist ihn als erfahrenen, subtil empfindenden, feinsinnig formulierenden Lyriker aus, der poetisch intensiviertes Denken mit parteilicher Haltung zu verbinden weiß, dessen Sprache so eindringlich wie einfach ist, dessen Bilder und Vergleiche überzeugen und anrühren. Seine Aufrichtigkeit als Mensch steht im Dienste der Wahrhaftigkeit.

Das wurde geschrieben in einer Rezension für einen Dichter der DDR, der einen seiner Gedichtbände Dies ist mein Land nannte und in einer Widmung hinzufügte klein, aber das Unsere.

Helmut Preißler, 1925 geboren, gehörte zu jenen, die wahrhaft als Kanonenfutter in den faschistischen Krieg gezogen wurden. Nach seinem furchtbaren Ende sahen diese Betrogenen in einem Teil Deutschlands ihre Perspektive, weil sich die Alternative zum Bisherigen andeutete. Neulehrer wurde er, der aus belgischer Kriegsgefangenschaft gekommen war. Nach kurzem Lehrgang unterrichtete er in Cottbus, seiner Heimatstadt. Nach dem Studium am Leipziger Literaturinstitut Johannes R. Becher, blieb er dort einige Zeit Assistent. Als Kulturarbeiter wurde er im Eisenhüttenkombinat Ost tätig, er arbeitete am Kleist-Theater Frankfurt (Oder) und viel Jahre als Redakteur der Literaturzeitschrift Neue Deutsche Literatur. In diesen Jahren reifte das lyrische Werk, Gedichtbände entstanden, Nachdichtungen, er gab Anthologien heraus und Werke des klassischen Erbes, verfasste Kantaten, Festspiele, Schauspiele, Features, Essays... Sein Werk, sein politischer Standort, seine reichen Erfahrungen ließen die Erkenntnis reifen, dass es die eine Wahrheit nicht gibt, sondern viele und dass nach der Wahrhaftigkeit zu fragen sei. Als das Richtige zu Falschem wurde, als Konterrevolution wortreich zur Revolution geredet wurde, frohlockten Kleingeister, der staatsnahe Parteilyriker wäre verstummt und seine Bilanz Nonsensverse. Sie verstanden nicht zu lesen, denn der Dichter war keineswegs verstummt, er arbeitete an reifem Alterswerk.

Indem Verlage seine Gedichte nicht mehr verlegten, versuchten sie ihn zum Schweigen zu bringen. Ein sinnloses Unterfangen. Helmut Preißler arbeitete in der Hoffnung dazu beitragen zu können, Menschen Menschen werden zu lassen.

Winter bringt mancherlei Plagen.
Welch Glück, wir sind nicht allein!
Immer in kälteren Tagen
Wärmt Freundlichsein.

Helmut Preißler feierte sein 85. Geburtstag am 16. Dezember, vier Tage später ist er gestorben.

Gerhard Hoffmann


Bitte im Frühling

Was Amseln in Frühlingstagen
einander flöten und sagen,
das soll keine Sprache sein?
Mir redet ihr das nicht ein.

Hört: Es klingt wie Erzählen,
wenn sie die Tonfolgen wählen.
Und wie sie die Sätze austauschen:
Wie sie einander lauschen:

Nein, mir erzählt ihr das nicht,
dass nur Menschen sich etwas sagen.
Lauscht in den Frühlingstagen den Amseln!
Ach, ihr Gescheiten,
die ihr Atomkerne sprengt
und Schiffe zu Sternen lenkt,
hört, wie das tönt über Weiten,
morgens, noch ehe es tagt!

Was wohl die Amsel
dem Amsel sagt,
wenn ich durch schallenden
Jubel erwache.

Ihr Klugen, tut mir den Gefallen:
Entschlüsselt die Amselsprache
und die Lieder der Nachtigallen!

(1987)

Raute

IMPRESSUM

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Redaktionsschluss für Nr. 03/2011: 10. Februar 2011


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Quelle:
Roter Brandenburger 2/2011, 16. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2011