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ROTER BRANDENBURGER/027: Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei - Landesvorstand Brandenburg 05/13


Roter Brandenburger - Mai 2013
Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei - Landesvorstand Brandenburg



In dieser Ausgabe:
- Wollt ihr den normalen Krieg?
- 165 Jahre Kommunistisches Manifest
- Putin versus WDR-Mann Schönenborn
- Geddo? Freiheit? Ostcamp?
- Schilda in Potsdam
- Kommunismus (Teil XX)
- Primitiver Teutonismus und Bücherverbrennung
- Verbannt und verbrannt
- Brandenburger Nachrichten in Rot
- Interview
- Roter Bücherwurm
- Anzeigen / Impressum

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Vor genau 80 Jahren ...

­...haben die Faschisten die damaligen Gewerkschaften zerschlagen und die Gewerkschaftshäuser besetzt - Grund für den DGB und seinen Gewerkschaften diesem Jahrestag zu gedenken.

Mit einer Wanderausstellung gedenkt der DGB jenen GewerkschafterInnen, die Widerstand gegen den Faschismus leisteten. DGB-Vorstand Annelie Buntenbach und der Leiter der Gedenkstätte Sachsenhausen, Günter Morsch, eröffneten die Ausstellung im DGB-Haus am Hackeschen Markt in Berlin.

"Morgen werde ich gehenkt. Schafft die Einheit"

Dieser Ausspruch von Wilhelm Leuschner ist beispielhaft für die Menschen, denen die Ausstellung "'Seid wachsam, dass über Deutschland nie wieder die Nacht hereinbricht.' Deutsche Gewerkschafter im KZ 1933-1945" gewidmet ist.

Wie er wurden viele Gewerkschafter, die im Widerstand aktiv waren, gefoltert und ermordet.

01. Mai 1933

Erinnern wir uns: Einen Tag vor der Erstürmung der Gewerkschaftshäuser, am 1. Mai 1933, waren Millionen gewerkschaftlich organisierter Kollegen unter Hakenkreuzfahnen den Marschkolonnen der Faschisten zugeordnet.

Die damalige Gewerkschaftsführung hatte sie dazu aufgerufen. Die Erwartung der ADGB-Führung, mit diesem Aufruf die Weiterexistenz der gewerkschaftlichen Organisationen sichern zu können, erwies sich als Illusion.

Am 2. Mai 1933 hatten die Nazi-Banden in ganz Deutschland die Gewerkschaftshäuser gestürmt. Gewerkschaftliches Eigentum wurde beschlagnahmt, Gewerkschafter misshandelt und verschleppt.

An das Schicksal dieser Kollegen erinnert die Ausstellung, die zum Jahrestag der Erstürmung der Gewerkschaftshäuser eröffnet wurde. "Wir wollen dazu beitragen, dass weiterhin und in der Zukunft Lehren aus der Geschichte gezogen werden. Rechtsextremismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz und darf ihn nie wieder haben", erklärte Annelie Buntenbach. Hier geht es aber nicht um Rechtsextremismus, sondern um Faschismus. Darum unterstützt die DKP die Forderungen vieler Gewerkschafter nach einem Verbot aller faschistischer Organisationen.

Lothar Nätebusch

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Wollt ihr den normalen Krieg?

Wir leben im Mai 2013 - 68 Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands im 2. Weltkrieg. Nun erklärte uns kürzlich Bundesminister de Maiziere, das Verhältnis der Deutschen zum Krieg habe sich normalisiert. Wie aber ist das normale Verhältnis normaler Menschen zum Krieg? Das Verhältnis deutscher Bundesregierungen zum Krieg dürfte jedenfalls einigermaßen bekannt sein. Besonders 1999 mit der Beteiligung am Krieg zwecks Aufteilung Jugoslawiens wurde es deutlich. Seither steht deutsches Militär fortwährend im Ausland und schießt dort auch wie selbstverständlich. Inzwischen ist die Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einer Truppe für den Auslandseinsatz umgebildet worden! Während man dem Volk einredete, der Kalte Krieg sei zu Ende, rückte die NATO unglaublich weit gen Osten vor. Deutschlands Rüstungsindustrie blühte in heutigen Kriegszeiten zum drittgrößten Waffenexporteur der Erde auf. Die militärischen Bündnispartner der Bundesrepublik verübten eine Aggression nach der anderen. Stets stand Deutschland fest an ihrer Seite. Nicht in jedem Fall mit Truppen, half dann aber ihren Kriegskumpanen mit Logistik, mit Ausrüstung und Geld. Dieser militaristischen Politik entsprechen inzwischen auch Sprache und Gebaren, mit denen sich Deutsche wieder erkühnen, Russen, Griechen, Chinesen und viele andere zu schulmeistern. Seit sich die Bundesrepublik zunächst bis zur Oder/Neiße-Linie nach Osten ausdehnen konnte, bekam es ihre Obrigkeit wieder am Kopf.

Eine große Mehrheit der Deutschen hingegen mag die heutige Kriegsbeteiligung durchaus nicht. Mit 1945 war es endgültig genug! Aber welche Rolle spielt die Volksmeinung schon in der Bundesrepublik? Selbst bei den Diskussionen anlässlich der Bundestagswahl wird das Thema Krieg weitgehend verdrängt. Es ist eben stets zu bedenken, wir haben es hier längst nicht mehr schlechthin mit deutschem Kapitalismus zu tun. Wir leben in einer imperialistischen Gesellschaft, die monopol- und finanzkapitalistisch strukturiert und gelenkt ist. In einer Gesellschaft, die infolge dessen zur ständigen Expansion drängt und deren Träger es offensichtlich für ganz normal halten, ihre Expansion militärisch zu "begleiten". Auf solchen Wegen hat der Imperialismus bereits zwei Weltkriege verschuldet. Der dritte Weltkrieg wird seit 66 Jahren als "Kalter Krieg" ausgetragen, weil die imperialistischen Mächte das Monopol an Kernwaffen und Trägermitteln verloren hatten. Was sie nicht hinderte, eine offene oder verdeckte Aggression nach der anderen gegen schwache Staaten zu unternehmen. Nur primitive Leute können übersehen, dass alle diese "lokalen" Kriege ein globales Inferno auslösen können.

Deutschland wurde zur zweitwichtigsten NATO- und Führungsmacht in der Euro-Zone. Es hat damit tief greifenden Einfluss auf andere Völker. Das hat für die sozialen, kulturellen, politischen und ideologischen Zustände im eigenen Land üble Folgen.

Angesichts all dessen wurde der politische Kampf gegen den Imperialistischen Krieg, gegen jegliche Militarisierung deutscher Politik und Wirtschaft, gegen alle Formen ideologischer Kriegsvorbereitung zur Hauptaufgabe hiesigen kommunistischen Wirkens! Mehr noch, das zu begreifen wird geradezu zu einem Prüfstein politischer Reife. Und es gibt nur einen Weg kommunistischer Pflichterfüllung, nämlich den der Verbindung zu den Arbeitern und Arbeitslosen, zu den Jugendlichen, den Intellektuellen, auch zu den Alten, zu den von Wohnungsnot und anderen typisch kapitalistischen Nöten Erfassten sowie zu deren Vereinigungen.

Dazu muss die Partei sich befähigen. Wie anders könnten wir den Zusammenhang von Sozialabbau, Demokratieabbau, Kriegsvorbereitung und Kriegführung allgemein bekannt machen und die Verursacher von sozialer Misere und Kriegspolitik bloß stellen? Wie anders ließe sich das Erleben von sozialer Unterdrückung auf das Niveau politischen Widerstandes heben? Ganz offensichtlich nimmt diese lebenswichtige Arbeit den Kommunisten auch heute keine andere Partei oder Bewegung ab! Es bleibt nur der Weg harter Arbeit an sich selbst, um die Zusammenhänge und Wechselwirkungen so zu begreifen, um sie auch Anderen bewusst machen zu können. Allerdings dürfen wir davon ausgehen, dass die drei Jahrzehnte bald beendet sind, in denen sich die USA und ihre Kriegsgesellen wie globale Herrscher gebärden konnten. Das wird beitragen, Gefühle der Ohnmacht und Aussichtslosigkeit zu überwinden, die so viele lähmten. Die Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses geht gewiss nicht spurlos an der Bundesrepublik vorbei. Sie kann jedoch zugleich zeitweilig mit erheblichen Zuspitzungen verbunden sein. Die machen unseren Kampf gegen den imperialistischen Krieg nur umso dringender.

Hans Stahl

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Zum 8. Mai

Meinst Du, die Russen wollen Krieg?
Nach einem Text von Jewgeni Jewtuschenko
Version aus einem Liederbuch der FDJ

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Liedtext wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Mit folgendem Artikel möchte der Autor einen Beitrag zur Diskussion um das Parteienverständnis der DKP beitragen.

Friedrich Engels in einem Brief an Marx vom 19.11.1844

"Wir sind auch aus Egoismus Kommunisten, aus Egoismus Menschen sein zu wollen, nicht bloße Individuen".

165 Jahre Kommunistisches Manifest nicht nur eine Frage der Tradition

Im Februar, vor 165 Jahren, wurde das Kommunistische Manifest erstmals in London veröffentlicht.

Es waren Marx und Engels, die alle gesellschaftlichen Erscheinungen der Vergangenheit und der Gegenwart wissenschaftlich untersuchten und zu dem Ergebnis kamen, dass der stattfindende Klassenkampf eine gesetzmäßige Erscheinung aller Ausbeutergesellschaftsordnungen ist.

Sie wiesen nach, dass sich die Bourgeoisie im Proletariat ihren eigenen Totengräber schafft, der Untergang der Bourgeoisie unvermeidlich ist, und die Herrschaft der Bourgeoisie durch die sozialistische Revolution beseitigt werden muss.

Damit wurde eine wissenschaftliche Theorie in die Arbeiterbewegung hineingetragen und dem Kampf des Proletariats Richtung und Ziel gegeben.

Mit der Umwandlung des "Bundes der Gerechten" in den "Bund der Kommunisten" wurde die erste revolutionäre Arbeiterpartei in Deutschland geschaffen, die die von Marx und Engels begründete Theorie als ideologische Grundlage ihres Kampfes anerkannte und praktisch zur Anwendung brachte.

Das Kommunistische Manifest ist die erste wissenschaftliche Gesellschaftsprognose und damit zum Programm für die kommunistischen Parteien in aller Welt geworden - es ist die Geburtsurkunde des wissenschaftlichen Sozialismus.

Rückblickend muss man leider feststellen, dass die Bourgeoisie die Gedankentiefe und die Kraft der Marxschen Theorie viel eher und gründlicher verstanden hat als die eigentlichen Adressaten - die Arbeiterklasse. Sie fürchtet das Kommunistische Manifest und seine Anhänger wie der Teufel das Weihwasser und bekämpft alles, was auch nur einen Hauch des Kommunismus ausstrahlt, bis aufs Blut.

Es gehört in gewisser Weise zur Tragik der deutschen Arbeiterbewegung, dass sich die ursprünglich marxistisch geprägte Sozialdemokratie in ihrer Programmatik und Aktion zu einer systemtragenden bürgerlichen Partei entwickelt hat.

Bezeichnenderweise hat das schon der deutsche Reichstag von 1896 erkannt und daraufhin die Gültigkeitsdauer des Sozialistengesetzes nicht verlängert.

Es gibt neben der Bibel kaum eine Schrift, die seit sie erschienen, eine auch nur vergleichsweise so große Verbreitung gefunden hat wie das Kommunistische Manifest.

Es war noch zu Lebzeiten seiner Verfasser in 83 Ausgaben und 14 Sprachen veröffentlicht worden. 1918 gab es bereits weltweit 305 Ausgaben in 30 Sprachen.

Für die siegreiche Große Sozialistische Oktoberrevolution war das Kommunistische Manifest Leitlinie und den deutschen Kommunisten und Sozialdemokraten stand es Pate, als sie 1946 die einheitliche revolutionäre Arbeiterpartei auf marxistischer Grundlage schufen.

Das Manifest lehrt, dass die Arbeiterklasse nur siegreich sein kann, wenn sie sich der Kraft und des kollektiven Wissens einer revolutionären Partei bedient.

Der revolutionäre Charakter der Arbeiterparteien der sozialistischen Staaten ging in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verloren.

Ideologische Verwerfungen, ökonomische und organisatorische Fehlentwicklungen sowie individuelle Fehler haben zu einer Situation geführt, die 1989/1990 die Konterrevolution möglich machte.

Nach dieser Niederlage waren Entmutigung und Resignation unter den Kommunisten groß und das revolutionäre Selbstvertrauen tief erschüttert.

"Über geschichtliche Ereignisse beklagt man sich nicht, man bemüht sich im Gegenteil, ihre Ursachen zu verstehen und damit auch ihre Folgen" (Marx).

Als Kommunisten haben wir den historischen Optimismus und die wissenschaftlich fundierte Überzeugung, dass der gegenwärtige Kapitalismus nicht das Ende der menschlichen Geschichte ist.

Natürlich haben sich die konkreten historischen Bedingungen für den Kampf der Arbeiterklasse und aller lohnabhängig Beschäftigten verändert und der Kapitalismus hat andere Erscheinungsformen entwickelt, aber an seinem Wesen hat sich nichts geändert.

Der globalisierte Imperialismus beweist uns tagtäglich, dass die Leninschen Merkmale des Imperialismus nichts an Aktualität verloren haben. Die Kampfbedingungen haben sich verändert und dem müssen wir Rechnung tragen.

Hans Heinz Holz: "Heute gilt es also, revolutionäres Bewußtsein in einer nichtrevolutionären Phase der Geschichte wach zu halten und mit den Oppositionsstrategien, die innerhalb des Kapitalismus angelegt werden, zu vermitteln, damit diese dann über dieses System hinausführen können.

Dazu ist theoretische Reflexion unerlässlich. Kommunisten organisieren sich nicht als ein spontaner Interessenverband, sondern als das Kollektivsubjekt einer aus theoretischer Erkenntnis der Geschichte hergeleiteten politischen Praxis."

Seit 89/90 hat sich untervielen Kommunisten und in manchen kommunistischen Parteien eine tiefgreifende Unsicherheit ausgebreitet darüber, was eigentlich das Wesen einer kommunistischen Partei ausmache und was die Anforderungen seien, die deren Mitglieder an sich selbst stellen müssen, wenn sie sich als Kommunisten begreifen wollen. Die vielfachen Verletzungen leninistischer Parteinormen in der Vergangenheit hat das Selbstverständnis der Kommunisten erschüttert und die Leitvorstellungen von einer leninistischen Partei oder einer Partei neuen Typs bei vielen in Verruf gebracht.

Es ist also erforderlich, die Frage des Selbstverständnisses einer kommunistischen Partei zu klären.

Die Grundfrage einer Kommunistischen Partei an sich selbst ist doch zunächst einmal die, was die Besonderheit dieser Partei gegenüber allen anderen Parteien ausmache. Worin unterscheidet sie sich von ihnen? Was macht Kommunisten, die sich einer Kommunistischen Partei anschließen, zu solchen?

Einer christlichen Partei können offenbar Mitglieder angehören, die sich auf ganz verschiedene Weise als Christen verstehen - auch solche, die das nicht tun; worin ihr Christentum bestehe und was sie an ihrem Tun als christlich empfinden, ist weder für die Mitglieder noch für die Parteiführung genauer festgelegt; die Verbundenheit mit einer unspezifischen und variantenreichen weltanschaulichen Tradition mag genügen.

Gilt eine solche Bandbreite auch für eine kommunistische Partei? Nein!

Kommunisten werden in ihrem Handeln dadurch bestimmt, dass sie eine in ihren Grundzügen klar umrissene Auffassung von den Bedingungen haben, unter denen sich die menschliche Gesellschaft geschichtlich entwickelt hat und weiter entwickeln wird.

Daraus folgen Anforderungen:

1. Die Kommunistische Partei ist die Organisationsform, der es um die Herstellung einer neuen Gesellschaftsformation geht.

2. Die Kommunistische Partei ist die Kampforganisation der Arbeiterklasse, die die Menschheitsinteressen verkörpert.

3. Klassenbewusstsein ist die politische Form der Weltanschauung, die sich auf die Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus stützt. Diese Theorie ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Selbstverständnisses von Kommunisten.

4. Als Organisation, in der sich das Klassenbewusstsein ausbildet, ist die Kommunistische Partei Motor der Arbeiterklasse und des geschichtlichen Fortschritts.

Wer also eine Kommunistische Partei will, und nicht irgendeine linke Partei, der muss sich diesen Anforderungen stellen, eine bewusste Disziplin aufbringen und das Statut als "Grundgesetz" der Partei anerkennen und befolgen.

Eine Kommunistische Partei ist kein Diskussionsclub! Das bedeutet, dass im Augenblick von Entscheidungen und Beschlussfassungen die möglicherweise abweichenden Meinungen von Einzelnen oder Gruppen sich nicht verselbständigen dürfen. Hier ist Parteidisziplin ein Moment der Wahrheit. Es kann nicht sein, dass sich Genossen gegeneinander in Fraktionen und Plattformen organisieren, sondern man muss miteinander um die richtigen Erkenntnisse ringen.

Andreas Zieger

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Putin versus WDR-Mann Schönenborn

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Artikel wurde nicht in den Schattenblick übernommen.

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Geddo? Freiheit? Ostcamp?

Vom 17.-20. Mai 2013 veranstaltet die SDAJ zusammen mit befreundeten Organisationen zum zweiten Mal ein regionales Pfingstcamp. Im Strombad in Cottbus wird es drei Tage lang eine bunte Mischung aus politischen Vorträgen, Diskussionsveranstaltungen und einem vielfältigen kulturellen Programm aus Musik, Spiel, Sport und vielem Mehr geben.

Das diesjährige "Ostcamp" steht unter dem Motto "Raus aus'm Gheddo - rein inne Freiheit".

Wir leben in einer Gesellschaft, in der niemand wirklich zufrieden ist. Unsere Interessen werden ständig verletzt. Das Dasein der Jugend in Ostdeutschland, der BRD und Europa ist bestimmt durch ein hohes Maß an Unsicherheit, Armut, Leistungs- und Konkurrenzdruck.

Das Gheddo, in dem wir leben, heißt Kapitalismus

In Schule und Hochschule sind wir im Dauerstress und pauken in der Hoffnung auf einen guten Abschluss. Wenn wir das Glück hatten einen Ausbildungsplatz bekommen zu haben, plagen uns schlechte Vergütung, miese Arbeitsbedingungen und die Unsicherheit darüber, was danach kommt. Für viele bleibt nach der Ausbildung unsichere Beschäftigung, Warteschleifen, Leiharbeit.

Nicht nur in unserer Ausbildung und Arbeit spiegelt sich die Unzulänglichkeit unserer Gesellschaft wieder, unseren Bedürfnissen und Interessen zu entsprechen. Wenn wir nicht mehr das Geld haben, die Miete oder die übriggebliebenen kommerziellen Freizeit- und Kulturangebote zu bezahlen, wenn einerseits davon gesprochen wird, dass es uns noch nie so gut ging und uns andererseits eine Wirtschaftskrise zum Sparen zwingt und die Länder der Europäischen Gemeinschaft gegeneinander aufwiegelt, müssen wir uns die Frage stellen, wer ist das dem es gut geht, welchen Interessen wird mit dieser Politik entsprochen?

Was in unserer Gesellschaft unser Leben bestimmt, sind die Gesetze des Marktes und ein Staat, der dafür sorgt, dass sie eingehalten werden. Hier geht es für alle Unternehmen darum, Profit zu machen. Dafür werden wir ausgebildet und dafür sollen wir arbeiten. Das ist das Gheddo, das unseren Alltag bestimmt, eine Gesellschaft nicht im Interesse der Mehrheit, sondern im Interesse einiger weniger Menschen.

Wir wollen gemeinsam mit euch über den Zustand und die Probleme unserer Zeit sprechen, gemeinsam über Wege zur Überwindung dieser gesellschaftlichen Verhältnisse diskutieren und nicht zuletzt zumindest für eine kurze Zeit den alltäglichen Leistungs- und Konkurrenzdruck hinter uns lassen, um gemeinsam zu feiern und Spaß zu haben. Deshalb: "Rein inne Freiheit!"

http://ostcamp.de/

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Schilda in Potsdam

Da ist doch der Potsdamer Stadtfraktion Die Andere ein Husarenstückchen gelungen. Till Eulenspiegel hätte seine Freude gehabt. Sie haben die Potsdamer Entwicklungen mit Stadtschlossbau, Garnisionkirchenwiederaufbau usw. konsequent zu Ende gedacht. Da es momentan in Potsdam um den Wiederaufbau und die Nutzung des Langen Stalls (Stallgebäude neben der zu errichtenden Garnisionkirche) geht, hat sie folgenden Antrag in die Stadtverordnetenversammlung (SVV) eingebracht:

"Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen: Der Oberbürgermeister wird beauftragt, zu prüfen:

- ob der Fuhrpark der Stadtverwaltung Potsdam durch Dienstpferde ergänzt oder ersetzt werden kann.
- welche Kosten ggf für Anschaffung und Haltung der Pferde sowie die Errichtung und Nutzung des Langen Stalls als Stall und Reithalle (inkl, angrenzender Stadt räume als Koppeln und Auslaufflächen) entstehen.

Der Oberbürgermeister wird außerdem beauftragt, Herrn Hasso Plattner durch die inzwischen ortsübliche Form einer Veröffentlichung in der Potsdamer Tagespresse anzufragen, ob er bereit ist, die entstehenden Kosten für eine historische Wiedergewinnung des Langen Stalls zu übernehmen.

Das Prüfergebnis soll im Juli 2013 mitgeteilt werden."

Die Lokalpresse (MAZ) vermutete schon Schlimmeres: "Was um alles in der Welt ist in die Fraktion "Die Andere" gefahren? Werfen sich die Fraktionsmitglieder seit neuem bewusstseinsverändernde bunte Pillen ein? Oder züchten sie auf ihrem Büro-Fensterbrett gar diese halluzinogenen Pilze?"

Dass sie mit ihrem Antrag nicht so falsch lagen, zeigte das Abstimmungsergebnis der SVV. Der Antrag scheiterte zwar, aber mit 18 ja zu 19 nein-Stimmen. Das erinnert mich an eine Inschrift an einem Potsdamer besetzten Haus:

"Wir können sie nicht zwingen die Wahrheit zu sagen, wir können sie nur zwingen immer dreister zu lügen".

Frank Novoce

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Kommunismus (Teil XX)

Heutzutage findet der Zusammenhang von imperialistischem Krieg und sozialistischer Revolution leider viel zu wenig Beachtung. Dabei liegt er gerade bei der ersten siegreichen sozialistischen Revolution, der von 1917 in Russland, unabweisbar auf der Hand. Auch die deutsche Novemberrevolution 1918/19 war zweifellos in hohem Maße eine Folge des 1. Weltkrieges. Dass sie nicht zu einer erfolgreichen sozialistischen Revolution emporwuchs, hatte leicht erkennbare Gründe: Die Köpfe der Sozialdemokratie gaben sich zwar vor Mitgliedschaft und Volk als Sozialisten aus, waren aber alles andere als Sozialisten oder Kommunisten. Infolge dessen entstand eine Kommunistische Partei überhaupt erst im Feuer der Novemberrevolution. So wurde bereits sechs Jahre nach der Revolution Hindenburg, des vertriebenen Kaisers Generalfeldmarschall, Reichspräsident und ein gewisser Hitler vierzehn Jahre nach der Revolution gar "Führer" Deutschlands. Auch in zahlreichen anderen Ländern erhob sich nach dem ersten Weltkrieg das Volk. Wer heute noch die Niederwerfung dieser Revolutionen begrüßt, muss das Geschehen von 1925 bis 1945 "übersehen" haben.

Auch der 2. Weltkrieg entwickelte sich zunächst als imperialistischer Krieg. Er verlor diesen Charakter dann mit den mächtigen Befreiungsschlägen der sowjetischen Roten Armee sowie den mutigen Kämpfern all der Völker, die während des Krieges oder anschließend für ihre nationale Befreiung von imperialistischer und kolonialistischer Herrschaft auf brachen. Auch dabei spielten wieder sozialistische Zielstellungen in vielen Ländern eine große Rolle, während häufig Kommunisten Vorkämpfer dieser kräftigen Volksbewegungen waren. Wieder ist der Zusammenhang von imperialistischem Krieg und sozialistischer Revolution deutlich. So kam es 1949 zur Gründung der Volksrepublik China, was heute unschwer als das folgenreichste politische Ereignis nach der russischen Oktoberrevolution im 20. Jahrhundert zu erkennen ist. In Vietnam währte der Kampf gegen die französischen und USA - Imperialisten drei Jahrzehnte bis zum Sieg. Viele der schweren Kämpfe asiatischer, afrikanischer und amerikanischer Völker des 20. Jahrhunderts gegen ihre imperialistischen Unterdrücker und Mörder wurden zeitweilig aus dem Weltgewissen verdrängt, gerade weil diese Kämpfe häufig mit sozialistischen Zielsetzungen verbunden waren.

Nun wird niemand auf die wahnwitzige Idee kommen, die barbarischen Kriege des Imperialismus herbei zu wünschen, um sozialistische Revolutionen zu befördern. Ganz im Gegenteil, die wirtschaftliche, soziale ideologische und militärische Vorbereitung der imperialistischen Kriege muss rechtzeitig entlarvt werden. Umso mehr, als seit 1945 Kernwaffen zum Kriegsarsenal gehören und inzwischen mindestens 9 Staaten über solch menschheitsgefährdendes Potential verfügen. Der Kampf des Volkes gegen den Krieg ist innerhalb der Imperialistischen Großmächte längst lebensnotwendig und müsste im Mittelpunkt unserer politischen Anstrengungen stehen. Zumal wir andauernd Aggressionen erleben, manchmal arrogant und offen, manchmal hinterhältig und verdeckt, manchmal direkt mit Truppen, manchmal mit Söldnern, Landsknechten, manchmal mit Drohnen und diversen geheimdienstlichen Mitteln. Der deutschen Beteiligung an diesem Tanz auf dem Vulkan muss ein Ende bereitet werden. Dann ließen sich auch eher Möglichkeiten finden, um all den sozialen, kulturellen, finanziellen und wirtschaftlichen Problemen zu Leibe zu rücken, die uns heute in diesem Land drücken. Mehr dazu im 21. Teil.

H.St.

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AUS DEM GESCHICHTSBUCH

Primitiver Teutonismus und Bücherverbrennung

Als ich gefragt wurde, "würdest du etwas zum 80. Jahrestag der Bücherverbrennung schreiben?", habe ich diese Frage gern bejaht.

Erst beim Schreiben wurde mir bewusst, dass es schier unmöglich ist, alles zu sagen, was man auf dem Herzen hat.

Als Elfriede Brüning kurz vor ihrem 100. Geburtstag, im November 2010, bei uns in Potsdam aus ihrem Leben erzählte und ihr neustes Buch vorstellte, gab es eine Situation, da hätte man einen Strohhalm fallen hören können. Elfriede Brüning, von der der Satz stammt "Man kann mir meinen Staat nehmen, nicht aber meine Überzeugung", erzählte, was sie erlebte, als sie am 10. Mai 33 abends auf dem Opernplatz in Berlin war, vom kleinen Schreihals Goebbels, der gespenstischen Atmosphäre und wie sie Schriftstellerkollegen suchte und fand.

Übrigens war auch Erich Kästner auf dem Opernplatz. Es schrieb: "Ich war ... erschienen, um dieser theatralischen Frechheit beizuwohnen. Ich stand vor der Universität, eingekeilt zwischen Studenten in SA-Uniformen, den Blüten der Nation, sah unsere Bücher in die zuckenden Flammen fliegen und hörte die schmalzigen Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners."

Mir fiel an diesem Abend mit Elfriede Brüning wieder ein, dass am 24. Juni 2006 bei einer Sonnenwendfeier in Pretzien (Sachsen-Anhalt) u.a. das Tagebuch der Anne Frank öffentlich und mit direktem Bezug auf die Bücherverbrennung durch die braunen faschistischen Horden zelebriert worden war. Ist es legitim, darüber zu spekulieren, wie das unter den Bedingungen des so genannten verordneten Antifaschismus in der DDR geahndet worden wäre? Wir nehmen nur zur Kenntnis, dass fünf der Täter für die Verhöhnung des Andenkens an Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Pazifisten, Juden und vielen anderen Antifaschisten und Menschen aller Völker Europas und jeden Alters zu unerheblichen Bewährungsstrafen verurteilt wurden.

Natürlich darf wohl in so einer Betrachtung nicht Heines "Almansor" fehlen. Hieraus stammt der berühmte Satz "Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen", den Hassan seinem Herrn Almansor antwortete. Sicher sah Heine hier schon die mehr und mehr um sich greifende Deutschtümelei in den Reihen der Kräfte, die auf die Einheit Deutschlands hinarbeiteten. Er erahnte die Gefahr, die davon ausging, die dann in den reaktionären Studentenvereinigungen, im preußischdeutschen Militarismus und im Faschismus endlich real wurde. Heine schrieb 1840 in seiner Denkschrift zu Börne: "Auf der Wartburg krächzte die Vergangenheit ihren obskuren Rabengesang, und bei Fackellicht wurden Dummheiten gesagt und getan, die des blödsinnigsten Mittelalters würdig waren ... Auf der Wartburg herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war als Haß des Fremden und dessen Glaube nur in der Unvernunft bestand, und der in seiner Unwissenheit nichts Besseres wusste, als Bücher zu verbrennen!"

Deutschtümelei und deutsche Arroganz und Überheblichkeit sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen, oft genug gepaart mit Fremdenfeindlichkeit und Dummheit. Da ist es bis zu faschistoidem Gedankengut nur noch ein Schritt.

Das gesamtgesellschaftliche Herrschaftsverhältnis des Kapitals braucht so etwas als 5. Kolonne. Heute mehr den je für den Fall, dass der deutsche Michel was gegen Auslandseinsätze bei Andersartigen haben könnte.

Es gilt, daran zu arbeiten, immer den Anfängen zu wehren, dem Ungeist keinen fußbreit Boden zu überlassen. Auch das hat die besten Deutschen immer ausgezeichnet, was uns den Optimismus für die Zukunft bewahren lässt.

Den alten und neuen Faschisten jeglicher Art will ich zum Abschluss ins Stammbuch schreiben, was Romain Rolland, in einem Brief an den Chefredakteur der "Kölnischen Zeitung" schrieb und aus dem der Londoner Rundfunk am 16. Mai 1933 zitierte:

"Deutschland ist mit Füßen getreten, mit Blut besudelt und geschändet worden von seiner jetzigen ... Regierung ... Eine solche Politik ist Verbrechen nicht nur gegen die Humanität, sondern gegen Euer eigenes Volk. ... Ihr lasst es die Achtung seiner besten Freunde in der Welt verlieren. ... Merkt Ihr denn nicht, dass die großen Verbannten der Wissenschaft und Kunst auf der Waage der Weltmeinung schwerer wiegen als die lächerlichen Bannflüche ihrer Verfolger?"

Herbert Driebe

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Verbotene Autoren

Henri Barbusse - Otto Bauer - August Bebel - Johannes R. Becher - Walter Benjamin - Eduard Bernstein - Bertolt Brecht - Max Brod - Alfred Döblin - Albert Ehrenstein - Friedrich Engels - Lion Feuchtwanger - Sigmund Freud - Maxim Gorki - Jaroslav Hasek - Walter Hasenclever - Heinrich Heine - Franz Kafka - Erich Kästner - Helen Keller - Egon Erwin Kisch - Klabund - Selma Lagerlöf - W.I. Lenin - Heinrich Mann - Klaus Mann - Thomas Mann - Karl Marx - Franz Mehring - Karin Michaelis - Erich Mühsam - Martin Andersen Nexö - Carl von Ossietzky - Theodor Plevier - Alfred Polgar - Walter Rathenau - Erich Maria Remarque - Ludwig Renn - Romain Rolland - Alfred Schirckauer - Artur Schnitzler - Michail Scholochow - Anna Seghers - Upton Sinclair - Ernst Toller - Kurt Tucholsky - Karl Tschuppik - Erich Weinert - Ernst Weiß - Friedrich Wolf - Arnold Zweig - Stefan Zweig


Verbannt und verbrannt

Am 27. Februar 1933 hatte in Berlin der Reichstag gebrannt - Fanal für den faschistischen Terror in Deutschland. Flammen, Brandgeruch und Asche am Beginn des Weges ins Inferno. Auf dem Berliner Opernplatz und in weiteren siebzehn Universitätsstädten züngelten am 10. Mai 1933 Flammen von Scheiterhaufen, genährt durch Bücher. Keineswegs widerwillig warfen Studenten Bücher in die Feuer.

Mit Schmährufen bedachten sie Namen und Titel von Autoren der "zeitgenössischen Literatur von Weltgeltung und ein[en] wesentliche[n] Teil der Klassiker der europäischen Literatur und Philosophie seit den Tagen der Aufklärung". Anmaßend nannte Goebbels die Werke "Schmutz- und Schundliteratur". Fortan betrieben die Nazis den kulturellen und geistigen Niedergang. Zweifellos war die Bücherverbrennung ein Akt der Machtfestigung der Nazis. Indem sie humanistische Literatur ächteten und vernichteten, meinten sie den Weg für ihre menschenverachtende Ideologie bereitet zu haben. Am 10. Mai wurde unmissverständlich klargestellt, was sie zu vernichten trachteten.

"Die 'Feuersprüche' brandmarkten namentlich fünfzehn Schriftsteller, Wissenschaftler, Journalisten, Verleger. Ihre Werke wurden verbrannt als weithin loderndes Zeichen dafür, welche Entwicklungen im gesellschaftlichen und geistigkulturellen Leben gewaltsam zurückgedrängt werden sollten. Drei Schwerpunkte zeichneten sich ab: Am meisten fürchteten die neuen Machthaber die Arbeiterbewegung, ein Denken in den Traditionen der Aufklärung und des Humanismus und den Pazifismus. Die Theoretiker der revolutionären Arbeiterbewegung führten die Liste der Verfemten an. In Berlin eröffnete ein Studentenvertreter das Spektakel mit dem schrill-heisern Ruf: Deutsche Studenten! Wir haben unser Handeln gegen den undeutschen Geist gerichtet. Übergebt alles Undeutsche dem Feuer! Gegen Klassenkampf und Materialismus! Für Volksgemeinschaft und idealistische Lebensauffassung! Ich übergebe dem Feuer die Schriften von Karl Marx und Kautsky!"

Nach den Brandnächten plünderten eifrige Erfüllungsgehilfen der Nazis die Bibliotheken. Der deutsche Buchhandel hatte sich dem Diktat der Nazis zu fügen. Das Börsenblatt für den deutschen Buchhandel vom 16. Mai 1933 veröffentlichte bereits Schwarze Listen mit den Namen von Autoren, deren Bücher nicht mehr ausgeliehen werden durften und deshalb aus den Beständen der Bibliotheken zu entfernen waren. Die schändliche Barbarei endete in Trümmern und Asche. Dass sich so etwas nie wiederholen dürfe, manifestierte sich in der DDR an jedem 10. Mai, dem Tag des freien Buches. Als verordneter Antifaschismus verleumdet, gab es diesen Tag der Erinnerung und Mahnung ab 1991 nicht mehr. Bücher wurden wieder vernichtet, "entsorgt" lautete der Euphemismus. Marx, eben dieser, der 1933 auf den Scheiterhaufen geworfen worden war, fand sich nun in Müllcontainern und auf Schutthalden und all die anderen, auch Heine und Brecht, Gorki, Feuchtwanger, Zweig, Liebknecht, Tucholsky... und die reiche DDR-Literatur. Es ist nicht auszuschließen, dass diese neue Barbarei verantwortet wurde von Erben jener, die am 10. Mai 1933 Bücher verbrannten.

Gerhard Hoffmann

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"Brandenburger Nachrichten in Rot"

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Die "Brandenburger Nachrichten in Rot" wurden nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Die Lüge über den 17. Juni

Teil 2

Interview mit Erich Buchholz

In diesem Jahr jähren sich die Ereignisse des 17. Junis 1953 zum 60. mal. Die Herrschenden dieser Republik werden jede Zeitungszeile und jede Sendeminute nutzen, um dies zur Diskreditierung der DDR zu nutzen. Dem wollen wir die Sicht eines Zeitzeugen entgegensetzen. Rechtsanwalt Prof. Dr. Erich Buchholz, geboren 1927, wollen wir in drei Teilen befragen, wie es zu diesen Ereignissen kam und wie er sie erlebte. Im zweiten Teil geht es um die Ereignisse, die zum 17. Juni führten.

RB: Warum sollte man sich mit den Ereignissen vor dem 17. Juni beschäftigen? Wichtig ist doch, was in diesen Tagen geschah.

Erich Buchholz: Aufgrund meiner Lebenserfahrung weiß ich, dass Lügen vielfach, wenn nicht meistens, in der Gestalt von Halbwahrheiten verbreitet werden. Wesentliche und maßgebliche Umstände werden weggelassen! Als Strafrechtler weiß ich, dass jede Straftat, vornehmlich jede vorsätzliche Straftat, ihre "Geschichte" hat, dass ihr etwas voranging. Um Straftaten richtig zu beurteilen, muss man daher auf ihre Ursachen und Entstehungsbedingungen zurückgehen.

Ich weiß daher, wie wichtig es ist, dass bei der Beurteilung von Vorgängen nicht nur das Bild, das äußere Erscheinungsbild - oder die durch das Fernsehen vermittelten Bilder - zur Kenntnis genommen werden darf, sondern nachfragt werden muss, wie es zu dem betreffenden Ereignis gekommen war. Man muss das Wesen erkennen.

RB: Welche Rolle spielte die geopolitische Lage, spielten die Hauptkontrahenten USA und Sowjetunion?

E.B.: Eine entscheidende. Nach der bereits erwähnten, von den USA insgeheim langfristig vorbereiteten, separaten Währungsreform (s. RB März) erteilten sie durch ihren General Clay den Befehl zur Bildung des Weststaates, der BRD. Deren Eingliederung in die NATO wurde zunehmend intensiv vorangetrieben. Es drohte ein dritter Weltkrieg.

RB: Und wie reagierte die Sowjetunion?

E.B.: Die bekannte Stalinnote vom 10. März 1952 war seitens der Sowjetunion - nach vielen zuvor erfolglosen Bemühungen - der letzte Versuch, im Sinne des Potsdamer Abkommens eine Initiative für die Bildung einer gesamtdeutschen Regierung (nach entsprechenden Wahlen) und den Abschluss eines Friedensvertrages mit dieser gesamtdeutschen Regierung zu bewirken. Ein entsprechender Vertragsentwurf lag in seinen Grundzügen bei. Wie alle früheren Initiativen aus dem Osten zuvor, wurde auch dieses Angebot Stalins seitens der Westmächte - aber auch durch Adenauer - abgelehnt.

RB: Warum wollten sie ein einiges Deutschland?

E.B.: Die USA lehnten dieses Angebot vor allem deswegen ab, weil der Abschluss eines solchen Friedensvertrags bedeutet hätte, dass die USA ihre Truppen und ihr militärisches Gerät hätten abziehen müssen!!! Denn mit dem Abschluss eines solchen Friedenvertrages mit Deutschland hätten die USA (wie auch die anderen Besatzungsmächte) die Rechtsgrundlage ihres Aufenthalts in Deutschland verloren!!

Im Jahre 1952 gab es für die Anwesenheit der USA-Truppen in der BRD noch die bedingungslose Kapitulation Hitlerdeutschlands und vor allem das Potsdamer Abkommen. Diese wären aber durch den Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland überholt gewesen, weggefallen! Aus diesem Grunde waren die USA gegen einen Friedensvertrag mit einer gesamtdeutschen Regierung! Und Adenauer wollte "Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb."

RB: Welche Konsequenzen hatte das für die junge DDR?

E.B.: Die Ablehnung der Stalin-Note seitens der USA war so krass, dass die Sowjetunion und die Staaten des Warschauer Vertrages sich darüber klar sein mussten, dass die USA und ihre französischen und britischen Mitstreiter es ernst meinten. Sie wollten keinen Friedensvertrag mit einem gesamtdeutschen Staat abschließen. Der mit dem Abwurf von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki vom Zaun gebrochene "Kalte Krieg" drohte in einen heißen umzuschlagen. Die Sowjetunion und die Staaten des Warschauer Vertrages musste sich auf entsprechende Verteidigungen einstellen! Die DDR verlor Ihre Sonderrolle und musste umfangreiche Maßnahmen zur Aufrüstung leisten. Zu diesen gehörten auch erste Maßnahmen zur Sicherung der Westgrenze der DDR in Gestalt eines 5 km breiten Sperrgebietes.

RB: Wie reagierte die SED auf diese kritische Lage?

E.B.: Da ein einiges, demokratisches und entmilitarisiertes Deutschland in weite Ferne rückte, beschloss die SED im Juli 1952 auf ihrer zweiten Parteikonferenz, die Grundlagen des Sozialismus aufzubauen. Dazu zählte auch eine Reihe von Maßnahmen und Initiativen zur ökonomischen Stärkung der DDR.

Unter anderem war die Förderung einer schrittweisen Schaffung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) vorgesehen. Darauf hin hatten einige Bauern, die irrigerweise eine "Kollektivierung" nach sowjetischem Muster befürchteten, ihr Land, ihren Hof und ihr Vieh im Stich gelassen.

RB: Wie wirkten sich diese Maßnahmen aus?

E.B.: Es entstand eine kritische Situation. Die DDR stand vor der Aufgabe, die Industrie aufzubauen, die Versorgung der Bevölkerung sicher zu stellen. Dazu sollte sie auch noch vermehrt Mittel für die militärische Stärkung der DDR aufbringen. Zu den beschlossenen Maßnahmen gehörte auch, die Arbeitsnormen anzuheben, was faktisch einer Lohnkürzung gleichkam. Parallel dazu gab es restriktive Maßnahmen gegen den privaten Produktionssektor in der DDR. Die Versorgungslage besserte sich nicht, sie verschlechterte sich. Diese Maßnahmen trafen eine Anzahl von Bürgern der DDR hart.

RB: Wurde die gefährliche Situation erkannt und gegengesteuert?

E.B.: Angesichts der ernsten Situation in der DDR wurden Anfang Juni 1953 die Genossen Grotewohl, Ulbricht und andere nach Moskau beordert. Dort wurde das vereinbart und beschlossen, was dann als "Neuer Kurs" bekannt wurde. Das Politbüro des ZK der SED beschloss am 9. Juni 1953 die Einleitung eines neuen Kurses, der am 11. Juni 1953 von der Regierung der DDR staatlich verbindlich bekräftigt und veröffentlicht wurde. Es wurden Schritte eingeleitet, um die Lage der Bürger der DDR, vor allem der Arbeiter, wieder zu verbessern. In dieser Situation, als bereits eine Korrektur der bedenklichen Entwicklung eingeleitet worden war, reagierte der Klassenfeind. Ihm war klar, die für die von ihm schon lange geplante Inszenierung eines Aufstands in der DDR benötigte "günstige" Situation drohte, sich zu verlaufen. Ihm schwammen die Felle weg.

wird fortgesetzt

Frank Novoce

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Der rote Bücherwurm empfiehlt

Dem Unrecht wehren

Ein Berliner Jurist erzählt - Erich Buchholz

Die Erinnerungen von Erich Buchholz beginnen mit dem zweiten Weltkrieg, der das Ende seiner Schulzeit besiegelte. Millionen Menschen mußten durch das mörderische Treiben auf grausamste Weise ihr Leben lassen. Buchholz überstand alles wie ein Wunder - selbst die Kesselschlacht bei Halbe. Er gehört zu den Jahrgängen, die noch im letzten Kriegsjahr, in sehr jungem Alter, eingezogen wurden. Im Gegensatz zu den meisten Soldaten wußte er schon vor dem Einsatz um die Unmenschlichkeit des Krieges. Bereits im Vorschulalter nahm ihn sein Vater mit in den Antikriegsfilm "Im Westen nichts Neues". Trotz jahrelanger Arbeitslosigkeit blieb für derartige Aktivitäten immer etwas Geld übrig. Mit Dankbarkeit blickt Buchholz auf einen Vater zurück, der ihn "lehrte, die Menschen zu achten".

Aus den Erfahrungen mit Krieg und Nazidiktatur kam für ihn nur ein neues Deutschland in Frage, das sich als antifaschistisch, friedliebend und demokratisch verstand. Die vom Westen eingefädelte Währungsreform, die 1949 zur endgültigen Spaltung Deutschlands führte, entsprach nicht seinen Vorstellungen. Auch nicht der wachsende Antikommunismus in der Westzone. Dennoch behielt Buchholz bis 1952 Westberlin als Hauptwohnsitz bei. Die Jahre des Pendelns waren für den Jurastudenten der Humboldt-Universität von großem Nutzen, schärfte doch das hautnahe Miterleben der gegensätzlichen Entwicklungen in West und Ost seine Fähigkeit wissenschaftlichen Vergleichens. Der interessierte und begabte Student fiel auf, man riet ihm zu einer akademischen Laufbahn. Den Traumberuf Rechtsanwalt mußte er bis zu seiner Entlassung als Hochschulprofesser, 1990, beiseite legen. So etwas nennt man Ironie des Schicksals.

Aus seiner Biographie erschließen sich viele wichtige Bereiche gesellschaftlichen Lebens in der DDR. Wie ist so etwas möglich? Das Rechtswesen berührt alle Bereiche eines Staates. Außerdem kann Buchholz auf ein vielfältiges und über die Grenzen hinausgehendes Arbeitsleben zurückblicken. Sei es bei der Ausarbeitung der Studienpläne für Juristen, bei internationalen Konferenzen der Vereinten Nationen oder im wissenschaftlichen Austausch mit Kollegen aus aller Welt. Sein wissenschaftlicher Rat und seine menschlichen Qualitäten waren oft gefragt. Das führte unweigerlich zu verantwortungsvollen Positionen, bis hin zum "Vorsitzenden des wissenschaftlichen Beirates für Rechtswissenschaften beim Minister für das Hoch- und Fachschulwesen der DDR". Über vierzig Jahre hat er die Rechtsentwicklung auf dem "Gebiet des Strafrechts und der Strafrechtswissenschaft zunehmend mitbeeinflußt".

Erich Buchholz bringt dem Leser eine andere DDR nahe, als die Gruselgeschichten, die tagtäglich über die Medien in unsere Wohnzimmer dringen. Vom privaten Recht bis zu außenpolitischen Kontakten, vom Aufbau der DDR bis zu ihrer Abwicklung - zeichnet er das Bild eines Staates, in dem Recht beim Wort genommen wurde. Die DDR hat das wirklich Neue auf allen Gebieten gewagt! Wie demokratisch es vor allem am Anfang zuging, zeigte sich beispielsweise in dem Bemühen, möglichst viele Bürger in die Diskussion über den Aufbau eines alternativen Rechtswesens mit einzubeziehen. "Die Strafprozeßordnung", so Buchholz, "war von Juristen ausgearbeitet worden, die die Mängel der alten Justizpraxis aus Kaiserzeit und Weimarer Republik kannten".

Die DDR war bis zu ihrem Ende um ein "volksnahes Rechtssystem" bemüht und um eine "Strafgesetzgebung mit dem Schwerpunkt der Wiedereingliederung Strafentlassener in das gesellschaftliche Leben". Die Deutsche Demokratische Republik gehörte zu den Staaten in Europa mit der geringsten Kriminalität. Warum? Weil "bei der Bekämpfung ... und Einschränkung von Kriminalität gesellschaftliche Veränderungen zu sozialer Gerechtigkeit von größerer Bedeutung sind als Strafrecht und Strafe". Sehr differenziert setzt sich Buchholz mit Begriffen wie "Rechtsstaat" auseinander. Hinter der Beurteilung von Recht oder Unrecht steht die Frage "cui bono? - wem nützt es?" Viele Tatsachen weisen darauf hin, daß das sozialistische Deutschland im bürgerrechtlichen Sinne der kapitalistischen Bundesrepublik weit überlegen war. Ein teurer Rechtsanwalt garantiert heute noch lange nicht, "ob einer Recht bekommt, der Recht hat".

Die DDR mußte sich von Beginn an gegen Angriffe aus dem Westen behaupten. "In der heutigen Darstellung der Deutschen Demokratischen Republik werden diese feindlichen Aktionen ausgeblendet." So entsteht das Bild eines Staates, der seine Bürger "grundlos, unmotiviert" oder der Willkür gehorchend überwachte. Dieses spannende Buch ist von hohem praktischem und theoretischem Wert - für Laien und Fachleute.

Ulla Ermen

Erich Buchholz
Dem Unrecht wehren - Ein Jurist erzählt
Edition Zeitgeschichte Band 20
Kai Homilius Verlag Berlin 2006
350 Seiten - 19,90 EURO

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Redaktionsschluss für Nr. 06/2013: 15. Mai 2013

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Quelle:
Roter Brandenburger 05/2013, 18. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2013