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ROTFUCHS/193: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 239 - Dezember 2017


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

20. Jahrgang, Nr. 239, Dezember 2017



Aus dem Inhalt
  • Aleida Guevara March: "Sein wie der Che"
  • "Wir alle sind Venezuela"
  • Camilo Torres - Priester und Guerillero
  • Wallonie: Wachsender Zuspruch für die PTB
  • Zum 19. Parteitag der KP Chinas
  • Wehret den Anfängen!
  • Die AfD und der Rechtsruck
  • Über Strategie und Taktik der internationalen kommunistischen Bewegung
  • Stutthof, das lange verschwiegene KZ
  • Gefolgschaft hinterm Hakenkreuz
  • Verbrechen der Wirtschaft
  • "Sie nannten mich Benjamin" - Erhard Stenzel
  • Vom Ende der Sprachlosigkeit (2)
  • Stimmen aus aller Welt über die DDR
  • Impressionen aus Leningrad
  • Till Eulenspiegel vom Bodensee
  • Über die "christliche Wertegemeinschaft"
  • Sergej Obraszows Schöpfungsgeschichte
  • Gisela Steineckert: Hand aufs Herz
  • Leserbriefe

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Keinen Fußbreit den Faschisten!

In den letzten Jahren seines Lebens setzte sich Klaus Steiniger, der am 28. Dezember 85 Jahre alt geworden wäre, an dieser Stelle mehrfach mit der Rechtsentwicklung auseinander. Zwei Monate vor seinem Tod am 9. April 2016 fragte er: "Wiederholt sich die Geschichte?", und antwortete: "Die Welle grausamer imperialistischer Kriege - inzwischen immer öfter mit bundesdeutscher Beteiligung - und die unablässig steigende Flut der große Teile Europas überschwemmenden Faschisierung legen den Gedanken nahe, daß Gewesenes noch einmal über uns hereinzubrechen beginnt. Blinder Haß vor allem auf Muslime - eine neue Variante des Antisemitismus - sowie deutschnationaler Größenwahn, aber auch französischer Chauvinismus entladen sich auf keineswegs vom Himmel gefallene Flüchtlingsströme." Daran muß keine Silbe geändert werden.

Die Lage hat sich noch verschärft: Die Stichworte Weltkriegsgefahr durch Trump, Erhöhung der Rüstungsetats in allen NATO-Staaten, Mordtaten des "tiefen Staates" der Bundesrepublik, Einzug der AfD in den Bundestag, Faschisten in Österreichs neuer Regierung, sollen genügen. Nicht alle der fast sechs Millionen Bundesbürger, die am 24. September für die AfD stimmten, heißt es nun von einigen Mitstreitern, seien Faschisten.

Das ist wahr, aber was ergibt sich daraus? Auch am 5. März 1933 waren nicht alle 17 Millionen NSDAP-Wähler Nazis. Sie bildeten gewollt oder ungewollt aber die Massenbasis für die Abschaffung der parlamentarischen Republik und die Errichtung der faschistischen Diktatur. Niemand war und ist gezwungen, Hetzern und Demagogen hinterherzulaufen, aber die Höcke, Maier, Poggenburg, Weidel oder Gauland sind genau das. Mit AfD-Wählern reden, wird gefordert.

Das ist selbstverständlich, wenn sie überhaupt dazu bereit sind und ihnen nicht zu Munde geredet wird. Wer von ihnen aber ernsthaft meint, seine Rente sei wegen Flüchtlingen und nicht wegen des Auftrags der Maschmeyer und Co., des deutschen Finanzkapitals, an Gerhard Schröder und Joseph Fischer gekürzt worden, dem ist kaum zu helfen. Schulen vergammeln hierzulande nicht deswegen, weil Flüchtlingsheime gebaut werden. Einige Genossinnen und Genossen wollen umgekehrt angesichts der drohenden Katastrophen den Kapitalismus in kürzester Frist und möglichst weltweit aus den Angeln heben. Grundlage soll eine kommunistische Sammlungsbewegung sein. Das Problem: Es gibt sie nicht; die Zeiten der Konterrevolution und Restauration sind nicht vorbei, im Gegenteil. Was ergibt sich daraus?

Klaus Steiniger schrieb im Februarheft 2016: "Für Menschen unserer Art gibt es keinen Grund aufzustecken oder den Kampf gegen Krieg und Kapital auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. Doch Augenmaß und Nüchternheit sind geboten. Man sollte dabei die eigenen Möglichkeiten weder unter- noch überschätzen. Bisher hat der weltweite Übergang von einer Gesellschaftsformation zu einer anderen Jahrhunderte in Anspruch genommen. Ziel unseres Handelns muß es sein, die historische Existenzdauer der letzten Ausbeuterformation, von der das Weiterbestehen der Menschheit in höchste Gefahr gebracht wird, maximal zu verkürzen. Denn je länger es den Kapitalismus gibt, um so größer ist das Risiko eines Infernos."

Strategisch entscheidend bleibt, was er im Märzheft 2015 formulierte: "Als in der politischen und sozialen Realität des imperialistischen deutschen Staates, Europas und der Welt orientierungsfähige Sozialisten, Kommunisten und Antiimperialisten unterschiedlicher Weltanschauungen stehen wir unverrückbar gegen Krieg und Kriegsgeschrei, Ausbeutung und Unterdrückung, für internationale Solidarität und Toleranz gegenüber Andersdenkenden demokratischer Gesinnung.

Mit besonderer Entschiedenheit wenden wir uns gegen jegliche Formen der Islamfeindlichkeit, des Antisemitismus, der Diskriminierung von Sinti und Roma, des Ausländerhasses und des bundesdeutschen Größenwahns." In diesem Sinn hatte er einen Monat zuvor, im Februar 2015, im "RotFuchs" den Klassenstandpunkt vertreten: "Für ein 'Wehret den Anfängen!' ist es bereits zu spät. So übernehmen wir die Losung jener, welche einst als Interbrigadisten in der großen Abwehrschlacht gegen Franco, Hitler und Mussolini auf Spaniens Erde verkündeten: Keinen Fußbreit den Faschisten!" Dem ist nichts hinzuzufügen.

Arnold Schölzel

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"Sein wie der Che"

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Erklärung von Caracas
"Wir alle sind Venezuela"

Wir, die Vertreter der politischen, sozialen, religiösen Organisationen, der Arbeiterorganisationen sowie Persönlichkeiten und Intellektuelle aus 60 Ländern weltweit haben uns vom 16. bis 19. September 2017 im Rahmen des weltweiten Kongresses "Wir alle sind Venezuela: Dialog für den Frieden, die Souveränität und die bolivarianische Demokratie in Venezuela" in Caracas versammelt. Wir unterstützen das Volk und die Regierung voll und ganz angesichts der Angriffe des US-amerikanischen Imperialismus, dessen Handlungen gegen die Bolivarische Heimat Tag für Tag zunehmen. Diese Aktionen zeigen sich am dramatischsten in der faschistischen Gewalt, die zwischen April und Juli dieses Jahres entfesselt wurde und 115 Todesopfer, Tausende Verletzte und Sachschäden gefordert hat, sowie in der psychologischen Aggression, deren Ziel das gesamte venezolanische Volk war.

Heutzutage setzt der US-Imperialismus die politische Aggression direkt durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, durch. Dieser droht nicht nur mit dem Einsatz seines Militärs gegen Venezuela, sondern versucht auch, mit Hilfe der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und der Beteiligung einiger Länder der Region Venezuela diplomatisch einzukesseln. Ziel ist dabei die Untergrabung der Stärke der bolivarianischen Demokratie, während mittels einer Präsidentialverfügung die schon zuvor angewandte Finanzblockade amtlich wird, mit deren Hilfe die venezolanische Wirtschaft zum Erliegen gebracht werden soll.

Der imperialistische Angriff gegen die Bolivarische Revolution stellt eine eklatante Verletzung der Erklärung von Lateinamerika und der Karibik zur Zone des Friedens dar, welche von den Präsidenten sämtlicher Länder der Region auf dem 2. Gipfeltreffen der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen Staaten und der Karibik (CELAC) im Januar 2014 in Havanna unterzeichnet worden und in Kraft getreten ist. In dieser Erklärung wird auch das souveräne Recht jedes Landes verteidigt, sein eigenes Schicksal ohne ausländische Einmischung zu bestimmen.

Die Regierung von Präsident Trump hat gemeinsam mit führenden Stimmen der antinationalistischen venezolanischen Opposition vor, die staatlichen Institutionen mit Hilfe verschiedener Intrigen zu destabilisieren. Dies konnte dank einer weitreichenden politischen Entscheidung enthüllt und verhindert werden. Als Grundlage dafür diente das philosophische Gedankengut des historischen Anführers der Bolivarischen Revolution, Comandante Hugo Chávez, genauso wie für die Wahl, Einsetzung und Arbeitsaufnahme der Verfassunggebenden Nationalversammlung (ANC).

Mit der ANC beginnt das venezolanische Volk einen neuen historischen Abschnitt, der die Fundamente des sozialen und gerechten Rechtsstaates, der in der Bolivarischen Verfassung von 1999 verankert wurde, stärkt und ausbaut. Gleichzeitig konnte der Frieden wiederhergestellt werden, wobei die eindeutige Niederlage der extremen Rechten, die an der Spitze der furchtbaren Gewalt stand, deutlich wurde.

Wir, die Vertreter der politischen, sozialen, religiösen Organisationen, der Arbeiterorganisationen sowie Persönlichkeiten und Intellektuelle, haben uns im Rahmen des weltweiten Kongresses "Wir alle sind Venezuela ..." versammelt und sind fest von der Bedeutung des politischen Dialogs überzeugt, der von Präsident Maduro unterstützt wird und das letzte Mal in der Dominikanischen Republik mit Vertretern der Bolivarischen Regierung und des sogenannten "Tisches der Demokratischen Einheit" (MUD), die umfassende Allianz der venezolanischen Opposition, abgehalten wurde. Daher stehen wir fest hinter dem Dialogvorschlag der Bolivarischen Regierung.

Wir betonen, daß - im Gegensatz zu den weltweiten Meldungen der extremen Rechten gemeinsam mit Unterstützung der großen transnationalen Desinformationsunternehmen - der Wahlkalender und die demokratische Agenda weiterhin Bestand haben. In einigen Wochen wird es in Venezuela Regionalwahlen geben. Die Gemeindewahlen und Präsidentenwahl sind für 2018 angesetzt, genauso wie das Referendum über die Annahme oder Ablehnung des neuen, vom ANC erarbeiteten Verfassungstextes. Welches Land auf der Welt kann eine demokratische Praxis in solchem Umfang vorzeigen?

Daher verurteilen wir die niederträchtige Lüge, die Fake News und die verzerrte Darstellung der venezolanischen Realität als Hauptstrategie zur Diskreditierung der Bolivarischen Revolution und der rechtmäßigen Regierung von Präsident Nicolás Maduro.

Im gleichen Sinne unterstützen wir die Anstrengungen der Regierung und des Volkes von Venezuela zur Überwindung der schwerwiegenden Probleme, die sich aus dem von höchsten US-amerikanischen Regierungsstellen geführten Wirtschaftskrieg ergeben.

Unsere Verpflichtung zum Frieden, zur Souveränität und der bolivarianischen Demokratie ist eng mit dem Aufbau einer breit aufgestellten und dauerhaften Solidaritätsbewegung in allen Ländern verbunden, die von sämtlichen demokratischen Teilnehmern an diesem Kongreß aus den politischen, sozialen und religiösen Organisationen sowie den Arbeiterorganisationen auf den Weg gebracht wird.

Die Verteidigung der Bolivarischen Revolution ist eine unabdingbare Pflicht der Völker Lateinamerikas, der Karibik und der Welt, wenn man bedenkt, daß in Venezuela das Recht auf Souveränität, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und Integration unserer Völker verteidigt wird. Im Sinne von José Martí verhindern wir mit der Verteidigung der Unabhängigkeit Venezuelas, daß die USA ihren Einfluß auf unserem amerikanischen Boden verstärken.

Caracas, 19. September 2017

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US-Militär stößt in Amazoniens Herz vor

Die US-Streitkräfte fassen im brasilianischen Amazonasgebiet Fuß. Vom 6. bis 13. November wirkten dreißig Angehörige ihres Südkommandos dort bei der multinationalen Übung "Amazonlog 17" mit Hunderten Militärs aus Peru, Kolumbien und Brasilien zusammen. Mitten im Regenwald, im äußersten westlichen Grenzgebiet, wurde für verschiedene Krisenszenarien die schnelle Errichtung einer gemeinsamen temporären Militärbasis simuliert. Dazu zählen Hilfseinsätze bei Naturkatastrophen wie Waldbränden, Tsunamis, Erdbeben und Überschwemmungen. Ebenfalls trainiert wurde die Reaktion auf "humanitäre Krisen" im Zusammenhang mit möglichen Flüchtlingswellen aus Brasiliens Nachbarländern Kolumbien und Venezuela.

Das Projekt steht für die deutliche Annäherung Brasiliens unter Präsident Michel Temer an die USA in der Außen- und Sicherheitspolitik. Dazu zählt auch eine aktive feindliche Haltung gegenüber der linksnationalistischen Regierung von Nicolás Maduro in Venezuela, die mit schweren ökonomischen Problemen zu kämpfen hat und im In- und Ausland einer Destabilisierungskampagne ausgesetzt ist. Brasiliens neuer Kurs stellt eine Abkehr von dem bis 2016 unter Lula da Silva und Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei (PT) eingeschlagenen Weg dar, welcher der regionalen Integration Vorrang einräumte. In Teilen der brasilianischen Militärhierarchie wird US-Aktivitäten in der ressourcenreichen "Schatzkammer" des Landes traditionell ebenfalls mit Mißtrauen begegnet.

Brasiliens Verteidigungsminister bis 2015, Celso Amorim, sieht es als "merkwürdig" an, wie niedrig die Temer-Regierung das militärische Kooperationsprojekt zu hängen versuchte, indem sie öffentlich kaum ein Wort darüber verlor. Dabei handele es sich um eine "Angelegenheit von großer geopolitischer Tragweite". Die Mitwirkung der USA an einer solchen Basis mitten "im Herzen Amazoniens" - dasselbe träfe für ihn auf Rußland oder China zu - bezeichnete Amorim als "total gegen das nationale Interesse" gerichtet. Freundlicher beurteilt das die US-Botschaft in Brasília: Alte Verbündete würden eine "reiche und facettenreiche Beziehung" fortführen, hieß es von dort.

Peter Steiniger

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Camilo Torres - Priester und Guerillero

Im August 1970 hat der kolumbianische katholische Theologe Germán Guzmán Campos bei seinem Besuch in Berlin hervorgehoben, "daß sich die fortschrittlichen Kräfte in Lateinamerika in ihrem Ringen gegen den Imperialismus mit der Deutschen Demokratischen Republik verbunden fühlen und in deren Friedenspolitik eine starke moralische Unterstützung ihres eigenen Befreiungskampfes sehen". Guzmán beurteilte den durch die Zusammenarbeit der demokratischen Kräfte in der DDR ermöglichten Versuch, eine sozialistische Gesellschaftsordnung aufzubauen, als ein "erstrebenswertes Ziel aller Ausgebeuteten und Unterdrückten".

Von Guzmán war Ende 1968 im Union-Verlag die von ihm 1967 in Bogotá unter dem Titel "Camilo, El Cura Guerillero - Presencia y Destino" publizierte Biographie seines Freundes und Kampfgefährten Camilo Torres Restrepo (1929-1966) in deutscher Sprache erschienen. Dieses Buch bot über den biographischen Rahmen hinaus einen engagierten Einblick in die gesellschaftlichen Verhältnisse Lateinamerikas, speziell von Kolumbien. Obschon politisch und formal selbständig, waren die lateinamerikanischen Länder in verschiedenen Formen de facto unter der brutalen Kolonialherrschaft der USA. W.I. Lenin hat in seiner Schrift über den Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus (1917) diese mit dem ersten Weltkrieg einsetzende Epoche analysiert. Gegen die von mörderischer Unterdrückung begleitete Ausplünderung und gegen das ungeheure, von den Reichen verursachte Elend der Armen haben lateinamerikanische Christen sich immer wieder in Volksbewegungen organisiert und sich aktiv an den revolutionären Kämpfen beteiligt. Zu ihnen gehörte der kolumbianische römisch-katholische Priester Torres, der für Lateinamerika zu einem Symbol für die Parteinahme katholischer Christen für eine revolutionäre Umkehr der Geschichte geworden ist. Während seiner Ausbildung in Europa hat Torres die Dialektik von Armut und Reichtum als Soziologe studiert und war in Paris mit Arbeiterpriestern zusammengekommen.

1965 hat Torres die "Plattform für eine Bewegung der Volkseinheit" verfaßt und beim Erzbischof von Bogotá um die Entpflichtung vom Priesteramt gebeten. Er wollte sich nicht an die Tafel der Reichen und der Enteigner der Armen setzen. Das veranlaßte den Erzbischof, Torres zu verurteilen und die Katholiken Kolumbiens aufzurufen, Torres nicht zu folgen.

Am 19. Juni 1965 hat Torres in Medellín in einer Rede bekannt: "Ich bin von bürgerlicher Herkunft. Aber ich bin zu den Massen, die die kolumbianische Revolution durchführen werden, getreten, mit der Bitte, mich als Revolutionär aufzunehmen, und ich verspreche von hier aus, daß ich ein guter Revolutionär sein werde." Am 15. Februar 1966 wurde Torres in einem Gefecht mit den Söldnern der herrschenden kolumbianischen Klasse getötet. Torres war kein "marxistischer Extremist", als den ihn das deutsche katholische Feuilleton gerne an den Rand drängen möchte. Torres ist ein christlicher Märtyrer, der wegen seiner Option für die Armen den "Preis der Gerechtigkeit" (Jon Sobrino) zu zahlen bereit war und diesen auch hat zahlen müssen.

Schöne, durchdachte Gutachten zur Drucklegung im Union-Verlag haben dessen Lektoren Horst Hartwig und Carl Ordnung geschrieben, Autor des Nachwortes war Otto Hartmut Fuchs. Hartwig war der Meinung, daß die Biographie von Torres geeignet sei, kirchlichen Kreisen in der DDR positive Denkanstöße zu vermitteln, um die Stellung des Christen zur Revolution und zum Sozialismus zu klären. Das war in vielen Fällen wohl eine Illusion, wenn man an die von den imperialistischen Kräften korrumpierten katholischen und evangelischen Gaucks denkt.

Ordnung betont, die Torres-Biographie von Guzmán würde nahezu alle gesellschaftlichen Grundfragen der Epoche behandeln, die Antworten von Torres darauf seien parteilich, nämlich "gegen den USA-Imperialismus, für eine revolutionäre Umwälzung im Sinne des Sozialismus". Otto Hartmut Fuchs, Widerstandskämpfer gegen die Naziherrschaft und im Friedenskampf engagierter Christ in der DDR, war 1968 Teilnehmer des 39. Eucharistischen Weltkongresses in Bogotá.

Torres hat seine eigene Position so definiert: "Ich bin Revolutionär als Kolumbianer, Soziologe, Christ und Geistlicher:

  • als Kolumbianer, weil ich bei den Kämpfen meines Volkes nicht abseits stehen kann;
  • als Soziologe, weil ich dank meiner wissenschaftlichen Kenntnis von den Realitäten zu der Überzeugung gelangt bin, daß wirksame Lösungen nicht ohne eine Revolution herbeigeführt werden können;
  • als Christ, weil das Wesen des Christentums in der Nächstenliebe liegt und weil nur durch die Revolution das Wohl für die Mehrheit erreicht werden kann;
  • als Geistlicher, weil die Hingabe für den Nächsten, die von der Revolution verlangt wird, ein Erfordernis der brüderlichen Barmherzigkeit ist, welches für das Opfer der Messe unerläßlich ist, denn dieses Opfer kommt nicht vom Einzelmenschen, sondern nimmt seinen Weg vom ganzen Gottesvolk über Christus."

In einem anderen Kontext wendet sich Torres an Kommunisten: "Als Soziologe bin ich nicht Anti-Kommunist, da die kommunistischen Pläne zur Bekämpfung von Armut, Hunger, Analphabetentum, Wohnungsnot und Mangel an sozialer Fürsorge wissenschaftlich fundierte, wirksame Lösungsmöglichkeiten enthalten."

Torres hat sich leidenschaftlich gegen die "Theaterrevolutionäre" und jene gewandt, "die einen Touristenabstecher in das Elend des Volkes unternehmen", er wandte sich gegen revolutionäre Schreihälse ebenso wie gegen die opportunistischen, snobistischen und bohêmehaften Transform-Erzähler: "Die wahrhafte Revolution ist elementar, sie hat ihre Wurzeln in den Indios und Mestizen, den Arbeitern und Bauern." Er forderte eine Bewegung, "in der sich über Parteiinteressen hinweg Werktätige, Intellektuelle und Vertreter der Universität zusammenfinden".

Die Reise von Papst Franziskus nach Kolumbien macht die Erinnerung an Camilo Torres Restrepo lebendig, weil Papst Franziskus im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern glaubwürdig als Papst der Armen und des Friedens auftritt. Leider hat es das Vatikansystem bisher immer verstanden, in überkommene Bahnen zurückzukehren.

Prof. Dr. Gerhard Oberkofler


Im Bayerischen Rundfunk sagte ein Kommentator am 7. April 1971 in einer Sendung unter dem Titel "Lateinamerika heute: Kirche der Reichen - Glaube der Armen" über Camilo Torres: "Für Lateinamerika und seine Kirche hat Torres heute eine doppelte Bedeutung: durch ihn haben Revolution und revolutionäre Aktivität eine Legitimation erfahren, die eine noch so beredte Apologetik nie hätte erreichen können. Er hat sein Leben für die anderen gegeben - ein Sachverhalt, der gerade Christen einleuchtend ist. Durch ihn ist zweitens der Antikommunismus zu einer stumpfen Waffe in der Hand der Herrschenden geworden ..."

• Germán Guzmán: Camilo Torres. Persönlichkeit und Entscheidung. Union-Verlag, Berlin 1968

• E. Hochman / H.R. Sonntag: Christentum und politische Praxis - Camilo Torres, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt a. M. 1969

• W. Hornman: Der Guerilla-Priester. Roman um Camilo Torres. Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1974

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Wallonie: Wachsender Zuspruch für die PTB

In verschiedenen Ländern, auch in Belgien, erleben wir eine Rückkehr des Kommunismus, der die individuellen Freiheiten zerstört und vermehrt zu Armut und sozialem Rückschritt geführt hat" - davor warnte der belgische Ministerpräsident Charles Michel am 9. Oktober auf einer Veranstaltung im Freizeitpark Walibi bei Brüssel.

Offenbar sind Michel die jüngsten Meinungsumfragen in der französischsprachigen Wallonie in die Glieder gefahren. In dieser Region Belgiens liegt die marxistische Partei der Arbeit (Parti du Travail - PTB) neuerdings vorn. Im Augenblick würden über 20 Prozent ihr Kreuz bei ihr machen. In Flandern geht sie als Partij van de Arbeid (pvda) ins Rennen. 30-Stunden-Woche, Reichensteuer und eine kostenlose Gesundheitsversorgung - das Programm der Marxisten kommt in der Wallonie, wo viele vom sozialen Abstieg bedroht sind, gut an.

Die Leute in Liège (Lüttich), Charleroi und Namur rechnen der Partei an, daß sie sich beim wallonischen Widerstand gegen die Freihandelsabkommen mit Kanada bedingungslos in die erste Reihe stellten. Obwohl am Ende nur marginale Veränderungen im Vertrag erreicht wurden, gingen die Umfragewerte danach in die Höhe.

Die Partei ist mit ihren Mitgliedern gut aufgestellt. Der Parteivorsitzende Peter Mertens untermauert die Visionen der Partei theoretisch; seine Bücher über die soziale und politische Lage Belgiens sind gefragt ("Wie können sie es wagen?", 2013; "Die Millionärssteuer ...", 2015). Daneben hat sich auch Raoul Hedebouw einen Namen gemacht. Der 40jährige ist einer von zwei ptb/pvda-Abgeordneten im belgischen Parlament. "Die Herrschenden sagen immer, daß es keine Alternative gibt. Aber es gibt sie!" zitierte die Tageszeitung "Trouw" den Kommunisten. "Als Bürger müssen wir uns die Macht zurückholen", so die anschließende Forderung. Offenbar sehen das viele in der Wallonie genauso.

Anders als die Sozialistische Partei in den Niederlanden können die belgischen Marxisten vom Niedergang der Sozialdemokratie profitieren, die in der Wallonie nach einem Bereicherungsskandal erst recht in die Bredouille geraten ist. Eine ganze Reihe ihrer Mandatsträger steht aktuell in einem schlechten Licht da, weil sie Nebenjobs unterhalten, die öffentlich gefördert werden.

Die Marxisten bilden dazu eine integre Alternative. "Wir erhalten einen Lohn von 1700 Euro, den Rest geben wir ab. Wir leben genauso wie die Bürger", so Raoul Hedebouw laut "Trouw" im Juni auf einer Veranstaltung in Saint-Nicolas, einer ehemaligen Bergarbeiterstadt in der Nähe von Lüttich. Nach der Schließung der Zechen und Stahlwerke ist heute jeder fünfte der 24.000 Einwohner arbeitslos. Hedebouws Parolen vom Klassenkampf stoßen in diesen hoffnungslosen Gegenden - von denen es viele in der Wallonie gibt - auf offene Ohren.

Die Stimmung in der Wallonie unter den Linken wird allerdings durch die düsteren Prognosen in Flandern getrübt. Während der französischsprachige Teil immer roter wird, favorisieren die Flamen offenbar die "bräunlichen" Nationalisten der Nieuw-Vlaamse Alliantie um Antwerpens Bürgermeister Bart De Wever. In Flandern würden nur fünf Prozent die Marxisten wählen. De Wever beschimpfte die Partei der Arbeit vor ein paar Monaten als "Restabfall des 20. Jahrhunderts". Er schafft damit ein gewalttätiges Klima: Am diesjährigen 1. Mai griff ein Mann Raoul Hedebouw während einer Kundgebung in Lüttich mit einem Messer an und verletzte ihn leicht am Bein. "Es ist mehr nötig, um uns zum Schweigen zu bringen", sagte der Politiker daraufhin und setzte seine Rede unbeeindruckt fort.

Gestützt auf jW

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Neue geopolitische Konstellation in Asien?

Der britische Journalist Gideon Rachman vom außenpolitischen Ressort der "Financial Times" stellt in seinem bisher nur auf Englisch herausgegebenen Buch "Easternization. Asia's Rise and America's Decline. From Obama to Trump and Beyond" die Ursachen und Folgen der neu entstandenen geostrategischen Konstellation in Asien dar. Nach seiner Ansicht gewinnen die asiatischen Staaten sowohl wirtschaftlich als auch politisch an Bedeutung. Sie treten damit in Konkurrenz zu den mächtigen westlichen kapitalistischen Staaten.

Gideon Rachman zeichnet die Geschichte der wirtschaftlichen und politischen Machtverschiebung in Asien nach, analysiert die Entwicklung Japans nach dem 2. Weltkrieg und befaßt sich mit der rasanten ökonomischen Entwicklung der VR China der letzten Jahre. Nach Angaben des IWF ist China schon seit 2014 die größte Wirtschaftsmacht der Erde. Der Autor weist auch auf die Gefahr eines Krieges zwischen den beiden konkurrierenden Mächten USA und China im südchinesischen Meer und auf die wachsenden Militärausgaben im asiatischen Raum hin.

Die Machtbalance wird beeinträchtigt durch die Schaukelpolitik der pazifischen Anrainerstaaten Japan und Südkorea zwischen dem westlichen imperialistischen Militärbündnis und der Attraktivität der chinesischen Marktmacht. Er geht ebenfalls auf den Aufstieg Indiens als zweite Supermacht des Kontinents mit seiner rasch wachsenden Bevölkerung ein.

"In geopolitischer Hinsicht könnte sogar eine Wachstumshemmung in China oder ganz Asien nichts mehr daran ändern. Die wirtschaftliche Entwicklung, die es China und auch Indien erlaubt, einen Status als Großmächte anzustreben, ist bereits vollzogen. Die erfahrensten Analytiker in den westlichen Regierungen operieren mit der Annahme, daß sich der Wechsel der wirtschaftlichen Macht vom Westen in den Osten fortsetzen wird und daß der ökonomische Wandel in politische Macht übertragen wird. Die 'Veröstlichung' jenseits von Asien beginnt mit dem Verlust der Macht des US-Imperialismus in der Region des Mittleren Ostens." Diese Feststellung Rachmans scheint mir doch etwas zu verfrüht. Die USA sind in dieser Region politisch und militärisch sehr präsent.

Der Autor thematisiert die militärische "Vorwärtspolitik" der NATO gegenüber Rußland, die zu einer Annäherung an China geführt habe. Dadurch werde seiner Meinung nach die Tendenz der "Veröstlichung" gefördert.

Rachman prognostiziert schwächer werdende imperialistische Staaten, was die neue Rolle Chinas in Afrika und Lateinamerika begünstige. Er relativiert die Hegemonie Chinas insoweit, als daß Indien, Japan, Südkorea sowie die Länder Südostasiens und Australien, Chinas Vorherrschaft im pazifischen Raum entgegentreten würden. Rachmans These "Die Nixon-Kissinger-Öffnung gegenüber China hatte vor allem den Zweck, die Sowjetunion zu isolieren und China näher an die Vereinigten Staaten zu ziehen. Die Trump-Regierung scheint das Manöver in umgekehrter Richtung zu vollziehen: Näher an Moskau heran, um somit Peking zu isolieren" scheint mir nicht realistisch. Denn Trump operiert in einem bestimmten Rahmen. Übertritt er die globalen Interessen des US-Imperialismus, wird er gestoppt, wie die US-Sanktionen vom August 2017 gegen Rußland verdeutlicht haben.

Dr. Matin Baraki


Gideon Rachman: Easternization. Asia's Rise and America's Decline. From Obama to Trump and Beyond. Other Press, New York 2017, 336 S.

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FARC - mehr als irgendeine Abkürzung

Alternative Revolutionäre Kraft des Volkes (Fuerza Alternativa Revolucionaria del Común - FARC). So heißt die neue politische Partei, mit der die ehemaligen kolumbianischen Guerilla-Kämpfer die politische Arena betreten wollen, ohne die Abkürzung zu verlieren, unter der sie mehr als ein halbes Jahrhundert lang in Bergen, Ebenen und Dschungeln kämpften.

Der gewählte Name ist mehr als eine formale Entscheidung und sendet eine klare Botschaft dessen, was nach Abschluß des historischen Friedensabkommens von Havanna ihre Ziele sind. Der erste Kongreß der ehemaligen Guerilla-Kämpfer seit ihrem Übergang zum Zivilleben mußte nicht nur den Namen der Partei festlegen, sondern auch ihre Struktur und die Strategie im Hinblick auf die erstmalige Teilnahme an den Parlaments-und Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr.

Die Debatte über den Namen beanspruchte nicht wenig Aufmerksamkeit. Einige dachten, daß das Ende des Konflikts der Moment sein könnte, die alte Abkürzung hinter sich zu lassen und sich für eine Erneuerung zu entscheiden - Nueva Colombia (Neues Kolumbien) und Esperanza Popular (Volkshoffnung) waren Vorschläge, die letztlich verworfen wurden.

Die Mehrheit plädierte dafür, an den Initialen der früheren "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" festzuhalten und nur ihre Bedeutung zu ändern. Für einen Teil des Landes tragen die Buchstaben der Abkürzung eine Last des Todes und des Leidens. Aber die früheren Guerilleros setzten darauf, ein Symbol ihres revolutionären Kampfes beizubehalten, das sie seit den Tagen von Marquetalia begleitet hat, als die Gruppe unter Leitung von Manuel Marulanda entstand. Es ist auch eine klare Botschaft dahin gehend, daß sie die Ziele, für die sie vor mehr als 50 Jahren zu den Waffen gegriffen hatten, nicht aufgegeben haben, sondern versuchen, diese nun mit anderen Mitteln zu erreichen.

Die als Logo gewählte rote Rose (mit einem kleinen roten Stern) folgt der gleichen Logik. Sie streben danach, daß der Frieden, in dem Maße, in dem er dazu beiträgt, die Wunden des Krieges zu heilen, auch die Vorurteile überwindet, die sich durch jahrelange negative Propaganda angesammelt haben.

Und man hat schon begonnen, diesen Weg zu gehen. Mehr als 1200 kolumbianische Delegierte versammelten sich auf dem Bolivar-Platz in Bogota. Für viele von ihnen war es der erste Besuch in der Hauptstadt, ohne daß sie sich verstecken oder den Behörden aus dem Weg hätten gehen müssen. Es war auch die erste Gelegenheit für die Einwohner Bogotas, so viele Ex-Guerilleros "live" zu erleben. Der Kongreß, der mehr als eine Woche dauerte, stellte fest, daß die Partei in sich die verschiedenen revolutionären und freiheitlichen Strömungen, einschließlich des bolivarischen Denkens, vereinen wird und die Arbeit in den Gemeinden zu ihren Prioritäten gehören werde.

In der Tat bezieht sich das "Común" (Gemeinde, Volk, Gemeinwesen) des neuen Namens auf die Arbeitszellen in den Ortschaften und Gemeinden, in denen das Schicksal der Gruppe bestimmt wird.

Die FARC mit ihrer eigenen Organisation und Führung - unter Leitung von Timoleón Jiménez und einer kollektiven Führung, deren Funktionen ähnlich dem ehemaligen Sekretariat verteilt sind - strebt außerdem eine große Koalition von sozialen Bewegungen und progressiven Parteien an, welche die Einhaltung des Friedensabkommens gewährleisten und die von Ultrarechten und Paramilitärs ausgehende Gewalt zurückweisen soll.

Es liegt ein schwerer Weg vor der Partei. Aber die Alternative Revolutionäre Kraft des Volkes entsteht in einem Moment der Diskreditierung der traditionellen Parteien. In der letzten Gallup-Umfrage lag die FARC vor allen anderen politischen Gruppierungen des Landes. Dies garantiert natürlich noch keinen freien Zugang zum Regierungspalast, der Casa de Narino, ist aber ein Zeichen für die Notwendigkeit frischen Winds in der kolumbianischen Politik, auch wenn er von Namen mit langer Geschichte begleitet wird.

Gestützt auf einen Bericht der "Granma", Havanna

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Zum 19. Parteitag der KP Chinas

In Beijing trat vom 18. bis 24. Oktober der 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas zusammen. Auf dem Programm des alle fünf Jahre tagenden Kongresses der seit 1949 regierenden Partei stand unter anderem der Rechenschaftsbericht von Generalsekretär Xi Jinping. Dieser hat das Amt seit dem Parteitag 2012 inne und ist wie seine Vorgänger zugleich Präsident der Volksrepublik. 2287 Delegierte vertraten rund 90 Millionen Parteimitglieder.

"Die Oktoberrevolution in Rußland hat zur Entwicklung Chinas beigetragen", sagte Xi Jinping bei der feierlichen Eröffnung des 19. Parteitages. "Vor einem Jahrhundert hat das Geschützgrollen der Oktoberrevolution den Marxismus-Leninismus nach China gebracht. Innovative Köpfe Chinas haben in der wissenschaftlichen Theorie des Marxismus-Leninismus einen Weg zur Lösung der Probleme des Landes gefunden", wird Xi zitiert. Er betonte dabei, daß die chinesische Bevölkerung darin eine Stütze für das Suchen nach nationaler Unabhängigkeit, Freiheit, Gedeihen und Glück gefunden habe.

Der Sozialismus chinesischer Prägung steht laut Präsident Xi Jinping vor einer neuen Ära - dem weltweit vollkommensten Modell der Demokratie. Peking hat sich die Bildung einer prosperierenden, demokratischen und harmonischen Großmacht bis zur Mitte des laufenden Jahrhunderts zum Ziel gesetzt. Der Auftritt Xi Jinpings auf dem 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas am 18. Oktober dauerte gut drei Stunden. In seiner vielfach von Beifall unterbrochenen Rede zeigte sich Xi zwar optimistisch, warnte seine Genossen jedoch auch vor Gefahren. Sowohl China als auch die Welt steckten "in tiefgreifenden und komplizierten Veränderungen". Die Genossen müßten entschieden gegen alles angehen, was die Partei untergrabe.

Die KP Chinas hat die Idee eines "Sozialismus mit chinesischer Prägung für eine neue Ära" entwickelt. Dieser Sozialismus, der auf der Ideologie der Vorgänger Jinpings ruht, sei eine Anleitung zum Handeln für die nächsten fünf Jahre. Die neue Ideologie beinhaltet 14 Punkte: Der wichtigste davon ist, die Führungsrolle der Partei in allen Angelegenheiten zu gewährleisten. Der Generalsekretär benannte als den größten Widerspruch der Epoche den Widerspruch zwischen der ungleichmäßigen Entwicklung und dem zunehmenden Bedürfnis der Menschen an einer Verbesserung der Lebensbedingungen. Dieser Widerspruch besteht in der Tat: Der "Gini-Koeffizient" der Ungleichheit erreichte in China 2016 46,5 Punkte. Gestiegen sind vor allem die Immobilienpreise - in den letzten fünf Jahren etwa der Preis eines Quadratmeters in Shenzhèn von 3800 auf 8100 US-Dollar, was den Erwerb von Wohnungen für junge Menschen unmöglich macht. "Häuser sind notwendig, um dort zu wohnen und nicht um mit ihnen zu spekulieren", sagte Xi Jinping.

Xi hatte im Vorfeld des Parteitags zu "großen Anstrengungen" aufgerufen, um die Armut in dem Riesenland mit seinen inzwischen fast 1,4 Milliarden Einwohnern zu überwinden. 40 Millionen Menschen, so das offizielle Ziel, sollen bis 2020 aus der Armut herausgeholt werden. Der Traum von der nationalen Wiederbelebung würde ohne starke Führungsrolle der Kommunistischen Partei ein bloßer Traum bleiben, so Jinping. Alle Versuche, eine Demokratie westlichen Typs einzuführen, würden entschieden zurückgewiesen - statt dessen wird vorgeschlagen, die innerparteiliche Demokratie zu entwickeln. Die Grundlage einer stabilen Entwicklung der Gesellschaft ist Jinping zufolge die Aufrechterhaltung der Kontrolle der Medien, des Internets und die Schaffung von Forschungszentren mit chinesischer Spezifik.

Die Anti-Korruptionskampagne werde fortgesetzt. "Xi Jinping erklärte die stärkere Beachtung der Parteidisziplin zu einer der größten Prioritäten", sagte der chinesische Experte Sun Chandung. Im Vergleich zum Jahr 2012, als Xi an die Macht kam, änderte sich die Situation radikal. In dieser Zeit wurden rund 1,2 Millionen Parteimitglieder wegen Verwicklung in Korruptionsfälle bestraft.

In bezug auf die Außenpolitik sagte Jinping, daß kein einziges Land die globalen Probleme allein lösen könne und China allen vorschlage, zusammen eine "Gemeinschaft des gemeinsamen Schicksals" aufzubauen. Peking habe etwas, was es der Welt vorschlagen könne - wenn die Schwellenländer den Weg Chinas gehen, würden sie ihre Unabhängigkeit bewahren und wirtschaftlich wachsen. Bei der Umsetzung der Außenpolitik wird China die Volks- und Befreiungsarmee helfen. Ihre Modernisierung soll bis 2035 abgeschlossen werden, 2050 China eine fortgeschrittene Militärmacht sein.

Sebastian Carlens kommentierte am 20. Oktober in der "jungen Welt", die Regierung der Volksrepublik China und ihre herrschende Partei seien "in einer irre gewordenen Welt die stärkste Hoffnung der Menschheit".

Es wurde ein neues Zentralkomitee gewählt und von diesem nach Abschluß des Parteitags der Ständige Ausschuß des Politbüros. Xi Jinping und Ministerpräsident Li Kequiang wurden in ihren Funktionen bestätigt.

Gestützt auf "Kommersant", "Xinhua" und "junge Welt"


Zusätzliche Informationen unter:

http://german.xinhuanet.com/201719d/

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Lüge, Betrug und Fälschung als Treibstoff des Profits

Es vergeht kein Monat, ohne daß der Kapitalismus nicht demonstriert, zu welchen Leistungen er fähig ist. Synchron mit leicht ansteigenden Aktienkursen an der Frankfurter Börse gab es eine Flut von wirtschaftskriminellen Skandalen, die vorübergehend für großes Aufsehen in den Medien und für berechtigte Empörung bei der Bevölkerung sorgten.

Die von den deutschen Banken kräftig mitgetragenen Zinsmanipulationen an der Londoner Börse (Libor-Zins und die Cum-Ex-Geschäfte im Aktienhandel), jahrelang auch vom deutschen Finanzministerium gedeckt, sind zeitlich schon wieder etwas entrückt. Der Diesel-Abgasskandal, die gesetzwidrigen Absprachen und Deals der großen Automobilkonzerne untereinander, die Vergiftung der Hühnereier, der ungebremste Einsatz von Pestiziden in der Getreideproduktion, die systematische Verseuchung des Grundwassers und die Leugnung und Vertuschung des immer akuteren Pflegenotstands in den Krankenhäusern sind nicht das Ende einer endlosen Kette wirtschaftspolitischer Verbrechen, begangen durch kapitalistische Unternehmen. Die Massenmedien haben zur Ruhigstellung der aufgeheizten Volksseele ein erprobtes Arsenal von Begründungen und Entschuldigungen parat. Da wird vom Einzelfall, vom subjektiven Fehlverhalten, von Verkettungen unglücklicher Umstände und von der angeblich fehlenden Kontrollinstanz gesprochen und geschrieben.

Nur in der Theorie verlaufen die betrieblichen, konzerninternen und volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozesse noch nach Recht und Gesetz, im normalen ökonomischen und finanziellen Modus ab. Aber diese Prozesse haben längst ihre Normalität verloren. Die Ursachen dafür liegen in den veränderten kapitalistischen Produktionsverhältnissen, die unter dem Druck der Globalisierung und wachsenden Liberalisierung durch die Kapitaleigentümer, durch die Vorstände, Aufsichtsräte und das Führungspersonal in den Unternehmen ständig dynamisiert und an die hohen Profit- und Renditeerwartungen angepaßt werden. Es sind die schon eingetretenen und weiter zu erwartenden Veränderungen und Umbrüche in den nationalen und internationalen Rahmenbedingungen des Wirtschaftens.

Der Produktionsprozeß in den Unternehmen muß heute bei Strafe des Untergangs auf eine Vielzahl von zum Teil gegenläufigen, sich oft widersprechenden ökonomischen, finanziellen, organisatorischen, juristischen und politischen Faktoren und Bedingungen weitaus schneller, radikaler und zielsicherer reagieren, als es die Konkurrenz vermag. Fehler im Unternehmenskonzept, Nachlässigkeiten bei der Marktanalyse und eine falsche Strategie enden im erbarmungslosen Konkurrenzkampf fast alle tödlich für das betreffende Unternehmen. Viele Innovationen treten heute in immer kürzeren Zeitabständen als qualitative Umbrüche im Erzeugnissortiment, in der Technik und Technologie in Erscheinung, mit denen Leitsätze der klassischen bürgerlichen Betriebswirtschaftslehre auf den Kopf gestellt werden müssen. Die Technik- und Technologieumbrüche zwingen die Unternehmen zu einschneidenden Veränderungen in der Reproduktion der Fonds. Dabei wird deutlich, daß Banken und Kapitalfonds heute maßgeblich die Spielräume der Unternehmen in der Realwirtschaft abstecken und eigentlich das Dirigat im Unternehmen übernommen haben. Bei der Masse der Erzeugnisse und Verfahren bestimmen heute fast ausschließlich die rigidesten Kostensenkungsstrategien (vor allem zu Lasten der "Arbeitnehmer") den Ausgang des nationalen bzw. internationalen Konkurrenzkampfes. Die Auftragsvergabe an Unternehmen vollzieht sich heute fast immer auf der Schiene von Dumpingpreisangeboten. Die Bezahlung von Unternehmensleistungen durch die öffentliche Hand ist in den meisten Fällen für alle Beteiligten zum nervigen Streßtest geworden. Der Niedrigzins treibt die Aktionäre zusätzlich an, die Forderungen an die Profitproduktion und Renditebereitstellung immer höher zu schrauben. Die Verwertung des Kapitals wird unter normalen Vorzeichen, sprich bei konsequenter Einhaltung von bürgerlichem Recht und Gesetz, immer schwieriger, komplizierter und - offen gesagt - immer aussichtsloser.

Der Boden für den Einsatz ungesetzlicher Mittel und Methoden in den Unternehmen ist durch die Mechanismen kapitalistischer Profitproduktion selbst bereitet worden und wird weiter kultiviert. Natürlich ist die Produktion und die Aneignung von Mehrwert ökonomisch determinierter und juristisch sanktionierter Diebstahl des geschaffenen Neuwertteils durch den Kapitalisten, durch seine Manager.

Es ist aber augenscheinlich, daß der kapitalistische Reproduktionsprozeß heute nicht mehr ohne einen ganzen Fächer von Handlungen und Aktionen funktioniert, die kriminell sind, außerhalb von Recht und Gesetz stehen. So bedienen sich alle großen Unternehmen der Lüge, des Betrugs und der Fälschung als hochklassigem Treibstoff für die Profitproduktion.

Drohende ökonomische und finanzielle Verluste fördern die kriminelle Phantasie und das Abstreifen jeglicher moralischer Skrupel und Bedenken bei den leitenden Akteuren in den Unternehmen. Die Korruption als ideales Schmiermittel ist zum Bestandteil aller brisanten Geschäftsbeziehungen geworden. Immer wichtiger wird ein feinmaschiges juristisches Tarnnetz, unter dem selbst kriminelle Handlungen der Manager gesetzeskonform erscheinen. Auf mögliche Strafen und Sanktionen für das Unternehmen wird zynisch mit angeblich verbesserten Kaufanreizen für den Kunden reagiert. Abwerbung und Erpressung werden ohne Skrupel eingesetzt, um schnell an Insiderwissen zu gelangen. Genauso bedeutsam wie eine ausgefeilte profitorientierte Betriebswirtschaft ist die Fähigkeit geworden, Schwachstellen und Lücken in Gesetzen für das eigene Unternehmensinteresse auszunutzen. Es ist zur gängigen Praxis geworden, wichtige, das Kapital frontal treffende Gesetze und Verordnungen durch "eigene Fachleute" selbst auszuarbeiten und anschließend mit der Autorität des Parlaments als verbindlich beschließen zu lassen. Wirtschaftskriminelle, ungesetzliche Handlungen durch das Führungspersonal in den Unternehmen sind heute fest in alle Phasen des Reproduktionsprozesses integriert. Die leitenden Akteure in den Unternehmen wären in der Lage, jede Bilanz auch als Kriminalakte zu lesen. Der Kodex des biederen deutschen Unternehmers, wonach alle Geschäftsbeziehungen ehrlich, gewissenhaft zum beiderseitigen Vorteil abzuwickeln sind, ohne dabei Dritte zu schädigen, hat schon lange seine Existenzberechtigung verloren.

In allen Stadien kapitalistischer Entwicklung gab es kleinere und größere Rechtsbrüche durch die Unternehmer. Karl Marx und Friedrich Engels haben das bei der Analyse der ersten industriellen Revolution in England akribisch nachgewiesen. Verglichen mit heute waren es, bildlich gesprochen, Rechtsbrüche, Verstöße gegen staatliche Verordnungen und Vorschriften im Format von Kinderschuhen. Heute nehmen wirtschaftskriminelle Handlungen mit ihren schädlichen Wirkungen nationale und internationale Dimensionen an. Die verursachten Schäden und Verluste sind ökonomischer und finanzieller Natur, ein Desaster für die Umwelt und eine ernsthafte Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung. Wirtschaftskriminelle Handlungen durch die Kapitaleigentümer und ihre Manager sind nicht mehr unternehmensbegleitende Aktivitäten, auf die man bei Bedarf zurückgreift. Sie werden nicht mehr nur bei etwaigen Schieflagen des Unternehmens organisiert. Sie haben heute faktisch eine unternehmenstragende Funktion angenommen. Sie sind als wirtschaftskriminelles System Bestandteil der Unternehmensphilosophie, die zum Teil immer schwieriger aufzubrechen und juristisch zu verurteilen ist. Es kann schon als Gesetzmäßigkeit angesehen werden, daß mit wachsender Größe der Unternehmen (Umsatz, Profit, Dimension und Struktur der Geschäftsbeziehungen, technologische Dominanz usw.) sich auch das wirtschaftskriminelle Potential erhöht. Eine über mehrere Jahrhunderte gemachte Erfahrung besagt: Mit dem bürgerlichen Recht allein kann der kriminelle Sumpf in den Unternehmen nicht trockengelegt werden. Dennoch: Die Gesetzestexte der BRD in ihrer Totalität enthalten viele Möglichkeiten, wirtschaftskriminelle Handlungen schon in ihrem Anfangsstadium zu unterbinden. Allein es fehlt der politische Wille der regierenden Parteien, durch massives staatliches Eingreifen und gerechtes Verurteilen wirkliche Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen. Das verliehene Gütesiegel als systemrelevantes Unternehmen, die angeblichen Lücken im Gesetz, die vorgetäuschte schwierige Beweislage, die über Jahre sich hinziehende Beweisaufnahme und die, gemessen an der Schwere der Schuld, lächerlich geringen Strafen sind objektiv eine Ausweitung des Freiraums für wirtschaftskriminelle Handlungen in den Unternehmen. Von seiten der Regierung wird in den meisten Fällen auf solche Gesetzesverletzungen mit Ermahnungen und Appellen als höchster Stufe der Empörung reagiert. Die gewünschten und geduldeten Staatsdiener haben sich faktisch politisch verpflichtet, Schäden und Verluste von dem Unternehmen, insbesondere von den Konzernen, abzuwenden, die realen ökonomischen und finanziellen Machtverhältnisse ständig zu stärken. Nicht das Grundgesetz ist der Leitfaden für die Einhaltung des obligatorischen Amtseids, sondern es sind die Satzungen und Strategiepapiere der deutschen Unternehmerverbände.

Es verstärkt sich die Tendenz, daß neben den kapitalistischen Unternehmen, insbesondere den Konzernen, die Regierung und das Parlament mit Beschlüssen, die eindeutig undemokratisch und bevölkerungsfeindlich sind, selbst Träger und Auslöser von wirtschaftskriminellen Handlungen werden. Jüngstes Beispiel sind die gesetzlich geschützten ÖPP (Öffentlich-private Partnerschaft), mit denen schamlos gesellschaftliches Eigentum (Autobahnen, Brücken, Schulen, Krankenhäuser etc.) schrittweise privatisiert werden kann. Durch Gesetz werden mit Steuergeldern auch bei sich verschlechternden Wirtschaftsbedingungen skandalös hohe Profitraten für private Investoren garantiert. Der wirtschaftskriminelle Filz zwischen dem Staat und den Konzernen wird immer dichter. Der naive Bundesbürger reibt sich verwundert die Augen und will es nicht glauben, daß in der freiheitlich-demokratischen, sich selbst rechtsstaatlich nennenden Bundesrepublik in Abständen von wenigen Wochen und Monaten immer wieder ein neuer wirtschaftskrimineller Skandal an die Öffentlichkeit kommt. Die Verschleierung von zwei elementaren Zusammenhängen durch die bürgerlichen Medien trägt ihre Früchte. Wirtschaftskriminalität wird nicht als Bestandteil der genetischen Struktur des Kapitalismus gesehen. Das etablierte bürgerliche Recht soll nicht als Recht der herrschenden Klasse wahrgenommen werden.

In Gerichtsprozessen gegen Manager, die die Triebfedern und den Mechanismus der Profitproduktion allzusehr verinnerlicht haben, bleibt es in den meisten Fällen bei der Anklage wegen persönlicher Verfehlungen. Niemals wird ausgesprochen, daß jeder dieser Manager das Kapital repräsentiert, ein Gestalter der kapitalistischen Produktionsverhältnisse ist. Insofern steht bei allen wirtschaftskriminellen Skandalen niemals der Kapitalismus selbst unter Anklage.

Prof. Dr. Achim Dippe, Berlin

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Die AfD, keine Alternative für Deutschland
Wehret den Anfängen!

Mit diesem Titel hat kürzlich Anton Latzo einen Sammelband herausgegeben, in welchem von namhaften Autoren in acht Beiträgen Entstehung und Entwicklung, reaktionärer und rechtsextremer Charakter der AfD sowie ihre Nützlichkeit für das bestehende Herrschaftssystem analysiert und bewertet werden. Die Bedeutung einer solchen Schrift ergibt sich daraus, daß wir es hier mit einer neuen Erscheinung in der politischen Landschaft der BRD zu tun haben, die viele Fragen aufwirft. Ellen Brombacher hat diese Fragen exakt formuliert: "Sind das Nazis? Ist ein Teil der Mitglieder faschistoid, und was ist dann der andere Teil? Und was ist mit den Wählern? Wenn es stimmt, daß es sich bei gut 70 Prozent um Protestwähler handelt, die das Parteiprogramm der AfD gar nicht kennen, sind die dann rechts, oder protestieren die einfach nur? Und schreiben wir die Protestwähler einfach ab, oder kämpfen wir um sie?"(1) Auf diese und weitere Fragen finden sich im vorliegenden Band überzeugende Antworten.

Im ersten Beitrag wird gezeigt, wie sich Vorläufer, Mitläufer, Kostgänger und Gründerväter dieser Partei, aus verschiedenen konservativen, reaktionäre, nationalistischen und neofaschistischen Ecken kommend, gefunden haben. Wer sich darüber informieren will, wie die Gründung einer solchen Partei zustande kommt, findet hier akribisch aufbereitetes Material.

Im folgenden Absatz werden die politischen, sozialen, kulturellen und außenpolitischen Verhältnisse in der BRD dargestellt, welche die allgemeine gesellschaftliche Grundlage für die Entstehung und Entwicklung der AfD sind. Anton Latzo stellt fest: "Die Gründung und das Wirken der AfD sind eine Reaktion der herrschenden Kreise des deutschen Monopolkapitals auf die komplizierter und widersprüchlicher werdenden Bedingungen, die für ihre Politik und für die Stabilität der politischen Ordnung aus den sich vollziehenden ökonomischen und politischen, nationalen und internationalen Entwicklungen erwachsen."(2) Es wird gezeigt, mit welch nationalistisch orientierter Rhetorik tatsächlich vorhandene Sorgen und Nöte vieler Bevölkerungsteile in reaktionäre Richtung kanalisiert werden. Daß dabei rassistische Aspekte eine deutliche Rolle spielen, ist seit langem erkennbar.

Weniger bekannt und dabei sehr aufschlußreich ist die enge Beziehung der AfD zur Bundeswehr (siehe hierzu auch RF 238, S. 3). Eine beachtliche Zahl führender AfD-Funktionäre stammt aus dem früheren und heutigen Offiziersbestand der Bundeswehr. Sie sorgen dafür, daß die militär- und rüstungspolitischen Interessen der deutschen Monopole in der AfD entsprechend Gewicht erhalten.

Dieser Aspekt steht in engem Zusammenhang mit den außenpolitischen Zielen der AfD. Das Bestreben, Deutschland zu einer Weltmachtposition zu verhelfen, wird vorrangig mittels Aufrüstung militärischer Stärke, Auslandseinsätzen der Bundeswehr sowie ihrer Beteiligung an internationalen Konflikten angesteuert. Diese Betonung militärischer Gewalt zur Lösung politischer Konflikte wird z. B. von Alexander Gauland, einem der Vordenker und Sprecher der AfD, ausdrücklich von Bismarcks Konzept von Eisen und Blut zur Entscheidung großer Fragen der Zeit hergeleitet.(3) Die damit verbundene außenpolitische Gesamtkonzeption wird von Anton Latzo mit reichem Faktenmaterial untersetzt.

Es überrascht nicht, wenn auf diesem Hintergrund die Forderung nach einem starken Staat gestellt wird. Starker Staat heißt Stabilisierung und Stärkung der bestehenden Staatsmacht nach innen und außen. Verbunden wird damit die Forderung nach einem "schlanken Staat".

Damit wird demagogisch die Illusion vermittelt, es handle sich um den Abbau von Bürokratie. Weit gefehlt! Es geht vielmehr um den Abbau sozialer, wirtschaftspolitischer, familienpolitischer, bildungspolitischer und ähnlicher Aufgaben, deren Wahrnehmung doch für die Bürger von größter Bedeutung ist. Statt dessen soll der Staat in absolut neoliberalem Sinn die unbegrenzte Freiheit des Marktes, den unbeschränkten Handlungsspielraum der Konzerne sowie die Handlungsfreiheit der Finanz- und Spekulationsmärkte sichern. Das soll durch einen "starken Staat" verbürgt werden, der in dieser Richtung "verschlankt" werden soll. Damit wird deutlich, wessen politischer und ökonomischer Interessenvertreter diese Partei ist.

Angesichts dieser gesamtgesellschaftlichen Interessenlage wäre es nützlich, den scheinbaren Widerspruch aufzudecken, daß nicht nur linke oder halblinke, sondern auch die bürgerlichen Parteien die Zusammenarbeit mit der AfD ablehnen.

Das vorliegende Buch behandelt noch viele wichtige Aspekte, die hier nicht alle angesprochen werden können. Dazu gehören eine ausführliche Analyse des AfD-Programms (Ellen Brombacher), eine Verdeutlichung der braunfleckigen Geschichte der BRD als Wurzelgeflecht für die Entstehung der BRD (Uli Jeschke), eine Darstellung der "Jungen Alternative für Deutschland" (Arne Brix), eine Erläuterung des "Rechtsextremismus in den Ländern Osteuropas" (Anton Latzo) u. a.

Die Arbeiten sind eigenständig und nicht als fortlaufende Kapitel eines Buches geschrieben. Daher ist der Hinweis auf "die nächsten Kapitel" (S. 21) etwas irreführend. Daraus folgt, daß es mitunter auch Wiederholungen gibt. Das mag manchem Leser lästig sein. Aber es gilt die alte Volksweisheit, daß Wiederholung die Mutter der Weisheit ist. Vor allem gilt es, die reichhaltigen Erkenntnisse, Fakten, Analysen und Einschätzungen zu nutzen zur Vertiefung unseres Wissens, für die Festigung der eigenen Position sowie für die Verbreitung dieses Wissens unter möglichst vielen Bürgern.

Prof. Dr. Herbert Meißner, Oranienburg

Anmerkungen
(1) Ellen Brombacher in: Wehret den Anfängen! S. 63 f.
(2) Anton Latzo: a.a.O., S. 25
(3) a.a.O., S. 80 f.

Anton Latzo (Hg.): Wehret den Anfängen! Die AfD, keine Alternative für Deutschland. edition berolina, Berlin 2017, 144 S., 10,30 €

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Die AfD und der Rechtsruck

Im Januar 2017 legalisierte ein fragwürdiges Urteil des Bundesverfassungsgerichts die offen neofaschistische "verfassungsfeindliche" NPD, anstatt sie als verfassungswidrig zu verbieten.

Sie sei "zu schwach und zu unbedeutend, um sie aufzulösen". Statt dessen schlug man den Entzug der Parteienfinanzierung durch eine Änderung des Grundgesetzes und des Parteiengesetzes vor, die es den Regierenden ohne Gerichtsbeschluß ermöglicht, allen als "verfassungsfeindlich" erklärten "extremistischen" Parteien staatliche Gelder zu sperren. Niedersachsens Innenminister Pistorius kommentierte: "Es gibt diverse Parteien und Gruppierungen, die inzwischen attraktiver sind als die NPD."

Der quasi legalisierte Fortbestand der NPD, die den historischen Nazi-Faschismus propagieren darf, schafft der kaschierten AfD-Variante im zeitgemäßen bürgerlichen Gewand Abgrenzungsmöglichkeiten, die deren Akzeptanz in den Reihen der demokratisch gewählten Parlamentsparteien bis hin zu einer späteren Koalitionsmöglichkeit erleichtert. Entsprechend hofierten sie die Leitmedien schon während der Bundestagswahlen. Ein "Welt"-Redakteur nannte ihre 93 Mandate "einen echten Zugewinn an Demokratie" und riet dem bürgerlichen Lager zu "respektvollem Umgang und fairer Zusammenarbeit". Nach den niedersächsischen Landtagswahlen hieß es denn auch bei Kommentatoren, die AfD sei mit 6,2 Prozent "erträglich" geblieben, ein Einzug der Linken wäre hingegen "fatal" gewesen. Besorgte Stimmen aus den europäischen Nachbarländern wischte man mit dem Hinweis auf die "demokratische Normalität" der auch dort grassierenden faschistischen Tendenzen vom Tisch. In der Tat begegnet die EU sogar rechtslastigen Regierungen und deren antidemokratischer Programmatik nur mit Tadeln und sachten Bedenken, um dem neoliberalen Wirtschaftsblock in angespannter Krisenlage seine Binnenmärkte und die Gefolgschaft für seine Expansions- und Militärpolitik zu erhalten.

So paßte es dann am 22. Oktober ins Bild, daß die AfD die Massenproteste empörter Antifaschisten zum Einzug ihrer Abgeordneten ins Reichstagsgebäude höhnisch als "Anschlag auf die Demokratie" beschimpfte, da sie ja demokratisch gewählt seien. Leserbriefschreiber und Zeitungsredakteure blasen ins gleiche Horn: Antifaschismus sei undemokratisch und "linksextrem", trüge sogar Mitschuld am Erfolg rechtspopulistischer Strömungen. Die AfD stehe für die Freiheit der "Andersdenkenden". Und deshalb dürfe man sich mit ihr auch nur im demokratisch-argumentativen Diskurs auseinandersetzen.

Gegen verschärfte Klassenwidersprüche in Krisenzeiten hält das Kapital die faschistische "Notbremse" in Reserve. Wird das so widerstandslos akzeptiert, dann dient die NPD funktional der Verharmlosung der AfD. Die wiederum nützt den rechten Kräften in CDU/CSU, FDP und SPD zur Umsetzung ihrer eigenen, schon lang gehegten Vorhaben in Sachen Demokratie- und Sozialabbau, Polizeistaat, Kriegs- und Expansionspolitik.

Dazu übernehmen sie selektiv und passend modifiziert geeignete Forderungen aus dem AfD-Fundus. Gelingt das, können sie sogar, wie 2017 Herr Rutte in Holland, als "Retter vor einem rechtsextremen Wahlsieg" posieren. Der eigene Rechtsruck hilft ihnen, ihre Rolle als fähige Sachwalter des Kapitals auch in der Systemkrise zu beweisen. Ihre ideologischen Kernpunkte sind dabei Neoliberalismus, Totalitarismusdoktrin und zum "Krieg gegen den Terror" erklärter interventionistischer Imperialismus.

Der im Aufbau befindlichen AfD fehlt derzeit noch eine durchsetzungsfähige Führerfigur an der Spitze ihrer angestrebten "Volksgemeinschaft". Auch ihr Programm ist noch rein taktisch, ambivalent und lückenhaft. Als ideologisches Leitmotiv gilt für sie jedoch die Verschwörungstheorie der "Identitären", wie sie auch der ehemalige tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus formulierte: Angela Merkel und "linke eurozentrische Eliten" wollten mit "fremdvölkischen Migrantenmassen" einen "neuen Menschen" in Europa erzeugen, um die "nationalen Identitäten" und deren abendländische Kultur zu zerstören. Daß eine derartig krasse Wiedererweckung faschistoider Vorstellungen relativ glatt über die Bühne ging, liegt auch an der spezifischen "Vergangenheitsbewältigung" (besser Nicht-Bewältigung!) durch die Adenauer-Republik. Trumans antikommunistische "Containment"-Strategie verlangte 1947 einen starken westdeutschen Vasallen, der auch seine faschistischen Experten in Staat, Justiz, Wirtschaft und Bundeswehr wieder verwenden durfte. Die "Entnazifizierung" fand ein vorschnelles gütliches Ende. Zur Entlastung aller Mittäter wurden der deutsche Nazi-Faschismus, Hitlers Führungsclique sowie die NS-Parteiorganisationen verboten und zu Alleinverantwortlichen stilisiert. Durch die Fokussierung auf das furchtbare Verbrechen des Holocaust wurden zudem das Unrecht und die Greuel der faschistischen Mörder an den unterjochten Völkern, Oppositionellen und anderen Minderheiten ins Vergessen verdrängt. Der faschistische "Kampf gegen die jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung" wurde nun als Kampf gegen die angeblich drohende "kommunistische Weltrevolution" weitergeführt.

Der staatliche Widerstandsmythos beschränkte sich auf die Putschversuche ernüchterter Wehrmachtsoffiziere in der absehbaren Endphase des Krieges. Die meisten der Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus, Kommunisten, Arbeiter, Deserteure und viele der Emigranten galten als "zu Recht bestrafte Kriminelle und Vaterlandsverräter". Die "Ideologeme", also teilweise auch tradierte historische Bau- und Bestandteile faschistischer Ideologie - wie z. B. Antikommunismus, Militarismus, Geschichtsrevisionismus, Sozialdarwinismus, Rassismus und Duckmäusertum - wurden nicht als deren Nährboden benannt und bekämpft. Alles Faschistische außer Hitler und seiner Nazi-Partei galt dem Westen im Kanon "deutscher Werte" faktisch als erlaubt.

Wenn heute Muslime und zweckmäßigerweise nicht mehr die Juden als "Volksschädlinge" herhalten müssen, so ist das für die Wirkung methodischer Sündenbock-Hetze ohne Bedeutung.

Jobst-Heinrich Müller

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LUTZ JAHODA: LUSTIG IST ANDERS ...
Armutszeugnis Deutschland: Klassenziel nicht erreicht

Gefahr erkannt, Gefahr benannt.
Der Sumpf beginnt zu stinken.
Zudem riecht's auch noch angebrannt
im siechen deutschen Vaterland.
Da hilft kein Fähnchenwinken.
Gefahr erkannt, Gefahr benannt:
Wir sind nicht zu beneiden.
Deutschland liebt die Oberhand,
das Gängelpfand am Ordensband.
Es ist das alte Leiden.
Gehegt, gepflegt, statt weggefegt -
der Glücksgriff war vorhanden.
Wird auf Belebung Wert gelegt,
wird am falschen Ast gesägt:
Prüfung nicht bestanden.

Deutschland scheint mir insgesamt durchgefallen zu sein auf den Erkenntniswegen Kapital und Arbeit, Unrecht und Recht, Wohl und Unwohl. Da ist die Kassiererin, die sich eines nichtigen Vergehens schuldig gemacht hat, fristlos entlassen wird und mit dem Makel öffentlicher Brandmarkung im Fernsehen und in der Presse weiterleben muß. Und auf der anderen Seite gibt es die privilegierten Edelganoven, die am Staat vorbei Millionen wegdeponieren oder gar mit kaltblütiger Unverfrorenheit der Allgemeinheit Autos verkaufen und der Welt versichern, daß diese mit den besten Abgasfiltern versehen und darum die gesündesten Dieselfahrzeuge auf dem Erdball sind, was sich, wie inzwischen belegt, als betrügerische Manipulation erwiesen hat, aber von der deutschen Justiz bislang nicht geahndet wurde. Die Herren im feinen Zwirn laufen immer noch frei herum, kassierten für diese Lumperei auch noch Boni in Millionenhöhe.

Und weil das zum System gehört, schweigt die Regierung dazu oder spielt die Angelegenheit gar als marktwirtschaftlichen Unfall herunter, wie überhaupt anzunehmen ist, daß außer den Linken im Parlament wohl kaum einer der gut Gepolsterten schlaflos sein wird, weil die Schere zwischen Arm und Reich weiterhin bis zum Anschlag klafft. Da passen dann Kriegsfolgen gut ins Beschwichtigungskonzept.

Einen gelungenen Satz hörte ich bereits: "Gemessen an all dem Übel in der Welt leben wir vereinten Deutschen doch eigentlich wie in Watte gepackt."

Dennoch kann ich mir nicht die folgenden Zeilen verkneifen:

Aufruf zu einem Neustart

Wer "gottgewollt" sagt, kriegt eine geschoben.
Der Abstand zwischen unten und oben,
zwischen Besitz und Nichtbesitz,
hat sich erneut auseinandergezogen:
die einen am Fluß unterm Brückenbogen,
die anderen mit ein paar Zimmern im "Ritz".
Das Leben im Land "Wir warn schon mal weiter"
war sozial, war friedlich und heiter.
"Kriminelle Energie"
war ein Fremdwort gewesen.
Es wurde gelacht, gesungen, gelesen.

Und dennoch vermochten nicht zu genesen
das Fehlkonstrukt Mensch und die Welt-Utopie
vom besseren Leben.
Und darum eben
werden wir neu starten müssen.
Vergeßt dabei nicht das Kuscheln und Küssen!

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WISSENSCHAFTLICHE WELTANSCHAUUNG
W.I. Lenin über Strategie und Taktik der internationalen kommunistischen Bewegung
(Gründung der Kommunistischen Internationale)
Sendung des Deutschlandsenders vom 28. März 1974

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Lenin, Kennedy und der US-Imperialismus

Lenin hat sich bei seinen Imperialismus-Analysen mehrfach über die USA geäußert, besonders intensiv auf dem VI. Sowjetkongreß 1918. Gespräche mit amerikanischen Schriftstellern und Journalisten sind eine ergiebige Quelle. Lenin wies nach, daß der US-amerikanische Imperialismus immer nach Weltherrschaft dürstete und die ökonomische Unterjochung Asiens und Europas anstrebte, nachdem er sich die Vorherrschaft in Lateinamerika gesichert hatte. Ein wichtiger Schritt dabei war die Kriegsteilnahme der USA am ersten Weltkrieg und die Beteiligung an der Intervention gegen die junge Sowjetmacht.

Es scheint heute geschrieben, was Lenin im Oktober 1915 in deutscher Sprache zu Papier brachte: "Der Imperialismus ist die fortschreitende Unterdrückung der Nationen der Welt durch eine Handvoll Großmächte. Er ist die Epoche der Kriege zwischen ihnen um die Erweiterung und Festigung der nationalen Unterdrückung. Er ist die Epoche des Betruges an den Volksmassen durch die heuchlerischen Sozialpatrioten, d. h. durch die Leute, die unter dem Vorwand der 'Freiheit der Nationen', des 'Selbstbestimmungsrechts der Nationen', der 'Vaterlandsverteidigung' die Unterdrückung der Mehrheit der Nationen der Welt durch die Großmächte rechtfertigen und verteidigen." (W.I. Lenin, Werke Bd. 21, S. 416)

Darum läßt sich erklären, warum "die Welt aus den Fugen geraten ist". (Steinmeier) Von aktueller Bedeutung ist auch Lenins Erkenntnis, "daß sich unter den Bedingungen des Imperialismus die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung und die Widersprüche des Kapitalismus besonders verschärft haben, daß der Kampf um die Märkte für Warenabsatz und Kapitalausfuhr, der Kampf um Kolonien, um Rohstoffquellen periodische imperialistische Kriege unvermeidlich macht". (Geschichte der KPdSU [B], Berlin 1951, S. 211)

Wenn Lenin den aggressiven Charakter des US-Imperialismus enthüllte, zog er daraus nicht den Schluß, daß der Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion unvermeidlich sei: "... unsere ganze Politik ist keineswegs darauf gerichtet, die Völker in den Krieg zu treiben, sondern darauf, dem Krieg ein Ende zu setzen". Das erste Dekret der Sowjetmacht war das "Dekret über den Frieden"!

In der hundertjährigen Geschichte der Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion gab es gute und schlechte Zeiten, ja sogar die Periode der Antihitlerkoalition. Die USA standen vor der Entscheidung, die Weltherrschaftspläne Hitlerdeutschlands, die auch den USA schadeten, zu tolerieren oder an der Seite der Sowjetunion den Faschismus niederzuringen. Die USA traten in die Antihitlerkoalition nicht aus Sympathie für die Sowjetunion und aus prinzipieller Feindschaft zum deutschen Konkurrenten ein, sondern mit dem Ziel, eigene Interessen durchzusetzen. Schon die Art der Kriegführung zeigte, daß das antisowjetische Element in der USA-Politik nicht verschwunden war. Es trat mit dem Übergang der USA zum kalten Krieg und seinen negativen Folgen wieder in den Vordergrund. Die Folgen auch für Deutschland werden hier nicht dargestellt.

Angesichts der Präsidentschaft Donald Trumps und der Gefahr der atomaren Selbstvernichtung soll hier an eine Rede John F. Kennedys erinnert werden, weil sie Wege für die Lösung aktueller Konflikte weist. Kennedy war jener US-Präsident, der im Lauf seiner Amtszeit zweimal - während der "Berlin-Krise" 1961 und der "Kuba-Krise" im Herbst 1962 - vor der Entscheidung gestanden hatte, Atomwaffen einzusetzen. Er folgte den Kriegsbefürwortern nicht. Es ist nötig, ihn zu zitieren. (Rede Kennedys in: Handbuch der Verträge 1871-1964. Verträge und andere Dokumente aus der Geschichte der internationalen Beziehungen. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1968, S. 773 f.)

Zunächst begründete der US-Präsident die Absicht, die er mit dieser Rede verfolgte, sowie die Wahl des Ortes und des Zeitpunkts: "Ich habe diesen Zeitpunkt und diesen Ort gewählt, um ein Thema zu erörtern, über das zu oft Unwissenheit herrscht und bei dem die Wahrheit zu selten gesehen wird - und doch ist es eines der wichtigsten Themen auf Erden: der Weltfrieden. Welche Art Frieden meine ich? Nach welcher Art Frieden streben wir? Nicht nach einer pax americana, die der Welt durch amerikanische Kriegswaffen aufgezwungen wird.

Nicht nach dem Frieden des Grabes oder der Sicherheit der Sklaven. Ich spreche hier von einem echten Frieden - jenem Frieden, der das Leben auf Erden lebenswert macht, jenem Frieden, der Menschen und Nationen befähigt, zu wachsen und zu hoffen und ein besseres Leben für ihre Kinder aufzubauen, nicht nur ein Friede für Amerikaner, sondern für alle Menschen. Nicht nur Frieden in unserer Generation, sondern Frieden für alle Zeiten." Das erklärte der US-Präsident John F. Kennedy vor fünfzig Jahren. Wie himmelweit entfernt davon redet und handelt Donald Trump!

Kennedy ging ausführlich auf die Erfahrungen in den Beziehungen zur Sowjetunion ein. Er lehnte den "Kommunismus als Verneinung der persönlichen Freiheit und Würde" ab, aber er rühmte die Leistungen der Russen auf vielen Gebieten der Kultur und Wissenschaft. Der US-Präsident würdigte die Opfer der Völker der Sowjetunion, die sie im Krieg gegen den Faschismus gebracht haben: "Kein Volk in der Geschichte der Kriege hat mehr gelitten als das russische Volk im Verlauf des zweiten Weltkriegs." Kennedy zeichnete ein realistisches Bild der Folgen einer fortgesetzten Politik der "Abschreckung": "Sollte heute ein totaler Krieg ausbrechen, dann würden unsere Länder die Hauptziele darstellen. Es ist eine Ironie, aber auch eine harte Tatsache, daß die beiden stärksten Mächte zugleich auch die beiden Länder sind, die in der größten Gefahr der Zerstörung leben. Alles, was wir aufgebaut haben, alles, wofür wir gearbeitet haben, würde vernichtet werden.

Und selbst im kalten Krieg, der für so viele Länder - unter ihnen die engsten Verbündeten der USA - Lasten und Gefahren bringt, tragen unsere beiden Länder die schwersten Lasten. Denn wir geben beide für gigantische Waffen riesige Beträge aus - Beträge, die besser im Kampf gegen Unwissenheit, Armut und Krankheit aufgewandt werden sollten. Wir sind beide in einem unheilvollen und gefährlichen Kreislauf gefangen, in dem Argwohn auf der einen Seite Argwohn auf der anderen Seite auslöst und neue Waffen zu wieder neuen Abwehrwaffen führen.

Kurz gesagt: Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten und die Sowjetunion und ihre Verbündeten haben ein gemeinsames tiefes Interesse an einem gerechten und wirklichen Frieden und an der Einstellung des Wettrüstens."

Es könnte eine segensreiche Aufgabe für Friedensforscher sein, zu enthüllen, wieviel finanzielle und natürliche Ressourcen für Rüstung und Krieg seit der Rede Kennedys verschwendet worden sind. Gegenwärtig werden im Jahr etwa 1600 Milliarden Dollar für Krieg und Rüstung verpulvert. Die Kriegseinsätze der Bundeswehr haben seit 1991 fast 21 Milliarden Euro gekostet. Ein Bruchteil der jährlichen globalen Ausgaben für Rüstung und Kriege würde ausreichen, um den Armen dieser Welt ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Gefragt ist die Friedenspolitik, die Lenin begründete und die die UdSSR verfolgte, nicht die menschenfeindliche und völkerrechtswidrige Politik der Trump und Merkel und ihrer "willigen Helfer" vom Typ Schulz und Gabriel.

Prof. Dr. Horst Schneider

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Schandurteil gegen Silvia Gingold

Am 5. Oktober entschied das Verwaltungsgericht Kassel, daß der Verfassungsschutz Hessen (VS) die Antifaschistin Silvia Gingold weiterhin überwachen darf. In einer Stellungnahme erklärte sie dazu:

Ich bin fassungslos und empört, daß das Gericht die Zulässigkeit meiner Beobachtung durch den Verfassungsschutz im Urteil festgestellt und meine Klage abgewiesen hat. Das Gericht folgt in allen Punkten der Argumentation des VS. An keiner Stelle wird im Urteil gewürdigt, was mein Anwalt und ich im Verfahren dargelegt haben. Vor dem Hintergrund meiner Familiengeschichte habe ich die durch meine antifaschistische Grundhaltung geprägte Einstellung zum Grundgesetz ausgedrückt (...).

Alles das ignoriert das Gericht: "Auf die subjektive Sicht der Klägerin kommt es nicht an", heißt es im Urteil, und an anderer Stelle wird dargelegt, daß es bei meinen Reden nicht um den Inhalt des Vortrags gehe, sondern in welchem Umfeld diese gehalten würden. Zu dem "linksextremistischen" Umfeld, das meine Überwachung rechtfertigen soll, zählt vor allem die VVN-BdA, jene Vereinigung, die von den Verfolgten des Naziregimes und den Widerstandskämpfern vor 70 Jahren gegründet wurde, um im Sinne des Schwurs von Buchenwald alles zu tun, um die Erinnerung an die Naziverbrechen wachzuhalten, damit sich Krieg und die unfaßbaren Verbrechen der Nazis nie wiederholen. (...)

Das Gericht schreckt auch nicht davor zurück, die Beobachtung und Dokumentierung meiner Lesungen aus der Biographie meines Vaters durch den VS als zulässig zu erklären, weil dies nach seiner Auffassung in einem "linksextremistischen" Umfeld geschieht.

Im Urteil heißt es dazu: "Linksextremismus steht im allgemeinen als Sammelbegriff für verschiedene Strömungen und Ideologien innerhalb der politischen Linken, die die parlamentarische Demokratie und den Kapitalismus ablehnen und durch eine egalitäre Gesellschaft ersetzen wollen. ... Solche Personen richten sich damit gegen die Grundbestandteile der freiheitlich-demokratischen Grundordnung." Eine antikapitalistische Haltung wird gleichgesetzt mit der Ablehnung der parlamentarischen Demokratie und somit als "linksextremistisch" diffamiert.

Dieses Urteil ... richtet sich gegen demokratisch engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich gegen Kriege, gegen Rassismus, Neonazismus und Nationalismus zur Wehr setzen. Diesen Aktivitäten wird der Stempel des "Linksextremismus" aufgedrückt und damit dem VS der Freibrief ausgestellt, diese Personen zu bespitzeln und Daten über sie zu sammeln und zu speichern. Angesichts des Umgangs mit dem Rechtsterrorismus und den NSU-Morden, deren Aufklärung der Inlandsgeheimdienst behindert, da er selbst darin zutiefst verstrickt ist, empfinde ich das als Skandal. Über Helfer der rechtsterroristischen Szene hält der VS seine schützende Hand, wie beispielsweise im Fall Andreas Temme.

Wer schützt mich vor dem Verfassungsschutz? Das Gericht hat es nicht getan.

Silvia Gingold, Kassel

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Zur Hinrichtung Harro Schulze-Boysens vor 75 Jahren

Der Stunde Ernst will fragen: hat es sich auch gelohnt? An dir ist's nun zu sagen: Doch, es war die rechte Front!"

Zwei Tage vor dem Weihnachtsfest des Jahres 1942, wenige Stunden vor seiner Hinrichtung, schrieb der Antifaschist Harro Schulze-Boysen diese letzten Worte in seiner Todeszelle in Berlin-Plötzensee. Mit ihm fielen am 22. Dezember 1942 seine Frau Libertas, der Wissenschaftler Dr. Arvid Harnack, die Arbeiter Hans Coppi, Hans Heilmann und Kurt Schulze, die Journalisten Ilse Ströbe und John Graudenz, das Künstlerehepaar Elisabeth und Kurt Schumacher und der Botschaftsrat Rudolf von Scheliha den faschistischen Mördern zum Opfer. Sie alle waren sich bewußt, an der richtigen Front, an der Front der Gegner des Naziregimes für das Ende der faschistischen Diktatur und des Krieges, gekämpft zu haben.

Harro Schulze-Boysen gehörte mit Dr. Harnack und den Kommunisten John Sieg und Wilhelm Guddorf zu den führenden Mitgliedern der nach ihm und Dr. Harnack benannten Widerstandsorganisation.

Der Oberleutnant im faschistischen Reichsluftfahrtministerium, Harro Schulze-Boysen, kam aus bürgerlichem Elternhaus. Sein Vater war Fregattenkapitän, sein Großonkel der ehemalige kaiserliche Großadmiral von Tirpitz. Seit frühester Jugend ließ er sich von dem humanistischen Ideal leiten, seinem Volke zu dienen. Er gab kurz vor Errichtung der Hitlerdikatur die Zeitschrift "Gegner" heraus. Im April 1933 verboten die Faschisten die Zeitschrift, verhafteten Harro Schulze-Boysen und mißhandelten ihn. In seiner Gegenwart ermordeten sie einen seiner Freunde. Spätestens seit dieser Zeit datiert seine Überzeugung und Entschlossenheit, aktiv gegen das faschistische Regime zu kämpfen.

Harro Schulze-Boysen und die mit ihm arbeitenden Antifaschisten konnten neben Kommunisten und Sozialdemokraten auch Gewerkschafter, Parteilose und Christen, Künstler, Wissenschaftler und Offiziere für den Widerstand gewinnen. Es gelang, ein weitgespanntes Netz von Verbindungen bis in die wirtschaftlichen, politischen und militärischen Kommandostellen der faschistischen Machtausübung zu knüpfen.

Die Organisation umfaßte zahlreiche kleinere Widerstandsgruppen vor allem in Rüstungsbetrieben, im Staatsapparat und in der Armee. Ihre Aktionen waren vielfältig. Die von ihr herausgegebene Zeitung "Die innere Front" enthüllte jahrelang das Wesen und die Ziele des deutschen Imperialismus.

Die Zeitung fand in den Arbeiterbezirken Berlins und in Großbetrieben wie AEG, Siemens, Bewag, Haase & Wrede und in den Askania-Werken Verbreitung. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurde "Die innere Front" auch in vielen Truppenteilen verteilt. In ihrem antifaschistischen Widerstand zeigten Harro Schulze-Boysen und seine Mitkämpfer größte Entschlossenheit in dem Willen, ihren Beitrag zu leisten, um die faschistische Diktatur im eigenen Land, die faschistische Unterdrückung und Ausbeutung anderer Völker und den Krieg zu beenden. Sie wollten Frieden und ein antifaschistisches, demokratisches Deutschland.

Dafür setzten sie ihr Leben ein und unterstützten die Sowjetunion mit Informationen über geheime Pläne und Vorbereitungen von Überfällen auf andere Länder, über geplante Bombardierungen im Osten, Truppenkonzentrationen und Lagerungen von chemischen Kampfstoffen. Sie hatten erkannt, daß der Sowjetunion bei der Zerschlagung des Faschismus und bei der Beendigung des Krieges die entscheidende Rolle zukam, und handelten danach.

1942 und Anfang 1943 wurden 130 Mitglieder dieser Widerstandsorganisation, welche die Gestapo "Rote Kapelle" nannte, festgenommen. Sieben Antifaschisten wurden in der Voruntersuchung ermordet, gegen 49 Frauen und Männer wurde das Todesurteil gefällt. Die anderen mußten den Weg in Gefängnisse, Zuchthäuser und Konzentrationslager antreten.

Harro Schulze-Boysen hinterließ in seinem Abschiedsbrief an seine Eltern das Bekenntnis, das auch viele seiner Mitkämpfer in der schwersten Stunde bekräftigten: "Alles, was ich tat, tat ich aus meinem Kopf, meinem Herzen und meiner Überzeugung heraus."

(Gestützt auf "UZ")

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Jan Petersen: Unsere Straße

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Stutthof, das lange verschwiegene KZ

Anfang Juli, ein verregneter Sonnabend. Der Parkplatz vor dem Muzeum Stutthof in Sztutowo, 36 Kilometer östlich von Danzig, ist gegen Mittag fast gefüllt. Rund um das Gelände des früheren deutschen Konzentrationslagers, einer weiten kahlen Fläche mit einzelnen Gebäuden und Rasenstücken, steht hoher Wald. Als dort an der Jahreswende 1944/45 über 50.000 Menschen zusammengepfercht worden waren, waren die Bäume weithin gerodet, um mehr Häftlingsbaracken aufzustellen. Die heutigen Bäume sind in den vergangenen 70 Jahren gewachsen, die Gedenkstätte wurde 1962 eröffnet.

An diesem Sonnabend sind nicht wenige Menschen auf dem Gelände unterwegs, zumeist junge polnische Familien mit größeren Kindern. In der kleinen Buchhandlung im Besucherzentrum vor dem Eingang in die Gedenkstätte ist auch deutschsprachige Literatur zu haben - eine Broschüre zu den 31 Stationen des Rundgangs und z. B. die 3. Auflage des von Hermann Kuhn in der Bremer Edition Temmen herausgegebenen Bandes "Stutthof. Ein Konzentrationslager vor den Toren Danzigs". Kuhn schreibt im Vorwort zur ersten Auflage von 1995: Über die Existenz des Konzentrationslagers Stutthof und dessen Geschichte sei "fünfzig Jahre lang in Deutschland kaum etwas bekannt geworden". Dabei sei Stutthof nicht nur das erste Lager außerhalb des Deutschen Reiches gewesen, nämlich auf dem Gebiet der Freien Stadt Danzig, die seit dem Ersten Weltkrieg unter dem Mandat des Völkerbundes gestanden hatte. Dieser Status wurde am ersten Kriegstag sofort gegen geltendes Recht beseitigt.

Das ist eine Besonderheit, die aufmerken läßt. Zumal sich herausstellt: Stutthof war nicht sofort Konzentrationslager, obwohl es dessen Merkmale hatte. Es galt zunächst als "Zivillager", dann als SS-Sonderlager. Dem stattete Heinrich Himmler am 23. November 1941 einen Besuch ab, und erst danach wurde es der SS-Behörde in Berlin, die für die Verwaltung aller Lager zuständig war, unterstellt.

Das Lager war bis dahin so etwas wie die Privathölle, die sich Danzigs Faschistenhäuptlinge für ihre Mitbürger ausgedacht hatten. Es ging offenbar, soweit eine solche Bewertung überhaupt möglich ist, noch bestialischer zu als anderswo. Damit hängt eine zweite Besonderheit zusammen, die mit einiger Wucht beim Besuch dieser Gedenkstätte ins Bewußtsein dringt: Die Bevölkerung Danzigs war seit 1933 mehrheitlich begeistert von den Nazis, wählte sie noch 1935 in freien und allgemeinen Wahlen mit bis zu 60 Prozent und jubelte zum größten Teil oder machte mit bei der Verfolgung von Polen, Juden, Sozialdemokraten und Kommunisten. Und in Stutthof wird noch mehr dokumentiert: Die Mehrheit der Deutschen, die rund um Danzig und im sogenannten Westpreußen auf dem Land lebten, ermordeten in den ersten Monaten des Krieges massenhaft ihre polnischen Nachbarn.

Die ersten Gefangenen waren vor allem Polen aus Danzig, die am 1. September zusammengetrieben, unter dem Jubel der deutschen Bevölkerung in Schulen und Gefängnissen festgehalten und am nächsten Tag nach Stutthof geschafft worden waren. Sie mußten das Lager aufbauen.

Bis zum 9. Mai 1945 existierte es dann, d. h. länger als viele andere Konzentrationslager, die von der Roten Armee bei ihrem Vormarsch befreit worden waren. Zwischen 110.000 und 120.000 Menschen aus 25 Staaten wurden dorthin deportiert, vornehmlich Polen, Juden und Russen. Etwa 65.000 Menschen kamen ums Leben. Die SS und ihre Kumpane in der deutschen Industrie verdienten auch hier an den Arbeitssklaven - Häftlinge wurden an Betriebe "verliehen", die zum Teil Hunderte Kilometer von Stutthof entfernt lagen. Als die Wehrmacht vor der Roten Armee zurückwich, wurden vor allem jüdische Frauen, insgesamt etwa 47.000 Häftlinge, aus Lagern in den heutigen baltischen Republiken nach Stutthof gebracht. Kommandant Paul Werner Hoppe leitete sie entweder sofort nach Auschwitz weiter oder ließ sie durch Giftspritzen und Genickschüsse ermorden. Ende Juni 1944 wurde ein Lager im Lager eingerichtet, das für etwa 16.000 jüdische Frauen bestimmt war, das "Judenlager". Es waren Totenblöcke. Dort brach Ende 1944, Anfang 1945 eine Typhusepidemie aus. Ende April 1945 verbrannte die flüchtende SS die Baracken dieses Lagers.

Die Faschisten schickten seit Februar 1945 Zehntausende Häftlinge auf Todesmärsche Richtung Westen oder brachten sie über die Ostsee. Ungezählte sind dabei umgekommen oder ertrunken.

Ein Teil der Geschichte Stutthofs spielt so auch in Neustadt in Holstein. Hier sei kurz aus einem Internet-Lexikon zitiert: "Vor Neustadt wurden am 3. Mai 1945 das ehemalige Fahrgastschiff 'Cap Arkona' und die kleinere 'Thielbek' mit Häftlingen des KZ Neuengamme von alliierten Flugzeugen versenkt, eine der drei schwersten Katastrophen der Seefahrt in der Geschichte.

Die Bewohner der Stadt selbst spielten in diesem Zusammenhang eine unrühmliche Rolle: Häftlinge aus dem KZ Stutthof bei Danzig, die die SS mit Lastkähnen über die Ostsee transportieren ließ, sollten ursprünglich ebenfalls auf die 'Cap Arcona' verschifft werden, wurden jedoch wegen Überfüllung des Schiffs abgewiesen. Angesichts der militärischen Lage und des Vorrückens britischer Vorauskommandos verließen die SS-Wachmannschaften die Lastkähne. Die Schiffe trieben ans Ufer, wo sich die Häftlinge am frühen Morgen des 3. Mai auf die Suche nach Nahrungsmitteln im Raum Neustadt machten.

Aufgeschreckte Neustädter Bürger, Angehörige der Kriegsmarine sowie einer Versehrteneinheit und des Volkssturms trieben daraufhin in der sogenannten 'Sammelaktion' die Häftlinge zusammen und erschossen fast 300 von ihnen, darunter Frauen und Kinder. Die übrigen wurden auf das Schiff 'Athen' gebracht, das am Marinehafenkai lag, wo etliche von ihnen den Luftangriffen zum Opfer fielen."

In abgedichteten Güterwaggons und in einer Gaskammer waren in Stutthof in der zweiten Jahreshälfte 1944 Tausende arbeitsunfähige Juden, polnische Partisanen, Behinderte und sowjetische Kriegsgefangene ermordet worden.

Die Besucher werden an dem Kommandanturgebäude, das an Stelle eines Alters- und Erholungsheims 1940/1941 errichtet wurde, vorbeigeleitet. In seinem hinteren Teil wird zu einer etwa 25minütigen Vorführung von Dokumentarfilmen eingeladen. Sie entstanden unmittelbar nach der Befreiung, als eine sowjetische Untersuchungskommission das Lager inspizierte, und während eines der Prozesse, die in Danzig seit 1946 gegen SS-Leute, Aufseherinnen und sogenannte Funktionshäftlinge stattfanden.

Keiner der Kommandanten des Konzentrationslagers stand vor einem polnischen Gericht: Der erste, SS-Hauptsturmführer Max Pauly, war seit 1942 Kommandant des Konzentrationslagers Neuengamme bei Hamburg gewesen. Er wurde wegen seiner Verbrechen dort von einem britischen Militärgericht zum Tode verurteilt und 1946 hingerichtet. Die Anklage umfaßte nicht seine in Stutthof begangenen Verbrechen. Der zweite Kommandant in Stutthof, SS-Sturmbannführer Paul Werner Hoppe, wurde 1955 in Bochum zunächst zu fünf Jahren Haft, im Revisionsprozeß zu neun Jahren verurteilt. Er wurde 18 Monate vor Ablauf seiner Strafe entlassen und starb 1974 in Freiheit. Polnische Zeugen wurden in Bochum vom Gericht nicht geladen - ebenso wie bei Verfahren gegen weitere faschistische Verbrecher, die in der Bundesrepublik lebten. Von den etwa 3000 Mitgliedern der SS-Besatzung Stutthofs wurden 72 Männer und sechs Aufseherinnen vor Gericht gestellt. So erklärt sich, daß Stutthof und die Verbrechen rund um seine Entstehung 50 Jahre lang in der Bundesrepublik keine Rolle spielten.

Die Ausstellungen in den Baracken, in denen das Geschehen in Danzig, in der ganzen Region und in Stutthof selbst mit Fotos und Texten dokumentiert wird, wirken um so eindrucksvoller: Hier wird von einem Konzentrationslager berichtet, das auf dem Einverständnis der Bevölkerungsmehrheit vor Ort existierte. Das ist anders als in Weimar, wo bis heute einige behaupten, man habe von Buchenwald nicht viel mitbekommen können - von Auschwitz oder Majdanek schon gar nicht. Hier in Stutthof ist das anders als in anderen Lagern, hier spielt die Mehrheit der deutschen Bevölkerung eine entscheidende Rolle.

Belegt wird das zum einen durch die Geschichte der Freien Stadt Danzig von 1920 bis 1939. Sowohl in der DDR wie in der alten Bundesrepublik gab es bis vor kurzem kein Buch über den Aufstieg des Faschismus in dieser Stadt seit 1930. Erst 2013 erschien im Christoph-Links-Verlag der Band des früheren Kriminaldirektors beim Bundeskriminalamt (BKA), Dieter Schenk, "Danzig 1930-1945. Das Ende einer Freien Stadt".

Schenk hatte das BKA wegen unüberbrückbarer Differenzen 1989 verlassen, wurde Mitbegründer der lesenswerten Zeitschrift "BIG Business Crime" und widmete sich der NS-Forschung in Polen. 2001 wurde er durch sein Buch "Auf dem rechten Auge blind. Die braunen Wurzeln des BKA" einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

An dieser Stelle kann das Buch über Danzig, das trotz antikommunistischer Klischees zur Roten Armee und zur Nachkriegsgeschichte wichtiges Material enthält, nicht zusammengefaßt werden. Es sei nur auf einige aufschlußreiche Fakten verwiesen. 1930 schickte Hitler Albert Forster (1902 geboren, 1952 in Warschau gehängt) als Gauleiter nach Danzig. Forster war bei den Reichstagswahlen in Unterfranken gewählt worden und jüngster Abgeordneter des Parlaments. Er schaffte es in wenigen Jahren, die NSDAP zum bestimmenden politischen Faktor in der Stadt zu machen. Nach der Installierung Hitlers als Reichskanzler durch Großkapital und Reichswehr am 30. Januar 1933 ergriff der Taumel der "nationalen Revolution" endgültig die meisten Deutschen in Danzig. Sie wollten schon seit 1920 "heim ins Reich". Deutsche stellten etwa 90 Prozent der mehr als 360.000 Einwohner des Gebietes der Freien Stadt. In deren Parlament, dem Volkstag, erhielt die NSDAP bei Wahlen am 28. Mai 1933 die absolute Mehrheit. Von den 72 Sitzen entfielen 38 auf die NSDAP, 13 auf die SPD, 5 auf die KPD, 10 aufs Zentrum, 4 auf die DNVP und 2 auf die polnische Minderheit. Dem Wahltag vorausgegangen waren Massenaufmärsche der Nazis, systematische Sprengung von Versammlungen der politischen Gegner und Ergebenheitsbekundungen für die Faschisten z. B. aus den Reihen der Polizei. Forster fühlte sich als "kleiner Adolf" und feierte die "Machtergreifung" nach dem Berliner Vorbild vom Januar mit einem Fackelzug. Schulen, Sparkasse, deutsche Post, Werft und Technische Hochschule sandten Treuebekenntnisse. Auf die Verfassung der Freien Stadt wurde ab sofort keine Rücksicht genommen, obwohl ein Hoher Kommissar des Völkerbundes in ihr residierte. Die Gewerkschaften wurden zerschlagen, per Verordnung wurden Juden aus dem Volkstag ausgeschlossen und aus öffentlichen Ämtern entfernt, der Unterricht in den Schulen begann mit einem Nazilied.

Der gesamte Verwaltungsapparat und die Mehrheit der Bevölkerung folgten willig. Der Polizeipräsident verbot die KPD am 26. Mai 1934, Klagen dagegen wurden von den Danziger Gerichten für unzulässig erklärt. Den Nazis reichte das alles aber nicht, sie strebten im Volkstag eine Zweidrittelmehrheit an und lösten ihn vorfristig auf. Bei den Wahlen am 7. April 1935 erreichten sie 59,3 Prozent, verfehlten also ihr Ziel. Aber am 12. Oktober 1936 folgte das Verbot der SPD, die bei den Volkstagswahlen 1927 noch mehr als 33 Prozent erhalten hatte.

Die Bahn war frei, endgültig echte oder vermeintliche Gegner "unschädlich" zu machen, wie es Reinhard Heydrich als Chef des Reichssicherheitshauptamtes als Parole ausgegeben hatte. Das waren vor allem Intellektuelle, Geistliche, Wissenschaftler und erfolgreiche Geschäftsleute polnischer Herkunft. Seit 1938 bereiteten die deutschen Faschisten die Annexion Danzigs und des sogenannten polnischen Korridors, der an Danzig vorbei Polen einen eigenen Zugang zur Ostsee sicherte, mehr oder weniger unverhüllt vor. Das Leben polnischer Bürger in der Stadt wurde ähnlich wie das von Juden eingeschränkt. Deutsche Geheimdienste waren schon längst in der Stadt tätig, ab dem 3. Juni 1939 wurde illegal eine militärische Einheit des Heeres aufgestellt, die von den seit Jahren aktiven SA- und SS-Einheiten unterstützt wurde. Insbesondere der "Wachsturmbann Eimann", benannt nach seinem Chef, bildete eine 350köpfige Mörderbande, die im Verlauf des Sommers 1939 begann, Internierungslager anzulegen.

Ab Mitte August ließ sie in Stutthof von kriminellen Häftlingen aus Danziger Gefängnissen ein Gelände am dortigen Altersheim mit Stacheldraht einzäunen, Zelte aufstellen und provisorische Latrinen einrichten. Die Bande lieferte auch den im polnischen Korridor von der SS aufgebauten "Deutschen Selbstschutzeinheiten" Waffen und Ausbilder.

Am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg in Danzig. Das Kriegsschiff "Schleswig-Holstein" eröffnete ihn um 4.45 Uhr mit Schüssen auf den polnischen Vorposten im Danziger Hafen, die Westerplatte. Schenk schildert, was in der Stadt geschah: "Den ganzen Tag über wurden polnische Männer verhaftet und dann - meist zu Fuß, einige mit dem Auto - durch die Stadt transportiert. Unterwegs wurden sie von Passanten, von Frauen und Kindern, bespuckt." Die Faschisten hatten Listen von Polen vorbereitet, die zu verhaften waren. Nach einigen Darstellungen soll es sich um über 60.000 Namen gehandelt haben. Am 2. September wurden die ersten 150 bis 200 Festgenommenen in Stutthof eingeliefert. Zum Kommandanten des Lagers wurde Pauly ernannt.

Das ist schon bedrückend, aber es gibt in der Ausstellung noch eine Steigerung, obwohl es kaum Dokumente zu dem Thema gibt: die massenhaften Erschießungen polnischer Bürger in der Region durch als "Selbstschutz" getarnte SA- und SS-Einheiten innerhalb der ersten drei Monate nach Kriegsbeginn. Die Historiker geben unterschiedliche Zahlen an, um wie viele Ermordete es sich handelte. In dem Band Kuhns schreibt Janina Grabowska, die frühere Leiterin der Gedenkstätte Stutthof, in einem Text aus dem Jahr 1990 von mehr als 40.000 Opfern. In den Wäldern Pommerns und Westpreußens gibt es Mahnmale an den Hinrichtungsstätten in der Nähe von Piasnica, bei Szpegawsk, bei Thorn, Fordon, Karolewo, Radzim und an vielen anderen Orten.

In seinem Buch von 2013 nennt Schenk, gestützt auf die Auswertung der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg, die in der Bundesrepublik die Ermittlungsverfahren gegen Naziverbrecher koordiniert, eine Zahl zwischen 52.794 und 60.750 Menschen, die bis 1945 in Danzig-Westpreußen getötet wurden. Er schreibt: "Bis auf einige hundert Personen sind fast alle Opfer in den ersten sechs Monaten nach dem Einmarsch der deutschen Truppen umgekommen, wobei der 'SS-Selbstschutz' eine maßgebliche Rolle bei dem Völkermord gespielt hat." Es habe insgesamt etwa 20.000 Tatverdächtige gegeben (was bedeutet, daß in vielen Dörfern fast alle deutschen Männer über 15 Jahren sich im "Selbstschutz" an den Morden beteiligt haben müssen). Wer überlebte, schwieg. In Strafverfahren beschuldigt wurden laut Schenk in der Bundesrepublik 1701 Angeklagte, von denen zehn (!) zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Er spricht von einer "Schande der deutschen Justiz".

Stutthof ist eine besondere Gedenkstätte. Sie macht auf ein lange verschwiegenes Kapitel der Geschichte des deutschen Faschismus aufmerksam. Mir erscheint es brennend aktuell. Die Ausstellung in Stutthof und die genannten Schriften beschreiben nüchtern und sachlich ein Phänomen, das heute wieder um sich greift und sich öffentlich artikuliert. Damals ging es um Haß auf andere Nationalitäten, der in die deutsche Bevölkerung dieses Landstrichs tief eingepflanzt worden war. Heute geht es um Fremdenhaß und Deportationsgelüste in einer Form, die längst als geistige Brandstiftung für Gewalttaten wirkt - für serienweisen Mord, der von Neonazis begangen wird, und für Brandanschläge.

1945 wurde die "Festung Danzig" zu 90 Prozent zerstört. Die Deutschen aus Danzig und Westpreußen hatten viele Gründe zu fliehen. Es ist höchste Zeit, über dieses Beispiel faschistischer Gefolgschaft nicht mehr zu schweigen. Stutthof sollte von möglichst vielen Deutschen besucht werden!

Arnold Schölzel

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Ein Buch aus dem Nachlaß von Kurt Pätzold
Gefolgschaft hinterm Hakenkreuz

Der Historiker Kurt Pätzold starb am 18. August 2016 im Alter von 86 Jahren. Solange es seine Kräfte zuließen, arbeitete der Autor zahlreicher Monographien zum deutschen Faschismus und zum Zweiten Weltkrieg an weiteren Publikationen. Ende vergangenen Jahres erschien bereits "Die Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942. Geschichte und Geschichtsschreibung", nun liegt "Gefolgschaft hinterm Hakenkreuz. Zwanzig Kapitel zu zwölf Jahren deutscher Geschichte" vor. Das Manuskript war Fragment geblieben. Pätzolds Freund und Koautor bei mehreren Werken, der Jenaer Historiker Manfred Weißbecker, hat es bearbeitet und zum Druck vorbereitet.

Der Text ist in drei Abschnitte gegliedert. Die ersten beiden enthalten 20 Kapitel, in denen Pätzold jene Faktoren untersucht, mit denen erklärt werden kann, welche Ursachen die anfängliche Zustimmung großer Teile der deutschen Wählerschaft zu Hitler und der NSDAP hatte, woher die relative Zufriedenheit mit dem Regime bis zum Kriegsbeginn 1939 rührte und warum schließlich die Mehrheit weitgehend widerstandslos "funktionierte", als sich das katastrophale Ende abzeichnete.

Im dritten Abschnitt führt Pätzold die so beleuchtete Frage nach der Massenbasis des deutschen Faschismus weiter und analysiert sie in allgemeiner Form, wobei Aussagen von Vertretern des Historischen Materialismus zur Rolle der Volksmassen in der Geschichte in den Vordergrund rücken: Sie betonten deren progressive Rolle und sagten zu der in der deutschen Geschichte zwischen 1933 und 1945 mit wenigen Ausnahmen nichts.

Hier wird leider der fragmentarische Charakter des Manuskripts besonders spürbar. Der Autor hatte vor, diesen Abschnitt bis in die Gegenwart zu führen. So bleibt es bei der Frage nach dem Verhalten einer "Großgruppe" in der deutschen Bevölkerung zwischen 1933 und 1945: "Warum haben diese Millionen - Frauen und Männer, Alte und Junge - ein von Anbeginn verbrecherisches Regime gestützt, eine Politik ermöglicht und Pläne verwirklichen helfen, die über ihre nahen und fernen Nachbarn und schließlich auch über sie selbst Leiden und Sterben ohne Beispiel brachten?"

Pätzold zeigt, daß die Behauptung nicht zutrifft, diese Menschen hätten "nach Errichtung der Nazimacht alle Möglichkeiten zu eigenen Entschlüssen und selbstbestimmten Handlungen verloren". Wie groß die Zahl der Unterstützer des neuen Reichskabinetts unter Führung Hitlers am Tag seiner Installierung, dem 30. Januar 1933, war, läßt sich zwar nur vermuten. Wahrscheinlich, so Pätzold, waren es ungefähr jene 41 Prozent, die im November 1932 für die NSDAP und ihre späteren Koalitionspartner gestimmt hatten. Doch diese Zahlen sollten keine Rolle spielen, der Reichstag wurde aufgelöst und eine Neuwahl angesetzt, um den von Industrie, Banken, Reichswehr und höherem Personal des Staatsapparates mit der Ernennung Hitlers vollzogenen Staatsstreich zu legitimieren. An diesem Tatbestand läßt Pätzold keinen Zweifel. Allerdings wäre Hitler nicht eingesetzt worden, hätte er nicht seit etwa 1928 Millionen Anhänger gehabt. Sie machten ihn zu einem für die Bourgeoisie beachtenswerten politischen Faktor. Am 5. März 1933, als die Arbeiterparteien bereits verboten oder verfolgt waren, erhielt die NSDAP bei einer Wahlbeteiligung von 88,8 Prozent 17,3 Millionen Stimmen. Das entsprach knapp 44 Prozent und zeigte, so Pätzold, "den Sog an, der vom Sieg des 30. Januar ausging". Hinzu traten Terror, Brot und Spiele, rassistische, über Jahrhunderte hinweg entstandene und gepflegte Ressentiments wie der Antisemitismus, aber auch Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der von der Wehrmacht überfallenen Länder und ihrer Bewohner oder gar Teilhabe an deren Ausplünderung. Pätzold untersucht diese Aspekte im einzelnen, um schließlich zu schildern, wie dieses Verhalten nach 1945 in Ost und West gedeutet wurde. Hartnäckig habe sich z. B. lange das Schema vom Führer und den Verführten gehalten. Erst spät sei auch in der Geschichtswissenschaft die Zeit zu Ende gegangen, in der ein einziger Faktor für die Massengefolgschaft verantwortlich gemacht wurde. Eine geschlossene Abhandlung über deren Entstehen bis hin zum Zerfall liege aber nicht vor.

Pätzold hat mit seinen Arbeiten zu Faschismus und Weltkrieg für die Erforschung dieses Problems bereits viel geleistet. Insofern nimmt sich dieses Buch wie ein Schlußstein seines Werks aus: Die Frage nach der Basis von Faschismus in großen Teilen einer Bevölkerung ist wieder akut. Kurt Pätzold zeigt in diesem Band, was empirisch und theoretisch zu berücksichtigen ist, wenn sie sinnvoll erforscht und beantwortet werden soll. A. Sch.



Kurt Pätzold: Gefolgschaft hinterm Hakenkreuz.
Verlag am Park, Berlin 2017, 360 S., 19,99 €


Weitere Bücher von Kurt Pätzold:
- Deutschland 1933-39. Vorkrieg

"Das war noch vor dem Krieg." Der Satz gehörte zu den Zeitbestimmungen der Deutschen, die 1945 dem Tod an den Fronten und in den Bombennächten entkommen waren. Zunehmend mit den Jahren, verklärte sich ihnen vielfach ihr Leben zwischen 1933 und 1939, verglichen mit jenem danach. Wie also hatten sie in diesem "Dritten Reich" wirklich gelebt, als ihnen der "Führer" seine Friedensliebe wieder und wieder beteuerte? Warum hatten sie diesem Adolf Hitler geglaubt? Und warum so viele und so lange, bis sie an jenem 1. September sich in den Krieg gestürzt sahen, den sie nun aber nicht verlieren wollten? Nicht schuldlos und ohne eigenes Zutun wurde die Mehrheit des deutschen Volkes in diesen Vorkriegsjahren tatsächlich betrogen und für Ziele eingenommen, von denen sie sich zum eigenen Nutzen besser abgewandt hätte.

PapyRossa-Verlag, Köln 2016,
Reihe Basiswissen, 140 S., 9,90 €


- Deutschland 1939-45. Krieg

Dieser Band will dem Bedürfnis nach kompakter, womöglich erster Information über das Geschehen gerecht werden. Anhand der hier dargestellten fünfeinhalb Jahre läßt sich studieren, wie Kriege gemacht und wie Völker in sie hineingetrieben werden. Auch läßt sich ihnen Auskunft darüber abgewinnen, wie Menschen dazu gebracht werden konnten, sich als "Volksgenossen" wider ihre eigenen - unbegriffenen - Grundinteressen zu verhalten, an der Front und in der Heimat, die kein Hinterland mehr, sondern zunehmend Schauplatz eines selbstverschuldeten Bombenkrieges war. Warum haben sie für die Rüstung geschuftet? Warum über Jahre Nächte in Luftschutzkellern erduldet? Warum bis zum bitteren Ende Befehle befolgt, die sie in den Tod jagten? Was haben sie sich bei alledem gedacht, was erwartet, was erhofft?

PapyRossa-Verlag, Köln 2016,
Reihe Basiswissen, 132 S., 9,90 €


- Zweiter Weltkrieg

Die Darstellung Pätzolds setzt mit der Frage ein, ob die Geschichte Europas zu jenem 1. September 1939 führen mußte, an dem ein beispielloser Krieg begann, der sich erdballweit ausdehnte. Gedrängt bietet sie ein Bild der wesentlichen politischen und militärischen Ereignisse, die bis zur Potsdamer Konferenz, den Gerichtsprozessen in Nürnberg und Tokio und den Friedensschlüssen von Paris und San Francisco verfolgt werden. Behandelt werden zudem der Völkermord an den Juden sowie an den Sinti und Roma vor dem Hintergrund der nazistischen Kriegsziele wie auch die Kriegsverbrechen in Europa und Asien. Der Band schließt mit dem Blick auf die veränderte Welt des Jahres 1945, den Übergang zum kalten Krieg und die Versuche, dem Frieden Dauer zu verschaffen.

PapyRossa-Verlag, Köln 2015,
Reihe Basiswissen, 142 S., 9,90 €

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Verbrechen der Wirtschaft und Faschismus

Die Ausgangsfragestellungen des Buchs von Günter Gleising sind: Wie war es möglich, daß Hitler und seine Nazipartei innerhalb weniger Jahre von einer Splittergruppe zu einer politisch einflußreichen Kraft werden konnten? Wie war es möglich, daß Hitler schließlich Anfang 1933 die Reichskanzlerschaft angetragen werden konnte? Wie war es möglich, daß das faschistische Regime an der Macht innerhalb von sechs Jahren in der Lage war, einen Krieg zu führen und halb Europa zu unterjochen?

Hitlers Aufstieg und der seiner Partei wäre ohne die Unterstützung großer Konzerne nicht möglich gewesen. Besonders an Rhein und Ruhr fand er schnell politische Unterstützung und finanzielle Gönner. Dabei war von großer Bedeutung, daß sich das Interesse der Monopolbourgeoisie an der Beseitigung der Hemmnisse an der Profitmaximierung mit Hitlers politischem und ökonomischem Programm traf. In der Autarkie- und Rüstungspolitik sahen viele Industrielle frühzeitig beste Entfaltungs- und Profitmöglichkeiten.

Das Buch belegt auch anhand zahlreicher Fotos und Zeitdokumente, wie es Hitler gelang, sich von 1925 an im Ruhrgebiet zu verankern und Gelder bei Industriellen einzusammeln. Im Düsseldorfer Industrieclub waren am 26. Januar 1932 über 600 hohe Wirtschaftsvertreter und Industrielle der Schwerindustrie von Hitlers Ausführungen derart begeistert, daß der Ruf "Hitler an die Macht!" immer lauter wurde. In letzten Gesprächen mit maßgeblichen Vertretern der Wirtschaft in Köln und Dortmund wurden schließlich die Weichen dafür gestellt, daß Reichspräsident von Hindenburg die Macht in Hitlers Hände legte. Hitler und seinen Organisationen gelang es innerhalb weniger Wochen mit Gewalt und Terror, trotz teilweisen starken Widerstands, die Arbeiterbewegung zu zerschlagen und die verbliebene bürgerliche Opposition beiseite zu schieben. Mit Wissen, Billigung und Unterstützung maßgeblicher Kreise vor allem der chemischen und der Schwerindustrie sowie der Großbanken wurde die bürgerliche Demokratie, bzw. das, was von ihr noch übriggeblieben war, liquidiert. Das Buch bietet viele Einblicke in die Struktur und die Mechanismen, die diese Entwicklung ermöglichten.

Die Konzerne an Rhein und Ruhr wurden zum Instrument der totalen Kriegsführung, der Ausbeutung der eigenen Bevölkerung ebenso wie der Ausbeutung der überfallenen Länder und ihrer Menschen. Die Unterdrückung der jüdischen Bürger ab 1933 fand ihre Fortsetzung in der Einverleibung des jüdischen Besitzes in deutsche Betriebe und Konzerne und wenig später in der Ermordung von Millionen Juden. Die Zwangsarbeit im Ruhrgebiet wurde zur Massenerscheinung und gipfelte in der Errichtung von vielen hundert Zwangsarbeiterlagern und dem Bau von KZ-Außenlagern.

Am Ende des Buches wird erwähnt, wie die wirtschaftlich Mächtigen nach der Befreiung vom Faschismus versuchten, sich eine reine Weste zu verschaffen oder der Entnazifizierung zu entgehen. Andere wurden zwar zu Haftstrafen verurteilt, aber schnell wieder entlassen. Teile des Potentials der Ruhrwirtschaft und vor allem der Rüstungsindustrie wurden von der amerikanischen Besatzungsmacht in die USA transferiert (dabei ging es um die Innovationen der Stahlindustrie und Kohlewirtschaft ebenso wie um Technologien der Kriegstechnik und den Raketenbau). Übriggebliebene Betriebe und Fachleute wurden schon bald für die Wiederaufrüstung der BRD unentbehrlich.

Der Gebrauchswert des Buches wird verstärkt durch ein 8seitiges Literaturverzeichnis und ein heutzutage leider nicht mehr selbstverständliches umfangreiches Namensregister.

(Gestützt auf eine Verlagsinformation)


Günter Gleising: Verbrechen der Wirtschaft. Der Anteil der Wirtschaft an der Errichtung der Nazidiktatur, der Aufrüstungs- und Kriegspolitik im Ruhrgebiet 1925-1945. RuhrEcho-Verlag, Bochum 2017. 268 S., 18 €

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Hermann Leihkaufs Rückblick auf die reale DDR

Von vielen Seiten wird zum Kampf gegen "Fake News" aufgerufen. Von der Jury der "Aktion Anglizismus" wurde der Fake-News-Begriff - zu Deutsch Falschmeldung - als Anglizismus des Jahres 2016 gewählt. In der Begründung dieser Entscheidung wird erwähnt, daß die moderne Welt seit mehr als 100 Jahren von Falschmeldungen überzogen wurde. Unter den in Deutschland seit Jahrzehnten verbreiteten Falschmeldungen nehmen die über die DDR, über das Leben und die Volkswirtschaft dieses von der BRD einverleibten Landes einen besonders hohen Anteil ein.

Das vorliegende Buch von Hermann Leihkauf (der von 1949 bis 1990 auf allen Ebenen der Volkswirtschaft in Betrieben, im ministeriellen Bereich und schließlich an führender Stelle der Staatlichen Plankommission arbeitete) vermittelt dagegen all denen, die an der Wahrheit über die DDR interessiert sind, ein überzeugendes, weil auf Tatsachen gestütztes Material.

Im heutigen Chaos und der Gegenläufigkeit nationaler und internationaler Wirtschaftsabläufe, die vielen Menschen zunehmend Sorge bereiten, erinnern sich nicht wenige an die Konstruktivität staatlicher Planung, die - trotz mancher zeitbedingten Unvollkommenheit - im Gegensatz zur Brüsseler EU-Wirtschaftssteuerung kein bürokratisches Monster war. Die Planwirtschaft der DDR folgte auch dem Gedanken Albert Einsteins: "Eine Planwirtschaft, die die Produktion auf den Bedarf der Gemeinschaft einstellt, würde die durchzuführende Arbeit unter all diejenigen verteilen, die in der Lage sind zu arbeiten, und sie würde jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind einen Lebensunterhalt garantieren."

Ein Blick in Leihkaufs Buch macht klüger und faktensicherer.

Prof. Dr. Herbert Graf, Berlin

Hermann Leihkauf: DDR. Zum aktuellen Kampf um die Deutungshoheit über den ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden. GNN-Verlag, Schkeuditz 2017, 158 S., 10 €

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Max Seydewitz zum 125.

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"Sie nannten mich Benjamin" - Erhard Stenzel

Am 9. Mai 2017 führte der Landtag Brandenburg eine Veranstaltung zum Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus durch. Ehrengäste waren die betagten Antifaschisten Erhard Stenzel und Günter Pappenheim (siehe auch RF 231, Seite 9).

Bei dieser Gelegenheit lernte ich Erhard Stenzel kennen und erfuhr, daß die Dokumentaristin Heide Gauert über ihn und sein Leben einen Film drehte. Dieser wurde am 10. September in Falkensee vor über 200 Zuschauern uraufgeführt. Zwei Tage später wurde der Dokumentarstreifen vor etwa 500 Schülern der 10. bis 12. Klassen in der Stadthalle von Falkensee gezeigt. Am 23. Juni berichtete Ronald Weber in der "jungen Welt" über Erhard Stenzel und Anne Beaumanoir, die am 21. Juni während einer Veranstaltung "Resistance heißt Widerstand" vor etwa 50 Zuhörern darüber sprachen, wie sie in Frankreich gemeinsam gegen den deutschen Faschismus gekämpft haben.

Stenzel zum Hauptgrund seines Engagements bis heute: "Der Faschismus ist keine Ideologie, sondern ein Verbrechen. Wenn mir jemand 1945, als ich wieder nach Deutschland kam, gesagt hätte, daß nach 72 Jahren Neonazis offen mit Naziparolen marschieren dürfen, dann hätte ich geantwortet: Du spinnst, so etwas kann es doch nie wieder geben."

Schließlich durfte ich Stenzel in Falkensee besuchen. Ich berichtete ihm von unseren DDR-Zeitzeugen-Büchern und fragte ihn, ob er einen Beitrag zu unserem neuen Band schreiben würde. Bereitwillig gab er mir Auskunft über seinen ereignisreichen Lebensweg mit vielen Höhepunkten und manchen Enttäuschungen, über sein bis heute unermüdliches Engagement für Frieden und Sozialismus, gegen Faschismus und Krieg.

Stenzels Eltern waren Kommunisten. Er wuchs in Freiberg/Sachsen auf und wurde mit 17 Jahren zur Wehrmacht eingezogen. Ende 1943 desertierte er und ging in Frankreich in den Widerstand, weil er den Faschismus ablehnte. Sein Vater war schon 1933 in ein KZ verschleppt worden. 1944 wurde er im KZ Buchenwald von deutschen Faschisten ermordet. Da wußte der Sohn, auf welcher Seite der Barrikade er stehen wollte. Im Januar 1944 wurde Stenzel offiziell in die Reihen der Resistance und in die KP Frankreichs aufgenommen. Er sah die verkohlten Kinder- und Frauenleichen in Oradour. Gegen die Mörder von der SS kämpfte Stenzel in den Reihen der Resistance bis zur Befreiung von Paris.

Nach dem Krieg ging er in seine sächsische Heimat und war Teilnehmer des Vereinigungsparteitags von Kommunisten und Sozialdemokraten 1946 in Dresden. Danach war er aktiv in zahlreichen Funktionen der Partei, der Gewerkschaft, der Nationalen Front und in verschiedenen gesellschaftlichen Organisationen der DDR, zum Beispiel in der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Er genoß das Vertrauen der Menschen und erfüllte die ihm von seiner Partei, der SED, übertragenen Aufgaben. Aus der Fülle seiner Funktionen seien hier nur einige genannt: Er war Stellvertreter des Generaldirektors der ZENTRAG, leitete eine Schule zur Ausbildung von Verlagsleitern, war Parteiorganisator des Großbauobjekts Berliner Außenring mit zirka 5000 Bauarbeitern, hauptamtlicher Parteisekretär für die Volkseigenen Betriebe des Teltower Industriegebiets, viele Jahre Stadtverordneter beziehungsweise Kreistagsabgeordneter, FDGB-Kreisvorsitzender Potsdam-Land und Kulturreferent im FDGB-Bezirksvorstand Potsdam.

Nach der Rückwende zum Kapitalismus hielt er an seiner marxistischen Grundeinstellung fest und arbeitete aktiv in der PDS und der späteren Partei Die Linke mit. Als ihr Vertreter wurde er einstimmig in das Stadtparlament der 40.000-Einwohner-Stadt Falkensee gewählt und war zehn Jahre lang Stellvertreter des Stadtpräsidenten. Sein Nachfolger wurde der Bundestagsabgeordnete Harald Petzold, der wesentlich zum Gelingen des Dokumentarfilms "Sie nannten mich Benjamin" beitrug.

Stenzels Widerstandskampf in der Resistance wurde in Frankreich gewürdigt. Auf dem Foto ist er mit der französischen Resistance-Kämpferin Anne Beaumanoir abgebildet. Diese inzwischen 93jährige aus der Bretagne stammte aus einer antifaschistischen Familie und schloß sich 1941 dem Widerstand gegen den deutschen Faschismus an. Sie war 1944 an der Befreiung von Marseille beteiligt und kämpfte später gegen die französische Kolonialherrschaft in Algerien.

Horst Jäkel, Potsdam

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Vom Ende der Sprachlosigkeit (2)

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Zum 85. von Klaus Steiniger
Er hatte Kreuz und Courage

Klaus Steiniger hat Spuren hinterlassen - als Reporter auf vier Kontinenten in 41 Ländern, als Sonderkorrespondent der Zeitung "Neues Deutschland", beim Prozeß gegen Angela Davis und der großen Solidaritätsinitiative für sie, als mehrjähriger Beobachter und Begleiter der Nelkenrevolution in Portugal, als Begründer des "RotFuchs", Leitartikel-Verfasser und Chefredakteur, nicht zuletzt als Partner vieler Zeitzeugen und kritischer Analyst des Weltgeschehens.

Als Klaus und ich uns kennenlernten, besaß er diesen Nimbus noch nicht. Wir waren beide noch keine dreißig, er Kreisstaatsanwalt in Güstrow, ich Kreisschulinspektor. Man traf sich im Klub des Kulturbundes, dem geistigen Zentrum der Stadt. Interessen jeglicher Art hatten dort ihr Domizil - Kunst, Theater, Literatur, Geschichte, Schule, Politik, Philosophie, Religion und was sonst die Köpfe noch bewegte. Was ich an Klaus in dieser Zeit schon schätzte, war seine Zivilcourage und sein unbestechlicher Gerechtigkeitssinn. Beides war in seinem Amt nicht sonderlich hilfreich, sondern barg eher Konflikte vielfältiger Art in sich. Eines Tages berichtete mir Klaus von zwei Vorfällen, die ihm schlaflose Nächte bereiteten.

Der eine Fall: Nach Abschluß der sozialistischen Umgestaltung in der Landwirtschaft kam es zu Engpässen in der Butterversorgung. Fernfahrer waren von Rationierungen ausgenommen. Einer vom VEB Kraftverkehr hatte nicht mitbekommen, daß dieses Privileg nach kurzer Zeit aufgehoben wurde, und verlangte in einer HO-Filiale ein Stück Butter. Als ihm das unter Hinweis auf die neue Verordnung verwehrt wurde, empörte er sich: "Ich möchte wissen, was wir im Kommunismus fressen, wenn es schon im Sozialismus nicht mal Butter gibt."

Der andere Fall: Zwei Verkehrspolizisten hatten den Auftrag, in den Möbelwerken für die Nationale Volksarmee zu werben. Die Argumente zündeten nicht, die Stimmung schien zu kippen. Da kam dem Betriebsdirektor die rettende Idee, einen jungen Kollegen aufzufordern, darüber zu berichten, warum er freiwillig in die "Kasernierte Volkspolizei" eingetreten sei. Der stand auf und erklärte: "Ich war Lehrling. Da haben Sie mich in Ihr Büro geholt und so lange gezwiebelt, bis ich gegangen bin."

Klaus Steiniger erhielt übergeordnet den Auftrag, an diesen beiden ein Exempel zu statuieren. Er tat das nicht, denn er war der Meinung, daß es hier keine juristische Härte brauche, sondern daß vernünftige politische Gespräche sinnvoller wären. Er stellte beide Verfahren wegen Geringfügigkeit ein und veranlaßte Gespräche mit den Kollektiven der Kollegen.

Diese Eigenmächtigkeit brachte das Faß zum Überlaufen, zumal er sich schon in Vorjahren ähnliches erlaubt hatte. Er wurde gemaßregelt, was darauf hinauslief, daß er vom Kreisstaatsanwalt zum Dorfbürgermeister herabgestuft wurde, zunächst in der Mini-Gemeinde Ganschow, dann in der Groß-Gemeinde Vietgest, beide im Kreis Güstrow. Dort habe ich ihn besucht. Er war keineswegs empört oder verärgert. Er hatte erreicht, was er wollte, das war ihm Genugtuung genug und Beweis dafür, daß sich eigenwillige Meinungen durchsetzen ließen!

Einen Rat gab er mir auch: "Benno, wenn Du mal promovieren willst oder mußt, dann laß Dich als Bürgermeister aufs Land versetzen. Dort hast du Zeit und Gelegenheit dazu."

Danach haben wir uns aus den Augen verloren. Ich habe zwar immer wieder von ihm gelesen und gehört, mehr aber auch nicht.

2009 erzählte mir ein Kollege, daß ein Dr. Klaus Steiniger die marxistische Monatszeitschrift "RotFuchs" herausgibt. Ich schrieb an ihn: "Wenn man mir gesagt hätte, daß man sich nach mehr als 40 Jahren noch einmal über den Weg läuft und dann sogar gemeinsame Interessen hat, hätte ich das nicht für möglich gehalten". Klaus schickte mir als Antwort sein Buch "Bei Winston und Cunhal. Reporter auf vier Kontinenten" mit dem Vermerk: "Für Benno Pubanz, nach 40jähriger Unterbrechung unseres Kontakts - in bester Erinnerung an alte Zeiten."

Wir haben den alten Zeiten neue hinzugefügt.

Prof. Dr. Benno Pubanz, Güstrow

Beim Vertrieb (Tel.: 030/53 02 76 64) kann ab sofort gegen eine Spende eine 44seitige Broschüre mit den "RotFuchs"-Leitartikeln Klaus Steinigers aus den Jahren 2013 bis 2016 bezogen werden. Sie ist dem Andenken an unseren Gründer und langjährigen Chefredakteur gewidmet.

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"Erinnerungsbibliothek DDR" nun im Bundesarchiv

Im August 2012 gründete sich der Verein "Erinnerungsbibliothek DDR". Wie sein Name besagt, stellte er sich die Aufgabe, möglichst viel biographisches Material von einstigen Bürgern der DDR oder über sie zu sammeln und für die Nachwelt sicher zu verwahren.

Den Anstoß, der zur Vereinsgründung führte, hatte ein Artikel über den als "Taubendoktor" bekannten Veterinär Dr. Rolf Funda aus Staßfurt in Sachsen-Anhalt gegeben, der Heiligabend 2011 unter dem Titel "Der Traum von einer ganz besonderen Bibliothek" im "Neuen Deutschland" erschienen war. Die Autorin Gabriele Oertel schrieb darin über seine Idee, möglichst viele Autobiographien zu sammeln, um sie für spätere Generationen aufzubewahren. Funda selbst schilderte 2014 im "RotFuchs" das Echo auf seinen Text so: Es "brach eine wahre Flut von Anrufen, E-Mails und Briefen über mich herein. Niemals hatte ich mit einer derart überwältigenden Reaktion gerechnet. Und so zeichnete sich bald ab, daß dieses Projekt einen einzelnen hoffnungslos überfordern würde, so daß sich nur ein gemeinnütziger Verein dieser großen Aufgabe stellen könnte."

Was als private Sammlung ostdeutscher Lebenserinnerungen begann, wuchs tatsächlich zu einer einmaligen Buchkollektion heran. Auf der Internetseite des Vereins sind heute 850 Bände verzeichnet, alphabetisch geordnet und mit Kurzbiographien der Autorinnen und Autoren versehen: von Horst Adam ("Einblicke - Erinnerungen", 2006) und dem "Brigadetagebuch" der ADN-Bezirksredaktion Karl-Marx-Stadt von 1971 bis 1989 bis Michael Zobel ("Sowjetparadies. Mein Leben in drei Gesellschaftssystemen", 2016) und Helga Zschieschang ("1930-2000. Rückblick in Zehnjahresschritten", 2000). Bereits die kurzen biographischen Notizen lassen ahnen: Diese Sammlung ist nicht nur für historische Disziplinen von Bedeutung, es handelt sich auch um ein Politikum. Sie zeugt vom Eigensinn und dem Willen, sich von den Kampfbegriffen, die bis in die Partei Die Linke bei DDR reflexartig fallen, nicht beeindrucken zu lassen. Die Reduktion des verschwundenen Staates und seiner Gesellschaft auf "Mauer", "Stasi", "Unrechtsregime" schlägt sich hier nicht in Empörung oder einer Auseinandersetzung mit Propaganda nieder, sondern im Beharren darauf, etwas anderes erlebt zu haben als das, was in Kino- und Fernsehfilmen, in Ausstellungen und Büchern landauf, landab erzählt wird.

Die neuste Studie der Bundesbeauftragten für die "neuen" Bundesländer, die jeden Standard einer wissenschaftlichen Studie unterschreitet und eine besondere Neigung Ostdeutscher zu neofaschistischen Einstellungen diagnostizierte, ist nur noch Wiederkäuen ranzig gewordener Vorurteile. Aber exemplarisch für etwas, das seit 27 Jahren fast ununterbrochen anhält.

Erstaunlich ist allerdings auch, daß eine Kollektion von Erinnerungsliteratur in diesem Umfang entstehen konnte - vermutlich gibt es nichts Vergleichbares nach ähnlich tiefgreifenden historischen Zäsuren bereits nach so kurzer Zeit. Der Grund für diesen beachtlichen Umfang ist wohl ziemlich einfach: Es waren Zehntausende hochqualifizierter Menschen, die 1989/90 aus ihren Berufen gerissen oder gleich ganz ins soziale Abseits gestellt wurden. Sie konnten und können schreiben. Funda umriß das 2014 so: "Die das Ende der DDR herbeiführenden Ereignisse der Jahre 1989/90 hatten zur Folge, daß zahllose Menschen in zuvor verantwortlichen Positionen, oft gerade auf dem Höhepunkt ihres Leistungsvermögens, von heute auf morgen in die 'Wüste' geschickt wurden: Botschafter, die am 2. Oktober 1990 noch als hochangesehene Diplomaten galten, waren am nächsten Tag arbeitslos. Hochschullehrer, Schuldirektoren und Pädagogen, Betriebs- und Kombinatsdirektoren, Generäle und Offiziere der NVA, der Volkspolizei, des Zolls und des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) saßen plötzlich ohne jede Absicherung auf der Straße. Nicht anders ging es Funktionären der Parteien und Massenorganisationen, Chefs von Krankenhäusern und Polikliniken, Kreistierärzten, LPG-Vorsitzenden und Leitern volkseigener Betriebe."

In der "Erinnerungsbibliothek DDR" ist Material zusammengetragen worden, das seinesgleichen sucht. Funda selbst meint, die über 850 Bände, zu denen 50 weitere demnächst hinzukommen, seien "durchaus keine Märchensammlung", in der alles verherrlicht werde, was DDR gewesen ist. Die Verfasserinnen und Verfasser hätten authentisch über ihr Leben geschrieben. Das dürfte selten konfliktfrei gewesen sein, und in vielen Arbeiten dürften auch jene Beulen erwähnt werden, die nicht vom Klassenfeind stammten. Man könne hier lernen, so der Vereinsvorsitzende, "wie Mädchen und Jungen nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg vor dem Nichts standen, die Entwicklungs- und Bildungschancen nutzten, die ihnen geboten wurden".

Den Wert dessen, was vom Verein zusammengetragen wurde, hat inzwischen auch das Bundesarchiv erkannt. Die Außenstelle in Berlin-Lichterfelde übernahm vor knapp zwei Jahren die gesamte Bibliothek, die ersten Bände sind bereits mit Signaturen versehen und verfügbar. Auch sie sind auf der Webseite der "Erinnerungsbibliothek DDR" zu finden. Es bleibt also einiges.

Im Internet: erinnerungsbibliothek-ddr.de

Arnold Schölzel

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Stimmen aus aller Welt über die DDR

Solange der sozialistische deutsche Staat, die DDR, existierte, haben sich immer wieder Persönlichkeiten aus der ganzen Welt bei oder nach Besuchen über die DDR geäußert. Zum 30. Jahrestag am 7. Oktober 1979 hat die Auslandspresseagentur Panorama DDR über hundert solcher Stellungnahmen in einem Buch vereint. Stellvertretend für die anderen veröffentlichen wir hier einige dieser Äußerungen - Älteren zur Erinnerung, Jüngeren zur Verdeutlichung dessen, was die DDR für die Welt - und für uns - war.



Freda Brown (1919-2009)
Präsidentin der IDFF

Jedesmal, wenn ich nach Berlin komme, bin ich aufs neue beeindruckt von der DDR, dem Wirken Ihrer Bürger für den Frieden, dem frohen Lachen Ihrer glücklichen Kinder, denen es an nichts mangelt, von all den Errungenschaften und Möglichkeiten, über die die Menschen in Ihrem Lande verfügen.

Die Internationale Demokratische Frauenföderation ist der Regierung und der Bevölkerung der DDR zutiefst verpflichtet, denn die IDFF, der heute 129 Frauenorganisationen in 114 Ländern angeschlossen sind, hat seit fast 28 Jahren ihren Sitz in Berlin, der Hauptstadt der DDR. So ist Berlin zur Heimstatt für Frauen aller Kontinente geworden. Stets erweist uns die DDR herzliche und selbstlose Gastfreundschaft, die sie auch allen 2000 Teilnehmern am großartigen Weltkongreß im Internationalen Jahr der Frau 1975 in Berlin entgegenbrachte. So erwarb sie sich die Achtung und Freundschaft vieler, die von allen Teilen unseres Erdballs - manche davon voller Skepsis - in dieses Land kamen. Mit großer Freude kann ich heute sagen, daß die Erwartungen, die man an das Leben im Lande von Marx und Engels knüpft, durch die Wirklichkeit, die uns hier in der sozialistischen Gesellschaft der DDR begegnet, bei weitem übertroffen werden.

Viele von uns erfahren zum ersten Mal in ihrem Leben, was es bedeutet, wenn die soziale Rolle der Mutterschaft von Staat und Gesellschaft voll anerkannt wird. Die großzügigen sozialpolitischen Maßnahmen für die Frauen sind für viele ein Blick in die Zukunft, sind doch in ihnen auch der Kampf von Clara Zetkin verwirklicht und die Ideen von August Bebel, der mit seinem Buch "Die Frau und der Sozialismus" Millionen freiheitsliebender Frauen den Weg in eine bessere Zukunft wies. Wir wissen aber auch, daß all die Errungenschaften nur erzielt werden konnten dank der unermüdlichen und fleißigen Arbeit aller Bürger.

Die Frauenorganisation und alle Frauen der DDR bringen der IDFF immer wieder ihre Freundschaft und Solidarität zum Ausdruck, genauso, wie sie ihre stete Solidarität den Frauen und Familien in allen Teilen der Welt bekunden. Ihre Verbundenheit und Unterstützung galt und gilt den Frauen in Chile, in Vietnam, in Angola, Moçambique und Guinea-Bissau, in Portugal und Zypern, den palästinensischen Frauen und Kindern sowie denen im Süden Afrikas.

Abschließend möchte ich allen Bürgern der DDR weitere Erfolge in ihrem Kampf für Frieden und Sicherheit, für das Wohl ihres Volkes und der ganzen Menschheit wünschen. Jeder Erfolg, den die Deutsche Demokratische Republik beim Aufbau der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, bei der Schaffung noch günstigerer Bedingungen für die Frauen und Kinder erreicht, wird unserem Kampf für Gleichberechtigung, sozialen Fortschritt und Frieden neuen Aufschwung verleihen.



Dr. Hannelis Schulte (1920-2016)
Vorsitzende der Deutschen Friedensgesellschaft, BRD

Was hat eigentlich meine Sympathie für die DDR veranlaßt? Wenn ich an die fünfziger Jahre zurückdenke, so war es wohl vor allem die unglaubliche Hetze und Diffamierung hier in der BRD gegen "das Phänomen" da drüben. Das trieb mich einfach auf die Seite der so Verlästerten und Verhaßten. Bei meinen früheren Besuchen in Wittenberg und anderswo ließ sich das Neue, das entstand, mehr erahnen als sehen.

Jetzt liegen die Erfolge offen zutage. Jetzt können wir stolz sein auf die DDR und all ihre Errungenschaften. Wir? Dürfen wir Westdeutschen das sagen? Wir haben die ganzen Härten der Aufbauzeit nicht mitgemacht. Wir haben nicht mit unendlicher Geduld täglich nach neuen Formen des Lebens und der Gesellschaft unter den zähen Trümmern des Alten gesucht. Ich meine, ein klein wenig Stolz auf die DDR dürfte man uns wohl nicht verwehren, weil unsere Herzen "dabei" waren und weil wir uns freuen, daß es einen deutschen sozialistischen Staat gibt, der Gutes für den Weltfrieden leistet und der den Christen eine faire Chance des Mitwirkens ermöglicht.


Vasco da Gama Fernandes (1908-1991)
Ehemaliger Präsident der Versammlung der Portugiesischen Republik

Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, um dem deutschen Volk für die Leistungen beim Wiederaufbau meine Hochachtung auszudrücken. Es gelang ihm, ein Land aufzubauen, das fast vollständig zerstört war. In Berlin ist dies besonders augenfällig: Diese Stadt war am meisten betroffen, da hier die heftigsten Kämpfe zwischen der Sowjetarmee und den Truppen Hitlers tobten.

Ich spreche dem deutschen Volk meinen Respekt aus für den großen Geist des Widerstandes gegen den Faschismus. Mich als Antifaschisten hat dies zutiefst beeindruckt.

Und schließlich bringe ich meine Anerkennung für all das zum Ausdruck, was beim Aufbau der DDR, eines Landes des Fortschritts und des Friedens, erreicht wurde. Ich würde dieses Land gern wiedersehen und gründlicher kennenlernen.


... und ganz aktuell Christian Klar
Geboren 1952 in Freiburg/Br., ehem. Mitglied der RAF, in Haft von 1982 bis 2008

... später wurde die Distanzierung von der DDR, nach ihrem Scheitern, erneut zum Begründungsmoment der deutschen Linken, die teilweise im Parlament ist. Sie war, um ihre gesellschaftliche Anerkennung bangend, tatsächlich dazu bereit, sich mit den Herrschenden darüber zu verständigen, die DDR sei ein "Unrechtsstaat" gewesen. Sie verlor damit gegenüber dem hegemonialen Westdeutschland, gegenüber einer BRD des Wiederaufbaus durch ehemalige SS-Mitglieder, einer BRD der Kommunistenverfolgung, des Krisenstabs und des Jugoslawienkriegs ihre besten Argumente für eine sozialistische Politik. Sie verlor ihr Gesicht. Wer radikal und unbestechlich denken kann, müßte angesichts des Zustandes der Welt und der Strategie ihrer "kreativen Zerstörung", die Verwüstung für die Völker zurückläßt und riesige Vermögen für wenige erschafft, anerkennen: Das aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangene sozialistische Lager ist trotz teilweise beklagenswert bornierter Verwirklichung mit seinem Gesellschaftsmodell um eine ganze geschichtliche Epoche menschlicher Entwicklung voraus gewesen.

("junge Welt", 28./29.10.2017)

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Impressionen aus Leningrad im Jubiläumsjahr 2017

Die ergreifende Dokumentation von Annelie und Andrew Thorndike "Das russische Wunder" im Kopf, die Orte des Roten Oktober, der Belagerung und des Neubeginns auf dem Stadtplan von Leningrad vermerkt, haben wir am 18. Oktober die Reise in Begleitung meines ältesten Sohn ins heutige Rußland angetreten. Mit dem Flugzeug nach Helsinki, dort auf das MS Anastasia, und nach fünfzehnstündiger Überfahrt begrüßte uns an der Hafenmole der Name LENIGRAD, was auf mehr hoffen ließ.

Beeindruckend, wie weit und groß diese Stadt ist! Entsetzt sind wir darüber, wie sie uns Besuchern nähergebracht wurde: Zarenkult, wo man hinsah und hinhörte. Die eigene Geschichte ließ man sich umschreiben, denn seit Gorbatschow wurde man ja eines angeblich Besseren belehrt. Wer diesen Prunk bezahlt habe, na, die Romanows ... Mit Brecht gefragt, ob die nicht wenigstens einen Koch bei sich hatten ... kein Wort über jene, welche den Reichtum schufen und selbst ein Elendsdasein fristeten. Ob nicht gerade das der Grund der Oktoberrevolution war, fragte ich sie und ob Leningrad nicht stolz darauf sein könne, daß hier Weltbewegendes begann ... Sicher, die Reiseleiterin war sehr belesen und freundlich, doch wollte oder sollte sie uns über die Lage des Volkes unter der Zarenknute nicht informieren? Sie hat früher sicher mal was anderes gemacht, als den Touristen die Zarendiktatur als Weltkulturerbe zu verkaufen. Ob mein Interesse sie bewog, den heutigen Liegeplatz der "Aurora" anfahren zu lassen?

Wie ruhig lag der graue Kreuzer, vorsorglich fest am Ufer der Newa angekettet. Welch ein Gegensatz zu jenem Abend, als sein Schuß vor hundert Jahren die Welt erschütterte! Dokumente haben das festgehalten. An Bord konnten wir nicht - es war noch nicht "geöffnet", und Zeit hatten wir auch nicht, die hatte schließlich der Zarensippe gewidmet zu werden. Gut, daß wir auf eigene Faust die Stadt zu erobern vorhatten, dabei nur nicht ahnten, daß sie so riesig ist. Wir wollten mit der Metro fahren, die Bahnhöfe in ihrer opulenten Pracht betrachten auf dem Weg zum Lenin-Denkmal vor dem Haus des Sowjets, das Denkmal der 900tägigen Blockade besuchen und den Heldenfriedhof ... Da wir nur je zwei halbe Tage an Land sein konnten, war das einfach nicht zu schaffen. Blieb also nur, den deutschsprachigen Bildband zu befragen. Diese Geschichtsereignisse "würdigte" er mit je zwei Seiten, auf den restlichen 50 war Platz für die Glorifizierung der Peiniger.

Da sich unsere Rückfahrt zum Schiff verzögerte, schauten wir uns doch noch ein "Gotteshaus", die Isaaks-Kathedrale, an. Gold von der Decke bis zum Fußboden, Edelsteine in den Kronleuchtern. In langer Reihe standen die kopftuchbehangenen "Sünderinnen" und warteten auf die Segnung des Popen. Ich mußte einfach mit der geballten Faust meinen Protest äußern. Ob das irgendeiner registrierte, weiß ich nicht, auf mein Parteiabzeichen mit rotem Stern, Hammer und Sichel fiel jedenfalls mancher Blick. Gegenüber der Kathedrale steht der Marienpalast, einst Hochzeitsgeschenk des Zaren an eine Enkelin, heute gehört er zur Stadtverwaltung, zwei Trauungen waren gerade. Über dem Portal entdeckten wir fünf bekannte Zeichen, waren das nicht Medaillen? Richtig, Rotbannerorden, Leninorden, Held der Sowjetunion u. a. wurden seinerzeit dieser Heldenstadt verliehen. Übrigens, im aktuellen Bildband sind sie wegretuschiert, aber auf meinen Fotos habe ich sie festgehalten. In den Souvenirgeschäften bot man noch einige Erinnerungsstücke an, in der altehrwürdigen Buchhandlung auf dem Newski-Prospekt suchte man vergebens danach. Wir streiften durch das älteste Kaufhaus, wunderten uns über westliche Waren, stöberten in "Kaufhallen", naschten russisches Konfekt, tranken Moloko und fanden als Mitbringsel Papirossi (das hätten wir besser sein lassen, die vertragen nur Kämpfernaturen), sahen etliche "Kaufleute" aus der ganzen Welt (ganz viele aus Asien), aber auch in Lumpen gehüllte Bettler, Jugendliche, die auf ihre Smartphones starrten wie im Westen, sahen kaum jemanden auf den sehr sauberen Straßen rauchen und steckten kurz den Kopf mit einem "Venceremos" grüßend in eine kleine Kneipe namens "Che Guevara".

In einem Geschäft trafen wir eine etwa 30jährige Verkäuferin an, die erstaunt über unsere Geschichte war, nicht wußte, daß es in Deutschland noch Kommunisten gibt, die nun hier nach sowjetischen "Überbleibseln" suchen. Ihr machte es sichtlich Freude, mir eine kleine Marmorstatue von Lenin anzubieten. Sie meinte, eine Büste sei doch nur der Kopf, eine Statue der ganze Lenin - er sieht mir beim Schreiben gerade zu. Unser Mittagessen nahmen wir nur in echt russischen Restaurants ein, herrlich der Borschtsch, die Pelmeni und zur Verdauung ein "Wässerchen". Ein Straßenhändler bemerkte mein Parteiabzeichen, vermutete, daß ich es dort gekauft hätte, ließ sich berichten, daß es das Abzeichen der KPD sei, drückte mich nach russischer Art, stürzte plötzlich los, um mir kurz darauf, ganz außer Atem, ein Souvenir, einen kleinen Leninorden, mit einer Verbeugung zu überreichen, wofür ich mich, ebenfalls verneigend, bedankte. Die Überraschung war gelungen.

Etwas verärgert war ich, daß junge Leute sich mit mir nur auf englisch unterhalten wollten, obwohl Ältere mein Russisch gut verstanden. Auch auf dem Schiff forderten wir vom russischen Personal energisch, auf Russisch zu kommunizieren. Hier trafen wir auf viele Studenten, auch aus der BRD. Zurück in Helsinki, diese erst 250 Jahre alten Stadt, deren Wohnhäuser an unsere in der DDR erinnern, empfingen uns -3°C. Die Wildgänse waren schon lange nach Süden unterwegs, und vom großzügigen modernen Flughafen ging es zurück in die Wirklichkeit.

Doch, diese Reise war lehrreich, wenn ich auch sicher noch lange brauchen werde, um zu begreifen, daß Rußland nicht der Nachfolger der Sowjetunion ist. Wir wissen, daß es auch in diesem Land Menschen gibt, die den Roten Oktober in sich tragen und für ihn wie für den Weltfrieden und gegen Hunger und Ausbeutung kämpfen.

Doswidanja Leningrad!

Cornelia Noack

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Wenn das Geld im Kasten klingt ...

Wer von den Nutznießern der demokratischen Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone hätte sich je träumen lassen, wie mit ihrem Eigentum später mal umgegangen wird. Eine sogenannte Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG) der Bundesrepublik feierte kürzlich ihr 25jähriges Bestehen. Das ist jene staatliche Behörde, welche das Bodenreformland verpachtet, größtenteils jedoch privatisiert, also an einen Meistbietenden verkauft. Wie verlautet, klingelt das Geld ganz schön im Staatssäckel.

Wie ist es dazu gekommen? Um diese Frage zu beantworten, muß man in die Geschichte zurückgehen. Besonders seit dem Großen Deutschen Bauernkrieg um 1525 wie auch in der bürgerlichen Revolution von 1848 gab es Forderungen nach einer Enteignung des feudalen Großgrundbesitzes zugunsten vor allem der armen Landbevölkerung. Doch bis 1945 scheiterten alle revolutionären Bewegungen und damit auch deren Forderungen.

Erst mit dem Sieg über den Hitlerfaschismus und der Besetzung Ostdeutschlands durch die Sowjetarmee wurde der Weg für die Realisierung der demokratischen Bodenreform frei. Zur entschädigungslosen Enteignung kamen Betriebe mit über 100 Hektar sowie Nazi- und Kriegsverbrecher. Insgesamt handelte es sich um eine Größenordnung von mehr als 3,2 Millionen Hektar Ackerland, Wald und Forsten.

In den Jahren der DDR wurden diese Flächen ordentlich, mit zunehmend höherer Effektivität bewirtschaftet. Nach der Rückwende 1989/90 entdeckte die Bonner Regierung unter Helmut Kohl ihre Liebe zu Acker und Wald im Osten. Der Finanzminister gründete die BVVG, und schon waren die Millionen Hektar in der Hand des Bonner Staates. Als "blühende Landschaften" ließen sie sich vortrefflich verkaufen. Die Menschen in Ostdeutschland merkten zunächst nichts von diesem Coup. Viele waren damit beschäftigt, im Westen einzukaufen, wozu ihnen die Kohl-Regierung großzügig 100 DM pro Person schenkte. Als sie sahen, was sich vollzogen hatte, war es zu spät.

Seit ihrer Gründung hat die BVVG im Bereich der Landwirtschaft rund 850.000 Hektar mit Verträgen verkauft. An Wald waren es 600.000 Hektar. Weitere 233.000 Hektar gingen an Einrichtungen und Länder. Bei einem Marktpreis von z. T. 25.000 Euro je Hektar und noch weiteren zu privatisierenden Flächen in einem Umfang von 136.000 Hektar ergibt das eine Summen in mindestens dreistelliger Millionenhöhe.

Alles in allem hat nach vorsichtigen Schätzungen der ehemals volkseigene Grund und Boden einen Marktwert in Höhe von 29 Milliarden Euro. Dieses Geld steht nun nicht den Betrieben in Ostdeutschland für Investitionen etc. zur Verfügung, sondern fließt in die Kassen des Berliner Bundeshaushalts. Damit stellt man sicher, daß die ostdeutsche Konkurrenz möglichst klein gehalten wird. Ohnehin wird die heutige Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe im Osten mit ihren großen Agrargenossenschaften und GmbHs sowie großen Privatbetrieben mit Argwohn betrachtet. Denn die Tendenz, daß kleinere, aber auch mittelbäuerliche Betriebe im Westen aufgeben müssen, setzt sich Jahr für Jahr fort. Der Boden dieser Wirtschaften geht an Großbauern, Großgrundbesitzer und Agrarkapitalisten, denn kleine und mittlere Betriebe können sich die hohen Preise für einen Hektar Landwirtschaftlicher Nutzfläche nicht leisten. Auch wenn "grüne" Politiker und andere von bäuerlichen Familienbetrieben schwärmen - wie groß diese sein sollten, sagen sie nicht -, bleibt es eine Tatsache, daß sich Junglandwirte und Existenzgründer die gängigen hohen Preise in aller Regel nicht leisten können. Die in Ostdeutschland mittlerweile erfolgreich produzierenden Großbetriebe passen ihnen also so gar nicht ins Konzept. Und so schreitet bei der BVVG die Privatisierung des Bodens stetig voran und bringt noch mehr Millionen Euro in die Staatskasse. Ginge es mit rechten Dingen zu, müßte das in der Abschlußbilanz zur DDR angerechnet werden. Aber weder Frau Merkel noch einer ihrer Paladine haben daran ein Interesse. Hauptsache, das Geld klingt in der Kasse des Bundes.

Eberhard Herr, Herzberg

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"Liebe Eva"
Erich Honeckers Gefängnisbriefe

Am 29. Juli 1992 landete in Berlin-Tegel die Maschine mit Erich Honecker. Das diplomatische Tauziehen zwischen Chile, Rußland und der BRD hatte ein Ende. Der einstige Staats- und Parteichef der DDR wurde abgeschoben. 169 Tage war der Todkranke in Berlin-Moabit inhaftiert. In dieser Zeit korrespondierte er intensiv mit Eva Ruppert, einer Gymnasiallehrerin aus Bad Homburg, geboren wie er im Saarland. Sie hatte Erich Honecker erstmals an dessen 80. Geburtstag am 25. August 1992 in der JVA getroffen. Honeckers Briefe an Eva Ruppert, hier erstmals veröffentlicht, erlauben einen ungewöhnlichen Blick auf den ehemals ersten Mann der zweiten deutschen Republik. Nach deren Kenntnis muß die Geschichte zwar nicht umgeschrieben, wohl aber das Bild, das viele von ihm haben, korrigiert werden. Er offenbart sich in seinen Briefen als empfindsamer, reflektierender Beobachter von ihn betreffenden Vorgängen. "Jetzt bin ich wieder da, wo die Gestapo mich vor 57 Jahren eingeliefert hat. So ist das, Eva", schreibt er im ersten Brief aus Moabit.

Im Januar 1993 wurde der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt, Honecker verließ Deutschland als freier Mann und flog nach Chile zu seiner Familie. Margot Honecker setzte nach seinem Tod 1994 die Korrespondenz mit Eva Ruppert fort, bis auch sie starb. Eine Sammlung ungewöhnlicher privater zeitgeschichtlicher Zeugnisse. RF


Erich Honecker/Eva Ruppert: "Liebe Eva".
edition ost/Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2017, 176 S., 9,99 €

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Robert Krotzer (KPÖ), 29 Jahre alt, Gymnasiallehrer, wurde am 5. Februar 2017 zum Stadtrat in Graz gewählt

Warum bist du Kommunist geworden?

Politisiert habe ich mich im Jahr 2000 mit der schwarz-blauen Bundesregierung, als 14jähriger in der Provinz habe ich mit der Linken sympathisiert. Die Kommunisten habe ich aufgrund ihres antifaschistischen Widerstands als die Konsequentesten erachtet und so den Weg in die KPÖ gefunden. Wenn man sich heute die Welt anschaut, daß die reichsten acht Männer genausoviel besitzen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, und das Glück gehabt hat, in einer kommunistischen Organisation eine gute marxistische Schulung zu bekommen, dann weiß man, daß das kein Zufall ist, sondern mit den Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus zusammenhängt.

Wenn man den Zustand der Welt, den Hunger, den Krieg, das Elend und die Umweltzerstörung anschaut und weiß, daß zugleich unsere Gesellschaft so reich ist wie nie zuvor, dann muß man die Frage eigentlich fast umdrehen: Wie kann man mit offenen Augen durch die Welt gehen und kein Kommunist sein?

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Junge Frau im Sozialismus (6)

Ja, bunte Gedanken im Kopf hatte ich reichlich. Und nach dem Ende des Studiums 1976 soviel mehr Zeit für den Alltag, die Kinder und das Schreiben. Deshalb spukten schon "Sieben Sommersprossen" und "Moritz in der Litfaßsäule" als Ideensplitter in meinem Kopf herum. Ab jetzt war also das DEFA-Spielfilmstudio meine künstlerische Heimat. Unser Studio befand sich auf dem ehemaligen UFA-Filmstudio Babelsberg und war eine kleine Stadt für sich. Wir waren ca. 2500 Angestellte, davon ca. 1500 künstlerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Regisseure, Kameraleute, Autoren, Dramaturgen, Produktionsleiter, Tonmeister, Szenenbildner, Kostüm- und Maskenbildner, Schnittmeister, Schneider, Schuster, Tischler, Techniker, Theatermaler, Requisiteure, Stukkateure, Architekten, Beleuchter, Mitarbeiter der Direktion und Verwaltung, des Kopierwerks und der Feuerwehr. Wir alle hatten einen festen Arbeitsvertrag mit Sozial- und Rentenversicherung. Auf dem Studiogelände gab es eine Kinderkrippe und einen Kindergarten, eine Arztpraxis, einen Zahnarzt, Sauna, Konsum, einen Fleischer, Schuhmacher und Friseur. Das war für uns berufstätige Frauen hilfreich. Das Filmstudio produzierte im Jahr etwa 16 bis 18 Kino-Spielfilme. Ein Viertel der Jahresproduktion waren Kinderfilme, also jährlich vier. Das war festgeschrieben. Der DEFA-Kinderfilm wurde ernst genommen, war Markenzeichen und begehrter Exportartikel. Unsere humanistisch-poetischen Kinderfilme wurden in 30 Länder verkauft. In den 80er Jahren erhielt das Studio vom Staat jährlich ca. 25 Millionen Mark an Fördergeldern, die weitere Finanzierung kam aus Erlösanteilen für unsere Filme vom Progress-Filmvertrieb und dem DEFA-Außenhandel.

Kunst ist immer auch Konkurrenz. Und bei etwa 50 neuen Stoffangeboten jährlich, aber nur 18 möglichen Filmproduktionen im Jahr, war neben Kollegialität auch heftige Konkurrenz angesagt. Warten und Geduld gehörten für mich zur Filmarbeit. Denn für den jährlichen "Thematischen Plan", der in der Direktion aus den Vorschlägen der künstlerischen Arbeitsgruppen erstellt und vom Künstlerischen Rat des Studios beraten wurde, war eine ausgewogene thematische Bandbreite angestrebt. Da waren Filmstoffe zur Gegenwart, zum klassischen Erbe, zur Aufarbeitung des Faschismus, verfilmte Literatur, Künstlerbiographien u.v.a. - schwer für diejenigen, welche die Entscheidungen fällen mußten. Sicher hatte ich bei meinem Start viel Glück, denn die Kinderfilme, die ich schrieb, waren von tollen Regisseuren gedreht und hatten in kurzer Zeit sehr hohe Zuschauerzahlen und gute Presse. Und das war auch in der DDR ein wichtiger Aspekt, selbst wenn unsere Filme vorrangig nicht Marktfaktor, sondern Kulturfaktor waren. Wer es anders erlebt hat, soll es anders beschreiben. Die DDR schlechtzureden, bleibt in diesem "neuen" Deutschland Generalthema, dafür stehen große Podien und fast alle Medien bereit. Einige Filmkollegen stilisierten sich nach der "Wende" beschämend zu Dissidenten, auch wenn sie im DEFA-Studio viele Filme drehen konnten, ohne das Geld dafür mühsam zusammenzubetteln, wie es heute nötig ist. Das haben sie vergessen. Ich stand und stehe für eine sozialistische Gesellschaft und sah mich stets als Teil eines großen Ganzen und durch das uns anvertraute Geld verpflichtet, gute Filme für ein breites Publikum zu machen. Für unseren Hölderlin-Film hatten wir bis zur Realisierung 1985 sieben Jahre gewartet. Jahrelang haben Andreas Scheinert als Gruppenleiter und Gabriele Herzog als Dramaturgin mein Szenarium "Hälfte des Lebens" zur Planberatung eingereicht. Den Segen unseres klugen Chefdramaturgen Prof. Rudi Jürschik hatte der Stoff schon lange. In der Rückschau erscheinen mir die siebziger Jahre und die beginnenden achtziger Jahre als gute, kreative Jahre der Hoffnung für Kultur und Kunst in der DDR.

Und Hans Dieter Mäde, der 1976 unser neuer Studiodirektor wurde, war kompetent und voller Elan. Sehr gute Filme wie "Anton der Zauberer", "Die Schlüssel", "Jakob, der Lügner", "Solo Sunny", "Sabine Wulff", "Ikarus", "Sieben Sommersprossen", "Bürgschaft für ein Jahr", "Die Verlobte" und viele andere sehenswerte Filme entstanden. Im Oktober 1977 war unsere Berlin-Premiere vom "Schneemann für Afrika". Rolf Losansky war im Vorjahr beim Dreh der Schnittbilder in einer Hafenstadt in Westafrika verhaftet worden, wegen unerlaubter Dreharbeiten. Als er dem Staatsanwalt vorgeführt wurde, einem riesigen Afrikaner, fielen sich die beiden zur Überraschung der Hafenpolizei in die Arme. "Rolli, was machst du denn hier?" rief der Staatsanwalt. Rolf schrie: "Mensch, Pinto ..." und zeigte auf seine Handschellen.

Der Staatsanwalt hatte in der DDR vor Jahren Jura studiert und spielte als Student bei Rolf Losansky im Film "Der Revolver des Corporals" eine Rolle als Kubaner. Nach einigen Whiskys bekam Rolli von Pinto die Drehgenehmigung für alles. So klein kann die Welt sein! So hat es uns Rolf erzählt. Unser "Schneemann"-Film hatte eine beglückende Premiere, und seine solidarische Botschaft über Kontinente hinweg macht ihn zeitlos, so daß ich noch heute zu Filmgesprächen eingeladen werde. Auch mein nächstes Projekt, "Sieben Sommersprossen", fand bei der Studioleitung Gefallen, und ich bekam einen Vertrag. Herrmann Zschoche wollte den Film machen. Vom Honorar fürs Prädikat "Wertvoll" für den "Schneemann" kaufte ich mir einen großen blauen Teppich aus Vietnam, bunt wie eine Blumenwiese. Stundenlang saß ich in meinem Arbeitszimmer im Schneidersitz auf dem Teppich, vor mir die Schreibmaschine. Auf den Flügeln des Erfolgs schrieb ich die "Sieben Sommersprossen". Ab und an auch ein Gedicht, wie die verwegene "Hochhausromanze":

Schweigsamkeit aus Glas und Steinen,
tausendäugig diese Häuser.
Alle sehen ach so gleich aus.
Mancher hat sich schon verirrt.

Nein, ich bin kein Mädchen mehr,
leb allein und hab zwei Kinder.
Tags sitz ich im Rechenzentrum.
Abends starr ich vom Balkon.

Werde eine Kerze zünden, denn
der Ritter kommt nach Schichtschluß,
stellt sein Blechpferd auf den Parkplatz,
rasselt fröhlich mit dem Schlüssel.

Finster mach ich alle Stuben,
Denn er soll mich lange suchen.
Sollen seine Sinne tanzen,
muß er mich im Dunklen finden.

Und wir stürzen in die Liebe.
Diese Nacht kennt keine Stunde,
die wir voneinander ließen.
Morgen sing ich alle Zahlen.

Liebe Nachbarin, verzeih mir!
Der da lag in meinen Armen,
ja, ich weiß, es war der Deine.
Ja, er irrte - in der Tür.

Schweigsamkeit aus Glas und Steinen,
tausendäugig diese Häuser
Alle sehen ach so gleich aus.
Mancher hat sich schon verirrt.

Das Gedicht ist als Chanson schön vertont worden von Christian, meinem lieben Mann. Die Fortsetzung meiner Serie über die nicht mehr ganz junge Frau folgt demnächst!

Christa Kozik

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Wanderungen durch Westdeutschland (1)
Till Eulenspiegel vom Bodensee

Aufgewachsen in Westdeutschland, bis in die 70er unterrichtet von Verfasser negative, aber auch positive Seiten an diesem Land. Offensichtlich hat die Reaktion noch nicht alles unter ihrer Knute. In loser Folge berichtet der Autor über Entdeckungen auf seinen Wanderungen durch Westdeutschland.


"Schwäbisches Meer" wird der "größte deutsche Binnensee" gerne genannt, der Bodensee. Beides ist falsch: Zum einen gehört der längste Teil seines deutschen Ufers nicht zu Schwaben, sondern zu Baden; zum anderen ist es kein "deutscher" Binnensee, denn an ihn grenzen drei Staaten: Deutschland, Österreich und die Schweiz. (Der größte deutsche Binnensee ist die Müritz in Mecklenburg-Vorpommern.)

Von Meersburg am nördlichen Ufer - nebenbei der ersten Pfarrstelle des kommunistischen Christen Erwin Eckert 1922 - bringt eine große Fähre den Wanderer hinüber nach Konstanz, der Grenzstadt zur Schweiz. Von weitem schon grüßt in der Konstanzer Hafeneinfahrt eine neun Meter hohe Frauenstatue, die sich auf ihrem Sockel langsam dreht. Durch einen vorne offenen Umhang mehr oder weniger bekleidet, breitet sie lächelnd die angewinkelten Arme wie eine Hindu-Tänzerin aus und läßt auf ihren Händen zwei nackte Männlein sitzen, einen gekrönten Kaiser und einen Papst mit Tiara. Was hat es damit auf sich?

Fast vier Jahre lang, von 1414 bis 1418, tagte das "Konstanzer Konzil". Die Versammlung hoher Kleriker und weltlicher Herrscher sollte zum einen klären, wer rechtmäßiger Papst war - es gab zwei "Gegenpäpste" -, zum anderen die Bekämpfung von "Ketzern" organisieren, also Mordaktionen planen. Die Versammlung der Bischöfe, Kardinäle, Könige und deren Troß umfaßte über 70.000 Menschen, die in der Stadt mit 6000 Einwohnern lagerten. Diebstahl, Raub, Morde und Prostitution gediehen, woran die hohen Herren nicht unbeteiligt waren. "Nebenbei" luden sie den böhmischen Reformator Jan Hus zu sich ein, um seine Thesen mit ihm zu diskutieren, und sicherten ihm freie Wiederabreise zu. Das Versprechen brachen sie, kerkerten ihn ein und folterten ihn auf dem Scheiterhaufen in Konstanz zu Tode.

Bei aller Bigotterie, Machtarroganz, Brutalität und Doppelmoral waren doch die Kirchenmänner und Feudalherren winselnde Hunde, wenn sie die Dienste der Prostituierten in Anspruch nahmen, die das Konzil zu Hunderten in die Stadt gelockt hatte - die Huren hatten sie in der Hand. Das stellt die Figur der Hafenstatue dar, die "Imperia" genannt wird: Regierende als auch die Geistlichkeit waren Nutznießer und zugleich Opfer der Prostitution. Dabei war die dargestellte Frau, die tatsächlich existiert haben soll, keine gewöhnliche Nutte, sondern eine hochgebildete Kurtisane, den meisten ihrer Freier intellektuell überlegen.

Im alten Dorf Bodman am Westufer des Bodensees wohnt der Bildhauer Peter Lenk. Im Jahre 1993 errichtete er die Statue der "Imperia" in einer Nacht-und-Nebel-Aktion im Konstanzer Hafen, der damals der Deutschen Bahn gehörte. Der prüde Teil des sogenannten gesunden Volksempfindens zeterte und machte sich dadurch lächerlich. Honoratioren, deren Bordellbesuche offene Geheimnisse waren, regten sich am stärksten über die selbstbewußte Figur der Kurtisane auf. Ganz Konstanz lachte. Außer ihnen. Mitgliedern des Stadtrats sowie dem Erzbistum Freiburg gelang es nicht, die Figur der Imperia wieder abbauen zu lassen - die Deutsche Bahn widersetzte sich erfreulicherweise.

Das Gesicht der Statue besitzt einen Ausdruck von Souveränität, die sich einen feuchten Dreck kümmert um das, was andere denken mögen. Die große Frau lächelt spöttisch auf die Menschen herab, die zu ihren Füßen wuseln. Dem Betrachter bleibt überlassen, die dargestellte Lächerlichkeit von Regierenden und Geistlichkeit nur in der Vergangenheit zu verorten - oder in der Gegenwart.

Peter Lenk, geboren 1947, scheint ein Till Eulenspiegel der Jetztzeit zu sein. Seine "Imperia" war zwar sein spektakulärster, jedoch nicht erster Streich. Bereits 1987 hatte er ein "Narrenschiff" genehmigungslos in Berlin aufgestellt und mit der Aktion Großkopfete und Polizei bloßgestellt.

Noch erstaunlicher ist jedoch eine Reliefwand als Triptychon, die er für Ludwigshafen am Bodensee fertigte, dessen Stadtteil Bodman ist: Sehr deutlich bildet er darauf Politiker und Großindustrielle ab, seien es Merkel, Filbinger, Zetsche, Schröder, Oettinger und andere - alle nackt und in offensichtliche Schmiergeldaffären verstrickt. Das viele Quadratmeter große Relief beherrscht die Außenwand eines öffentlichen Gebäudes, des Bürgerzentrums "Zollhaus" - offiziell angebracht, obwohl hier die CDU die absolute Gemeinderatsmehrheit stellt. Von Peter Lenk gibt es noch weitere satirische Skulpturen, wobei er meist bekannte Reaktionäre und Profiteure bis zur Kenntlichkeit entstellt.

Hans Dölzer, Hirschberg

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GEDANKEN ZUR ZEIT

Über die "christliche Wertegemeinschaft"

Sprecher der bürgerlichen Parteien - allen voran Angela Merkel - beschwören hierzulande gern (und oft in Verbindung mit dem Wunsch nach einer "europäischen Leitkultur") eine von ihnen so genannte und als vorbildlich angesehene "christliche Wertegemeinschaft".

Das erinnert mich fatal an den chauvinistischen Satz aus der Kaiserzeit: "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen." Ich frage mich, welche Werte diesen politischen Sonntagspredigern wohl vorschweben, und sage rundheraus: Eine christliche Wertegemeinschaft gibt es nicht, denn von allen Werten, die hierzulande gültig, also allgemein anerkannt sind, ist kein einziger ursprünglich christlich.

Gehen wir der Reihe nach vor und lassen wir einmal Revue passieren, was da an Werten in Frage kommen könnte: Die Goldene Regel verdanken wir der fernöstlichen Philosophie der Achsenzeit (3.-4. Jh. v. Chr.), und auch der Gedanke der Feindesliebe taucht dort bereits auf. So berichtet die Legende, Laotse und Konfuzius seien einander einmal begegnet, wobei Laotse gesagt habe, es sei doch wünschenswert, daß man auch seine Feinde liebe. Konfuzius, von Beruf Staatsrechtslehrer, wie wir heute sagen würden, und Dialektiker von hohem Rang, habe darauf erwidert: "Wenn ich meine Feinde liebe - soll ich dann meine Freunde hassen?" Damit sei das Gespräch beendet gewesen.

Und die Nächstenliebe, die Jesus der Gottesliebe gleichsetzte, die Caritas? Auch sie war bereits den alten Griechen bekannt und hieß bei ihnen Agape.

Ebenso wurden Kardinaltugenden wie Mut/Tapferkeit, Freigebigkeit/Großzügigkeit, Mäßigung, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit und andere bereits von Aristoteles, also ebenfalls lange vor unserer Zeitrechnung, in seinen Schriften "Ethik" und "Nikomachische Ethik" erörtert.

Und wie steht's um die mönchischen Tugenden Armut, Keuschheit und Gehorsam?

Gehen wir auch hier der Reihe nach vor: Besitzlosigkeit, Konsumverzicht und/oder Bedürfnislosigkeit waren bereits bei den Kynikern zu finden. Diogenes lebte bekanntlich in einer Tonne, und von Sokrates heißt es, er habe gesagt: "Wenn ich über den Markt gehe, freue ich mich immer, daß es so viele schöne Sachen gibt, die ich alle nicht brauche." Keuschheit oder sexuelle Enthaltsamkeit ist daneben überhaupt kein Wert, sondern allenfalls eine psychische Marotte. Und auf den Gehorsam als "christliche Tugend" hat sich bekanntlich Adolf Eichmann berufen, als er endlich vor Gericht stand! Gehorsam im Sinne der Delegation personaler Verantwortung predigte hanebüchenerweise der später heiliggesprochene Bibelübersetzer und Kirchenlehrer Hieronymus, dem dann der nicht minder fromme Alfons von Liguori folgte, der diese überaus dümmliche, aber in kirchlichen Häusern auch heute noch wertgeschätzte Lehre kritiklos weiterverbreitete. Wir halten dagegen: nicht Gehorsam, sondern die Übernahme personaler, grundsätzlich nicht delegierbarer Verantwortung ist als sittlicher Wert zu fordern, und daran besteht hierzulande wie überall in der Welt konstanter Mangel.

Und wie steht die Kirche zum Wert des Lebens, dem höchsten Güterwert, den wir kennen? Als die Konquistadoren in Südamerika die Kinder der Eingeborenen erschlugen, fielen die frommen Missionare den Mördern keineswegs in den Arm, sondern sie hatten nichts Wichtigeres zu tun, als die Kleinen, bevor sie erschlagen wurden, rasch noch zu taufen, damit ihnen das ewige Leben in der Herrlichkeit Gottes geschenkt werde. Ob den Erschlagenen und ihren Eltern und Geschwistern das Leben auf Erden nicht lieber gewesen wäre?

Bleiben noch die vom Apostel Paulus gepriesenen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe. Wie steht's mit diesen?

Glaube als Gottvertrauen stammt aus dem Judentum und wurde von Jesus von Nazareth von dort übernommen. Hoffnung ist kein sittlicher Wert, sondern eine natürliche Tugend, die sich wie auch Glaube und Liebe zu allen Zeiten überall in der Welt finden läßt. Keine dieser Tugenden läßt sich fordern oder ethisch-moralisch einklagen. Und von der Liebe heißt es ausdrücklich: "Die Liebe ist ein Kind der Freiheit."

Was mir hierzulande auffällt - auch das sei gesagt -, ist das Fehlen eines Wertes, der in anderen Ländern einen besonders hohen Stellenwert hat: nämlich die Gastfreundschaft!

Statt ihrer findet man hierzulande eher das Gegenteil: Fremdenfeindlichkeit, die mitunter gepaart ist mit Xenophobie (Angst vor Fremden), einer therapiebedürftigen sozialen Fehlhaltung.

Was hierzulande aber tatsächlich an Werten vorhanden und wenn auch nicht in allen, so doch in vielen sozialen Bereichen gesetzlich geschützt ist, nämlich Menschenrechte und demokratische Grundrechte, das verdanken wir gerade nicht der christlichen Ideologie, sondern zum größten Teil Kulturen, die viel älter sind als das Christentum, ferner der humanistischen Aufklärung, der französischen Revolution, der Kommission für Menschenrechte und anderen säkularen Kräften. Werte wie Wahrheitsliebe (als Liebe zu wissenschaftlicher Erkenntnis), Toleranz, Religionsfreiheit und Demokratie mußten der katholischen Kirche allererst in einem jahrhundertelangen Prozeß gegen den erbitterten Widerstand der Päpste mühsam abgerungen werden, wobei der Widerstand der Kirche gegen menschenfreundliche Neuerungen in vielen Bereichen bis heute anhält.

Wohlbemerkt: ich habe nichts gegen Werte, deren Verwirklichung mein Herz erfreut und meiner Vernunft nicht widerstrebt, denn ich liebe den Wert und verabscheue den Unwert. Aber - hier folge ich ausnahmsweise einmal dem Apostel Paulus - ich prüfe alles und behalte das, was für mich (und möglichst viele andere) gut ist, während ich den Rest beherzt verwerfe. Denn es ist nicht alles Gold, was glänzt, und allzuoft versucht man, mir wertlose Wertpapiere anzudrehen ...

Generell meine ich: als zu bejahende, wünschenswerte Wertegemeinschaft einer zivilisierten und kultivierten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts genügt eine Wertegemeinschaft, die sich auf Solidarität (ein neues Wort für Liebe!) und Vernunft stützt und die ein demokratisch ständig zu erneuerndes menschen- und tierfreundliches, ein "biophiles" Ethos hütet. Dies nach Kräften zu fördern, dazu bin ich bereit.

Theodor Weißenborn

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Sergej Obraszows Schöpfungsgeschichte
von Heinrich Strub (1964)

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Trompetenruf zum Kriege wider die Reichen

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Das schönste Weihnachtsgeschenk

Im Nachlaß meines Freundes, des Publizisten Walther Victor (1895-1971), fand ich jüngst eine kleine Geschichte: "Das schönste Weihnachtsgeschenk". Sie stammt aus dem Jahre 1965, als er seine letzten Schaffensjahre in Weimar verbrachte, handelt jedoch von einem Erlebnis, das ihm 1940 in New York, USA, widerfuhr - als antifaschistischer Emigrant.
Werner Voigt, Kromsdorf

In dem Augenblick, als der große offene, schwer beladene Lastkraftwagen am Weihnachtsabend 1940 die New Yorker Seventh Avenue überquerte, zerkrachte die Holzlatte, die seine Rückwand ersetzte und die Kisten und Säcke zusammenhielt. Ein Mann, der sich an ihr auf dem Wagen festgehalten hatte, fiel rücklings auf die Straße, ein offenbar gläserner Gegenstand knallte in abertausend Splitter. Der Fahrer des Wagens hatte in der Unterhaltung mit dem Beifahrer und im Straßenlärm nichts bemerkt, er fuhr seines Wegs. Ein den Verkehr regelnder Schutzmann an der Kreuzung der 7. Avenue und der 46. Straße gellte Pfeifentöne und fuchtelte mit dem erhobenen Stock. Der Verkehr wurde gestoppt. Der vom Wagen gefallene Mann erhob sich schwerfällig und humpelte davon. Mit ein paar Helfern wurden die Glassplitter von der Straße gekehrt.

Nie hatte der Mann ein so schönes Weihnachtsgeschenk gesehen wie die gläserne Bonbonniere, die er in der Hand gehalten hatte! Aber es war nur eines von zahllosen Geschenken, die Geschäftsfreunde seiner Firma der Reklame halber ins Haus geschickt hatten. Für die Chefin waren es wertlose Kinkerlitzchen: Sie verteilte das Zeug an die bevorzugten Angestellten und Arbeiter. Das gläserne, mit Pralinen gefüllte Haus bekam der eine der beiden Leute, die noch nach Arbeitsschluß eine Lieferung zum Kaufhaus schaffen sollten. In Amerika ist auch der Weihnachtsabend Geschäft, der Umsatz riesengroß. Gefeiert wird morgen ­...

Der Mann, der mit dem Leben davongekommen war, seiner Fuhre niemals hätte zu Fuß nachlaufen können, zumal er New York noch kaum kannte, dachte: Jedes Leben, das an diesem Abend geboren oder gerettet wird, sei dem Kampf gewidmet um eine bessere Welt, in der keine Glashäuser mit Schokolade, sondern feste, gute in Frieden ihren Menschen harmonische Heimstätten gebende Häuser zu finden sind. Und er ging, ohne schönstes Weihnachtsgeschenk, "nach Hause" in die Stube, wo er Frau und Kind seiner warten wußte. Ein politischer Flüchtling im Exil. Am Weihnachtsabend. Er hieß: Walther Victor

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Glückwunsch zur Auszeichnung!

Das "Brot & Rosen"-Album der Bremer Gruppe "Die Grenzgänger" wurde mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik in der Sparte Liedermacher (Bestenliste 3/2017) ausgezeichnet. Zusätzlich ist das opulent gestaltete Album auch für den Jahrespreis 2017 nominiert worden. "Brot & Rosen" erschien im Frühjahr und enthält Lieder von der Liebe und ihren Bedingungen im Alltag.

Es ist bereits die fünfte Auszeichnung mit dem renommierten Schallplattenpreis für "Die Grenzgänger" (siehe RF 235 und 236).

Mit großer Spannung erwarten wir die beiden für 2018 angekündigten nächsten Projekte der "Grenzgänger" - "Die wilden Lieder des jungen Karl Marx" und "Die Revolution (1918-2018)". RF

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Gisela Steineckert: Hand aufs Herz
Von Flüchtlingen, Hirten und drei Königen ...

Es war spät geworden. Wind kam auf und trieb Sand unter den Schleier der Frau. Das Bitten um Obdach wurde fast hoffnungslos. Sie mußten die Abweisungen hinnehmen und durften dabei nicht verzweifelt wirken, nicht gar zu armselig. Wer sollte Verelendete im eigenen Haus aufnehmen wollen? Notlage durfte erkennbar sein, nicht etwas wie Aussatz.

Auch das wachsende Dunkel schickte ihnen Entmutigung. Hinter rasch geschlossenen Türen verschwanden unfreundliche Gesichter. Ein Teil der Kränkung blieb den Flüchtlingen erspart, weil sie die Sprache zu wenig verstanden.

Maria fühlte sich dem Wind ausgeliefert, der an ihrem Kleid zerrte. Bleich schwankte sie auf dem Rücken des Esels, im Rhythmus seiner Schritte. Das Kind wollte aus ihrem Leib.

Josef blickte fast wie immer. Die eigene Not achtete er gering, die seines Weibes bedrängte seinen Stolz. Das Herz tat ihm weh, weil er die ihm Anbefohlene nicht versorgen konnte. Nie hatte er betteln müssen, nie zu fürchten gehabt, er werde eines Tages den nicht mehr jungen Kopf beugen müssen, um solcher Barmherzigkeit teilhaftig zu werden, die ein Mensch dem anderen schon beim Anblick der Bedürftigkeit einer Hochschwangeren geben müßte.

Aber die Leute hatten ihre Nacht vorgerichtet. Der Tag war zu Ende, sie hatten gegessen und die Schüsseln abgeräumt. Das eigene Bett war ihnen sicher. Auch hatten sie keinen Anteil an der Lage dieser Fremden. Es gab keine Nachricht über ein Dekret, das einen um sein Leben fürchtenden König den Tod aller neugeborenen Knaben befehlen ließ.

Die Fremden waren Flüchtlinge, ein Ehepaar mit einem noch Ungeborenen. Die Not konnte von ihnen selber schuldhaft verursacht worden sein. Obwohl auch zu denken war, sie seien unschuldig ihres Lebensplatzes verwiesen worden. Aber sie selbst hatten es auch nicht leicht.

Das Gesicht der Frau war nicht zu erkennen, vom festen Blick des Mannes schien keine Gefahr auszugehen. War er aber kein Räuber, so könnte er doch ein Kranker sein, und teilten sie die Nähe seines Lagers, würden sie später den Tod mit ihm zu teilen haben. Fremdes macht Angst, besser, es vor der Tür abzuweisen.

Die Menschen wollten nichts Böses tun, aber solches auch nicht auf sich ziehen. Nicht erst fragen, wie die Obdachlosigkeit zustande gekommen war, sie nicht herbeireden. Ach, der Mensch ist schwach, wenn er den Atemzug der Ruhe hergeben soll für Beunruhigung. Und hätten diese Leute nicht früher am Tag kommen können statt im Dunkel?

Welch ein erlösendes Wort: Geht in den Stall. Bereitet euch ein Lager. Nehmt vorlieb. Maria war so müde, daß sie keinen Hunger empfand, aber es ließ sich Wasser finden für die Staubige, Dürstende. Aus dem Fell der Tiere dampfte köstliche Wärme und Geborgenheit. Sie hatten ein Dach über dem Kopf, und Wände, um sich anzulehnen.

Josef bettete sein Weib auf Heu und Stroh und füllte eine Futterkrippe als erstes Bett für das Kind, das noch nicht geboren war.

Viel Hoffnung war ihnen in Marias Träumen gemacht worden: Sie seien auserwählt, und ihr Sohn zu Höherem berufen, als ihnen selber je zuteil werden könnte. Josef hat te für sich und seine Familie danach nicht gestrebt. Die Arbeit seiner Zimmermannshände war geschätzt, sein Rat kam, wenn auch nie unerbeten, so doch immer bedächtig, manchmal einem strengen Urteil zu nahe.

Josef konnte der Treue seines jungen, kindhaften, oft den Träumen erliegenden Weibes sicher sein, nicht auch ihrer Liebe. Sie hatte ihn nehmen müssen, und nun, da ihr kein Weib beistand, mußte sie den Mann näher an sich heranlassen als vordem, wenn sie ihm den Anblick ihrer Nacktheit verwehrte und nach der seinen keine Sehnsucht zu haben schien.

Es ist eine helle Nacht, sagte Josef. Unser Sohn ist keine Seele der Finsternis.

Der Sohn war Marias Herz, das eben geboren worden war und später an ihm zerbrechen würde.

Das hatte mit dem Platz zu tun, der ihr als Frau zugewiesen war. Sie würde dem Sohn folgsam sein müssen, wie sie es zuvor dem Gatten gewesen war und bleiben mußte.

Der Sohn würde seine Schritte in die Wüste lenken, in die Tempel, um sich früh altklug unter die debattierenden Männer zu mischen. Damit begann sich sein Schicksal zu vollziehen. Die Hohepriester hatten sich eben bequem eingerichtet, die Macht schmeckte süß, als ein Jüngling ihnen die Tische umwarf und ohne Befugnis die gierigen Händler hinausjagte. Er wollte, daß sie zurückkehren sollten zur Moral ihres Anfangs, aber sie hatten sich davon entfernt und bedienten sich also der Unterdrücker, um ein Urteil zu erreichen, das sie von diesem Bedränger befreite. Aber so weit sind wir noch nicht.

Die besondere Nacht strahlte in einer Helligkeit, wie sie die Hirten noch nie gesehen hatten. Solche Erscheinung kommt immer von oben. Wie hoch her, das weiß der Mensch nicht, der keine Flügel hat und sich ohne Fell und Stoßzahn, ohne Hörner und Drachenhaut fürchtet.

Die Hirten fielen auf die Knie, weil sie Hoffnung brauchten, und sei es die der Weissagung. So nahmen sie den Stern als Zeichen. Wer war er? Der Erlöser? Er soll später einmal gesagt haben: "Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?" Aber er glaubte doch an Gerechtigkeit, bis zu seinem Tode. So mag es sein, daß er die Mutter fortwies, um sie vor Steinigung und Dornenkrone zu bewahren, was ihr als naher Angehöriger drohte.

Es steht geschrieben, daß Maria in jener hohen Nacht in kostbare Düfte gehüllt lag. Es war Zeit, daß sich die Weissagung erfüllte, die Eroberer das Land verlassen und das Volk befreit würde. So wurde die Nacht geweiht, so wurde Weihnacht.

Was aber ist aus den Wundern geworden? Myrrhe war damals kostbar wie Gold, Weihrauch nicht minder, und es soll auch am Gold nicht gefehlt haben. Aber nirgendwo steht etwas von späterem Reichtum der Familie des Zimmermanns Josef.

Drei Könige! Woher kamen sie? Welchen Religionen gehörten sie an? Was einte jene Fremden vor dem Kind? Aus welcher Macht und Kraft kam ihre Demut? War die in Eroberung verstrickte, in Mißbrauch der Macht begriffene Welt für eine Nacht still, als sich die Könige verschiedenen Glaubens vor einem Kind verneigten und keinen Sieg für sich suchten?

Es steht, sie brachten Wünsche. Gewiß, daß ein jedes Menschenkind um die Weihnacht Trost erfahren soll, und unsere Seele möge sich einen Spalt breit öffnen für den Fremden auf der Flucht, wenn wir selber gerade verschont sind. Maria im Dornwald, Maria Glückselig, Maria, unsere verfolgte Schwester.

Ihr Sohn wollte die Wucherer vertreiben, er verstand, Wunden zu heilen und teilte zu wenig Brot und Wein mit vielen, die ihn hören wollten, um die eigene Kraft zu stärken. Er hat den Schnitt zwischen oben und unten nicht hingenommen - deswegen mußte er sterben.

Einen dankbaren Sohn finde ich in ihm nicht. Aber einen tapferen redlichen Mann. Auf meinen Heiligenbildchen der Kindheit war er immer blond und blauäugig. Das wird er wohl kaum gewesen sein. Ich denke, er war Rabbiner, ein ungewöhnlich junger. Sonst hätte er nicht in den Tempeln mit den älteren Männern disputieren dürfen, wie es im Talmud heißt. Als Sohn einer jüdischen Mutter war er Jude, es ist also dumm und perfide, den Juden vorzuwerfen, sie hätten den Christen umgebracht.

Wenn Jesus Rabbiner war, dann muß er verheiratet gewesen sein, so lautet das Gebot. Wenn er verheiratet war, wünsche ich ihm Maria Magdalena zur Frau, die Liebende, nicht die dankbare Hure, die Jesus aus dem Staub hob.

Als alles Volk von den Kreuzen zurückgedrängt wurde, blieben nur Maria und Maria Magdalena unter ihnen stehen. Seine Mutter und - vielleicht - seine Frau.

Er könnte Kinder gehabt haben. Das würde mir gefallen. Ich brauche keine den Leib leugnende Gläubigkeit, keine Kirche, die Maria nur als Jungfrau erträgt und Natur zur Sünde erklärt.

Ja, das gefällt mir: ein verheirateter Erlöser, dem seine Klugheit, seine Güte und seine Latschen ausreichten, um zu tun, was er tun mußte.

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Liebe RotFüchse,

mit der Dezember-Ausgabe des Jahrgangs 2017 danken wir Euch dafür, daß Ihr uns auch im 19. Jahr des Erscheinens unserer Zeitschrift die Treue gehalten habt.

Wir wünschen Euch zu den bevorstehenden Fest- und Feiertagen Ruhe und Besinnlichkeit, für den weiteren Kampf bestmögliche Gesundheit, Kraft und Mut sowie alles Gute fürs kommende neue Jahr.

Redaktion und Förderverein

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LESERBRIEFE

Zum Spendenaufruf "Hilfe für Kuba wegen Hurrikan Irma" (RF 237, S. 34)
Ein großes Danke!
Nach dem Hurrikan "Irma" hat das Netzwerk Cuba vom 12.9. bis zum 30.10. insgesamt 164.567 € erhalten. Darin kommt eine große Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft gegenüber dem kubanischen Volk zum Ausdruck.
Wir bedanken uns bei allen Spenderinnen und Spendern, die durch vielfältige Aktionen und Sammlungen zu diesem großartigen Ergebnis beigetragen haben.

Vorstand Netzwerk Cuba e. V., Berlin


Zu Dr. Thomas Köhler: In der DDR hatte der Sport Verfassungsrang (RF 238, S. 33)
Man kann Thomas Köhler nur beipflichten. Es waren nicht nur die bewunderungswürdigen Leistungen von DDR-Athleten auf vielen Sportgebieten, die selbst routinierte Sportreporter wie Heinz-Florian Oertel oder Wolfgang Hempel und Werner Eberhard (Radio DDR) den Atem verschlugen, es waren auch die selbstverständlichen Ausbildungsmöglichkeiten, um in der Gesellschaft ordentlich zu bestehen. Wie werden heutzutage Sportbeziehungen durch Geldgeschäfte vergiftet! Hohe Summen oben, unten vielfach klägliches Dahinvegetieren kleiner Vereine. Trainerwechsel bis zur Lächerlichkeit, Insolvenzen namhafter Einrichtungen, Niveauabbau in traditionellen Sportarten wie Rudern, Schwimmen, Leichtathletik Frauen. "Wende"ergebnisse ...

Atti Griebel, Berlin


Mit Interesse habe ich den Artikel "In der DDR hatte der Sport Verfassungsrang" zur Kenntnis genommen. Warum? Ich war von 1971 bis 1998 Vereinsfunktionär in einem Sportverein mit über 1200 Mitgliedern. Ich habe auch das Buch "Zwei Seiten der Medaille" von Thomas Köhler gelesen. Es gab mir einen guten Einblick, wie der Sport in der DDR organisiert war. Daß dieses Sportsystem maßgeblich für den Erfolg des DDR-Breitensports verantwortlich war, ist mir jetzt klar. Für mich stand fest: Hätten wir in der Alt-BRD nur 10 Prozent dieser Sportförderung gehabt, unser Breitensport wäre viel erfolgreicher gewesen. Wie lief denn in meinem Verein die Breitensportförderung ab?
Der Verein war finanziell auf sich allein gestellt. Der Seniorenfußball beanspruchte den größten Teil unseres jährlichen Finanzrahmens. Die Nachwuchsarbeit in den anderen Sparten erfolgte ohne finanzielle Unterstützung des Vereins. Alles ehrenamtlich. Mehr noch. Die Betreuer und Trainer in diesen Sparten mußten ihre finanziellen Aufwendungen selbst tragen. Selbst in den Jugendabteilungen der Fußballsparte gab es nur eine minimale finanzielle Unterstützung. In der Regel jährlich 100 DM und ein Dankeschön.
In den 80er Jahren hatten wir eine sehr erfolgreiche BMX-Abteilung. Ein Jugendlicher wurde Vize-Weltmeister. Für die finanziellen Aufwendungen, die der Familie entstanden sind, damit der Junge im Ausland an den Weltmeisterschaften teilnehmen konnte, gab es gerade einmal 200 DM von Vereinsseite. Die gesamte BMX-Abteilung mußte sich finanziell selbst tragen.
Ich habe fast alle Olympiabücher aus der DDR in meinem Bücherschrank, neben noch vielen weiteren DDR-Büchern, auf die ich immer wieder gern zurückgreife.

Johann Weber, Niederbayern


Ich war bis Ende 1989 bei einem Außenhandelsbetrieb (AHB) der DDR in Rostock beschäftigt. Einer unserer Geschäftspartner kam vier- bis fünfmal im Jahr zu uns, um Verträge auszuhandeln oder abzuschließen. Eines Tages saßen wir nach dem "dienstlichen" Teil noch bei einer Tasse Kaffee zusammen und sprachen über dies und jenes, u. a. auch über die Erfolge des DDR-Sports.
Sein Kommentar: Aufgrund meiner regelmäßigen Geschäftsbeziehungen zu Ihrem Unternehmen gelte ich in meinem Bekannten- und Freundeskreisen in Großbritannien als DDR-Kenner. Dabei steht immer wieder die Frage im Raum, wie es zu den großen Erfolgen von DDR-Sportlerinnen und -sportlern kommen konnte.
Seine Antwort: Wie Sie wissen, fahre ich von meinem Hotel in Warnemünde mit der S- oder Straßenbahn anstatt mit dem Auto zu Ihnen. Bei fast jedem Halt und fast zu jeder Tageszeit steigen Jugendliche und Kinder mit Sportutensilien aus oder ein. Sogar im Hochsommer haben einige von ihnen Schlittschuhe über der Schulter. Bei solchen Aktivitäten muß doch einfach etwas für den Leistungssport herauskommen.
1994 fiel diesem Herrn dann ein, daß in Rostock jemand herumläuft, der einigermaßen Deutsch und zusätzlich noch Englisch und Russisch spricht, und bot mir einen Job als Firmenvertreter auf von seinem Unternehmen gecharterten ex-sowjetischen Trawlern und Fabrikschiffen an. Als wir einige Jahre später wieder einmal in seinem Office zusammensaßen, meinte er tiefsinnig mit Blick auf die rasante Entwicklung des britischen Sports: Anscheinend haben unsere Funktionäre in der Vergangenheit mehr als nur einen interessierten Blick auf den Sport jenseits der Elbe geworfen.

Hans-J. Kaufmann, Rostock


Seit Januar 2017 lese ich den "RotFuchs". Beeindruckend sind Artikel und Lesermeinungen zur weltweiten wachsenden Kriegsgefahr.
Meine Eltern waren in der Hitlerzeit Mitglieder der KPD in Leipzig. Für seine illegale Arbeit wurde mein Vater wegen Hochverrats nach Sachsenburg, dem späteren KZ Sachsenhausen, verbracht. Meine Mutter, die half, Zeitungen zu verteilen, Soli-Spenden zu sammeln und Hilfe für bedürftige Menschen zu organisieren, wurde dafür ins Gefängnis Waldheim gesperrt.
Da mein Vater Hitlers Krieg gegen die Sowjetunion ablehnte, kam er in das Strafbataillon 999 auf dem Heuberg (bei Stuttgart), das später auch in der Sowjetunion eingesetzt wurde. Dort desertierten so viele Gefangene, daß man das Strafbataillon zurückholte und schließlich nach Griechenland schickte. Mein Vater und viele andere Gefährten nutzten die Chance und nahmen Kontakt zu griechischen Partisanen auf, die ihnen zur Flucht verhalfen. Gemeinsam mit ihnen kämpfte er dann gegen die Hitlerarmee. Über Österreich gelangte er wieder nach Deutschland. 1945 erhielt er in Wien I Hofburg einen vorläufigen KPD-Mitgliedsausweis mit der Nr. 31. Er war Mitglied des antifaschistischen Nationalkomitees Freies Deutschland.
Meine Eltern gehörten zu den ersten Aktivisten beim Aufbau eines neuen Lebens in der DDR. Sie haben mich antifaschistisch erzogen und mich in meiner Entwicklung bestärkt - ob in der Ausbildung in einem Metallberuf, meinem dreijährigen Dienst bei der NVA oder als Mitarbeiter des MfS, Bezirksverwaltung Leipzig.
Die derzeitige Entwicklung in Deutschland und weltweit verfolge ich mit großer Sorge. Die Spaltung der Gesellschaft in arm und reich, die vor allem den Superkonzernen dient, führt zu vielen nationalen und internationalen Konflikten, Kriegen und Flüchtlingsströmen. Kriegsdrohungen gegen Rußland, Nordkorea und andere Staaten und das Erstarken nationalistischer Parteien machen mir Angst, und ich sehe den Weltfrieden in Gefahr!

Steffen Jentsch, Leipzig


Zu Th. C. Schwoerer: Atomwaffen sind völkerrechtswidrig!, RF 238, S. 2
Den Feststellungen stimme ich voll zu. Die auf dem Fliegerhorst Büchel gelagerten US-Atomwaffen, deren Modernisierung geplant ist, stellen eindeutig eine nukleare Aufrüstung dar. Das "Teufelszeug" muß sofort verschwinden! Es ist gefährlicher als alle Atomkraftwerke zusammen. Es ist auch ein Skandal, daß die Bundesregierung sich wie die anderen NATO-Staaten weigert, dem völkerrechtlich verbindlichen, von 122 Mitgliedstaaten der UNO beschlossenen Verbot der Atomwaffen zuzustimmen. Hier steht auch Rußland auf der falschen Seite des internationalen Rechts. Es muß aber klar gesagt werden, daß die Brechung des US-amerikanischen Atomwaffenmonopols durch die Sowjetunion völlig berechtigt war und damals den Weltfrieden gerettet hat. Gorbatschow hat viel Unheil angerichtet. Aber seine Vision "Atomwaffenfrei ins nächste Jahrtausend!" war sehr gut, wenn auch leider völlig utopisch.

Dr. Kurt Laser, Berlin


Es knirscht an allen Ecken und Kanten. Die Spirale der Aufrüstung dreht sich immer weiter, auch die Muskelspielchen nehmen kein Ende. Das ist im allgemeinen schon ein Spiel mit dem Feuer, was brandgefährlich ist. Und wenn noch Atomwaffen ins Spiel kommen, stinkt es verdammt nach der Apokalypse! Es ist gut, daß es eine UN-Resolution gibt zur Ächtung von Atomwaffen, die 122 Länder unterschrieben haben. Diese Unterschrift sollte auch von der Bundesregierung kommen, doch was macht die Kanzlerin? Sie kuscht vor ihrem NATO-Partner USA. Das ist ein mehr als falsches Signal und zeigt, wo der Weg hingehen soll mit der BRD und dem westlichen "Verteidigungsbündnis" NATO. Es wäre wichtig, daß die BRD ein klares Zeichen für Frieden und Abrüstung setzt, gegen atomare Aufrüstung und für einen Abzug der US-Atomwaffen aus der BRD und Europa. Noch besser wäre die Auflösung der NATO. Auch brauchen wir ein deutliches Zeichen in Richtung aller Atomwaffen-Staaten zur Abschaffung dieser Massenvernichtungswaffen.
Der Mensch zerstört durch Atomwaffen nicht nur sich selbst, sondern fast jedes Lebewesen. Albert Einstein soll gesagt haben: "Der Mensch erfand die Atombombe, doch keine Maus der Welt würde eine Mausefalle konstruieren."

René Osselmann, Magdeburg


Zu Hans Heinz Holz: Das Signal Oktoberrevolution (RF 237)
Ich bin ergriffen, diese Zeilen von HHH im RF lesen zu dürfen. Das ist genau "die Strenge des Begriffs", mit der wir arbeiten können. Das ist genau die leninistische (und Holz-)Dialektik, die wir anwenden müssen, um über "Was tun?" nachdenken zu können.
Ich werde diesen Artikel zukünftig in kopierter Form jederzeit in der Tasche haben, um Zweiflern Mut zu machen und sie zum Denken und Handeln anzuregen!

Norbert Müller, Höxter-Stahle


Zu "Im Zeichen des roten Sterns" (RF 238, Beilage)
Insbesondere die drei Beiträge in der Beilage haben mir große Freude bereitet. Sie waren gesunder Gegenpol, intellektueller Lichtblick zu einer von mir als Gast erlebten Veranstaltung der Partei Die Linke, die sich mit der "zeitgenössischen deutschen Historiographie" zur russischen Oktoberrevolution befaßte. Ein Trauerspiel! Erschütternd zum Beispiel, wie einstige "marxistisch-leninistische Sittenrichter" immer schon gewußt haben wollen (besonders, nachdem sie in der Sowjetunion promoviert hatten), daß die Große Sozialistische Oktoberrevolution eigentlich ein Irrtum der Geschichte gewesen sei. Frei nach Tucholsky: Da besucht man eine Veranstaltung bei der "Linken" zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution und denkt, man tut wat for de Revolutzjon, aber man weeß janz jenau, mit diese Pachtei kommt se nich! Und das is sehr wichtig fier einen selbständjen parteilosen Rentner.
Zum Glück gibt es die "junge Welt" und den "RotFuchs"!

Karl Ernst, Leipzig


Im vollbesetzten Kino Babylon in Berlin konnten am 21. Oktober mehr als 500 Gäste eine bedeutende Konferenz zum 100. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution erleben, die durch die starken Redebeiträge von Prof. Dr. Götz Dieckmann, Bruno Mahlow, Patrick Köbele, kulturelle Höhepunkte und eine interessante Podiumsdiskussion getragen wurde. Diese Veranstaltung - gestaltet von DKP, "RotFuchs" und SDAJ - bewies, daß es gelingen kann, gemeinsame Aktionen linker Kräfte durchzuführen. Sie hat gezeigt, was möglich ist in Aktionseinheit, und sollte uns Mut machen, im Kampf um gesellschaftliche Veränderungen nicht nachzulassen.

Carsten Hanke, Rostock


Geht China auf dem Weg zur Weltmacht über Leichen? Das behauptet jedenfalls Gerhard Spörl in einer Kolumne im "Spiegel". China wolle bis 2050 nicht nur ökonomisch, sondern auch militärisch die Weltmacht Nummer 1 werden. Beschlossen worden sei das auf dem Nationalen Volkskongreß, der gerade in Beijing stattfinde. Offenbar ist diesem Herrn entgangen, daß es sich um den 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas handelte, der dort tagte, und der unter anderem beschloß, in den nächsten Jahren die Armut in China völlig zu überwinden. Der Nationale Volkskongreß fand bereits im März statt und hatte mit dem Parteitag unmittelbar nichts zu tun.
Spörl unterstellt der chinesischen Führung, sie strebe die Einverleibung Taiwans an und betreibe im Südchinesischen Meer eine selbstherrliche Annexion. Deshalb würden die Länder dort auf die USA als Schutzmacht bauen. So kann man Tatsachen verdrehen! Die USA haben mit ihrer 2011 erklärten Pazifik-Doktrin den Anspruch erhoben, mit einer starken Militärmacht ihre strategischen Interessen in dieser Region durchzusetzen. Dabei sind ihnen die Interessen der Anrainerländer der asiatisch-pazifischen Region völlig gleichgültig. Ihre Aktivitäten sind eindeutig gegen China und Rußland gerichtet. Zudem ist zu fragen, über welche Leichen China da gehen will. Das aufstrebende Land hat keineswegs Ambitionen, die Supermacht USA abzulösen, die mit ihren militärischen Abenteuern weltweit unzählige Opfer zu verantworten hat. China dagegen will wieder den Platz einnehmen, den es als Kulturnation und als Wirtschaftsmacht einst hatte. Dabei spielen sichere Seeverbindungen im Südchinesischen Meer eine wesentliche Rolle.
Zu meiner Verwunderung fand ich den Namen Spörl nicht in der Liste der Mitglieder der Atlantik-Brücke. Wie dem auch sei: Für mich gehört er dazu.

Bernd Biedermann, Berlin


Zu dem Leserbrief der BI "Gedenktafel für Werner Seelenbinder in Köpenick" (RF 237, S. 39)
Hierzu möchte ich ergänzen, daß es im Westberliner Bezirk Neukölln das Urnengrab des Antifaschisten, das sich im Werner-Seelenbinder-Sportpark befindet, gibt. Nach dem Krieg hieß das Areal für kurze Zeit "Werner-Seelenbinder-Kampfbahn". Dann kam der kalte Krieg, und die Antikommunisten im Rathaus Neukölln haben daraus wieder "Neuköllner Stadion" gemacht. Es war jahrzehntelang ein Anliegen der SEW, die Rückbenennung zu verlangen, was später mit Hilfe der PDS erreicht werden konnte. In der Nachbarschaft gibt es in der Thomasstraße immer noch die Schule, in der Werner Seelenbinder trainierte. Eine Gedenktafel erinnert daran.
Ich erinnere mich an ein Erlebnis, das ich vor Jahren hatte, als Täve Schur am Urnengrab die Gedenkrede hielt. Nachdem er seine Rede beendet hatte, ging ich zu ihm und sagte: "Herr Schur, es war für uns eine große Ehre, daß Sie zu uns gesprochen haben." Daraufhin legte er mir seine Hand auf die Schulter und erwiderte: "Nun mal sachte. Es war für mich eine Ehre, an seinem Grab sprechen zu dürfen."

Dieter Bartsch, Berlin


Flüchtlingspolitik bleibt Thema, hält Stimmungen am Kochen, schäumt emotional auf, lenkt vom Kern ab und steuert das "Deutschland den Deutschen" in eine wenig hoffnungsvolle Zukunft. "Deutschland den Deutschen" ist längst nicht nur AfD-Slogan oder anderer extrem Rechter. Es gehört zur CDU/CSU und wird sinnhaft bis zu den Grünen vertreten. Will Die Linke nicht in diesen braunen Sog hineingezogen werden, will sie die richtigen Fragen zum Flüchtlingsthema stellen, so darf sie sich nicht auf primitiv-dumme Stammtischparolen einlassen, die verlogen und heuchlerisch thematisiert werden. Mißverständnisse, Unklarheiten sind so vorprogrammiert wie parteiinterner Streit und genüßliche Reaktionen der politischen Gegner.
"Wo der Klassenkampf als unliebsame 'rohe' Erscheinung auf die Seite geschoben wird, da bleibt als Basis des Sozialismus nichts als 'wahre Menschenliebe' und leere Redensarten von 'Gerechtigkeit'", schrieben Marx und Engels 1879. Leere Redensarten, Geheuchel, bedauerndes Klagen zu angeblicher Überforderung, Überfremdung oder Kriminalität und Gewalt sind indes Tagesthema.
Nun geht es heute nicht um Sozialismus, doch wollen wir Menschen für uns gewinnen, sie abhalten, den "Lösungen" der Regierenden zu vertrauen, wollen wir an Ursachen und Wurzeln gehen, wollen wir Lösungen bieten und nicht Völker gegeneinander aufbringen, so geht es nicht ohne Beachtung der sozialen Frage als Klassenfrage.

Roland Winkler, Aue


Zu Dr. Peter Elz: Ein Plädoyer für Volkseigentum (RF 236, S. 21)
Indem sich Dr. Peter Elz in seinem Beitrag mit den wirtschaftspolitischen Aussagen von Sarah Wagenknecht auseinandersetzt (RF 236), steuert er wesentliches zur Eigentumsfrage als Grundlage jeder Gesellschaftsformation bei.
Auch ich meine, daß wir eine kritisch-sachliche Analyse zu den Ursachen und Gründen unserer Niederlage brauchen, bei der die Betrachtung der Bedingungen im gesamten sozialistischen Lager sowie der Vergleich mit den heute zum Sozialismus strebenden Ländern nicht fehlen darf.
Nicht erwähnt hat Peter Elz die Rolle des Menschen, des einzelnen und der Masse, deren politischer Reifegrad und deren Mentalität bei der Lenkung und Leitung des Planungs- und Produktionsprozesses auf der Basis des gesellschaftlichen Eigentums wichtige Faktoren sind.
Goethe mahnte: "Was du ererbst von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen." Stirbt der Erblasser, wird dessen Eigentum aufgehoben, wodurch der Erbe volles Verfügungsrecht erhält, was die Verpflichtung einschließt, sein neues Eigentum durch Hege, Pflege und Nutzung wirklich in Besitz zu nehmen, eine Beziehung dazu aufzubauen.
Und wie verhält es sich mit der Verfügung über gesellschaftliches Eigentum? Im Sozialismus ist das Privateigentum an den Produktionsmitteln weitestgehend aufgehoben. Es wurde in Volkseigentum umgewandelt und gehörte formal allen und jedem. Wie damit zu verfahren sei, hat Lenin unter anderem in "Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht" niedergeschrieben, was der RF in seiner Reihe "Wissenschaftliche Weltanschauung" in den Ausgaben Nr. 235 und 236 nochmals hervorhob.
Doch wie verhielt es sich mit der Inbesitznahme des gesellschaftlichen Eigentums durch die Werktätigen in der DDR? Die Gründe dafür, daß dies in nur ungenügendem Maße geschah, sollten weiter analysiert werden. Aus meiner Sicht besteht die eigentliche "Wende" darin, daß das Volk die Produktionsmittel wieder in Privathand verschenkte, wobei zu den neuen Privateigentümern auch Vertreter der Arbeiterklasse gehörten, die vormals als Verwalter des gesellschaftlichen Eigentums bestellt waren. Diese Leute, denken wir nur an die heutigen russischen und ukrainischen Oligarchen, hatten offensichtlich bereits soviel Besitz vom gesellschaftlichen Eigentum ergriffen, daß sie es nahtlos in ihr privates umwandeln konnten.
Beim Erklärungsversuch, warum die revolutionäre Theorie die Massen nicht ergriffen hat, darf es keine einseitige Betrachtung, zu der wir m. E. neigen, geben. Für hilfreich halte ich die Feststellung von Marx im Vorwort zur "Kritik der politischen Ökonomie": "Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind." (MEW Bd. 13, S. 9)

Helmut Müller, Berlin


Zu Dr. Klaus Blessing: An der Aufhebung des Privateigentums führt kein Weg vorbei (RF 238, S. 8)
In seinem Beitrag bemüht sich Dr. Klaus Blessing nach Kräften, politökonomische Irrtümer von Sahra Wagenknecht, entdeckt in deren Buch "Reichtum ohne Gier", als "lebensfremde Illusionen" zu qualifizieren. Es wäre der Sache angemessener gewesen, die zu kritisierenden irrigen Auffassungen mit passenden, aus der Praxis geschöpften Argumenten zu widerlegen, als in einer sehr personalisierten Weise der Fraktionsvorsitzenden der Partei Die Linke, die in 100 realen Tagesfragen mindestens 98 mal recht hat, theoretische Schwächen in der Zukunftsforscherei nachzuweisen.

Dr. Hermann Wollner, Berlin


Am 14. Oktober trafen sich im Potsdamer Quartier der Partei Die Linke Berliner Mitglieder von Unentdecktes Land e. V. und Potsdamer GBM- und "RotFuchs"-Freunde gemeinsam mit weiteren Linken mit oder ohne Parteibuch. Die jungen Aktivisten von Unentdecktes Land stellten sich vor, berichteten über ihre politischen Ziele und Aktivitäten im Rahmen des Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden (OKV), über ihre Zusammenarbeit mit der FDJ, Auftritte in Basisgruppen der Partei Die Linke und bei Regionalgruppen des "RotFuchs". Besonderes Interesse fanden die Berichte über die in den vergangenen Jahren durchgeführten Aktionen auf dem Alexanderplatz und dem Potsdamer Platz zu politischen Höhepunkten. Es gab eine lebhafte Diskussion - vor allem zu Problemen der Friedens- und Sozialbewegung. Für beide Seiten - jung und alt - war diese Veranstaltung informativ und nutzbringend. Beide werden sich künftig gegenseitig informieren und solidarisch unterstützen. Die Potsdamer Gesellschaft für Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) schenkte den jungen Freunden vier Weißbücher sowie sechzehn DDR-Zeitzeugenbücher.

Horst Jäkel, Potsdam


Da der Geldbeutel bei vielen unserer Mitmenschen sehr faltig geworden ist oder wegen Hartz IV chronisch eingefallen bleibt, spricht man oft von den "Ausgegrenzten", ohne nach dem Warum zu fragen. Schnell werden den Betroffenen von den Sachbearbeitern des Jobcenters "Vermittlungshemmnisse" bescheinigt, wenn man zu alt ist, keine oder keine entsprechende Berufsausbildung hat, keine Fremdsprache(n) beherrscht, keinen Führerschein besitzt oder körperlich behindert ist. Selbst der Makel als Alleinerziehender, ein nicht vorhandenes Auto, die eigene Meinung über das Jobangebot, selbst realistische Lohnvorstellungen führen schnell zum Prädikat "Vermittlungshemmnis". Dabei handelt es sich in der Regel nicht um psychisch gestörte oder gering belastbare Arbeitsuchende, sondern weitaus häufiger um "Kunden", die zu dem geworden sind, zu dem sie durch unfähiges Personal der Arbeitsvermittlung gemacht wurden. Manchmal reicht es aus, daß sich ein Arbeitsvermittler durch die Selbstsicherheit des "Kunden" schon provoziert fühlt.
So schrauben die Betroffenen ihre ganz normalen Ansprüche an das Leben, ihre Hoffnung auf eine würdevolle Arbeit, auf Kultur, Sport, Gesundheit zurück. Vielen ist dabei nicht bewußt, daß sie nur noch eine gefühlte Kontrolle über ihre Situation haben und manövrieren sich widerstandslos immer tiefer in den Sud der "westlichen Werte", indem sie widerstandslos den Forderungen der Jobcenter - einer Exekutive dieses Systems - folgen. Einmal in den Greifarmen des Jobcenters gefangen, gibt es für die wenigsten von ihnen ein Entrinnen. Das trifft für die Jungen, die in diesem "Labyrinth der Normalität" aufwachsen, ebenso zu wie für die 40-, 50- oder 60jährigen, die noch ein anderes Leben kennengelernt haben.
Da ich selbst diese Torturen in ihrer gesamten Bandbreite durchleben mußte, weiß ich, wovon ich spreche. Einige meiner "Leidensgenossen" waren ihnen nicht gewachsen, fühlten sich immer mehr als Versager, obwohl sie tolle berufliche Lebensläufe mit besten Qualifikationen wie beispielsweise sämtliche Schweizer-Pässe, Kran- und Stapler-Paß vorweisen konnten. Das Selbstwertgefühl schwindet zusehends, die ungewollte "Freizeit" wird mit zweifelhaftem Konsum ausgefüllt. Da die sozialen Bindungen in diesem Ellenbogensystem immer mehr verlorengehen, "'gelingt' in Deutschland alle 40 Minuten eine Selbsttötung, die zu 89 % alleinstehende Männer betrifft, die es zu 60 % aus existentieller Perspektivlosigkeit tun", wie das ZDF im November 2016 feststellte.

Peter Dornbruch, Schwerin


Die Bundestagswahlen sind Geschichte. Ein großer Teil der Ostdeutschen hat gezeigt, daß sie in sozialer Hinsicht schon mal etwas Besseres erlebt haben. Der Diebstahl der DDR-Industrie ist nicht vergessen. In meiner Geburtsstadt Dessau gab es Betriebe, die Weltspitzenprodukte herstellten, wie der Waggonbau Dessau. Mein Vater arbeitete dort 20 Jahre als Zimmermann. Weitere Betriebe wurden aus Konkurrenzgründen geschlossen, der Maschinenpark wurde in ganz Europa verkauft. Ich erinnere an Betriebe wie Junkers, Zementanlagenbau, Elektromotorenbau und viele andere, deren Ende zu zigtausend Arbeitslosen führte. Die Leistungen der Werktätigen der DDR beim Aufbau der Städte und Betriebe ohne Hilfe des Marshallplanes werden bis heute unter den Tisch gekehrt. Dafür erscheinen nun Fürstenenkel und frühere Adlige auf der Bildfläche. So nimmt es kein Wunder, wenn "Rattenfänger von Hameln" wie die AfD zum Zuge kommen.

Werner Gericke, Berlin


Nach dem 24. September sind die Diener der herrschenden Klasse nun dabei, dem Volk eine neue Regierung zu präsentieren. Das Wort "Jamaika" macht die Runde. Nicht ganz absichtslos - den Rechtsruck im Staat und mit den Wahlergebnissen ausnutzend -, um nun freie Fahrt für innen- und außenpolitische Machtpolitik zu haben.
Unter dem Stichwort "Jamaika" - eine Insel in der Karibik - steht im Lexikon, daß 1972 bis 1980 eine Volkspartei unter Michael Manley an der Macht war und soziale Reformen einleitete. "Jamaika" - ein geplanter Beschwichtigungstrick, um vom Kurs der neuen Regierung abzulenken, die doch nichts weiter ist als der Interessenvertreter des deutschen Kapitals?

Hans-Georg Vogl, Zwickau


Die DDR war die logische Konsequenz aus der verbrecherischen Kriegs- und Profitpolitik des deutschen Imperialismus. Mit ihr verband sich die Hoffnung von Millionen auf eine Zukunft in Frieden, Humanismus, menschlicher Geborgenheit und sozialer Gerechtigkeit.
Trotz Mängel und Fehler war der eingeschlagene sozialistische Weg eine historische Notwendigkeit. Den politischen Gegner störten weniger unsere begangenen Fehler, sondern mehr die Tatsache, daß ihm mit der DDR-Gründung Macht und Eigentum entrissen wurden.
Es ist dem Klassenfeind zwar gelungen, den sozialistischen Weg zu unterbrechen, aber es wird ihm nicht gelingen, diesen auf Dauer zu versperren.

Jürgen Förster, Dresden


In der Oktober-Ausgabe des "RotFuchs" hat mich insbesondere die Kolumne von Gisela Steineckert in ihrer Nachdenklichkeit angesprochen. Wie gut, daß es - Monat für Monat - den "RotFuchs" gibt!

Rudolf Schwinn, Bonn


Nach Rückkehr von einer Reise nach Polen "entdeckte" ich im Oktober-RF meinen Artikel, den ich ursprünglich für "ISOR aktuell" geschrieben hatte. Ich danke Euch für diese Geste fester solidarischer Verbundenheit mit ISOR e. V. und ihren weiteren Aufgaben- und Zielstellungen.
Besonders die Artikel zur Oktoberrevolution sind sehr interessant, weil sie Informationen enthalten, die entweder in Vergessenheit geraten oder bisher unbekannt waren.
Mich freut auch sehr, daß Lutz Jahoda Euer Autor geworden ist. Was und wie er schreibt, begeistert mich genauso wie sein Gesang.

Manfred Wild, Berlin


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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2017

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