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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1668: Sparpolitik nach François Hollande


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 7/8 - Juli/August 2012
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Sauce hollandaise
Sparpolitik nach François Hollande

Von Bernhard Schmid



Am Sonntag, dem 17. Juni, just am Vorabend des entscheidenden zweiten Wahlgangs der französischen Parlamentswahl, stellte die Pariser Abendzeitung Le Monde auf der Titelseite die Frage: Welche "Austeritätspolitik" für die Linksregierung?


In diesem Wahlgang konnte die Sozialdemokratie zusammen mit ihrem kleinen linksliberalen Verbündeten die absolute Mehrheit der Sitze gewinnen. Ihre eigenen 302 Sitze (für die Parlamentsmehrheit wären 289 Mandate erforderlich gewesen) werden ergänzt von 18 Sitzen für das Wahlbündnis Europe Ecologie/Les Verts (EELV, Grüne und Linksbürgerliche), das auch in der Regierung vertreten ist. Im ersten wie im zweiten Wahlgang gab es jeweils eine Rekordenthaltung von fast 43% bzw. 44%.

Sicher haben die Wähler nicht bewusst für eine Variante von: "Austeritätspolitik" gestimmt, sondern eher mit der Absicht, so weit wie möglich von den Auswirkungen der Krise und sozialen Einschnitten verschont zu werden. Dennoch macht sich kaum jemand Illusionen über die weitere Entwicklung - anders als 1981, als der bis dato einzige "sozialistische" Staatspräsident der Fünften Republik, François Mitterrand, mit dem verwegenen Versprechen "Ändern wir das Leben!" ins Amt gewählt wurde, erhofft sich heute von der Wahl niemand ernsthafte Ansätze für gesellschaftliche Veränderungen.

Die Chefs aus dem konservativen Spektrum führten nach ihrer Niederlage bei der Präsidentschaftswahl kaum noch ernsthaft Wahlkampf, abgesehen von der örtlichen Ebene, wo einige Parteifunktionäre um ihre politische Zukunft rangen. Die Rechte muss sich erst einmal in einer "Oppositionskur" regenerieren - und die Regierungslinke hat Zeit, sich bei ihren heutigen Wählerinnen und Wählern gründlich zu diskreditieren.

Tatsächlich steht die Sozialdemokratie nunmehr außerordentlich stark in der Verantwortung: Sie regiert seit 2004 fast alle französischen Regionen mit Ausnahme des Elsass. Seit dem 25. September 2011 gibt es, zum ersten Mal seit der Gründung der Fünften Republik im Jahr 1958 überhaupt, im Senat, dem parlamentarischen "Oberhaus", eine sozialdemokratische Mehrheit. Und nun verfügt das rosafarbene Regierungsspektrum auch über den Präsidentenposten und eine Mehrheit in der Nationalversammlung. Erstmals seit der Legislaturperiode 1981 bis 1986 hat die Sozialdemokratie dabei eine eigene, absolute Mehrheit der Abgeordneten, rein rechnerisch könnte sie auf einen Koalitionspartner verzichten.

Im Kern bieten die regierenden Sozialdemokraten wenig Alternativen zum bürgerlichen Kurs. Ihr Kernprogramm lautet: Einsparungen bei Sozial- und sonstigen Staatsausgaben und Rückkehr zu einem "ausgeglichenen Haushalt". Die Konservativen unter Sarkozy versprachen im Wahlkampf einen Staatshaushalt ohne Neuverschuldung bis 2016, die Sozialdemokraten François Hollandes bis 2017.

Und während Sarkozy ein Verschuldungsverbot - in Frankreich "Goldene Regel" genannt - in der Verfassung festschreiben wollte, schlägt Hollande eine "einfache gesetzliche Regelung" vor. In der Sache bleibt sich das ziemlich gleich.

Am Abend des 20. Juni meldete die konservative Tageszeitung Le Figaro, die neue Regierung plane in allernächster Zeit einen drastischen Abbau der Staatsausgaben, der an die Politik von Nicolas Sarkozy seit 2007 anknüpft. Jeder zweite Abgang eines Angestellten in der öffentlichen Verwaltung soll demnach nicht ersetzt werden. Eine Ausnahme bilden die öffentlichen Schulen, hier sollen in den kommenden fünf Jahren 60.000 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden (Sarkozy hatte 80.000 Stellen abgebaut); bei Justiz und Polizei ist kein Arbeitsplatzabbau vorgesehen.

Für den 26. Juni wurde die Ankündigung der Regierung zur Mindestlohnpolitik erwartet. Üblicherweise wird dieser zum 1.7. angehoben, und üblicherweise fällt die Anhebung in Wahljahren stärker aus als sonst. Sarkozy hatte als erster damit gebrochen und den Mindestlohn nur um die Inflationsrate angehoben (die ist gesetzlich vorgeschrieben). Die Wirtschaftszeitung Les Echos wollte wissen, der Mindestlohn werde wohl um 2% erhöht (der Internationale Währungsfonds schätzt den Preisanstieg für 2012 auf 1,95%).

Im Wahlkampf hatte Hollande angekündigt, den Spitzensteuersatz für private Einkommen über einer Million Euro jährlich auf 75% anzuheben. Im neuen Haushaltsgesetz für das laufende Jahr 2012 ist das noch nicht enthalten.

Last but not least: Solidarität mit den Griechen kennt Hollande nicht, sowohl er wie sein Finanzminister Moscovici haben angedroht, Griechenland fliege aus der Eurozone raus, wenn es seinen Verpflichtungen nicht nachkomme.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 7/8, 27.Jg., Juli/August 2012, S. 14
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2012