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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2109: Revolution und Bürgerkrieg in Spanien (VIII)


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 1 · Januar 2017
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Revolution und Bürgerkrieg in Spanien (VIII)[*]
Francos Weg zum Caudillostaat

von Paul Michel


An die 100.000 Menschen wurden im Verlauf der drei Jahre Bürgerkrieg in der «nationalistischen Zone» umgebracht. Sie fielen nicht militärischen Auseinandersetzungen, sondern dem gezielten Terror der nationalistischen Machthaber zum Opfer, 50-70% von ihnen wurden zwischen Juli und September 1936 ermordet.


Die Truppen der Putschisten schufen «Ordnung», indem sie Schrecken verbreiteten. «Man muss Angst und Schrecken verbreiten ... man muss das Gefühl der Herrschaftsgewalt zurücklassen, die ohne Skrupel und Schwanken all jene eliminiert, die nicht so denken wie wir», meinte Emilio Mola am 19. Juli 1936. Potenzielle Opfer waren alle Mitglieder der Linken und der Gewerkschaften. Insbesondere im Süden, in Andalusien und der Extremadura, wo es eine sehr starke Landarbeiterbewegung gegeben hatte, gab es eine brutale Säuberungswelle, in der sich die Falange, die faschistische Bewegung, im Zusammenspiel mit den Söhnen der Großgrundbesitzer durch besondere Brutalität hervortat.


Vom Führungstrio...

Am 24. Juli wurde in Burgos eine koordinierte Militärjunta gegründet. Offiziell hieß sie Junta de Defensa Nacional und bestand aus sieben Mitgliedern. Die Junta übte faktisch die Funktion einer Regierung der Aufständischen aus und erließ Gesetze und Verordnungen. Sie verbot umgehend alle Gewerkschaften und alle linken und auch die liberalen Parteien und hob die Autonomierechte der Regionen auf. Streiks waren ab jetzt verboten.

Vorsitzender der Junta wurde zunächst Miguel Cabanellas. Man hatte ihn an die nominell höchste Stelle gesetzt, weil der ursprüngliche Kandidat für diesen Posten, General Sanjuro, einer der Inspiratoren des Aufstands, gleich am ersten Tag beim Flugzeugabsturz auf dem Weg von Portugal nach Spanien tödlich verunglückt war.

Die wirkliche Macht wurde von einem Triumvirat ausgeübt: Queipo de Lano, Mola und Franco. Queipo de Lano, der Diktator des Südens, hatte wegen seines exzentrischen Charakters kaum das Zeug zum politischen Führer. General Mola war der Chef der Putschisten im Norden, in Navarra, in den Erbreservaten der Karlisten. Die monarchistischen Kräfte innerhalb der Putschisten hätten ihn gerne zum Bannerträger ihrer Restaurationsbewegung gemacht. Molas Position innerhalb der Putschistenführung litt darunter, dass der Putsch vom 18. Juli - dessen Hauptplaner Mola war - eher als Fehlschlag eingeschätzt wurde.

Franco, ranghöchster Offizier unter den Putschisten, konnte hingegen auf einige Erfolge verweisen. Der Vorstoß seiner Südarmee in Richtung Madrid war zu dieser Zeit die erfolgreichste militärische Aktion der Putschisten. Seine Selbstinszenierung als Retter des Alcázar von Toledo machte seinen Anspruch auf die Führungsposition im nationalistischen Lager geradezu unangreifbar.

Am Abend des 21. September wurde Franco auf dem Gelände des Flughafens Salamanca von der Mehrheit des Vorstandes der Junta zum «Generalissimus der Armeen» und damit zum obersten Befehlshaber aller nationalistischen Kräfte gewählt. Am 1. Oktober wurde er in Burgos feierlich zum Staatsoberhaupt Spaniens ernannt. Danach setzte ein Kult um die Persönlichkeit Francos im faschistischen Stil ein. Die von den Nationalisten kontrollierten Gebiete wurden mit Plakaten von ihm überflutet, Zeitungen warben mit dem Slogan «Ein Land, ein Staat, ein Führer». Franco wählte, wie Mussolini «Duce» und Hitler «Führer», den Titel «Caudillo». In seinen Reden und bei öffentlichen Veranstaltungen wurde er von seinen Anhängern gefeiert, seine angeblichen Tugenden wurden massiv ausgebreitet.

Nationalspanien hatte zu dieser Zeit zwei Verwaltungszentren: Burgos und Salamanca. Burgos war der offizielle Regierungssitz. Hier befanden sich die Ministerien für Justiz, Finanzen sowie das Arbeitsministerium. Burgos repräsentierte den katholisch-konservativen, traditionell ausgerichteten Flügel der Nationalen. In Salamanca hingegen saßen das Staatsoberhaupt, die Falange, das Außen- und Kriegsministerium, die Botschaften und die politischen Vertreter Deutschlands und Italiens.

Die nationalistischen Gebiete enthielten die Zentren der landwirtschaftlichen Produktion Spaniens - Viehherden in der Extremadura, Oliven, Wein, Mais und Baumwolle in Andalusien, Weizen in Kastilien und Gemüse in Galicien. Aus den marokkanischen Bergwerken und den Gruben von Río Tinto bezogen die Nationalisten Rohstoffe, die sie auch als Gegenfinanzierung für die Militärhilfe aus Deutschland nutzen konnten. Seit August 1937, nach der Eroberung des Baskenlands, kam auch noch die dort angesiedelte Industrie dazu. Während in der republikanischen Zone die Versorgung der Städte mit Lebensmitteln immer größere Probleme machte, gab es dieses Problem in der nationalistischen Zone nicht.


...zum Caudillo

Die Putschisten hatten ohne vorherige klare politische Zielvorstellungen gehandelt. Abgesehen von einigen Schlagworten und Vorstellungen darüber, was abgeschafft werden sollte, existierte während mehrerer Monate kein weitergehendes Konzept für die angestrebte politische Nachkriegsordnung, auf das sich alle Mitglieder der Nationalen Front hätten einigen können. Als einigendes Band der Zweckallianz diente ein rigider Antikommunismus.

Ansonsten war die nationalistische Bewegung alles andere als einheitlich. Da waren einerseits die Falangisten. Sie waren sehr aktiv und hatten zu Beginn des Krieges viele Anhänger gewonnen. Sie waren eher «säkular» und nicht unbedingt kirchenfreundlich. In ihrem Auftreten legten sie oft eine «gewagte modernistische Ästhetik» an den Tag. Sie pflegten gerne eine «nationalrevolutionäre» Rhetorik, d.h. sie redeten von der Abschaffung des Kapitalismus und der Verstaatlichung des Großkapitals. Allerdings litt die politische Durchsetzungskraft der Falangisten darunter, dass sie einige ihrer wichtigsten Anführer wie Antonio Primo de Rivera verloren hatten.

Den anderen Pol innerhalb des nationalistischen Lagers bildeten die Karlisten. Sie waren Monarchisten und pflegten ein sehr konservatives und extrem katholisch-theokratisches Weltbild. Es gab durchaus ernsthafte Differenzen zwischen den beiden Strömungen. Für Franco ging es darum, nicht nur die Kontrolle über Staat und Armee zu erlangen, sondern auch die Bewegung zu kontrollieren. Er machte sich nun daran, eine Einheitspartei zu installieren. Dagegen gab es Widerstand seitens der Karlisten, die ihre Hochburgen in Navarra und Aragón hatten. Als die Karlisten im Dezember 1936 eine «Königliche Militärakademie» zur Ausbildung junger Offiziere bildeten, ohne Franco vorher zu fragen, war dieser darüber ungehalten. Er zwang Manuel Fal Conde, ihren Anführer, binnen 48 Stunden das Land zu verlassen, und brach damit den Widerstand der Karlisten gegen die Bildung einer Einheitspartei.


Die «neue» Falange

Diese wurde am 19. April 1937 gegründet, ohne dass Karlisten oder Falangisten in die Planung miteinbezogen gewesen wären. Ungeachtet der z.T. sehr unterschiedlichen programmatischen Ausrichtungen der am Putsch beteiligten politischen Gruppierungen wurden die karlistische, monarchistisch-absolutistische «Glaubensgemeinschaft» und die nationalrevolutionär-antimonarchistische Falange zu einer Einheitspartei zusammengefasst, der Falange Española Tradicionalista y de las Juntas de Ofensiva Nacionalsindicalista» (FET y de las JONS). Franco machte sich als «Jefe nacional» zum Leiter der neuen FET.

Dagegen gab es aus den Reihen der «alten» Falange Widerstand. Manuel Hedilla, ein Führer der «alten» Falange, weigerte sich, dem neuen Führungsgremium der FET beizutreten. Franco behauptete, Hedilla habe einen Putsch geplant, und ließ ihn und weitere Führungsmitglieder der Falange verhaften. Hedilla wurde zunächst von einem Gericht zum Tode verurteilt, die Strafe wurde aber dann in lebenslange Haft umgewandelt, von der er nur vier Jahre absitzen musste.

Mit diesem harten Vorgehen setzte Franco sein Modell des Caudillismus endgültig durch. Am 24. April wurde der italienische «Saluto romano» der Falange offiziell zu seinem eigenen Gruß und später auch zu dem des nationalistischen Regimes. Die Statuten der einzigen im «nationalen Spanien» noch erlaubten Partei garantierten Franco die absolute Kontrolle über die Entwicklung dieser politischen Monopolorganisation.

Die neue Organisation FET y de las JONS legte in vielerlei Hinsicht Ideologie und Zielsetzungen der «alten» Falange ab: Konservative und monarchistische Ziele traten in den Vordergrund, von einer Bodenreform war keine Rede mehr. Andererseits wurden zentrale falangistische Programmpunkte wie der Syndikalismus beibehalten. Die FET y de las JONS stellte, bedingt durch ihre Heterogenität, einen Kompromiss dar, der allen etwas bot: den spanischen Antimonarchisten ebenso wie den Königstreuen, der alten Rechten ebenso wie den faschistischen, teilweise «sozialrevolutionär» orientierten Falangisten.

Partei, Kirche und Armee waren die drei tragenden Säulen des neuen franquistischen Staates. Das Staatsgebilde war totalitär; Franco zerschlug jede Art von Opposition, verfügte über einen ausgebauten Polizeiapparat und zwang die Untertanen, seiner mächtigen Staatsbürokratie zu gehorchen. Die Lebensbedingungen der Arbeiter und Bauern blieben ebenso schlecht wie vor dem Aufstand der Generäle.


[*] Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2004: Revolution und Bürgerkrieg in Spanien (I)
SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2016: Revolution und Bürgerkrieg in Spanien (II)
SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2062: Revolution und Bürgerkrieg in Spanien (III)
SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2070: Revolution und Bürgerkrieg in Spanien (IV)
SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2078: Revolution und Bürgerkrieg in Spanien (V)
SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2089: Revolution und Bürgerkrieg in Spanien (VI)
SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2100: Revolution und Bürgerkrieg in Spanien (VII)

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 1, 32. Jg., Januar 2017, S. 20
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2017

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