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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2136: Martin Schulz - einer von uns?


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 4 · April 2017
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Martin Schulz - einer von uns?
Von der Polit-Elite in den Wahlkampf

von Manfred Dietenberger


Die SPD macht wieder Politik und lässt Merkel nicht einfach weiter vor sich hin sozialdemokrateln, schrieb Anfang März der Vorwärts der SPD. Und in der Tat, Schulz und Superman wurden noch nie im selben Raum gesehen. Ist also Schulz tatsächlich Superman?

Was wir über Martin Schulz wirklich wissen ist: Er kommt aus einfachen Verhältnissen, war Bürgermeister einer Kleinstadt und schaffte es nach Europa. Dort gehörte er viele Jahre der hochbezahlten europäischen politischen «Elite» an. Martin Schulz war schon als Präsident des Europäischen Parlaments ein Politprofi, der die Kunst der Inszenierung und Imagebildung perfekt beherrschte. Zur oberen Politikerkaste in Europa zu gehören, ist aber alles andere als tauglich für den SPD-Wahlkampf 2017. Also wurde aus dem Vertreter des politischen Establishments flugs der einfache, in seiner Heimatstadt verwurzelte Mann, der dem Volk zuruft: «Ich bin einer von euch»!

Keinem anderen in der SPD ist diese Rolle so auf den Leib geschrieben wie Schulz. Dazu beherrscht er noch das Sprechen in einfachen, klar daherkommenden Sätzen, zuweilen auch laut und emotional. Schulz mimt den «Kumpel von umme Ecke», der sich für Wandputz in den Schulen, Kitas im ländlichen Raum, Sportvereine und Nachbarschaftsinitiativen interessiert. Denn Schulz weiß: «Die SPD muss zeigen, dass wir wissen, wie hart ihr arbeitet. Menschen, die gewissenhaft ihre Steuern zahlten oder alte Angehörige pflegten, verdienten größten Respekt. Diese Anerkennung muss die Sozialdemokratie durch ihr politisches Handeln zum Ausdruck bringen. Diejenigen, die die Gesellschaft tragen, müssen das Gefühl haben, dass die Gesellschaft sie respektiert und für sie da ist. Bei vielen hart arbeitenden Leuten, die sich an die Regeln halten, ist dieses Gefühl verloren gegangen.»

Damit vermittelt Schulz Herrn und Frau Jedermann das Gefühl, dass er ihre Probleme kennt und ihre Sprache versteht. Dazu dienen ihm auch eingängige, kurz Beispiele. Etwa wenn er davon schwadroniert, es sei nicht gerecht, dass ein Bäcker seine Steuern zahlen müsse, aber «ein globaler Kaffeekonzern sein Geld in Steueroasen parkt».

Seine Allzuständigkeit für die Sorgen und Nöte der Menschen untermauert er mit dem Hinweis auf seine Zeit als Bürgermeister von Würselen: «Jedes Problem landet am Ende in den Rathäusern und Gemeindevertretungen.» Das alles subsumiert Schulz unter die von ihm im Wahlkampf entdeckte «hart arbeitende Mitte» und trifft damit genau ins Schwarze. Zu dieser «hart arbeitenden Mitte» zählen sich 36 Millionen Deutsche, wie Forsa jüngst für den Stern ermittelte. Sie empfinden soziale Ungerechtigkeit besonders stark.

12% der «hart arbeitenden Mitte» und 16% der Abgehängten beklagen, dass es hierzulande «ganz und gar ungerecht» zugeht. Weitere 37% der «hart arbeitenden Mitte» und 43% der Abgehängten sind der Ansicht, dass es im Lande «weitgehend ungerecht» zugeht. Mit seinem Ruf nach Gerechtigkeit für diese Mitte und die anständigen, unverschuldet Abgehängten massiert er die SPD-Seele und erreicht die Kumpels der Stammbelegschaften am Standort Deutschland. Er ruft ihnen zu, dass sie sich nicht vor dem sozialen Abstieg fürchten müssen, denn: «Jetzt ist Schulz!»

Rund ein Jahr nach dem Landtagswahldebakel am 13.März 2016 sprach Martin Schulz auf dem Listenparteitag der SPD. Damals holte die AfD im Mannheimer Norden - mitten im roten Herz der Südwest-SPD - eins ihrer zwei Direktmandate. Sie kam auf 23% und lag damit 406 Stimmen vor der SPD (22,2%). Die AfD holte sich die Stimmen bei den «hart arbeitenden Menschen» und bei den «Abgehängten». Aber nun kommt Schulz, und der wird's bei der Bundestagswahl wieder richten. Das meint zumindest die Mannheimer SPD-Stadträtin Andrea Safferling: «Schulz weckt das Bauchgefühl der Menschen. Sie sehen in ihm jemanden, der anpackt und verändern kann.»

In Sachen AfD-Bekämpfung spricht Schulz einigermaßen Klartext. So sagte er bei einer Podiumsdiskussion mit Schülern eines Gymnasiums im schleswig-holsteinischen Norderstedt Anfang Februar 2017: «Mir geht es mit der NPD wie mit der AfD: Wer die verfassungsmäßige Ordnung dieses Landes so in Frage stellt, wer unsere Grundrechte ... so leugnet, wer so rassistisch ist, so fremdenfeindlich, wer so gewaltbereit redet und möglicherweise auch handelt, der kann meiner Meinung nach in unserer Verfassungsdemokratie nicht geduldet werden.» Bezogen auf die Äußerungen des thüringischen AfD-Fraktionschefs Björn Höcke fügte er hinzu, eine solche Partei sei keine Alternative für Deutschland, sondern eine Schande für die Bundesrepublik.

Schulz und seine SPD versuchen jetzt, die AfD offen anzugehen und ihre neoliberale Standort-Deutschland-Orientierung mit ein paar sozialpolitischen Attrappen aufzuhübschen. Die Partei ist begeistert dabei. Und bislang sind die Medien Martin Schulz überwiegend wohlwollend gesonnen und berichten gut und viel über den neuen Heilsbringer «Sankt Martin».

Unlängst war in der Runde bei Maischberger der Lackierer Mike Szczeblewski, 39, zu Gast. Als er seinen Arbeitsplatz bei Opel in Bochum verlor, wanderte er in eine Transfergesellschaft. Was er vom neuen SPD-Outfit hält? Immer vor Wahlen entdecke die SPD ihre Grundwerte, danach aber verweise sie auf den falschen Koalitionspartner. Das war klare Kante.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 4, 32. Jg., April 2017, S. 6
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2017

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