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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2373: Parteien haben kein Monopol auf politische Willensbildung


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 4 · April 2019
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Parteien haben kein Monopol auf politische Willensbildung
Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für Attac ist rechtlich unhaltbar

Gespräch mit Dirk Friedrichs


Dass Nichtregierungsorganisationen die Regierenden in Bedrängnis bringen, wurmt sie gewaltig. Seitdem die Deutsche Umwelthilfe für ihre Forderung nach Fahrverboten in deutschen Innenstädten einen Prozess nach dem anderen gewonnen hat, diskutiert die Bundesregierung offen darüber, wie sie ihr das Handwerk legen kann. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit ist ein Hebel dafür. Dabei geht es nicht nur um die Umwelthilfe, der Angriff ist breiter angelegt.

Ende Februar hat der Bundesfinanzhof dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac, das u.a. die Massenmobilisierungen gegen TTIP und CETA organisiert hat, die Gemeinnützigkeit aberkannt. Die SoZ sprach darüber mit Dirk Friedrichs, Vorstandmitglied des Attac Trägervereins und im Koordinierungskreis von Attac Deutschland.


SoZ: Attac hat die Gemeinnützigkeit aberkannt bekommen, weil es zuviel Politik macht. Wie reagiert ihr darauf?

Dirk Friedrichs: Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Schlag gegen alle Organisationen, die sich zivilgesellschaftlich engagieren. In der Abgabenordnung wird als ein Ziel für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit die Förderung des demokratischen Staatswesens genannt. Wie man das fördern kann, ohne auch Politik zu machen, muss mir jemand mal erklären.


SoZ: Über die Gemeinnützigkeit eines Vereins befindet keine politische Instanz, sondern das Finanzamt. Die Kriterien sind in der Abgabenordnung festgehalten. Was steht denn da drin? Und wie kommt es zustande, dass das unter das Steuerrecht fällt?

Dirk Friedrichs: Bei dem Begriff Gemeinnützigkeit, wie er jetzt von den Gerichten verstanden wird, geht es darum, dass Organisationen, die als gemeinnützig anerkannt worden sind, steuerliche Vorteile genießen: Spender können ihre Spende von der Steuer absetzen, die empfangenen Organisationen sind von der Körperschaftsteuer befreit und genießen andere steuerliche Vorteile. Aus diesem Sachverhalt sieht man schon, dass es sich um finanztechnische Dinge handelt, insofern ist das Finanzamt die zuständige staatliche Stelle, die die Gemeinnützigkeit eines Vereins feststellt.

In Paragraph 52 Abgabenordnung gibt es 25 als gemeinnützig anerkannte Zwecke, vom Schach bis zum Umweltschutz. Die gemeinnützigen Zwecke, die in der Satzung von Attac stehen, sind "die Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe", "die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens", "die Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens", "die Förderung von Wissenschaft und Forschung" sowie "die Förderung des Umweltschutzes".


SoZ: Parteien gelten per se als gemeinnützig, weil sie zur politischen Willensbildung beitragen und eine Vermittlerrolle einnehmen zwischen der Zivilgesellschaft und der Legislative. Warum gilt das nicht auch für Nichtregierungsorganisationen? Gibt es da ein Monopol für Parteien, und wo steht das geschrieben?

Dirk Friedrichs: Parteien fallen nicht unter das Gemeinnützigkeitsrecht der Abgabenordnung, für sie gilt ein eigenes Gesetz, das Parteiengesetz. Für Nichtregierungsorganisationen wie auch für Vereine gilt der oben erwähnte Katalog in Paragraph 52 der Abgabenordnung. Wenn die Frage darauf abzielt, dass es ein Monopol für Parteien gibt, sich politisch zu betätigen, so ist das falsch. Politische Willensbildung findet nicht nur in, sondern insbesondere auch außerhalb von Parteien statt. Das sieht man an Attac und auch an anderen Organisationen der Zivilgesellschaft. Insofern können Parteien nicht für sich in Anspruch nehmen, dass sie die Vermittlerrolle zwischen Zivilgesellschaft und Parlament wahrnehmen. Das kommt eher den Nichtregierungsorganisationen zu, die ein zivilgesellschaftliches Gegengewicht zu den Hunderten von Lobbyisten aus Wirtschaft und Interessenverbänden bilden.


SoZ: Was wollt ihr jetzt tun?

Dirk Friedrichs: Jetzt stehen die nächsten juristischen Schritte an. Das Finanzgericht Kassel muss sich erneut des Falles annehmen. Wann das geschieht und ob das Verfahren erneut aufgerollt wird, ist derzeit offen. Unabhängig davon lassen wir uns nicht einschüchtern. Wir halten uns für gemeinnützig und werden unsere politische Bildungsarbeit wie bisher fortsetzen. Wir danken unseren SpenderInnen und freuen uns auf weitere Unterstützung.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 4, 34. Jg., April 2019, S. 6
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2019

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