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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2516: Der Indexmietvertrag - eine neue Melkkuh


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 2 · Februar 2023
Klima | Klasse | Widerstand

Der Indexmietvertrag - eine neue Melkkuh
Auf Mieter mit Indexmietverträgen kommen harte Zeiten zu

von David Stein


Die Inflationsrate in Deutschland bleibt auf hohem Niveau. Die Deutsche Bundesbank rechnet für das neue Jahr mit einer Inflationsrate von 7,2 Prozent, so hoch wie seit 1951 nicht mehr, im Oktober 2022 hatte sie noch 10,4 Prozent betragen. Mit einem dauerhaften Rückgang ist jedoch nicht zu rechnen. Der massive Kaufkraftverlust und die hohen Lebenshaltungskosten, insbesondere die weiter steigenden Lebensmittelpreise, werden den Menschen in Deutschland mit geringem Einkommen auch in nächster Zeit hart zusetzen.

Für viele kommt nun noch die Angst vor saftigen Mieterhöhungen dazu. Nicht nur wegen steigender Nebenkosten, sondern auch durch eine deutliche Anhebung der Kaltmiete. Dies betrifft Mieter, die mit ihrem Vermieter einen Indexmietvertrag geschlossen haben.

Was sind Indexmietverträge?

Bei einer Indexmiete kann der Vermieter die Kaltmiete jährlich so stark anpassen, wie die allgemeinen Lebenshaltungskosten gestiegen sind. Maßgeblich ist der Verbraucherpreis-Index des Statistischen Bundesamts, an den der Mietzins gekoppelt ist. Solche Mietverträge sind rechtlich zulässig (§ 557b BGB). Bei einem Indexmietvertrag lässt sich für die Vertragspartner nicht genau vorhersagen, wie hoch die Miete während der Laufzeit des Mietvertrags ausfällt.

In der Praxis spielten Indexmieten bei Mietverträgen über private Wohnungen bisher in Deutschland keine große Rolle. Sie warfen für Vermieter keine Rendite ab, da die Verbraucherpreise viel langsamer stiegen als die ortsüblichen Mieten - vor allem in den Ballungszentren. Nach dem Mietenbericht 2020 des Bundesbauministeriums enthielten nur zehn Prozent der Mietverträge privater Vermieter solche Indexmietklauseln. Solange sich die Inflation auf einem niedrigen Niveau entwickelte, war die Mietenentwicklung bei der Kaltmiete in Indexmietverträgen eingeschränkt. Inzwischen hat sich durch die steigende Inflation der Wind gedreht. Die hohe Inflation, die sich im Verbraucherpreisindex niederschlägt, ermöglicht nun für die Vermieterseite unverhältnismäßig große Mieterhöhungsmöglichkeiten im Rahmen von Indexmietverträgen.

Wem die Inflation nützt

Jeder zweite in den Ballungszentren neu abgeschlossene Mietvertrag ist ein Indexmietvertrag.

Nach den Marktanalysen des Mietervereins Hamburg enthalten fast die Hälfte aller Neuverträge in den großen Städten in Deutschland solche Klauseln. Besonders in Großstädten mit angespannten Wohnungsmärkten werden nach diesen Analysen vor allem in Neubauwohnungen sowie im Altbau zunehmend Mietverträge an den allgemeinen Preisindex gekoppelt. Mieter haben in der Regel keine andere Wahl, als diese Vertragsklauseln nach dem Diktat der Vermieterseite zu akzeptieren.

Dadurch sind Mieterhöhungen auch oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete möglich, so dass insbesondere bei Wohnraum, bei dem ansonsten keine Mieterhöhungen nach umlagefähigen Modernisierungsmaßnahmen zu erwarten sind, die Vermieterseite in Zeiten hoher Inflation gegenüber anderen Instrumenten der Mieterhöhung profitiert. Zwar dürfen Indexmieten bei Vertragsabschluss nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Spätere Erhöhungen im Einklang mit dem Verbraucherpreisindex fallen aber nicht mehr darunter.

Mieter sind durch die gestiegenen Energiepreise bei Indexmietverträgen doppelt belastet, weil sowohl die Nebenkosten als auch die Kaltmiete steigen. Die Vermieterseite profitiert hingegen gleich doppelt von der Inflation - zumindest dann, wenn sie den Kauf der vermieteten Wohnung mit Krediten in der Niedrigzinsphase finanziert hat. Denn während alles teurer wird, bleibt der Kreditzins unverändert. Kredite lassen sich dank höherer Mieteinnahmen dann schneller zurückführen.

Indexmieten haben auch Auswirkungen auf den übrigen Wohnungsmarkt. Überproportional erhöhte Indexmietpreise (im Vergleich zu sonstigen Mietsteigerungen) fließen in die Mietspiegel ein. Dadurch tragen sie zu einem überdurchschnittlichen Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmieten bei, womit in einer Kettenreaktion stärkere Erhöhungen in anderen Mietverhältnissen ermöglicht werden. Damit verteuern sich auch die Kaltmieten für Haushalte, die keine Indexmiete vereinbart haben.

Gegeninitiativen

Die Linkfraktion hat bereits im Juli 2022 im Bundestag die Abschaffung von Indexmietverträgen gefordert. Neuabschlüsse sollten untersagt werden und die Mieterseite bei bestehenden Verträgen das Recht bekommen, den Vertrag so anzupassen, dass die Miethöhe in das System der ortsüblichen Vergleichsmiete eingegliedert wird. Eine parlamentarische Befassung mit diesem Antrag ist in der Folgezeit unterblieben.

Aufgrund der angespannten Situation am Hamburger Wohnungsmarkt hat das Land Hamburg im November 2022 im Bundesrat einen Vorstoß für eine Deckelung bei Indexklauseln unternommen. Erhöhungen des Mietzinses sollten dabei gesetzlich auf 3,5 Prozent begrenzt werden. Dies schütze Mieterinnen und Mieter, die aktuell ohnehin durch Inflation und hohe Energiepreise belastet sind und oft keine andere Wahl haben, als solche Verträge zu unterschreiben. Eine Kappungsgrenze von 3,5 Prozent pro Jahr würde auch einen starken Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmieten und damit eine Einflussnahme auf den Mietenspiegel unterbinden.

Diese Initiative fand jedoch aufgrund der Blockade der christdemokratischen Länder am 16.Dezember keine Mehrheit. Stattdessen wurde eine wachsweiche Erklärung Bayerns gegenüber dem Bund angenommen, dass eine Regelung im Mietrecht nötig sei, die die Erhöhung von Indexmieten "dämpfe". Diese Erklärung verpflichtet die Bundesregierung jedoch zu nichts. Zuständig für eine Änderung des Mietrechts ist der Bund, federführend das FDP-geführte Bundesministerium der Justiz.

Die Bundesregierung könnte selbstverständlich von sich aus eine Gesetzesinitiative zur Deckelung der Indexmieten starten, zumal Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) bereits im Sommer gegenüber der Presse Indexmietverträge als "Problem" bezeichnet hat. Das Kanzleramt wird das Thema jedoch im Interesse des Zusammenhalts der auseinanderstrebenden Koalitionsparteien nicht aufgreifen, zumal Justizminister Buschmann und die FDP bereits vorher unter Verweis auf die Vertragsfreiheit und das übliche Schüren von Marktillusionen eine solche Initiative abgelehnt hat. Die Interessen der Eigentümer von Grund und Boden haben bei dieser Partei ohnehin immer Vorrang.

Gegenbeispiele

Der Druck auf die Bundesregierung zur gesetzlichen Deckelung der Indexklauseln wird nun verstärkt von außen kommen müssen. Ohne die Mobilisierung der Mieterinitiativen und der Mietervereine vor Ort sowie deren Vernetzung wird sich die Bundesregierung in dieser Frage nicht bewegen. Bei diesen Initiativen stehen gegenwärtig noch der Widerstand gegen die explodierende Nebenkostenrechnung im Fokus. Die Beseitigung der mieterfeindlichen Belastungen aus ansteigenden Kaltmieten bei Indexmietverträgen muss damit verknüpft werden.

Es geht auch anders: Spanien und Portugal haben im Zuge ihrer Anti-Krisenpakete im Sommer einen Mietendeckel beschlossen. Der Mietzins darf maximal noch um zwei Prozent pro Jahr steigen (Frankreich hat ebenfalls im Sommer 2022 eine befristete Grenze für eine jährliche Mieterhöhung von 3,5 Prozent eingeführt). Da die Eigentumsquote auf der iberischen Halbinsel bei fast 75 Prozent liegt (in Deutschland bei 49,5 Prozent) und damit nur 25 Prozent zur Miete wohnen, ist der staatliche Schutzschild für Bürgerinnen und Bürger mit geringem Einkommen breiter und mit anderen Schwerpunkten ausgestaltet, wozu auch die Erhöhung der Mindestlöhne und einkommensabhängige Hilfen gehören. Die Erfahrungen mit diesen Maßnahmen sind jedoch auch für die deutschen Schutzmaßnahmen für Mieterinnen und Mieter in Deutschland wichtig.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 2, 38. Jg., Februar 2023, S. 8
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
SoZ-Verlag, Regentenstr. 57-59, 51063 Köln
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 28. Februar 2023

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