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VORWÄRTS/653: Solidarität mit Palästina


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 22/23/2010 vom 11. Juni 2010

Solidarität mit Palästina


luk. Am Montag, 31. Mai hat die israelische Armee bei der Erstürmung eines Hilfsschiffs mindestens neun Menschen erschossen. Ein Bericht aus Tel Aviv-Jaffa über die Propaganda der israelischen Regierung sowie über die Solidaritätsaktionen in Palästina/Israel und weltweit.


Mit einer solchen Brutalität rechnete niemand: Als das türkische Schiff "Mavi Marvara" versuchte, die israelische See-Blockade zum Gaza-Streifen zu durchbrechen, wird es in der Nacht auf Montag, den 31. Mai 2010, - wie fünf andere Schiffe auch - von der israelischen Armee gestürmt. Dort auf Gegenwehr stossend, werden mindestens neun Menschen erschossen und Dutzende weitere verletzt.

Die Nachricht verbreitet sich schnell. Angesichts des offensichtlichen Ungleichgewichts zwischen den schwer bewaffneten israelischen Elite-Einheiten und den zivilen, wenn auch nicht durchgehend gewaltlosen, türkischen Aktivisten wird von einem Massaker geredet: Es sollte ein Exempel statuiert werden, die Solidaritätsbewegung gebrochen werden, der Gaza-Streifen weiterhin in Isolation gehalten werden.

In nahezu alle Städten mit arabischen Bevölkerungsanteil in Israel versammeln sich spontan zahlreiche Menschen, um gegen den Einsatz der israelischen Marine zu demonstrieren. Auch hier wissen israelische Polizei und Militär nur eine Antwort: Repression. Viele Demonstrationen werden mit Gummischrot und Tränengas angegriffen, auch von scharfen Schüssen ist die Rede; zahlreiche DemonstrantInnen werden verletzt oder verhaftet. "Wir sind sehr stolz auf die internationalen Aktivisten, welche die lange Schiffsfahrt auf sich genommen haben, um uns zu helfen. Aber wir sind auch sehr stolz auf die Menschen hier, die ohne zu zögern, sofort auf die Strasse gingen", so Samieh Jabbarin, ein arabisch-palästinensischer Aktivist.

Natürlich demonstriert nicht nur die arabische Bevölkerung: Noch am Montag gibt es zwei von bis zu mehreren Tausend besuchte Demonstrationen in Tel-Aviv. Auch weltweit formieren sich Spontankundgebungen, so in der Schweiz in Bern und in Basel.


Terroristen oder Friedensaktivisten?

Dies ist jedoch hinreichend Grund für die israelische Regierung, rund um die Uhr ihre Propaganda durch die Fernseh- und Radiokanäle Israels laufen zu lassen. Aus den Aktivisten werden plötzlich Terroristen, das Schiff mit Hilfsgütern mutiert zu einem Kriegsschiff und die Hilfsgüter - darunter Rollstühle - seien eigentlich Waffen für die Hände der Hamas. Alles jedoch Behauptungen, die nicht weiter belegt, sondern polemisierend in der Luft stehen gelassen werden. Zur Untermauerung wird die israelische Armee aber zahlreiche Videos und Tonbandaufnahmen veröffentlichen. Auf den Bildern ist zwar zu erkennen, dass die israelischen Soldaten beim Versuch, das Hilfsschiff zu entern, angegriffen werden, doch ist auf ihnen nichts zu erkennen - von behaupteten "Schüssen" auf israelische Soldaten nichts zu sehen - was das Massaker der Armee nur im Ansatz rechtfertigen könnte. Natürlich ist auch vom eigentlichen Massaker der israelischen Marine nichts zu sehen.

Auch eine Tonbandaufnahme, welche die Aktivisten aus der Türkei als krasse Antisemiten hinstellen sollte, musste zurückgezogen werden. "Diese Übertragung hat ursprünglich die 'Mavi Marmara' als Quelle dieser Aussagen bezeichnet, jedoch, aufgrund des offenen Kanals, konnte das spezifische Schiff der 'Freiheitsflotte', welches der israelischen Marine geantwortet hat, nicht identifiziert werden." Trotzdem wurden wohl bewusst die Aktivisten in den israelischen Medien pauschal als Hamas-Anhänger und Antisemiten dargestellt, um den bewaffneten Einsatz der israelischen Armee zu rechtfertigen. Es ist klar: Den Aktivisten auf, dem türkischen Schiff sollte der Charakter als Friedensaktivisten genommen werden.

Es ist zwar offensichtlich, dass die Aktivisten aus einer dubiosen, türkisch-nationalistischen, teils islamistischen Ecke kommen. Aber ebenso offensichtlich ist, dass sie auf einer Hilfsmission waren, zwar bereit, sich gegen eine Enterung zu wehren, aber immer noch im Rahmen einer zivilen, karitativen Mission.

Die offizielle israelische Propaganda zeigt jedoch Wirkung, wenn auch nicht durchschlagende: So haben sich tatsächlich zu einigen Grossdemonstrationen reaktionäre, jedoch von weniger Menschen besuchten, Gegenkundgebungen formiert, welche das Massaker zu verteidigen versuchen. Aber international wie auch in Palästina/Israel selbst können die Massenmobilisierungen nicht gebrochen werden. So findet täglich eine nationale Mobilisierung nach Jaffa statt - Parolen wie "Vom Fluss (Jordan) bis zum Meer: Palästina wird frei sein", "Araber und Juden - wir lassen uns nicht dazu treiben, uns als Feinde zu sehen", "Die Intifada wird siegen" werden geschrieen - notabene von sowohl arabischen, als auch jüdischen AktivistInnen. Wenn es das Ziel der israelischen Armee war, die Solidarität mit Gaza zu brechen, so hat sie sich ins eigene Knie geschossen: Nicht zuletzt aufgrund des beispiellos brutalen Vorgehens der israelischen Armee und den unreuevollen Reaktionen der Regierung wurde die Solidarität mit Palästina gefestigt und gestärkt.


Sich weiterhin solidarisieren!

"Die Flotte muss weiter machen; es müssen weiterhin Schiffe nach Gaza auslaufen", so Samieh Jabbarin zur Perspektive im gegenwärtigen Kampf. - Und die Flotte macht auch weiter: Erst letzten Samstag wurde ein irisches Hilfsschiff von der israelischen Marine gestoppt. Auf den Herbst sollte eine neue Flotte mit Hilfsgütern für Gaza organisiert werden.

Natürlich ist aber auch wichtig, dass weltweit und hier in der Schweiz die Solidarität mit Palästina aufrecht erhalten und auf die dortige Situation aufmerksam gemacht wird. So wie es zum Beispiel an den von insgesamt mehreren Hundert Menschen besuchten Demonstrationen letzten Samstag, dem 5. Juni, in Zürich und Basel getan wurde, und so wie es durch die stetige und engagierte Arbeit zahlreicher Aktivisten zur Palästinafrage getan wird.


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SOLIERKLÄRUNG

Schluss mit dem Zionismus!

Die Parteileitung (PL) der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) verurteilt den brutalen Angriff der israelischen Armee gegen den Hilfskonvoi für Gaza aufs Schärfste, der neun Aktivisten das Leben kostete. Die Aktivisten im Hilfskonvoi brachten rund zehntausend Tonnen Hilfsgüter für das Volk von Gaza, dass unter der Blockade Israels gegen die demokratisch gewählte Hamas-Regierung leiden muss. Dieser unannehmbare Angriff ist ein weiterer Beweis dafür, dass Israel kein Interesse hat, den Friedensprozess voran zu bringen oder den Palästinensern Zugeständnisse zu machen.

Israel ist ein Apartheidstaat. Es gibt mehr als nur ein Gesetz, dass die Palästinenser und Araber aus Israel als zweit-Klassen-Menschen behandelt. Ein Gesetz sieht die Nichtgewährung der Israelischen Staatsbürgerschaft für ein Paar vor, das aus einer Person aus der Westbank und aus einer Person aus Israel besteht. Dieses Gesetz unter vielen anderen und die physische Trennung zwischen der Westbank, Gaza und den Palästinensern in Israel, ist Teil eines nicht gestandenen Plans der Zersplitterung der Palästinensischen Bevölkerung. Langfristig ist es das Ziel, die Palästinenser und Araber in den umliegenden arabischen Staaten zu vertreiben.

Nicht nur aus diesen Gründen, sondern auch im Rückblick auf alle Massaker, die der Staat Israel seit dem Beginn seiner Existenz begangen hat, stellt die Parteileitung der Partei der Arbeit der Schweiz folgende Forderungen:

- Sofortiger Stopp der unmenschlichen Blockade gegen Gaza,
- Für das Rückkehrrecht aller Palästinensischer Flüchtlinge
- Sofortiger Stopp des Waffenhandels zwischen der Schweiz und Israel.

Weiter unterstützt die PL der PdAS jede Initiative auf Palästinensischer Seite zur Einheit der palästinensischen und jüdischen Widerstandskräfte gegen den Zionismus und für den Frieden sowie die BDS-Kampagne (boycott disinvestment sanctions).

Die PdAS nahm als Beobachterin an der "zweiten Haifa-Konferenz für einen demokratischen und säkularen Staat im historischen Palästina" teil.

PL DER PDAS


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 22/23/2010 - 66. Jahrgang - 11. Juni 2010, S. 1
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2010