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VORWÄRTS/705: Ökonomie der Umweltzerstörung


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 47/48/2011 vom 22. Dezember 2010

Ökonomie der Umweltzerstörung


luk. Der Widerspruch zwischen mehr Profit und einer intakten Umwelt wird selten zugunsten der Umwelt gelöst. Dies, weil der Druck billig zu produzieren ein wichtiger Motor des Kapitalismus ist. Als Beitrag zum Thema der Jahresendnummer sollen hier Aspekte des Zusammenhangs zwischen Umwelt und kapitalistischer Ökonomie aufgezeigt werden.


Wie agiert der Kapitalismus in der - seit den 70er Jahren kontinuierlichen - Krise der Überproduktion an Kapital? In dem er neue Möglichkeiten sucht, sich profitabel einzubringen. Das Kapital versucht die Bedingungen zu ändern, welche ihm einen höheren Profit ermöglichen. Dies einerseits, in dem angestrebt wird, der variable Anteil (Arbeitskräfte) des investierten Kapitals im Verhältnis zum produzierten Mehrwert gering zu halten. Das bedeutet konkret: niedrige Löhne, erhöhte Arbeitszeit, die Erhöhung der geforderten Arbeitsleistungen und so weiter und so fort.

Andererseits muss das Kapital auch versuchen, den konstanten Anteil am investierten Kapital gering zu halten. Die Produktionsmittel und die Rohstoffe müssen möglichst billig sein.

Doch das Kapital wird mit seinen Versuchen, den Fall der Profitrate zu stoppen, kläglich scheitern. Das liegt in der Natur der Sache. Denn die Verbilligung von Rohstoffen, Maschinen und so weiter hat die Tendenz, allgemein zu sein, für alle KapitalistInnen zu gelten, und solange die Ausbeutungsrate des Arbeitenden gleich bleibt, wird nur der Preis sinken und somit nicht die Profitrate. Wenn diese steigt, dann nur ganz kurzfristig. Denn der Preis muss gesenkt werden, wo es möglich ist, um im Konkurrenzkampf "marktfähig" zu bleiben.


Entgegenwirkende Tendenzen

Im konstanten Kapitalanteil sind die natürlichen Ressourcen enthalten, welche im Produktionsprozess benötigt werden. Die Krise verstärkt den Druck, auch hier die Kosten zu senken, sprich die Natur noch stärker "auszubeuten". Die Auswirkungen dieses Druckes auf unsere Welt sind bekannt.

Das Zerstörerische am Kapital schadet ihm jedoch auch selbst: In einer intakten Umwelt lässt sich profitabler produzieren als auf einer Welt, in der kein Kraut mehr wächst. Dies ist den Kapitalbesitzenden durchaus bewusst. Sie sind ja nicht unfähig, im Voraus zu denken. Sie wissen um die Notwendigkeit und die Vorteile einer einigermassen - wenn auch nicht mehr als zwingend notwendige - intakte Umwelt. Nur ist es sehr schwierig, dies dem Kapital hier und jetzt beizubringen: Es ist immer den ökonomischen Zwängen unterworfen, die es ihm nicht erlauben, wegen Umweltbedenken unprofitabler zu werden. Im "freien Markt" wird es immer ein ausscherendes Unternehmen geben, das mit dem kurzfristigen Denken den Preis drückt und so den grossen Unternehmen, die auch noch an den Profit in 20 Jahren denken, den Handlungsspielraum für "umweltfreundlicheres" Verhalten wegnehmen.

Das Kapital lässt sich nur zu Sorgsamkeit mit der Umwelt bändigen, in dem von "oben", vom Staat reguliert wird. Und dies nach der Devise, dass die Regulierungen der Gesamtheit der Produktionsmittelbesitzer längerfristig mehr nützen, als sie dem einzelnen schaden. Eine Devise, die durchaus der kapitalistischen Logik entspricht. Ob dies letztendlich gemacht wird, ist eine Frage, wie der Widerspruch "Notwendigkeit zu mehr Profitabilität" zu "Notwendigkeit einer intakten Umwelt" gelöst wird. Aufgrund der Heftigkeit der momentanen Krise wird dieser Widerspruch nur sehr selten zu Gunsten der Umwelt gelöst. Denn die Regulierungen, darunter fallen auch der so genannte "Emissionshandel" und die Umweltgesetze, haben für die Kapitalbesitzenden unmittelbar wertnehmenden und nicht wertbringenden Charakter.


Ausdehnung der Kapitalmasse

Eine weitere systemimmanente, der kapitalistischen Umweltzerstörung entgegenwirkende Tendenz ist die Ausdehnung der Masse des Kapitals in die "Ökobranche". Einer Branche, die Wert schöpft, indem sie umweltfreundliche Technologien produziert, um damit den Bedarf an umweltfreundlichen Gütern deckt. Dieser Bedarf kann durch staatliche Verordnungen, aber auch durch umweltfreundliches Verhalten von Konsumenten erzeugten werden. Damit kann eine Zeit lang dem Kapital ein neues Feld eröffnet werden, in dem es sich profitabel verwerten kann.

Dass die Ausdehnung der Masse des Kapitals jedoch nicht die Kapitalüberproduktionskrise zu überwinden vermag, zeigen das Platzen anderer neuen Branchen wie Dotcom im Jahr 2000 oder die Vergabe von Immobilienkleinkrediten. Der Anteil an investiertem Kapital über dem Anteil an profitablem Kapital in einer solchen Branche (eine Rate, welche indirekt die Grösse des Risikos bei Investitionen in einer Branche indiziert) ist immer noch enorm hoch. So hoch, dass sie der Krise nichts Wirksames entgegenzuhalten vermögen.


Welcher Ausweg?

Wir sehen, dass es im Kapitalismus zwar systemimmanente, der Umweltzerstörung entgegenwirkende Mechanismen gibt. Doch erzeugt die Kapitalüberproduktionskrise einen derart hohen Druck, die Bedingungen zugunsten einer Erhöhung der Profitrate zu ändern, dass die Umwelt zerstörenden Mechanismen unvergleichbar grösser sind, was unter anderem auch das Scheitern der letzten Klimakonferenzen zeigt.

Letztlich fällt dies auf den Arbeitenden auf mehrfache Weise zurück: Die Natur ist erstens gesellschaftliches, lebensnotwendiges Gut der Menschheit, deren Zerstörung sich auf ihn auswirkt. Zweitens wird es mehrheitlich dem arbeitenden Teil der Gesellschaft hängenbleiben, die Behebungen von Umweltschäden zu bezahlen, da dies der entsprechenden Firma in der Phase der kontinuierlichen Krise nicht zugemutet werden kann... Und drittens steigt durch die aus der Umweltzerstörung folgenden niedrigeren Verwendbarkeit von konstantem Kapital der Kostenanteil, welcher der Arbeitende gegenüber dem konstanten Kapital einnimmt. Anders gesagt: Bei gleichbleibender Profitrate muss der Arbeitende mehr ausgebeutet werden, um noch den gleichen Mehrwert zu erzeugen.

Dies alles bedeutet nicht, dass keine Sofortmassnahmen gegen die kapitalistische Umweltzerstörung mit Nachdruck gefordert werden müssen. Dies, zumal die Umweltfrage eine Frage des Jetzt ist! Doch ein richtiger Ausweg aus der Logik der Krise des Kapitalismus und damit aus der Umweltkrise kann eindeutig nicht im Kapitalismus, sondern nur in der gesellschaftlichen Überwindung des Kapitalismus gefunden werden.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 47/48/2010 - 66. Jahrgang - 22. Dezember 2010
Sonderbeilage Ökologie, S. 10
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2011