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VORWÄRTS/819: Zementierte Profite und Hungerlöhne


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 17/18/2012 vom 27. April 2012

Zementierte Profite und Hungerlöhne



mic. Am 18. April zelebrierte der Zementmulti Holcim im Zürcher Hallenstadion seine 100. Aktionärsversammlung. Draussen protestierten AktivistInnen von Gewerkschaften, NGOs und Menschenrechtsorganisationen mit einer Mahnwache gegen die systematische Verletzung von grundlegenden Arbeitsrechten durch den milliardenschweren Schweizer Konzern.


"In Holcim-Produktionsstätten kommt es weltweit immer wieder zu Verstössen gegen Arbeits- und Gewerkschaftsrechten, bei Menschen im Umfeld von Holcim-Betrieben sind Gesundheitsprobleme zu beobachten, Entscheidungen indigener Gemeinschaften werden missachtet und Umweltzerstörung ist an der Tagesordnung", schreiben die Menschenrechts-Organisation MultiWatch, der Solifonds, die Gewerkschaft Unia, die internationalen Gewerkschaftsföderationen ICEM und BWI sowie das Guatemalanetz Bern in ihrer Medienmitteilung. Bei der symbolischen Aktion vor dem Hallenstadion mit dabei ist Shalini Gera, Vertreterin einer Gewerkschaft indischer LeiharbeiterInnen "PCSS" (Pragatisheel Cement Shramik Sangh). Die PCSS befindet sich mit dem Zementkonzern seit Jahren in einem Rechtsstreit und es kommt immer wieder zu Streiks und Protestaktionen gegen die ausbeuterische Geschäftspraxis von Holcim.

Legal, illegal, scheissegal

Die PCSS fordert vom Zementmulti, dass die rund 80 Prozent, welche über Drittfirmen angestellt sind, direkt von Holcim einen Vertrag erhalten. Obwohl Holcim dafür bereits in zweiter Instanz vom indischen Gerichtshof verurteilt wurde, hält der Schweizer Zementmulti weiterhin an seiner Praxis fest und versucht mittels juristischer Mittel und Kriminalisierung gewerkschaftlicher Organisierung den Entscheid zu sabotieren. Seit zwanzig Jahren kämpfen die TemporärarbeiterInnen für ihre Rechte und feste Arbeitsverträge. Von den rund 1.200 ArbeiterInnen sind lediglich 300 fest angestellt. Mit einem Lohn von 2,17 Dollar pro Tag erhalten die Temporären, einige arbeiten schon seit Jahrzehnten für das Unternehmen, rund drei Mal weniger als die Festangestellten. Diese Praxis ist in Indien jedoch nicht legal und schon 2007 entschied ein indisches Gericht erstinstanzlich, dass die Leiharbeit bei Holcim auf Scheinverträgen basieren und die Angestellten fest angestellt werden müssen. Obwohl Holcim wissentlich gegen indisches Recht verstösst, hält der Konzern bis heute an seiner Praxis fest, denn die Hungerlöhne für die einen bedeuten fette Gewinne für die anderen. Auch in anderen Bereichen unterhöhlt das Unternehmen gezielt indisches Recht. So umgeht Holcim seit Jahren der gesetzlich vorgeschriebenen "Rehabilitation and Resettlement Policy", welche die finanzielle Entschädigung von Bauern bei Landübernahmen regelt. Dafür wurde Holcim 2008 am Rande des World Economic Forum in Davos mit dem ungeliebten "Public Eye Award"-Schmähpreis "ausgezeichnet".


Global Player der Zementbranche

Der Zementkonzern ist mit rund 80.000 Beschäftigten sowie einem Jahresumsatz von über 21 Milliarden Franken einer der Global Players im Zementgeschäft. Mit rund 2.000 Betrieben in über 70 Ländern ist Holcim international sehr präsent und vor allem auf den boomenden südostasiatischen Märkten stark vertreten. Seit einigen Jahren expandiert Holcim in Asien und ist auf dem besten Weg die französische Lafarge-Gruppe als Weltmarktleader zu verdrängen. 1912 als "Holderbank" von der Industriellendynastie der Schmidheinys gegründet, wurde das Unternehmen 2001 in Holcim umbenannt. Bis heute hält die Familie Schmidheiny das grösste Aktienpaket. Holcim betreibt eine aggressive Expansionspolitik, die sich durch die Übernahme von lokalen Gesellschaften zeigt. So konnte der Schweizer Zementmulti alleine zwischen 2002 und 2007 den Umsatz verdoppeln und die Zahl der Beschäftigten in diesem Zeitraum von 50.000 auf 90.000 erhöhen. Erst die Finanzkrise 2008 konnte den Konzern vorübergehend bremsen und es kam zu einem radikalen Personalabbau und zu Restrukturierungsmassnahmen.


Weltweite Unterschriftenaktion gegen Holcim

Zum 100. Geburtstag von Holcim überreichten die AktivistInnen der Konzernleitung das gerade erschienene Buch "Zementierte Profite - verwässerte Nachhaltigkeit. 100 Jahre Zementgeschäft", welches die kritisierten Missstände dokumentiert und ein Manifest beinhaltet, für das per sofort weltweit Unterschriften gesammelt werden. Zu den 100 ErstunterzeichnerInnen gehören so namhafte Persönlichkeiten wie etwa die ehemalige Bundesrätin Ruth Dreifuss oder der amerikanische Linguist und Philosoph Noam Chomsky.


HOLCIM-PETITION ZUM ONLINE UNTERSCHREIBEN:
WWW.MULTIWATCH.CH/DE/P97001013.HTML

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Gegen die Überwachung!

Die Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock (GLB) im Österreichischen Gewerkschaftsbund lehnt entschieden die geplante Einführung des GPS-Systems im Bereich der Postzustellung ab. Wohin die Einführung derartiger Überwachungssysteme führt, haben wir im Bereich der mobilen Pflege bereits drastisch vor Augen geführt bekommen, meint der Wiener AK-Rat des GLB, Robert Hobek, der selbst als Zusteller bei der Post tätig ist.

"Permanente Überwachung mit dem Ziel, weiter Personal einzusparen und den Arbeitsdruck auf die Beschäftigten noch weiter zu erhöhen. Dies sind vermutlich auch die Überlegungen des Post-Managements, dem es kaum um die Fürsorgepflicht für seine Beschäftigten gehen wird", so Hobek.

Mit der Einführung des GPS-Systems im Bereich der Zustellung - trotz vorläufig angedachter Einschränkungen - wird die "Büchse der Pandora in Richtung Überwachung, Personalabbau und weiterer Privatisierung im Bereich der Zustellung geöffnet. Wir lehnen daher generell die Einführung solcher Systeme entschieden ab", so Hobek weiter.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 17/18/2012 - 68. Jahrgang - 27. April 2012, S. 11
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2012