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VORWÄRTS/829: Mao-Merchandising im Völkerkundemuseum Zürich


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 21/22 vom 25. Mai 2012

Mao-Merchandising im Völkerkundemuseum Zürich

von Pablo Müller



Das Völkerkundemuseum der Universität Zürich geht in der aktuellen Ausstellung einem der schillerndsten und unter HistorikerInnen umstrittensten Ereignis der jüngsten Geschichte nach: Der Chinesischen Kulturrevolution. Zu sehen ist vor allem einer: Mao Zedong. Was dieser mit Mangos, der Studierendenschaft der Universität Zürich und dem Zürcher Chinagarten zu tun hat, zeigt die Schau.


Die China-Faszination ist aktuell ungebrochen. Nicht nur blickt der Westen neidisch auf die anhaltenden Wachstumsraten im Boom-Land. Auch in der Kunst ist China seit Jahren en vogue und jüngst erleben in der linken politischen Theorie sogar Maos Ideen ein Revival. Im Völkerkundemuseum der Universität Zürich blickt nun mit "Die Kultur der Kulturrevolution. Personenkult und politisches Design im China von Mao Zedong" eine Ausstellung in eine Zeit der chinesischen Geschichte zurück, als es den Turbokapitalismus noch nicht gab. Und auch damals - es war die Zeit der Kulturrevolution - galt der Volksrepublik die westliche Bewunderung. 1966 ausgerufen, war die Chinesische Kulturrevolution eine Reaktion Mao Zedongs und seiner Gefolgsleute auf einen Richtungsstreit innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas. Durch die Mobilisierung der Massen wollte Mao die Kräfte in der Partei entmachten, welche eine wirtschaftliche Liberalisierung wollten. Im gleichen Zug sollten die letzten Überreste feudaler Gebräuche in der Gesellschaft getilgt und eine neue Kultur - natürlich nach seinen Vorstellungen - aufgebaut werden. Die Zeit der proletarischen Kulturrevolution war das letzte, blutige Aufbäumen Mao Zedongs und seiner Entourage vor dessen Tod 1976 und der kapitalistischen Wende in China.


Farbenprächtiges Mao-Universum

Die vom Museum für Völkerkunde Wien übernommenen und nun im Völkerkundemuseum der Universität Zürich zu sehende Ausstellung umschifft die unter HistorikerInnen und auch politisch umstrittene Frage der Bewertung der Kulturrevolution als historisches Ereignis und legt den Fokus, wie der Untertitel sagt, auf das Design der politischen Propaganda. So sind auf den zwei Etagen vor allem allerhand Alltagsobjekte zu sehen, die vor allem einen zeigen, nämlich Mao Zedong. Ein unglaublich farbenprächtiges Mao-Universum. Neben dem üblichen Propaganda-Material wie Plakate, Sticker und Stoffbanner mit dem Konterfei des ersten Vorsitzenden sind da viele Kuriositäten zu finden: ein Holzbaukasten, wobei die einzelnen Bausteine Huldigungen an Mao zieren, Rotgardisten-Wecker oder ein Spiegelkästchen, das einem den Morgen mit dem Spruch "Der Vorsitzende Mao ist die rote Sonne in unserem Herzen" versüsst.


Personenkult und Mangos

Der exzessive Personenkult, den die Ausstellung beeindruckend dokumentiert, war nicht einfach von den staatlichen Behörden verordnet, sondern entwickelte eine bemerkenswerte Eigendynamik. Die Mao-Abzeichen, die Rotgardisten oft im Dutzend auf ihren Uniformen trugen, wurden bereits in der Zeit der Kulturrevolution getauscht und in extra dafür angefertigten Alben gesammelt. Eines der absurdesten Beispiele des Personenkultes ist die so genannte Mao-Mango. Als Dank für die treue Gefolgschaft liess Mao Zedong einen Korb voll Mangos unter FabrikarbeiterInnen verteilen. Diese präparierten die Früchte auf Haltbarkeit und stellten sie in ihrer Fabrik aus. Als im ganzen Land ein wahrer Mao-Mango-Kult ausbrach, wurden die Früchte in Plastik nachgebildet, um die Nachfrage stillen zu können. Das Ziel dieses ausgiebigen Mao-Merchandisings war die Mobilisierung der Massen, denn auf sie - und nicht etwa auf den Parteiapparat - vertraute Mao als wesentliche Triebkraft der gesellschaftlichen Entwicklung. Bei den unzähligen Mao-Bildern, die in der Ausstellung zu sehen sind, scheint es beinahe, als hätte der erste Vorsitzende nicht nur die Nähe zu den Massen gesucht, sondern als wollte er als massenhaft reproduziertes Bild selbst symbolisch in dieser aufgehen. Im Vergleich zur Sowjet-Doktrin des Sozialistischen Realismus fällt die eher an Pop Art erinnernde, flächig-graphische Bildsprache des Mao Designs auf.


Begeisterung in der westlichen Linken

In der Ausstellung geht es neben der Situation in China um die Mao-Begeisterung in der westlichen Linken um 1968. Am 6. Juli 1971 hielt die "Studentenschaft der Universität Zürich" (SUZ), die damals offizielle Studierendenvertretung der Universität Zürich, den Lichthof im Universitätsgebäude vorübergehend ohne Bewilligung besetzt. Wie eine Fotografie zeigt, war unter den Paten der Aktion neben Friedrich Engels, Karl Marx und Lenin eben auch Mao Zedong. Weitere extra für Zürich zusammengetragene Dokumente berichten von der 1972 gründeten "Kommunistischen Partei der Schweiz / Marxismus Leninismus> (KPS/ML), in deren Umfeld zahlreiche Initiativen aktiv waren, unter anderem die "Vereinigung für die Freundschaft mit China", die Vorträge, Ausstellungen und Reisen in die Volksrepublik organisierte. Aus diesem Kulturaustausch entstand die Partnerschaft der Stadt Zürich zu Kunming, aus der 1994 der Chinagarten in Zürich hervorging.

In Maos Devise "Rebellion ist gerechtfertigt" erkannte sich um 1968 eine revoltierende Generation wieder und Maos Kulturrevolution schien exakt dem eigenen Kampf gegen kulturelle Verkrustungen und das "Establishment" zu entsprechen.


Maos weitreichender Einfluss

Mao und dessen Einfluss auf die 1968er-Revolte heute in einem Museum der Völkerkunde anzutreffen ist so bizarr wie symptomatisch. Nicht nur wird der Maoismus so zu einem "bedrohten Volk". Auch sind die symbolisch militanten Aktionen der SUZ, die 1977 zu deren Verbot durch den Zürcher Regierungsrat führten, damit in die Exotismus-Ecke gestellt und so ihrer Brisanz beraubt. Nichts desto trotz bietet die Kulturrevolution-Ausstellung einen Einstieg in die in den letzten Jahren kaum erzählte Geschichte der linken Mao-Rezeption. Virulent ist dies, da Mao um 1968 in der Linken Europas Zehntausende mobilisierte und von ihm wichtige Impulse zu einer Entdogmatisierung der Marxschen Theorie ausgingen. Diese Mao-Rezeption zu vergegenwärtigen ist umso dringender, da gerade in jüngster Zeit, wie Alain Badiou, diese Tradition in der politischen Theorie wieder vermehrt Aufmerksamkeit findet. Das Wissen um Maos Ideen und deren Einfluss auf die Linke um 1968 kann hier eine notwendige historische Verortung bieten und so zu einer aktuellen, kritischen Lektüre beitragen.

Die Ausstellung war bis zum 10. Juni im Völkerkundemuseum Zürich zu sehen.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 21/22/2012 - 68. Jahrgang - 25. Mai 2012, S. 8
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2012