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VORWÄRTS/859: "In Griechenland wird es losgehen, im Jahr danach sind wir dran"


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 33/34 vom 14. September 2012

"In Griechenland wird es losgehen, im Jahr danach sind wir dran"

von David Hunziker



Haben Filme das Potential, Einfluss auf die politische Gesinnung der Menschen zu nehmen? Diese Frage wirft der serbische Film "Parade" auf. Regisseur Sr an Dragojevi scheint beim Versuch, einen politischen Film zu drehen, zumindest einiges Richtig gemacht zu haben.


Es ist wirklich erstaunlich, was "Parada", eine Satire über die erdrückende Homophobie in Serbien, bereits ausgelöst hat: Im Balkan haben bereits mehr als eine halbe Million ZuschauerInnen den Film des Regisseurs Sr an Dragojevi gesehen. Dies, obwohl Homophobie dort noch immer weit verbreitet ist: Laut einer Studie des Zentrums für freie Wahlen und Demokratie (CeSID) in Serbien sind 53 Prozent der SerbInnen überzeugt, dass Homosexualität vom Staat bekämpft werden müsse. 20 Prozent sind gar bereit, Gewalt gegen Homosexuelle zu unterstützen.

Über diesen Stoff eine Satire zu drehen, ist bereits mutig. Zweimal hat in Belgrad bereits eine "Gay Parade" stattgefunden, das Ergebnis war jeweils ein Desaster. Der erste Versuch einer Parade im Jahr 2001 wurde von GegendemonstrantInnen so hart attackiert, dass er abgebrochen werden musste. 2010 konnten 1000 Schwule und Lesben eine Parade durchführen, doch der Preis war enorm: 5600 PolizistInnen mussten die Parade vor 6000 SchlägerInnen beschützen. Mehr als 120 Personen wurden verletzt.

Diese Demonstration steht am Schluss von "Parada", die Vorgeschichte ist fiktiv. Irgendwie dreht sich der Plot um verschiedene Kurven dahin, dass der patriotische Kriegsveteran Miško Draškkovi alias Limun den Job übernimmt, eine Gay Pride in Belgrad zu beschützen. Da ihm das homophobe Personal seiner Sicherheitsfirma davonläuft, unternimmt er mit einem der Schwulen und einem rosafarbenen Mini eine Reise durch den Balkan. Unterwegs sammeln sie Limuns kampferprobte Freunde von der Front ein. Dabei treffen jeweils stark stereotypisierte Charaktere aufeinander, der tuntige Hochzeitsplaner kämpft an der Seite eines machoiden Schlägertyps.


Einfluss nehmen, unterhalten und auffallen

Der Film spielt auch mit den offensichtlich homoerotischen Zügen der männlichen Verbrüderung im Krieg. Das ist grossartig, psychologisch nachvollziehbar agieren die Figuren dagegen nicht. Es ist die erklärte Aufgabe von Regisseur Dragojevi, politischen Einfluss zu nehmen. Der Film soll unterhalten und auffallen.

Den Erfolg des Films erklärt sich Dragojevi damit, dass sich viele ZuschauerInnen mit seinen Figuren identifizieren könnten. Über den Charakter Limun sagt er: "Wie so viele von uns ist er ein Wendeverlierer. Eben noch war er ein Kriegsheld, jetzt arbeitet er bei einem heruntergekommenen Sicherheitsdienst und muss Roma-Lager räumen." Die enorme Homophobie in Serbien liegt für Dragojevi denn auch an der Verzweiflung der Menschen angesichts ihrer ökonomischen Situation.

Er hege grosse Hoffnungen auf eine sozialistische Revolution im Balkan. "In Griechenland wird es losgehen, im Jahr danach sind wir dran", gibt er zu Protokoll. Die Leute würden langsam verstehen, dass es ihnen im Kapitalismus nicht besser geht. Sein nächstes Projekt, die Verfilmung von Julian Barnes "Das Stachelschwein", nennt er einen "marxistischen Thriller.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 33/34/2012 - 68. Jahrgang - 14. September 2012, S. 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2012