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VORWÄRTS/691: Angriff auf den 1. Mai


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 43/44/2010 vom 19. November 2010

Angriff auf den 1. Mai

luc. Mit 80 Stimmen wurde im Zürcher Kantonsrat eine Motion überwiesen, die verlangt, dass die Kosten für den Polizeieinsatz am 1. Mai von den Organisatorinnen des Anlasses übernommen werden sollen. Dies wäre das Ende des 1. Mai in Zürich.



Der 1. Mai ist der internationale Kampftag der ArbeiterInnen. Als solcher ist er ein Tag, in dem die Arbeitenden für ihre Interessen - welche den Interessen der Bürgerlichen entgegengesetzt sind - auf die Strasse gehen. Nicht nur das: Sie erobern sich die Strasse, schaffen sich einen eigenen Raum. Es ist das, was wir "Gegenmacht" und die bürgerlichen "rechtsfreien Raum" nennen - einen Raum, über den nicht das Kapital und sein Staat, sondern die Kräfte des Widerstands bestimmen. So wurden im Kantonsrat dieses Jahr schon zwei einschlägige Anträge bezüglich des 1. Mais behandelt: Der SVP-Kantonsrat Alfred Heer reichte einen Vorstoss ein, den 1. Mai als Feiertag im Kanton Zürich ganz abzuschaffen. "Dieser Krawalltag ist ein Feiertag der Sozialisten und Kommunisten", begründete John Appenzeller, ebenfalls SVP-Kantonsrat, die parlamentarische Initiative. Mit 105 zu 53 Stimmen - einzig SVP und FDP stimmten dafür - wurde sie jedoch am 24. Mai dieses Jahres verworfen.


Kaum umsetzbare Forderung

Am 8. November hatten nun diejenigen, welche dem 1. Mai an den Kragen wollen, mehr Erfolg: Eine Einzelinitiative der ehemaligen Gemeinderäte Susi Gut und Markus Schwyn von der Partei für Zürich wurde an den Regierungsrat überwiesen. Dafür nötig wären 60 der 180 Stimmen gewesen - 80 votierten dafür. Zugestimmt haben der Motion vor allem Ratsmitglieder der FDP und SVP Nun muss der Regierungsrat eine Stellungnahme zum Vorschlag erarbeiten. Die Initiative verlangt, dass den Veranstaltern von politischen Veranstaltungen Kosten auferlegt werden, wenn es bei einer Nachdemonstration zu Sachschäden oder einem massiven Polizeieinsatz kommt. Dass damit die Nachdemonstration am 1. Mai in Zürich gemeint ist, liegt auf der Hand.

Getroffen würden damit diejenigen, welche bewilligte Veranstaltungen am 1. Mai ausführen: Also das 1.-Mai-Kommittee und die Gewerkschaften. Da diese Kosten nicht bezahlt werden können, wäre es nicht mehr möglich, eine Bewilligung zu bekommen.

Es scheint ein relativ verzweifelter Versuch zu sein: Die Initiative ist, selbst wenn sie endgültig angenommen wird, kaum umsetzbar, da sie gegen zahlreiche Artikel vom übergeordneten Bundesrecht wie dem Willkürverbot oder der Versammlungsfreiheit verstösst. Es ist kaum ein Ursache-Wirkungs-Verhältnis zwischen dem bewilligten Umzug und den sich in spontaner Eigendynamik entwickelnden Strassenkämpfen vorhanden. Dies zeigt, dass es für die bürgerlichen Kantonsräte nicht so sehr um die Vermeidung von "Sachbeschädigungen" geht, als dem 1. Mai in politischer Hinsicht zuzusetzen.

Dennoch wirkt die Aktion des Kantonsrats wie ein wildes Herumfuchteln, nicht wie ein koordinierter Angriff. Sie zeigt aber die Angst und das Unbehagen, welche die Bürgerlichen dem 1. Mai und seiner politischen Bedeutung entgegenbringen.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 43/44/2010 - 66. Jahrgang - 19. November 2010, S. 2
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2010