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VORWÄRTS/1019: Revolution im Lego-Land


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr.17/18 vom 9. Mai 2014

Revolution im Lego-Land

Von David Hunziker



"The Lego Movie" ist ein erstaunlich intelligenter und sogar kritischer Film. Er erzählt die Geschichte eines totalitären Staates und einer Revolution dagegen. Schön ist, dass er dabei dem kreativen Individualismus ans Bein pisst.


Die Welt von "The Lego Movie" ist zuerst einmal durch und durch materialistisch. Alles, was sich in ihr befindet, ist aus den farbigen Bausteinen des Lego-Universums zusammengebaut und das Bewusstsein ihrer BewohnerInnen wird davon bestimmt, wie sie zusammengebaut sind. Theoretisch könnte diese Welt unendlich viele Formen annehmen, doch ihrem diktatorischen Herrscher, dem Bösewichten Lord Business, der sich hinter der Maske des harmlosen President Business verbirgt, missfällt dies zutiefst. Er will eine ruhige und ordentliche Gesellschaft. Sein diktatorischer Überwachungsstaat unterdrückt daher alles, was aus der Reihe tanzen könnte - vor allem Individualismus, schlechte Laune und negative Gefühle.

Emmet ist Bauarbeiter und ein typischer Bewohner dieser Welt. So etwas wie eigene Vorlieben oder Ideen kennt Emmet nicht. Er isst am liebsten in Filialen generischer Restaurant-Ketten, schaut sich die verblödete Show "Where are My Pants" (Wo sind meine Hosen) am Fernseher an oder hört sein Lieblingslied "Everything Is Awesome" (alles ist grossartig), das am Radio tagtäglich rauf und runter gespielt wird. Auf die Idee, dass all diese Dinge so toll sind, ist Emmet natürlich nicht selber gekommen, es steht in einer vom Staat verfassten Anleitung fürs Leben, die ihm für jede Situation Schritt für Schritt vorgibt, was zu tun ist. Auch wenn Emmet auf der Baustelle arbeitet, geht er so vor. Wenn er die Lego-Welt mit Tausenden anderen Arbeitern um ein Gebäude erweitert, hat er sich ebenfalls an einen Plan zu halten.


"Cloud Cuckoo Land"

Doch eines Tages wird die Ordnung seines Lebens ruckartig gestört. Emmet fällt nach der Arbeit in einen tiefen Schacht und kommt mit einem seltsamen roten Objekt in Berührung. Der Zauberer Vitruvius sagt ihm darauf, weil er das "Piece of Resistance" gefunden habe, sei eine Prophezeiung in Erfüllung gegangen und Emmet sei nun der Auserwählte, "The Special", der Lord Business bezwingen und die Gesellschaft befreien müsse. Zusammen mit der schlagkräftigen Kämpferin Wyldstyle tritt Emmet die Flucht an und gelangt durch ein Tor und eine Parallelwelt bis nach "Cloud Cuckoo Land". Dort begegnet er einer handvoll Widerstandskämpfern, die "Master Builder" genannt werden, weil sie die Fähigkeit haben, die Lego-Welt nach ihren eigenen Ideen zu gestalten. Schnell wird klar, dass diese Welt sehr ähnlich funktioniert wie diejenige von Lord Business, nur mit anderen Vorzeichen. Hier zählen zwar Individualität und Kreativität, doch wer schlechte Laune hat, wird ebenso in einen Kerker geworfen.

Bald erfahren die "Master Builder" vom schrecklichen Plan von Lord Business. Am "Taco Tuesday", einem riesigen Volksfest, will er die Bewohner seines Staates mithilfe einer riesigen Leim-Tube für immer an Ort und Stelle festkleben, auf dass seine Ordnung nie mehr gestört werde. Doch die "Master Builder" werden von der Polizei überrascht, bevor sie zum Angriff blasen können. Auch Emmet versucht, sich einzubringen, doch die beste Idee, die er hervorbringt, ist eine zweistöckige Couch, auf der man mit Freunden fernsehen kann. Ironischerweise stellt sich heraus, dass diese Idee so dämlich ist, dass sie funktioniert. Die missgebildete Couch wird von der Polizei übersehen und als einziges Objekt der widerständischen Parallelwelt nicht zerstört. Emmet und ein paar "Master Builder", die sich in den Polstern versteckt haben, überleben.


Emmets Plan

Weil die "Master Builder" mit ihren kreativen Ideen ständig scheitern, übernimmt nun Emmet das Zepter. Ironischerweise stellt sich heraus, dass seine Strategie, sich stupide nach einem vorgegebenen Plan zu richten, um einiges besser funktioniert. Anpassung ist der Schlüssel zum Erfolg. Rasch wird ein Frachtschiff des Imperiums von Lord Business nachgebaut und schon kann's losgehen. Einige Pointen weiter - davon gibt es einige und die Handlung nimmt immer wieder überraschende Wenden - ist die wichtigste schliesslich die: Vitruvius hat die Prophezeiung nur erfunden, weil letztlich jeder "The Special" sein kann, wenn er daran glaubt.

Das ist zum einen eine Parodie der dümmlichen Moral jedes Hollywood Blockbusters - du kannst es schaffen, wenn du nur an dich glaubst - und zum andern das, was den Film politisch macht. Was den Diktator letztlich stürzt sind nämlich nicht alleine Emmets Ideen, sondern auch der chaotische kreative Ausbruch der Bevölkerung der Lego-Welt, die mit all den Lego-Bausteinen um sich herum die wildesten Konstruktionen zu errichten beginnen. Die Menschen zerstören den Staat, eignen sich die Welt kollektiv an und setzen sie neu zusammen - so irgendwie muss Kommunismus funktionieren. Die Geschichte kennt mit Emmet zwar auch einen einzelnen Helden, der ist aber so hohl, dass er kaum als handelndes Subjekt gelten kann. Eher vielleicht als leerer Signifikant der Revolution, eine symbolische Leerstelle, auf die die Menschen ihre Hoffnungen projizieren können - ein kleiner Lego-Che-Guevara.

Was also kann uns "The Lego Movie" über die Revolution lehren? Sie kann nicht das Werk derjenigen sein, die sich in "Cloud Cuckoo Land" verschanzen, um die farbigsten Ideen auszubrüten, denn der "farbige" Individualismus der "Master Builder" - das heutige Pendant wären subkulturelle Möchtegernutopisten, die in autonomen Zellen eine neue Welt entwerfen - ist die Kehrseite der kapitalistischen Gleichmacherei. Wer sich dem Zwang zur Selbstverwirklichung nicht unterwirft, wird aus "Cloud Cuckoo Land" verstossen. Unterdrückung kann gleichgeschaltet sein, aber auch farbig. Die Lösung ist vielmehr etwas, was aus der etablierten Ordnung fällt und darum nur blöd wirken kann. Leider nimmt der Film dann eine weitere Wende, die der materialistischen Lego-Welt eine transzendentale Dimension verleiht. Emmets Aufstand und Lord Business' Drang nach Ordnung werden nämlich jeweils durch ein Kind, das mit Vaters Lego spielen will, und seinen Vater, der seine Lego-Stadt nicht als Spielzeug sieht, gelenkt. Nun also: Werdet wie die Kinder? Mit all seinen postmodernen Anspielungen ist der Film letztlich so leer wie Emmets Hirn. Im besten Fall sagt er also: Wer Politik im Kino sucht, ist eh verloren.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 17/18 - 70. Jahrgang - 9. Mai 2014, S. 6
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2014