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Z/260: Marx' Begriff der Nachhaltigkeit


Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 117 - März 2019

Marx' Begriff der Nachhaltigkeit

von Konrad Lotter


Der Begriff der Nachhaltigkeit, der in der gegenwärtigen Ökologiedebatte eine so zentrale Rolle spielt, kommt bei Marx und Engels nicht vor. Das heißt nicht, dass sie von dem, was er bezeichnet, nicht sehr genaue Vorstellungen gehabt hätten. Ökologische Gedanken besitzen in ihrem Werk, wie Iring Fetscher, Alfred Schmidt, Elmar Altvater, Paul Burkett, John Bellamy Foster u.a.[1] aufgezeigt haben, einen bedeutenden Stellenwert. Zuletzt entwickelten Kohei Saito und Carl-Erich Vollgraf eine "systematische und vollständige Rekonstruktion" von Marx' Ökologie bzw. den Gedanken einer "sukzessiven Untergrabung" der Springquellen allen Reichtums durch die "entfaltete kapitalistische Massenproduktion". Auch auf die in der MEGA erstmals veröffentlichten Exzerpte von Marx gestützt, heben beide die Sprengkraft hervor, die in diesen Gedanken angelegt ist. Für Saito erwächst aus der Zerstörung der Lebenswelt durch die kapitalistische Produktion "die Chance auf die Bildung einer neuen revolutionären Subjektivität, die eine radikale Umwälzung"[2] einfordert. Vollgraf sieht im Raubbau an der Natur ein "noch gewichtigeres, in der Tat ja auch existentielleres Argument für die angestrebte Aufhebung der herrschenden Produktionsweise" als in der wachsenden Kapitalkonzentration oder im tendenziellen Fall der Profitrate.[3] Im Folgenden werden Marx' Gedanken zur Ökologie zum einen auf den Begriff der Nachhaltigkeit zugespitzt; zum anderen wird Marx' Begriff gegen andere Begriffe der Nachhaltigkeit gewendet und abgegrenzt, wie sie in der gegenwärtigen Ökologiedebatte anzutreffen sind.

Zum Begriff des Stoffwechsels. Von der Physiologie zur Kritik der politischen Ökonomie

Der Begriff des Stoffwechsels macht im Verlauf des 19. Jahrhunderts eine erstaunliche Karriere. Seine Ursprünge liegen in der Physiologie. Von hier aus erobert er die Chemie, die Medizin, die Biologie, zuletzt auch noch die (National-)Ökonomie und die Philosophie. Mit seiner Hilfe wird das Leben auf eine wissenschaftliche, gegen den Vitalismus und das metaphysische Prinzip der Lebenskraft gerichtete Weise erklärt: als ein Wechsel oder Austausch von Stoffen. Alles Leben erhält und entwickelt sich demnach dadurch, dass es Stoffe (Sauerstoff, Nahrungsstoffe) aus seiner Umwelt aufnimmt und Stoffe (Fäkalien u.a.) an die Umwelt abgibt. Zwischen beiden Polen liegt die Aufspaltung und Metamorphose der aufgenommen Stoffe, der Transport ihrer nützlichen Teile an die entsprechenden Körperzellen sowie die Absonderung der nicht verwertbaren Teile.

Um 1850, als Marx den "Stoffwechsel" in seinen Wortschatz aufnimmt, war dieser Begriff vor allem durch den Chemiker Justus von Liebig[4] und den Arzt und Biologen Jacob Moleschott[5] zu Popularität gekommen. Marx kannte die Werke der beiden; die Theorien des Letzteren kannte er zuletzt auch durch den Freund und Arzt Roland Daniels, der ihm 1851 das Manuskript seiner Abhandlung Mikrokosmos. Entwurf einer physiologischen Anthropologie mit der Bitte um "scharfe, unumwundene Kritik" zugeschickt hatte. Darin wurde Moleschotts Nahrungs- und Stoffwechseltheorie aufgenommen und weiterentwickelt. Daniels definiert den Stoffwechsel als "fortwährenden Austausch von Materie", wodurch Pflanzen, Tiere und Menschen "ihre Individualität erhalten, indem sie dieselbe fortwährend neu erzeugen"[6] Durch Wilhelm Roscher geht der Begriff in die Nationalökonomie ein. Seine Grundlagen der Nationalökonomie (1854) sind nach "anatomisch-physiologische) Methode" dargestellt. Wo Roscher den "ununterbrochenen Formwechsel" der Waren zwischen Konsum und Produktion, "Verzehrung und Wiedererzeugung", behandelt, fügt er in einer Fußnote als Erläuterung hinzu: "Man denke an das bekannte Princip des Stoffwechsels in der Physiologie"[7]. Offenbar ist dabei an die Analogie zwischen dem Blut im Körper und dem Geld im Warenverkehr gedacht, die beide den Stoffwechsel vermitteln. Einen Anknüpfungspunkt für seine eigene Theorie des Stoffwechsels kann Marx bei Roscher allerdings ebenso wenig finden wie bei dem (Vulgär-) Materialisten Moleschott. Dessen "anatomisch-physiologische Methode" der "politischen Ökonomie tut er kurzer Hand als "eklektische Professorenfaselei"[8] ab.

Marx' Begriff des Stoffwechsels unterscheidet sich von dem der Physiologie in doppelter Hinsicht. Zum einen bezieht er sich nicht auf den Stoffwechsel organischer Körper, sondern auf den der menschlichen Arbeit. Zum anderen handelt er nicht von einem, vom Körper selbst vollzogenen, natürlichen, sondern von einem durch menschliche Praxis, mit Bewusstsein geplanten Vorgang. Wörtlich schreibt Marx: "Die Arbeit ist zunächst ein Prozeß zwischen Mensch und Natur, ein Prozeß, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert." Aus einem Synonym für das Leben wird der "Stoffwechsel" zu einem Synonym für die Arbeit als Austausch zwischen Mensch und Natur und zwar "zunächst unabhängig von jeder bestimmten gesellschaftlichen Form"[9]. Dabei tritt der Mensch der Natur (dem "Naturstoff") selbst als "eine Naturmacht" entgegen. Er beherrscht, wie Engels später formuliert, die Natur nicht "wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht", also wie jemand, der "außerhalb der Natur steht". Vielmehr gehört er der Natur "mit Fleisch und Blut und Hirn" an und steht "mitten in ihr"[10]. Tut er ihr Gewalt an, so beschädigt er sich selbst; denn für jeden Eroberungssieg "rächt" sich die Natur und bringe "unvorhergesehene Wirkungen" zum Schaden der Menschen hervor.

Nachhaltigkeit als geschlossener Kreislauf im Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur

Die Arbeit als Stoffwechsel wird von Marx als ein Vorgang begriffen, in dem der Mensch der Natur fortlaufend Stoffe entzieht, die er sich "in einer für sein eignes Leben brauchbaren Form" aneignet und ihr verbrauchte Stoffe, die er nicht mehr benötigt, zurückerstattet. Es besteht somit ein Kreislauf der geschlossen (ohne Rückstände) oder offen (mit Rückständen oder als Raubbau an der Natur) ausfallen kann. Nachhaltig wäre der Arbeits- oder Stoffwechselprozess, wenn zwischen der Entnahme und der Zurückerstattung ein Gleichgewicht besteht. Nicht nachhaltig wäre er, wenn eine Störung zwischen Ausgabe und Einnahme"[11] oder ein "fehlerhafter Kreislauf"[12] vorliegt.

Erstens wird der Begriff der Nachhaltigkeit somit auf die Produktion bzw. die produktive und also nicht auf die individuelle Konsumtion bezogen. Definiert man ihn stattdessen dadurch, dass "künftige Generationen nicht schlechter gestellt" sein sollen "ihre Bedürfnisse zu befriedigen, als gegenwärtig lebende",[13] so setzt man voraus, was eigentlich hinterfragt werden sollte. Sind die gegenwärtigen Konsumbedürfnisse, die in die Zukunft hinein verlängert werden sollen, überhaupt mit einer nachhaltigen Produktion vereinbar? Zweitens wird die Nachhaltigkeit als Folge einer "rationell geregelten" Produktion begriffen. Definiert man sie hingegen durch das Gebot, "natürliche Ressourcen nur so viel zu vernutzen, wie auf natürliche Weise regeneriert werden können", so überlässt man die Aufgabe der Regeneration (etwa von Holz oder Fischen) der Natur und beschränkt sich darauf, Abholz- oder Fischfangquoten festzulegen. Zudem dürfen Ressourcen, die tatsächlich nachwachsen nicht zum Paradigma für die Nachhaltigkeit anderer Ressourcen gemacht werden, die nicht nachwachsen. Drittens bezieht sich der Begriff der Nachhaltigkeit auf das Verhältnis des Menschen zur Natur. Sie steht damit im Gegensatz zu jener Definition, die ihn mit Flexibilität, Innovation und kluger Voraussicht gleichsetzt und mit der Zukunft einzelner Firmen oder Branchen, nicht mit der Zukunft der Menschheit in Verbindung bringt. Fast überflüssig zu erwähnen ist viertens, dass Marx' Theorie auf die Integrität des Menschen und des menschlichen Lebensraums und nicht auf die "Bewahrung der Schöpfung" ausgerichtet ist.

Marx' Interesse an den modernen Agrartheorien

Aus der langen Reihe der angefertigten Exzerpte und Lektüren (mit entsprechenden Anstreichungen)[14] geht hervor, dass Marx im Jahr 1866 mit einem neuen und intensiven Studium der modernen Agrartheorien begonnen hat. Es steht im Zusammenhang mit seiner Erforschung der Grundrente. Am 13. Februar dieses Jahres schreibt er an Engels, "die neue Agrikulturchemie in Deutschland, speziell [Justus von] Liebig und [Christian] Schönbein [seien] ... wichtiger für diese Sache [das Problem der Grundrente] als alle Ökonomen zusammengenommen".[15] Am 20. Februar berichtet Marx seinem Freund, dass "der Stickstoff der Luft als Nahrungsstoff der Pflanze dienen könne" und Schönbein der Nachweis gelungen sei, dass Ammoniak und Salpetersäure, die beiden "Pflanzennährstoffe", beim einfachen Verdampfen von Wasser entstehe.[16] Am 3. Januar 1868 kommt er auf die "Streitfrage zwischen den Mineraldünger- und Stickstoffdünger-Männern" zu sprechen, womit der Streit zwischen Liebig und Carl Fraas gemeint ist. Weiter berichtet er von einer Auflage, die er diesbezüglich an den befreundeten Chemiker Schorlemmer gerichtet hat, der ihm darauf allerdings keine Antwort geben konnte.[17] Am 25. März 1868 empfiehlt Marx Fraas' Buch Klima und Pflanzenwelt in der Zeit, eine Geschichte beider[18] zur Lektüre. Als dessen Verdienst hebt er den Nachweis hervor, "daß in historischer Zeit Klima und Flora wechselten" und nennt Fraas einen Darwinisten "vor Darwin". Insbesondere lobt er Fraas' (latente) "sozialistische Tendenz", die Erkenntnis nämlich, dass der Ackerbau "wenn er nicht bewußt" betrieben wird, sondern "naturwüchsig" voranschreitet, "Wüsten hinter sich zurückläßt."[19] In diesem Zusammenhang unterscheidet Marx zwischen der chemischen (Liebig u.a.) und der physikalischen Schule der Agrikultur (Fraas). Erstaunlich bei dieser Hochschätzung ist, dass der Name von Fraas nur im Briefwechsel, aber nicht im Kapital genannt wird.[20] Deutliche Bezugnahmen auf das von Marx empfohlene Buch finden sich dagegen in Engels Dialektik der Natur,[21] wo von der Abholzung der Wälder in Mesopotamien, Griechenland, Kleinasien etc. berichtet wird, die den Grund für den Entzug der Feuchtigkeit und "zur jetzigen Verödung jener Länder" gelegt habe.

Marx' Interesse an den modernen Agrartheorien kann auch als Interesse an einer nachhaltigen Produktion verstanden werden. Gerade darin nämlich stimmen die drei wichtigsten Agrartheorien des 19. Jahrhunderts überein, dass sie eine Balance des Stoffwechsels einklagen: Um die Fruchtbarkeit zu erhalten, muss dem Boden zurückgegeben werden, was ihm durch Wachstum und Ernte der Pflanzen entzogen wurde. Dafür stehen der sog. Humustheorie von Albrecht Thaer oder Johannes Burger zufolge drei Wege offen: die Düngung durch Stallmist oder Kompost, das "Eingrassen" des Ackers und seine zwischenzeitliche Verwendung als Weideland oder die Brache mit anschließendem Unterpflügen der Pflanzen und Wurzeln.[22] Folgt man der Agrarchemie Carl Sprengels oder Justus von Liebigs, so reicht der organische Dünger nicht aus. Um die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten, muss ihm außer Kohlen-, Wasser- und Stickstoff auch eine Reihe von Mineralien (Phosphor, Kalium, Magnesium, Schwefel, Kieselsäure u.a.) zurückerstattet werden, die nicht im Humus enthalten sind.[23]

Auch die Agrarphysik oder "Kraftkultur" von Carl Fraas, die dritte große Agrartheorie des 19. Jahrhunderts, betont das Prinzip der Nachhaltigkeit: "Alle durch eine Ernte dem Kulturlande entzogenen pflanzlichen Nährstoffe müssen ihm wieder ersetzt werden."[24] In der Frage, auf welche Weise dem Boden die pflanzlichen Nährstoffe ersetzt werden sollen, ist Fraas nach der Seite der Humus- wie der Agrarchemietheorie gleichermaßen offen. "Alles ist Dünger, was Pflanzen nährt."[25] Was ihn dagegen als Agrarphysiker auszeichnet, ist sein Interesse am Einfluss des Klimas und der Feuchtigkeit (mit Auswirkungen auf Verwesung und Verwitterung, wodurch neue Nährstoffe im Boden freigesetzt werden), an der geographischen (Höhen- oder Tal-) Lage der Anbaugebiete sowie der "Alluvion", d.h. der Bewässerung durch sauerstoffhaltiges Flusswasser, das u. U. durch künstlich angelegt Kanäle zu den Feldern geführt werden sollte.

Außer der Frage, durch welche Mittel der Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur im Gleichgewicht gehalten werden kann, unterscheiden sich die drei Agrartheorien in einem weiteren Punkt. Thaer und Fraas vertreten die Ansicht, der Boden könne durch rationelle Bearbeitung verbessert und so die Ernte gesteigert werden. Der englische Agrarwissenschaftler James Anderson, dessen Werk Marx ebenfalls studiert hat, war ihnen (um das Jahr 1800) darin vorausgegangen. Wenn Marx im Kapital die Menschen nicht als Eigentümer, sondern als bloße Besitzer und Nutznießer der Erde bezeichnet, die sie "als boni patres familias den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen" hätten,[26] so stellt er sich damit in diese Tradition. Im Gegensatz dazu wird Liebig im Laufe seiner Entwicklung in Bezug auf die Nachhaltigkeit immer skeptischer. Zuerst vertritt er die Auffassung, die Fruchtbarkeit des Bodens könne durch rationelle Bearbeitung höchstens erhalten aber nicht verbessert werden. Zuletzt erregt er durch seine Theorie des "abnehmenden Bodenertrags", d.h. einer notwendig eintretenden langsamen Erschöpfung des Bodens die Aufmerksamkeit einer großen Öffentlichkeit.

Bezüge zur Bevölkerungstheorie von Robert Malthus

Von Anfang an stand die Theorie des abnehmenden Bodenertrags unter der Vorgabe (und Kritik) der Bevölkerungstheorie von Robert Malthus. Ihr zufolge vermehrt sich die Bevölkerung im Zuge der Industrialisierung in geometrischer, der Ertrag des Bodens aber höchstens in arithmetischer Progression. Gemessen an der Nahrungsmittelproduktion kommt es daher unausweichlich zu Engpässen der Versorgung bzw. zu einer Übervölkerung, die Menschen dazu zwingt, ums tägliche Brot zu kämpfen, Verbrechen zu begehen oder zu verhungern. Wem Engels sich in seiner frühen Abhandlung über die Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie (1844) auf die Agrarchemie von Humphrey Davys und Justus von Liebig beruft und von einer Steigerung der Ertragsfähigkeit des Bodens "ins Unendliche" schwärmt,[27] so will er damit die Malthussche Theorie widerlegen und die Armut und Hungersnöte nicht auf die Übervölkerung, sondern auf die kapitalistische Organisation der Landwirtschaft zurückführen. Noch im Kommunistischen Manifest (1848) werden die "Anwendung der Chemie ... auf [den] Ackerbau" und die "Urbarmachung ganzer Weltteile"[28] der Bourgeoisie und ihrem Wirtschaftssystem hoch angerechnet.

Während Marx und Engels mit Liebig gegen Malthus argumentieren, schwankt Liebig umgekehrt im Verlauf seines Lebens auf Malthus' Argumentation ein. In der 7. Auflage seines Buches Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie,[29] dessen Erstauflage von 1840 die Grundlage für den Optimismus von Marx und Engels hinsichtlich der Möglichkeit einer ausreichenden Ernährung auch einer wachsenden Bevölkerung darstellte, ist das Kapitel "Einleitung in die Naturgesetze des Feldbaus" eingefügt. In ihm entwickelt Liebig seine Theorie einer langsamen aber unausweichlichen Erschöpfung des Bodens mit notwendigem Rückgang der Ernteerträge. Auf ihrer Grundlage mit ihrer prinzipiellen Verneinung der Nachhaltigkeit gelangt er zu Malthusschen Horror-Szenarien, nicht nur zwischen den Gesellschaftsklassen, sondern auch den Nationen: "Um der Selbsterhaltung willen werden die Völker gezwungen sein, sich in grausamen Kriegen gegenseitig abzuschlachten und zu zerstören. Das sind weder vage, dunkle Prophezeiungen noch Träume eines krankhaften Gemütes, denn die Wissenschaft prophezeit nicht, sie rechnet. Nicht das Ob, nur das Wann ist ungewiss"[30]

Kapitalistische Schranken einer nachhaltigen Produktion

Im Anschluss an Liebigs Erschöpfungs-Theorie entwickelte sich eine breite wissenschaftliche Kontroverse.[31] Marx schloss sich darin weder Liebig und seinen Anhängern noch Liebigs Kritikern vorbehaltlos an, sondern bezog eine dritte Position. Zum einen rechnet er es Liebig als "unsterbliches Verdienst" an, die "negative Seite der modernen Agrikultur", ihren Mangel an Nachhaltigkeit und die damit verbundene Erschöpfung des Bodens "vom naturwissenschaftlichen Standpunkt" aus entwickelt zu haben.[32] Zum anderen kritisiert er ihn (unter anderem), dass er den Mangel an Nachhaltigkeit nur oder vorwiegend vom naturwissenschaftlichen Standpunkt betrachtet hat, ohne dabei das kapitalistische Interesse zu berücksichtigen, das diesem Raubbau zugrunde liegt. Richtet sich der Blick auf die gesellschaftliche Form, unter der der Arbeits- oder Stoffwechselprozess stattfindet, so verändert sich die Perspektive. Als Hauptursache mangelnder Nachhaltigkeit erscheint dann nicht mehr die mangelnde Rückerstattung der verbrauchten Stoffe an den Boden, als Hauptursache erscheinen vielmehr die gesellschaftlichen Verhältnisse, die diese Rückerstattung verhindern. Es ist die auf die Produktion von Mehrwert und Wachstum ausgerichtete Produktion, die den "Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde, d.h. die Rückkehr der vom Menschen in der Form von Nahrungs- und Kleidungsmitteln vernutzten Bodenbestandteile zum Boden" stört, die "die ewige Naturbedingung dauernder Bodenfruchtbarkeit"[33] darstellt. Diese Störung beginnt nicht plötzlich; ihre Ursachen reichen weit in die vor-kapitalistischen Gesellschaftsformationen zurück.

Zuerst wäre die Entstehung der Warengesellschaft zu nennen, in der (noch ehe die Arbeitskraft selbst zur Ware wird) die Lebensmittel nicht mehr als Gebrauchswerte, also zum eigenen Bedarf, sondern als Tauschwerte für den Markt produziert werden. Unter dieser Voraussetzung kann sich die Trennung von Stadt und Land vollziehen, die eine erste Störung des Stoffwechsels nach sich zieht. Produktion und Konsum treten räumlich auseinander. Auf dem Land werden die Nahrungsmittel produziert und der Boden ausgelaugt, in den Städten wird konsumiert, wobei Abfälle anfallen, die über Flüsse und Kanäle entsorgt und nicht dem Boden wiedergegeben werden. Es entsteht so, wie Marx schreibt, ein "unheilbarer Riß",[34] denn mit dem wachsenden Übergewicht der städtischen Bevölkerung wird der ökologische Kreislauf immer stärker durchbrochen. Schon Liebig hatte in seinen sog. Sewage-Briefen (1864/65) an den Bürgermeister von London die Einführung von WCS und den Bau von Abwasserkanälen kritisiert, wodurch dem Boden - nicht nur durch Fäkalien, sondern auch durch das Schmutzwasser worin Fische, Kartoffeln, Gemüse etc. gekocht wurden - wichtige Nährstoffe entzogen werdet.[35] Unter Berufung auf Liebig nimmt Engels dieses Argument in seiner Schrift Zur Wohnungsfrage auf: "Wenn man sieht, wie hier in London allein eine größere Menge Dünger als das ganze Königreich Sachsen produziert, Tag für Tag unter Aufwendung ungeheurer Kosten - in die See geschüttet wird, und welche kolossalen Anlagen nötig werden, um zu verhindern, daß dieser Dünger nicht ganz London vergiftet, so erhält die Utopie von der Abschaffung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land eine merkwürdig praktische Grundlage."[36] Ganz ähnlich äußerst sich Marx im dritten Band des Kapital.[37]

Durch den massenhaften Export von Getreide, Obst, Fleisch, Wolle etc. erlebt (neben der Entstehung von Monokulturen) der Ruin des Bodens eine neue Qualität. Traten bei der Trennung von Stadt und Land die Produktion und der Konsum nur innerhalb eines Landes auseinander, so werden sie durch den Export auf verschiedene Länder verteilt, wodurch das Recyceln der Abfallstoffe ganz unmöglich wird. Auch in diesem Zusammenhang wird Liebig als Gewährsmann genannt: "Bodenkraft [wird] verschleudert und diese Verschleuderung durch den Handel weit über die Grenzen des eignen Landes hinausgetragen ... (Liebig)."[38] Letztlich aber wird das Gleichgewicht des Stoffwechsels erst "durch die Unterordnung der Agrikultur unter das Kapital" außer Kraft gesetzt. Denn unter der Vorgabe des Profits werden alle mechanischen, chemischen, technischen und organisatorischen Mittel eingesetzt, um die Arbeit zu intensivieren und die Erträge zu steigern. Das Interesse der langfristigen Erhaltung und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit tritt hinter das Interesse kurzfristiger Profitsteigerung zurück. Das "kapitalistische System [widerstrebt] einer rationellen [auf Nachhaltigkeit ausgerichteten] Agrikultur", schreibt Marx, eine "rationelle Agrikultur [ist] unverträglich ... mit dem kapitalistischen System".[39] Zur Stützung seines Arguments zitiert Marx das Urteil der "ganz konservativen Agrikulturtheoretiker" James Johnston und Charles Comte, dem zufolge "eine wirklich rationelle Agrikultur überall am Privateigentum unüberwindliche Schranken findet".[40] Es ist, wie Johnston schreibt, nicht nur die Parzellierung und Kleinteiligkeit (mit widersprechenden Interessen der Privateigentümer), die eine rationelle Landwirtschaft unmöglich macht, sondern auch der Raubbau, der "fruchtbaren Boden unfruchtbar" werden lässt.

Nachhaltigkeit in Bezug auf die Arbeit

Wie der Boden wird auch der Arbeiter unter der Bedingung einer exponentiell wachsenden Ökonomie "ausgelaugt". Ausgeglichen wäre der Stoffwechsel in Bezug auf die individuelle Arbeitskraft, wenn dem Arbeiter physisch und psychisch zurückerstattet würde, was ihm durch Verausgabung seiner Arbeitskraft entzogen wurde. Nur so wäre sichergestellt, dass er "denselben [Arbeits-] Prozeß morgen unter denselben Bedingungen von Kraft und Gesundheit wiederholen" kann.[41] Davon aber kann keine Rede sein. Und so kommt Marx zu dem Schluss, dass "jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ... nicht nur ein Fortschritt in der Kunst" ist, den Boden, sondern zugleich auch "in der Kunst, den Arbeiter ... zu berauben". Weitab jeder Nachhaltigkeit untergräbt der Kapitalismus "die Springquellen alles Reichtums ...: die Erde und den Arbeiter"[42].

Endlichkeit der natürlichen Rohstoffe

Im Falle der Landwirtschaft erscheint Nachhaltigkeit - unter der Voraussetzung rationeller Arbeit und konstanter klimatischer Verhältnisse - noch grundsätzlich verstellbar. Im Falle der Industrie, die fortwährend Energie und andere Rohstoffe vernutzt, kann von Nachhaltigkeit nicht mehr die Rede sein. An die Stelle des (möglichen) Kreislaufs tritt der lineare Verbrauch von Vorräten. Sobald Holz und Muskelkraft als Energielieferanten nicht mehr ausreichen und Kohle (später Erdöl, Erdgas, Uran) an ihre Stelle treten, wird ein nicht erneuerbarer Rohstoff zur wichtigsten Energiequelle. Auch andere Rohstoffe wie Eisenerz, Silber, Kupfer, Bauxit, Zink etc., die für die Produktion von Werkzeugen, Maschinen, Transportmitteln oder die Befriedigung gesteigerter Konsumbedürfnisse eingesetzt werden, sind nicht erneuerbar. Durch Sparsamkeit, effizienten Umgang oder Recyceln können die vorhandenen Vorräte höchstens gestreckt, aber nicht aufgestockt werden. Die "boni patres familias" können der nächsten Generation vielleicht einen verbesserten Boden, aber keine vermehrten Vorräte an Kohle, Erdöl etc. hinterlassen. Auf diesen Unterschied macht bereits Engels aufmerksam Der Industriearbeiter, so schreibt er, ist ein "Verschwender vergangner Sonnenwärme", seine Arbeit eine ununterbrochene "Verschleuderung von Energievorräten, Kohlen, Erze, Wälder usw.", denn "in allen Industriezweigen wird Energie bloß ausgegeben"[43] und nicht nur Energie, sondern auch alle anderen Rohstoffe. So kommt es zur "Erschöpfung von Kohlen- und ... Eisenbergwerken etc.". Deren Ausbeute wird "oft minder ergiebig" und zwar "im selben Verhältnis, wie die Produktivität [der Arbeit] ... steigt".[44]

Der "Stoffwechsel" der industriellen Arbeit geht nicht nur einseitig zu Lasten der natürlichen Vorräte, er gibt der Natur auch Müll, "Emissionen", Strahlungen etc. zurück, die sie nicht in ihre bisherigen Kreisläufe integrieren kann, wodurch der menschliche Lebensraum beschädigt wird. Schon lange vor den Diskussionen um CO2, Feinstaub, Treibhauseffekt etc. berichtet Engels von der Verschmutzung der Luft, der Flüsse und des Bodens, die er rund um die englischen Industriestädte des frühen 19. Jahrhunderts beobachtet hatte. Er berichtet von "Kloaken und Abtritten", den Abwässern von "Gerbereien ­... Färbereien, Knochenmühlen und Gaswerken",[45] den "Schutthaufen", dem "Schmutz", dem "Unflat" und "Kot",[46] vom allgegenwärtigen Gestank und dem fehlenden Sauerstoff zum Atmen, der die Gesundheit der Menschen untergräbt und die Lebenserwartung sinken lässt.

Mögliche Auswege

Wie können, unter der Voraussetzung endlicher Rohstoffe, die Bedürfnisse zukünftiger Generationen befriedigt werden? Für Marx bestand dieses Problem natürlich nicht in der brisanten Form, in der es heute besteht, wo sich im Kampf der Nationen um die endlichen Rohstoffe der Ausbruch eines "neuen Kalten Krieges" anbahnt.[47] Im Kapital ist der "Nutzbarmachung der Exkremente der Produktion"[48] ein eigenes Kapitel gewidmet. Die Wortwahl ("Exkremente") lässt vermuten, dass der Stoffwechsel der Landwirtschaft mit seiner Kreisläufigkeit auch als Vorbild für die industrielle Produktion in Erwägung gezogen wird. Wörtlich spricht Marx von der "Ökonomie der Exkremente": Wie in der Landwirtschaft Fäkalien, Kleidungsstücke und andere organische Abfälle dem Boden wieder zugeführt werden, so könnte das vielleicht auch mit den Abfällen der industriellen Produktion geschehen.[49] Als "Fortschritt der Wissenschaft", speziell der Chemie, bezeichnet Marx in diesem Zusammenhang die Entdeckung der "nutzbaren Eigenschaften solcher Abfälle",[50] somit die (zumindest partielle) Schließung offener Kreisläufe im Stoffwechsel des Menschen mit der Natur. Als Fortschritt der Wissenschaft könnte natürlich auch die Entdeckung neuer, nützliche Eigenschaften an bekannten Naturstoffen[51] oder die Entdeckung und Produktion von Kunststoffen bezeichnet werden.

In Bezug auf die Rohstoffe, die sich prinzipiell der Erneuerung entziehen, scheint deren Erschöpfung nur auf zwei Wegen kompensiert werden zu können: durch die Erschließung neuer Quellen oder die Entwicklung von Surrogaten. Der eine Weg wird bereits durch die Nutzung und Verbesserung alternativer (nicht fossiler) Energiequellen (Sonnen- und Windenergie etc.), der andere durch die Produktion neuer synthetischer Werkstoffe beschritten, die an die Stelle der alten natürlichen Stoffe treten, die langsam aufgebraucht werden. Dabei allerdings wäre erstens zu fragen, ob die Entwicklung (und Speicherung) alternativer Energien tatsächlich eines Tages in der Lage sein werden, die fossilen Energieträger vollständig zu ersetzen; zweitens, ob die Entwicklung alternativer Werkstoffe in dem Maße fortschreitet, in dem die Vorräte an natürlichen Stoffen aufgebraucht werden, ob sie diese tatsächlich gleichwertig ersetzen können und ob mit ihrer Produktion nicht wieder neue, gefährliche Nebenwirkungen einhergehen; drittens, ob diese Entwicklungen überhaupt innerhalb des Rahmens kapitalistischer Produktionsverhältnisse möglich sind.

Darin liegt offenbar der Hauptunterschied zwischen Marx und der gegenwärtigen Diskussion um den Begriff der Nachhaltigkeit, die wie selbstverständlich davon ausgeht, dass sich die überfälligen ökologischen Korrekturen innerhalb des bestehenden Systems bewerkstelligen lassen. Wenn Marx davon spricht, dass die "assoziierten Produzenten" dereinst ihren "Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln" und "unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen",[52] so verbindet er damit ganz andere Zukunftsvorstellungen. "Rationell regeln" heißt für ihn nicht nur die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln, die Beseitigung der Produktionsanarchie zwischen konkurrierenden Unternehmen (die jede für sich höchst rationell produzieren), die gesellschaftliche Planung der Produktion und die Vermeidung ökonomischer Krisen. "Rationell regeln" bezieht sich auch auf den ökologischen Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur mit dem Ziel geschlossener Kreisläufe und dem Ideal der Nachhaltigkeit: auf die Utopie der Versöhnung des Menschen mit der Natur, des "durchgeführten Naturalismus des Menschen" und des "durchgeführten Humanismus der Natur"[53].


Anmerkungen

[1] Iring Fetscher: Überlebensbedingungen der Menschheit. Ist der Fortschritt noch zu retten?, München 1985. Ders.: Fortschrittsglaube und Ökologie im Denken von Marx und Engels, in: PRAXIS International, Bd. 2, 187-205. Alfred Schmidt: Der Begriff der Natur in der Lehre von Marx, Hamburg 1993 (Marx' Gedanken zur Ökologie behandelt Schmidt erst in der 4. Auflage seines schon 1971 erschienen Buches). Elmar Altvater: Preis des Wohlstands oder Umweltplünderung und neue Welt(un)ordnung, Münster 1992. Paul Burkett: Marx and Nature. A Red and Green Perspective, Chicago 1999. Ders.: Marx and Ecological Economics. Toward a Red and Green Political Economy, Chicago 2006. John Bellamy Foster: Marx' Ecology. Materialism and Nature, New York 2000.

[2] Kohei Saito: Natur gegen Kapital. Marx' Ökologie in seiner unvollendeten Kritik des Kapitalismus, Frankfurt/M. 2016, 14, 22.

[3] Carl-Erich Vollgraf: Marx über die sukzessive Untergrabung des Stoffwechsels der Gesellschaft bei entfalteter kapitalistischer Massenproduktion, in: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung, Neue Folge 2014/15, Hamburg 2016, 93.

[4] In seinem Buch Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie schreibt Liebig (mit Bezug auf das menschliche Leben): "Ein Stoffwechsel im Blute, ein Uebergang seiner Bestandtheile zu Fett, Muskelfaser, Nerven-, Gehirnsubstanz, zu Knochen, Haaren etc., eine Metamorphose von Nahrungsstoff im Blut ohne gleichzeitige Bildung von neuen Verbindungen, welche durch die Organe der Secretion wieder aus dem Körper entfernt werden, ist nicht denkbar." (Braunschweig 1840, 332). Marx zitiert aus diesem Werk wiederholt im Kapital (MEW 23, 254, 529, 598), allerdings aus der erweiterten und veränderten 7. Auflage von 1862. Bleibt der Begriff in diesem Werk noch eine Randerscheinung, so übernimmt er in Liebigs nächstem Buch, das den Titel Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie trägt, eine Hauptrolle. Darin untersucht Liebig u.a. das Verhältnis der vom Körper aufgenommenen Stoffe zur Wärmeentwicklung des Körpers: "Durch Wärmeentziehung muß demnach, bei hinreichender Nahrung und ungehindertem Sauerstoffzutritt, der Stoffwechsel beschleunigt werden." (Braunschweig 1842, 241)

[5] In Moleschotts Lehre der Nahrungsmittel: Für das Volk (Erlangen 1850, 1853 und 1858) ist das erste Kapitel "Der Stoffwechsel" überschrieben. Darin wird der Prozess der Verdauung, die Aufspaltung der aufgenommenen Nahrungsstoffe und ihr durch das Blut vermittelter Transport zu den verschiedenen Körperzellen beschrieben. "Die Bestandtheile der Nahrungsmittel gelangen von dem Verdauungskanal aus in das Blut. Vom Blute gehen sie in die Werkzeuge unsres Körpers über. In diesen erleiden sie bestimmte Veränderungen, um als Auswurfsstoffe in das Blut zurückzukehren; aus dem Blute werden sie von eigenthümlichen Theilen des Körpers ausgeschieden und endlich nach außen entleert." (§ 1, 8). Vom Körper des Tiers oder Menschen weitet Moleschott den Begriff des Stoffwechsels später auf die gesamte Natur aus. Er wird auf diese Weise zu einem Synonym für das Leben überhaupt oder den Kreislauf des Lebens: So lautet der Titel des nächsten Buches, in dem Moleschott "Physiologische Antworten auf Liebig's Chemische Briefe" gibt, die erstmals 1844 erschienen und auf großes Interesse gestoßen sind. Seine zentrale These lautet: "Was der Mensch ausscheidet, ernährt die Pflanze. Die Pflanze verwandelt die Luft in feste Bestandtheile und ernährt das Thier. Raubthiere leben von Pflanzenfressern um selbst eine Beute des Todes zu werden und neues keimendes Leben in der Pflanzenwelt zu verbreiten. - Diesem Austausch des Stoffs hat man den Namen Stoffwechsel gegeben. (...) das ewige Kreisen des Stoffs [ist] die Seele der Welt." (Mainz 1852, 3. Brief, 41) Auch dieses Buch Moleschotts erschien in mehreren Auflagen.

[6] Erstveröffentlichung des Manuskripts von 1851, hg. vom Karl Marx Haus in Trier, Funkfurt/M. 1988, 29.

[7] Wilhelm Roscher: Grundlagen der Nationalökonomie, Stuttgart 1854, § 42, 65, 67. Die 11. Auflage des Werks erscheint 1878. Marx zitiert das Werk in seiner 3. Auflage von 1858.

[8] MEW 23, 107, 221 Fußn.

[9] MEW 23, 192. Anzumerken wäre allerdings, dass Marx den Begriff des Stoffwechsels nicht immer in dieser Bedeutung, sondern - insbesondere in den Grundrissen (1857/58), also zehn Jahre vor dem Kapital - auch noch in anderen Bedeutungen verwendet hat: etwa für den "Prozeß des Austauschs" von Gebrauchswerten oder die "Zirkulation des Kapitals" (MEW 42, 167, 555, 584). In Anspielung auf Hegels "List der Vernunft" ist in den Grundrissen auch der Satz zu lesen: "die menschliche Arbeit hat den chemischen Stoffwechsel (in der Agrikultur) nur zu leiten" (MEW 42, 267; vgl. 654.).

[10] MEW 20, 453.

[11] MEW 26.3, 303.

[12] MEW 20, 276. Vgl. MEW 23, 528.

[13] Zu diesem und den folgenden Definitionen aus dem Brundtland-Bericht u.a. siehe Iris Pufé: Nachhaltigkeit, Konstanz-München 2014, 33ff., 95ff. Ulrich Grober: Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffs, München 2013, 165. sowie das "Lexikon der Nachhaltigkeit", das im Internet unter
https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/definitionen_1382.htm?sid=kqr6d6bj02mtrt1s69pklcgoa7 nachzulesen ist.

[14] Sie sind aus dem Nachlass inzwischen in der IV. Abteilung der neuen MEGA veröffentlicht.

[15] MEW 31,178.

[16] Ebd., 183.

[17] 1995 ist die Münchner Dissertation von Fritz Andreas Zehetmair Carl Nikolaus Fraas (1810-1875) erschienen, die auf Marx' Anfrage präzise Antworten gegeben hätte. Auf das Interesse von Marx wird darin allerdings keinerlei Bezug genommen.

[18] Landshut 1847.

[19] MEW 32, 52f.

[20] Der erste Band des Kapital erschien (1867) noch vor Marx' Fraas-Studium. Fraas' Name wird aber auch in der zweiten Auflage (1873) oder den weiteren Bänden des Kapital nicht genannt.

[21] MEW 20, 452-455.

[22] Albrecht Thaer: Grundsätze der rationellen Landwirtschaft, Berlin 1809 / 12, 2. Band, § 251 und § 256. Die 6. Auflage dieses verbreiteten Lehrbuchs ist 1868 erschienen.

[23] Dabei ist das "Gesetz des Minimums" zu berücksichtigen: Von allen Mineralstoffen, die eine Pflanze zum Wachsen benötigt, setzt derjenige Mineralstoff die Ertragsgrenze, der (im Verhältnis zur benötigten Menge) am wenigsten vorhanden ist. Der "Zustand der Erschöpfung" tritt demnach "unabwendbar ein, ... wenn in einer Reihenfolge von Culturen dem Boden nur ein einziger von allen den verschiedenen für die Ernährung der Gewächse nothwendigen mineralischen Nahrungsstoffen entzogen werden ist, denn der eine, der fehlt oder mangelt, macht alle anderen wirkungslos". Justus von Liebig: Chemische Briefe (1844), Leipzig-Heidelberg 1859, 44. Brief, 2. Bd., 341. Liebigs Kritik der Humustheorie ist im 2. Kapitel seines Buches über Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie, Braunschweig 1840, nachzulesen. Über die Diskussion der Liebigschen Agrartheorie, die der praktischen Überprüfung in vielen Fällen nicht standhielt und in späteren Auflagen des Buches grundlegend geändert wurden, siehe William H. Brock: Justus von Liebig. Eine Biographie des großen Wissenschaftlers und Europäers, Braunschweig-Wiesbaden 1999, 121-149.

[24] Carl Fraas: Geschichte der Landbau- und Forstwirtschaft, seit dem 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 1865, 9. Buch, § 68, 438. Fraas hat lange Jahre mit Liebig zusammengearbeitet; 1864 nach einem öffentlich ausgetragenen Streit trennten sich ihre Wege.

[25] Ebd.

[26] MEW 25, 784.

[27] MEW 1, 517.

[28] MEW 4, 467.

[29] Braunschweig 1862. Es ist die Auflage, die Marx später exzerpiert und im Kapital zitiert hat.

[30] So in einem Beitrag für den "Daily Telegraph" vom Oktober 1862, zitiert nach William H. Brock: Justus von Liebig, a.a.O., 146.

[31] Vgl. Vollgraf, a.a.O., 108f, 113ff.: Johannes Conrad: Liebigs Ansicht von der Bodenerschöpfung und ihre geschichtliche, statistische und nationalökonomische Begründung kritisch geprüft, Jena 1864. Carl Arnd: Justus von Liebigs Agriculturtheorie und sein Gespenst der Bodenerschöpfung, Frankfurt/M. 1864. Julius Au: Justus von Liebigs Lehre von der Bodenerschöpfung, Heidelberg 1869 u.v.a.. Der amerikanische (Vulgär-) Ökonom Henry C. Carey stimmte Liebig zu, Johannes Conrad, Carl Arnd, Julius Au, Carl Fraas oder F.A. Lange, die Marx 1868 exzerpierte oder, wie er an Ludwig Kugelmann am 6. März 1868 schrieb, "hinunterwürgte" (MEW 32, 539), lehnten Liebigs These mehr oder weniger entschieden ab.

[32] MEW 23, 529. "Über die abnehmende Produktivität des Bodens bei sukzessiven Kapitalanlagen ist Liebig nachzusehn", heißt es in MEW 25, 753.

[33] MEW 23, 528.

[34] MEW 25: 821.

[35] In einem dieser Briefe schreibt Liebig: "Als berühmter deutscher Chemiker spreche ich die Warnung aus, daß die Toilette mit Wasserspülung Verwüstungen im Ausmaß von Noahs Sintflut verursacht. Jeder einzelne Zug an der Kette des Spülkastens schwemmt wie die Sintflut viele nährende Stoffe hinweg. Was so in den Gallonen von Wasser ertränkt wird, entspricht einer Massenschlachtung." Zitiert nach William H. Brock: Justus von Liebig, a.a.O., 204.

[36] MEW 18, 280.

[37] MEW 25, 110.

[38] MEW 25, 821.

[39] MEW 25, 131.

[40] MEW 25, 630 Fußn., 682.

[41] MEW 23, 185.

[42] MEW 23, 529f.

[43] MEW 35, 134, 136.

[44] MEW 25, 270.

[45] Friedrich Engels: Die Lage der arbeitenden Klasse in England (1845), MEW 2, 282, vgl. ebd., 291.

[46] MEW 2, 283, 285, 292.

[47] Vgl. Erich Follath und Alexander Jung (Hg.): Der neue Kalte Krieg. Kampf um die Rohstoffe, München 2006.

[48] MEW 25, 110ff.

[49] MEW 25, 112. Vgl. MEW 23, 220. Von einem "geschlossenen Kreis" spricht Engels auch in Bezug auf die Entdeckung der Möglichkeit, die verschiedenen Formen von (mechanischer elektrischer, Wärme- oder Licht-) Energie zu verwandeln und zurückzuverwandeln. (MEW 35, 444)

[50] MEW 25, 111.

[51] MEW 19, 379.

[52] MEW 25, 828.

[53] MEW EB 1, 538.

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Quelle:
Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 117, März 2019, Seite 113 - 124
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2019

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