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BERICHT/147: Ausstellung in Mainz - 400 Jahre Zeitungsgeschichte (JOGU Uni Mainz)


[JOGU] Nr. 206, November 2008
Das Magazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

400 Jahre Zeitungsgeschichte
Auswahl bildet den deutschen Journalismus ab

Von Peter Thomas


Vier Jahrhunderte Zeitung: Diesem Thema widmet sich die neue Ausstellung im Journalistischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die 31 Titelseiten historischer Zeitungen aus der Zeit seit 1609 stammen aus dem Deutschen Zeitungsmuseum der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz.


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Manchmal sind alte Schlagzeilen richtig gute Nachrichten. Das gilt zumindest im Treppenhaus des Journalistischen Seminars der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, wo seit Juni eine Auswahl historischer Titelseiten aus der Sammlung des Deutschen Zeitungsmuseums in Wadgassen gezeigt wird. Das Motto "400 Jahre Presse" macht deutlich, dass auch in der Zeit digitaler Informationsströme die Zukunft des Journalismus auf einem soliden historischen Fundament der bewusst gemachten Herkunft ruht.

Frisch geweißter Putz als Hintergrund, eine lockere Hängung mit ansprechender Beschriftung - insgesamt 31 Exponate sind auf diese Weise entlang der Treppe vom Erdgeschoss in den ersten Stock an den Wänden der Domus Universitatis zu sehen. Allerdings hat Dr. Roger Münch, Direktor des Zeitungsmuseums, keine Originale nach Mainz geschickt. Vielmehr zeigt die Ausstellung Reproduktionen, die mit moderner Technik - zumeist Kaltlichtscans - hergestellt worden sind. In der museumseigenen Werkstatt sind diese Scans als detailgetreue Reproduktionen gedruckt und auf Karton aufgezogen worden.

Bewusst hat Münch, der in den 1990er Jahren Buchwissenschaft in Mainz lehrte und das Zeitungsmuseum von 1997 an aufbaute, die Formate der Vorlagen nicht verändert. Deshalb erscheinen dem heutigen Betrachter vor allem die frühen Nachrichtenblätter seltsam klein, während wenige Meter weiter die Seiten zeitgenössischer Qualitätszeitungen im nordischen Format hängen. "Alles andere hätte Charakter und Tonwerte der Originale aber nicht korrekt wiedergegeben", betonte der Museumsdirektor bei der Eröffnung der Ausstellung.

Schon wer die Chronologie der Zeitungsgeschichte von hinten aufrollt und die erste Titelseite der FAZ aus dem Winter 1949 mit dem heutigen Auftritt des Blattes vergleicht, kann die Umbrüche erahnen, die das Medium Zeitung in diesen knapp 60 Jahren erlebt hat. Umso größer fällt der Sprung natürlich von heute zu den Pionieren des Mediums wie der weltweit ersten Zeitung, der Straßburger "Relation", aus. Dieses erstmals 1605 gedruckte Blatt ist in der Mainzer Schau mit einer Seite von 1609 vertreten.

Wirtschaftsnachrichten und Glamour, Politik und Satire, politischer Widerstand und rassistische Hetze: Die Bandbreite der Ausrichtungen, Inhalte und Formen zeigt die Zeitung als ein Medium mit vielen - auch dunklen - Facetten. "Diese Auswahl bildet den deutschen Journalismus ab, sie demonstriert den Mut von Autoren ebenso wie Verbrechen", sagte denn auch Professor Dr. Karl Nikolaus Renner zur Eröffnung der Schau.

Die Ausstellung sei durch die großzügige Kooperation des Deutschen Zeitungsmuseums eine "einmalige Chance" für das Journalistische Institut, betonte Renner, der die Professur für Fernsehjournalismus innehat. Denn der Rückblick auf 400 Jahre Zeitung sei nicht nur ein historisches Dokument, sondern zeige auch jedem Studierenden am Seminar, dass Journalisten ein gutes Stück gesellschaftliche Verantwortung übernehmen müssen: Also genau nicht so wie in der 1847 erschienenen Karikatur der "Guten Presse", wo die Redakteure am Gängelband der maulwurfsblinden Regierung und ihrer Zensoren einher trotten.

Das Drucken im Bleisatz lernt zwar heute niemand mehr in der Domus Universitatis. Dafür spielt der handwerkliche Aspekt des Zeitungmachens am Computer im Studium eine wichtige Rolle. Grund genug, sich in der Ausstellung durch historische Illustrationen auch dem Aspekt der Produktion zuzuwenden. Und Mainz als Heimatstadt Gutenbergs lädt ja sowieso dazu ein, den Fokus der Mediengeschichte auf die Bedingungen und Techniken der Herstellung zu richten.

So berichtet die Ausstellung eben nicht nur von 400 Jahren Zeitungen, Flugblättern und Generalanzeigern, von konservativer Tagespresse und der Geburt des modernen Boulevardblatts in Deutschland, sondern betrachtet auch die Technikgeschichte der Zeitung. Von der Setzerei des 17. Jahrhunderts über die Einführung der Rotationsdruckmaschine bis zur Linotype-Zeilensetzmaschine und dem Andruck der ersten "Bild"-Ausgabe am 24. Juni 1952 reichen diese Beispiele. So erzählen die Darstellungen nicht nur vom technischen Fortschritt, sondern auch von der zunehmenden Beschleunigung eines im 17. Jahrhundert geborenen Mediums.


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Quelle:
[JOGU] - Magazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Nr. 206, November 2008, Seite 28
Herausgeber: Der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch
Tel.: 06131/39-223 69, -205 93; Fax: 06131/39-241 39
E-Mail: AnetteSpohn@verwaltung.uni-mainz.de

Die Zeitschrift erscheint viermal im Jahr.
Sie wird kostenlos an Studierende und Angehörige
der Johannes Gutenberg-Universität sowie an die
Mitglieder der Vereinigung "Freunde der Universität
Mainz e.V." verteilt.


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2009