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INTERNATIONAL/104: Araberinnen im Bikini - Magazin will Selbstbild von Frauen verändern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Mai 2013

Nahost: Araberinnen im Bikini - Magazin will Selbstbild von Frauen verändern

von Pierre Klochendler


Pierre Klochendler/IPS

Die Chefredakteurin des Magazins 'Lilac', Yara Mashour
Bild: Pierre Klochendler/IPS

Nazareth, Nordisrael, 23. Mai (IPS) - Viel Haut zeigt die 20-jährige Sumoud Farraj beim Fotoshooting. Im Juni wird sie mit drei anderen jungen Araberinnen in Designer-Miniröcken auf dem Cover des arabischsprachigen Frauenmagazins 'Lilac' erscheinen.

Chefredakteurin Yara Mashour will mit Tabus brechen und stereotype Vorstellungen über Schönheit und Mode widerlegen. "Lilac ist kein normales Modemagazin, sondern es hat eine Mission", erklärt sie. "Uns geht es darum, das Selbstbild von Araberinnen sowie die Ansichten arabischer Männer über Frauen zu verändern." Auch jüdischen Israelis soll eine neue Sicht auf ihre palästinensischen Mitbürger vermittelt werden.

In traditionellen Gesellschaften, in denen es üblich ist, Schönheit zu verhüllen, erfordert deren Zuschaustellung Standfestigkeit - auf Arabisch 'sumoud'. Und so heißt Farraj mit Vornamen. "Manche Menschen sind gegen mich, weil ich ein Model sein will", erklärt sie. "Ich kann aber mit Ablehnung leben. Ich bin ich und werde bekannt werden, nicht nur in Israel, sondern auf der ganzen Welt."

Farraj zufolge schreit die schwierige Lage arabischer Frauen nach einer "Mini-Revolution, durch die wir soziale und mentale Freiheit erlangen und uns selbst verwirklichen können". Sie weist darauf hin, dass Frauen oftmals die Erlaubnis ihrer Männer, Eltern und der Gesellschaft bedürfen, um etwas "Gewagtes" zu tun.


Breite Kritik an 'Miss Earth' im Bikini

2011 entschied Mashour, die damals zur 'Miss Earth' gekürte Huda Naqash auf die Titelseite ihres Magazins zu bringen - im Bikini. Es war das erste Mal, dass eine Araberin sich so entblößt in einer arabischen Zeitschrift zeigte. 'Miss Huda rocks this earth' lautete der Bilduntertitel. Das Foto verbreitete sich rasch über das Internet und sorgte in der gesamten arabischsprachigen Welt für Aufsehen. Auf der Website des saudi-arabischen Fernsehsenders 'Al-Arabiya' gingen mehr als 70.000 zumeist kritische Kommentare ein.

Das Foto sollte zur Auseinandersetzung mit stereotypen Sichtweisen anregen, wie Mashour erklärt. "Es gab kein Erdbeben, Naqash wurde nicht getötet und auch nicht bedroht." Das zeige die Bereitschaft der arabischen Gesellschaften, Veränderungen zu akzeptieren.

Die Journalistin glaubt an die Urteilsfähigkeit ihrer Leser. "Sie müssen nicht unbedingt mit dem, was wir tun, einverstanden sein, aber wir müssen auf eine demokratische Weise miteinander diskutieren." Unbeeindruckt von der Aufregung, die über andere Medien verbreitet wurde, zeigte sie im vergangenen Herbst dasselbe Model in Reizwäsche.

Auf Mashours Schreibtisch liegen Ausgaben von Lilac-Vorläufern aus den siebziger Jahren, in denen Models in weitaus gediegeneren Posen abgebildet sind. "Wir haben viele Veränderungen erlebt", erklärt die Chefredakteurin und spielt damit auf das 'goldene Zeitalter' des ägyptischen Films an, in dem zweideutige Szenen und leidenschaftliche Küsse nicht tabu waren. "Jetzt versuchen wir diese Periode der Freiheit wiederzubeleben."

'Lilac' ist der Haken am Ende der Angel beziehungsweise von 'As-Sinara'. Diese 1983 von Mashours Vater gegründete Zeitschrift war das erste arabischsprachige Wochenmagazin in Israel. Nach Lutfi Mashours Tod 2007 erbten die drei Frauen, die die größte Rolle in seinem Leben gespielt hatte, das Medienunternehmen. Yara wurde die Chefredakteurin von Lilac, ihre Schwester Varia übernahm die Werbeagentur, und ihre Mutter Vida wurde an Stelle ihres Mannes Chefin des Magazins.

As-Sinara ist nach wie vor das am weitesten verbreitete Wochenmagazin in arabischer Sprache und das einzige Printmedium, das von Frauen geführt wird. "Frauen sind offener und mutiger als Männer", meint Varia Mashour und berichtet, dass die Männer in ihrem Unternehmen große Angst vor Veränderungen hätten. "Doch wir probieren uns aus."


Die eigene Isolation als Frau durchbrechen

Yara Mashour wird von dem Gedanken angetrieben, dass Frauen Innovationen voranbringen können. Etwas Neues zu schaffen, sei so, als durchbreche man den Kreis der eigenen existentiellen Isolation als Frau in einer überwiegend muslimischen Gesellschaft, als Palästinenserin in einem vorwiegend jüdischen Staat und als Israelin in einem zumeist arabischen Nahen Osten.

"Wir sind auf uns gestellt", sagt sie. "Politisch betrachtet haben wir keine Gewissheit, wo unser Platz ist. Wir wollen erreichen, dass Israel und die Welt uns verstehen und uns als rechtlich, gesellschaftlich und wirtschaftlich gleichgestellt ansehen. Lebte ihr Vater noch, würde er sagen: "Wir sagen, dass wir zuerst Palästinenser, zweitens Araber und drittens Israelis sind. Doch wir verhalten uns zuerst wie Israelis, dann wie Araber und erst danach wie Palästinenser. Wir sind Israelis - wie wir denken, reagieren, sprechen. Im Grunde sind wir alle gleich, Juden und Araber. Die Juden sind unsere andere Hälfte."

Als Nächstes hat sich Mashour vorgenommen, ein Model aus den Palästinensergebieten zu finden, das an internationalen Schönheitswettbewerben teilnimmt und auch einen Bikini tragen würde. Diese Aufgabe dürfte zu einer noch größeren Herausforderung werden. (Ende/IPS/ck/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/05/arab-magazine-challenges-attitudes-about-arab-women/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2013