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INTERNATIONAL/111: Bangladesch - Keine Pressefreiheit für Journalisten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Juli 2013

Bangladesch: Keine Pressefreiheit für Journalisten - Klima der Angst, Gewalt und Straflosigkeit

von Naimul Haq


Bild: © Khan Md Nazrul Islam/IPS

Angriffe auf Journalisten enden immer häufiger tödlich
Bild: © Khan Md Nazrul Islam/IPS

Dhaka, 17. Juli (IPS) - Die bangladeschische Medienlandschaft kann mit einigen bemerkenswerten Fakten aufwarten. Innerhalb der Gruppe der ärmsten Länder der Welt (LDCs) ist sie mit 50 überregionalen Tageszeitungen, acht davon in Englisch, 25 Fernsehkanälen, sieben FM-Radiosendern und mehr als 300 Regionalmagazinen in Englisch und Bengalisch am besten aufgestellt. Doch hinter den eindrucksvollen Zahlen verbirgt sich eine düstere Realität. Die Journalisten des Landes sind Tag für Tag in einem Klima der Angst, Straflosigkeit und Gewalt gefangen.

Die globale Journalistenrechtsorganisation 'Committee to Protect Journalists' (CPJ) in New York zählt Bangladesch zu den 19 für Berichterstatter tödlichsten Ländern der Welt. Sie erwähnt politischen Druck, Zensur, Festnahmen, Haftstrafen, Folter in Polizeigewahrsam, Schließung der Redaktionen und extralegale Hinrichtungen als die hervorstechendsten Beispiele systematischer Übergriffe auf die Vertreter der 'vierten Gewalt' im Lande.


"Mangel an Rechtsstaatlichkeit"

Der demokratische Übergang nach einer Reihe von Diktaturen Ende der 1990er Jahren hatte in dem südasiatischen Land eine neue Ära der wirtschaftlichen Entwicklung eingeläutet. Auch der Schutz der Menschenrechte kam voran. Doch nach Ansicht von Kamal Hossain, einem prominenten Anwalt und ehemaligen Minister für Justiz, auswärtige Angelegenheiten sowie für Erdöl und Mineralien, fehlt es dem Land vor allem an Rechtsstaatlichkeit.

'Odhikar' und andere Menschenrechtsorganisationen des Landes haben seit 1992 insgesamt 21 Journalistenmorde dokumentiert. Allein im laufenden Jahr waren es drei. Hinzu kommen schwere Übergriffe auf 120 Medienvertreter im Zeitraum Januar bis Juni 2013. 24 weitere Medienmitarbeiter wurden bedroht.

Angesichts dieser lebensgefährlichen Bedingungen, unter denen Journalisten ihrer Arbeit nachgehen, ist es nicht verwunderlich, dass die vom Schnellgericht in Dhaka verhängten lebenslangen Haftstrafen gegen acht Angeklagte im Fall des 200 5 ermordeten Journalisten Goutam Das in allen landesweiten Redaktionen großen Widerhall fanden.

Das war zum Zeitpunkt seines Todes als Korrespondent für die bengalische Tageszeitung 'Samakaal' im Bezirk Faridpur tätig. Er hatte etliche Berichte über die Korruption lokaler Geschäftsleute mit besten Verbindungen zur damals regierenden Bangladeschischen Nationalistischen Partei (BNP) geschrieben.

Ganze acht Jahre lang mussten seine Angehörigen und Freunde auf dieses Urteil warten. Es ist das erste seiner Art in der 42-jährigen Geschichte des Landes, wie Manjurul Ahsan Bulbul, Journalist und ehemaliger Leiter der Bangladeschischen Journalistenvereinigung (BFUJ), betont.

Der Fall sei deshalb ein Novum, weil erstmals die Polizei den Mord an einem Journalisten untersucht, erstmals mutmaßliche Täter festgenommen und erstmals ein Gericht ein entsprechendes Urteil gesprochen habe.

Viele Journalisten hoffen nun, dass das Urteil einen Präzedenzfall geschaffen hat. Dazu meint BFUJ-Vorsitzender Iqbal Sobhan Chowdhury: "Wir erwarten eine Beschleunigung der Verfahren und Gerechtigkeit in allen anhängigen Fällen. Je rascher die Urteile zustande kommen, umso geringer die Chancen für Täter, sich weiterer Verbrechen schuldig zu machen."

Mit anhängigen Fällen meint Chowdhury beispielsweise die strafrechtliche Verfolgung der Mörder von Saiful Alam Mukul, einem Reporter des 'Daily Runner' mit Sitz im südwestlichen Bezirk Jessore, und von Manik Saha, Korrespondent für 'New Age: The Outspoken Daily' und den BBC-Weltdienst im südlichen Bezirk Khulna. Mukul war 1998 und Saha 2004 ermordet worden.

Golam Mostafa Sarowar, Nachrichtenredakteur des Fernsehsenders 'Maasranga' und seine Frau Mehrun Runi, Reporterin für den bengalisch-sprachigen TV-Kanal ATN, wurden 2012 in ihrer Mietwohnung in der Hauptstadt Dhaka erstochen. Die Nachricht dieses Verbrechens versetzte das gesamte Land in einen Schockzustand.

Damals sicherte Innenministerin Shahara Khatun zu, die Täter innerhalb von 48 Stunden festzunehmen. Doch eineinhalb Jahre später befinden sie sich immer noch auf freiem Fuß. Auch Proteste von Menschenrechtsaktivisten und Studenten haben nicht vermocht, die Regierung zum Handeln zu bewegen.


Angst führt zu Selbstzensur

Die ungelösten Fälle und die verbreitete Praxis, Journalisten zu verhaften und in Polizeigewahrsam einzuschüchtern und zu misshandeln, lassen bei vielen wenig Hoffnung auf mehr Pressefreiheit aufkeimen. Die Angst veranlasst viele Journalisten zu Selbstzensur.

Saleem Samad, Reporter für den britischen Fernsehkanal 'Channel 4', war im Oktober 2002 verhaftet worden. Damals arbeitete er an einem Dokumentarfilm auf der Grundlage von Berichten, wonach Bangladesch Jihadisten aus Afghanistan und anderswo Unterschlupf biete.

Die Regierung in Dhaka verklagte Samad daraufhin wegen Volksverhetzung, Landesverrat und Diffamierung. Im Anschluss an seine Freilassung nach 50 Tagen Haft, beschrieb Samad eine gängige Verhörmethode, der er unterzogen worden war. So wurde er mitten in der Nach geweckt und in eine kleine Zelle geführt, wo ihn ein Armeeoffizier mit vorgehaltener Waffe aufforderte, Informationen über die Hintergründe und Motive seiner Dokumentation zu geben.

Abul Bashar, der für die bengalischsprachige Tageszeitung 'Janakantha' im zentralen Bezirk Shariatpur als Korrespondent tätig war, wurde im Juni 2003 aus seinem Büro verschleppt, gefoltert und schließlich mit zertrümmerten Schädel und gebrochener Wirbelsäule am Rand einer Straße abgelegt. Das Verbrechen wird bewaffneten Mitgliedern der 'Jatiyatabadi Chattra Dal' (JCD), dem studentischen Flügel der damaligen regierenden BNP, angelastet.

Anfang 2013 sollen Aktivisten der Bangladeschischen Chhatra-Liga, einer Studentengruppe der regierenden Awami-Liga, den Reuter-Reporter Andrew Biraz, den New Age-Journalisten Sony Ramani, den 'Bangla News'-Fotojournalisten Harun-ar-Rashid Rubel und den 'Prothom Alo'-Korrespondenten Hasan Raja illegal festgenommen und geschlagen haben. Alle fünf hatten sich auf dem Campus der Universität von Dhaka nach einem Bombenattentat eingefunden.


Druck auf die Regierung

Odhikar gehört zu den heftigsten Kritikern staatlicher Repression. Die Organisation verlangt die sofortige Aufhebung des gegen die drei Fernsehstationen 'Kanal eins', 'Diganta' und Islamisches Fernsehen verhängten Sendeverbots. Die drei haben sich angeblich der Ausstrahlung von Programmen schuldig gemacht, "die die Gefühle der Öffentlichkeit verletzen".

Darüber hinaus fordert Odhikar die Regierung dazu auf, die an der Misshandlung und Ermordung von Journalisten beteiligten Personen festzunehmen. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

https://www.cpj.org/blog/2013/07/historic-judgment-for-gautam-das-murder-in-banglad.php
http://asiapacific.ifj.org/assets/docs/238/028/b155fee-2d72f1c.pdf
http://www.ipsnews.net/2013/07/fourth-estate-under-fire-in-bangladesh/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2013