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INTERNATIONAL/171: Simbabwe - Journalisten von Staatsmedien werden zur Zielscheibe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. November 2015

Simbabwe: Journalisten von Staatsmedien werden zur Zielscheibe

von Jeffrey Moyo



Bild: © Jeffrey Moyo/IPS

Zum ersten Mal wurden in Simbabwe Mitarbeiter staatseigener Medien verhaftet. Von links nach rechts: Tinashe Farawo, Brian Chitemba und Mabasa Sasa
Bild: © Jeffrey Moyo/IPS

HARARE, Zimbabwe (IPS) - Pressefreiheit ist in Simbabwe nicht besonders hoch angesehen. Doch nun hat das Land im Süden Afrikas eine neue Stufe in der Einschüchterung von Journalisten erklommen: Die Polizei hat Journalisten verhaftet, die für staatseigene Medien arbeiten. Das hatte es bisher nicht gegeben.

Mabasa Sasa, Herausgeber der staatlichen Zeitung Sunday Mail, wurde am 2. November gemeinsam mit seinem Investigativreporter Brian Chitemba und dem Journalisten Tinashe Farawo in Polizeigewahrsam genommen. Vorgeworfen wird den drei Mitarbeitern einer der größten Zeitungen des Landes, falsche Tatsachen veröffentlicht zu haben. Hintergrund war ein Bericht über hohe Beamte der Polizei, die in das Wildern von Elefanten im Hwange-Nationalpark verwickelt gewesen sein sollten.

"Die Botschaft ist eindeutig: Journalisten sollten es nicht wagen, den Status quo anzugreifen", sagte Menschenrechtsverteidiger Terry Mutsvanga gegenüber IPS. "Wenn der Staat jetzt schon Mitarbeiter staatseigener Medien angreift, müssen sich unabhängige Journalisten warm anziehen", befürchtete er.

"Die Verhaftung der Mitarbeiter der Sunday Mail ist nur die Spitze des Eisbergs", bestätigte der freie Journalist Tafadzwa Muranganwa gegenüber IPS. "Unabhängige Journalisten stehen in Simbabwe schon lange unter der Beobachtung und der Kontrolle des Staates."

Bereits zwei Tage nach ihrer Inhaftierung mussten sich Sasa, Chitemba und Farawo vor Gericht verantworten. Gegen 100 US-Dollar Kaution pro Person wurden sie auf freien Fuß gesetzt, müssen aber am 27. November erneut vor Gericht erscheinen.

Die Verfassung des Landes aus dem Jahr 2013 schützt sowohl die Meinungsfreiheit als auch die Freiheit der Berichterstattung. Laut Verfassung ist die Verfolgung von Journalisten daher verboten. In Artikel 61 heißt es: "Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung." Diese beinhalte die Freiheit, Informationen zu beschaffen, zu erhalten und zu kommunizieren. In Punkt 2 heißt es: "Jeder Mensch hat das Recht auf freie Medien. Dazu gehört auch der Quellenschutz von Journalisten." In Punkt 3 wird dem Staat verboten, Kontrolle über Medien auszuüben. Punkt 4 beschäftigt sich mit staatseigenen Medien. Diese, so heißt es, müssen ihre Inhalte unabhängig selbst bestimmen können. Punkt 5 setzt der Medienfreiheit Grenzen: Journalisten dürfen nicht zu Gewalt aufrufen und keinen Hass schüren. Was ihnen auch verboten ist, ist die "böswillige Verletzung des Rufs oder der Würde eines Menschen." Darauf könnte sich der Vorwurf der Falschaussagen bezogen haben.


Verhaftung am 'Welttag gegen Straflosigkeit für Verbrechen an Journalisten'

Der Tag, an dem die drei Journalisten verhaftet wurden, war zufällig der 'Welttag gegen Straflosigkeit für Verbrechen an Journalisten', den die UN-Vollversammlung im Jahr 2013 ausgerufen hatte, um auf die fortdauernde Untätigkeit vieler Staaten bei der Bekämpfung von Verbrechen an Journalisten aufmerksam machen.

Auf die Regierung von Simbabwe haben bisher weder diese noch andere UN-Initiativen Eindruck gemacht. Drei Tage nach der Verhaftung der Mitarbeiter der Sunday Mail wurde Fotojournalist Chrispen Ndlovu von Polizisten in Bulawayo, der zweitgrößten Stadt des Landes, zusammengeschlagen, weil er Polizisten fotografierte, die sich mit dem Personal an Taxiständen prügelten.

Auch früher schon lebten Journalisten in Simbabwe gefährlich. Am 9. März dieses Jahres verschwand der Reporter und Menschenrechtsaktivist Itai Dzamara, der mit Protestaktionen den Rücktritt von Präsident Robert Mugabe gefordert hatte, weil dieser die Wirtschaft des Landes ruiniert habe. Für sein Engagement zugunsten der Demokratie wurde Itai Dzamara bereits in der Vergangenheit willkürlich festgenommen und sowohl von Beamten des Staatssicherheitsapparates als auch von Mitgliedern der Regierungspartei ZANU-PF brutal geschlagen. Dzamara ist noch immer verschwunden, sein Twitterkanal wurde seit Anfang März nicht fortgeführt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte zu einer Eilaktion aufgerufen, in der sie die Behörden des Landes aufforderte, den Journalisten wieder auf freien Fuß zu setzen.

Im Juni wurde der Journalist Patrick Chitongo festgenommen und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, weil er mit dem 'Southern Mirror' eine Zeitung herausgegeben hatte, die nicht offiziell registriert war. Die Strafe musste er immerhin nicht absitzen: Nach der Zahlung von 200 US-Dollar Kaution wurde er auf freien Fuß gesetzt.


Fehlender Respekt gegenüber Rechtsstaatsprinzip

"Wir kehren Schritt für Schritt zur alten Ordnung zurück, in der Medien systematisch unterdrückt wurden, um Angst zu verbreiten und so die Selbstzensur zu etablieren", sagte der politische Analyst Rashwit Mkundu gegenüber IPS. "Staatliche Einrichtungen zeigen immer weniger Respekt gegenüber dem Rechtsstaatsprinzip und insbesondere der verfassungsmäßig garantierten Medienfreiheit."

Journalistenvereinigungen zeigen sich tatsächlich eingeschüchtert. "Wir sind zutiefst erschüttert", sagte Foster Dongozi, Generalsekretär der simbabwischen Journalistengewerkschaft, gegenüber IPS. "Journalisten der staatseigenen Medienbetriebe galten bisher als 'heilige Kühe'. Jetzt werden plötzlich auch sie verhaftet. Das macht uns große Angst."

Zum 'Welttag gegen Straflosigkeit für Verbrechen an Journalisten' am 2. November hatte die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen einen Appell an die UN veröffentlicht, in dem sie die Weltgemeinschaft dazu aufrief, schnellstmöglich einen Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten einzusetzen. Dieser solle direkt dem UN-Generalsekretär unterstehen und die Befugnis zu eigenständigen Untersuchungen haben, wenn Staaten nach Gewalttaten gegen Journalisten nicht ermitteln.

"Wie viele Journalisten müssen noch sterben, bevor die vielen UN-Beschlüsse umgesetzt werden?", fragte Vorstandssprecherin Britta Hilpert. "Es mangelt nicht an Gesetzen zum Schutz von Journalisten, aber sie werden nur unzureichend angewandt. Nur ein Sonderbeauftragter, der eng mit dem UN-Generalsekretär zusammenarbeitet, wird die nötigen Kompetenzen und das politische Gewicht haben, um im Zusammenspiel mit den Institutionen der UN die nötigen Reformen voranzutreiben."

Laut Reporter ohne Grenzen sterben die meisten Reporter außerhalb von Kriegsgebieten, weil sie über organisierte Kriminalität, Korruption, Machtmissbrauch oder Menschenrechtsverletzungen berichtet haben. Die meisten dieser Verbrechen blieben ungestraft.

In der diesjährigen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen rangiert Simbabwe auf Platz 131. In der Erklärung für die Einstufung heißt es, in Simbabwe seien Journalisten unabhängiger Zeitungen regelmäßig willkürlichen Festnahmen, Verhören oder Angriffen ausgesetzt. Medien könnten etwa für Verdachtsberichterstattung über Korruptionsfälle geschlossen und Telefonate und E-Mail-Verkehr ohne Richterbeschluss überwacht werden. Die Signale von Auslandssendern würden gestört, der Besitz von Kurzwellenempfängern sei verboten. (Ende/IPS/jk/10.11.2015)


Links:

http://www.ipsnews.net/2015/11/analysis-press-freedom-shaken-in-zimbabwe/
https://www.reporter-ohne-grenzen.de/presse/pressemitteilungen/meldung/appell-an-un-zu-mehr-schutz-fuer-journalisten/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. November 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2015

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