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REZENSION/003: Jakob Moneta - Jude · Gewerkschafter · Sozialist (SB)


Jakob Moneta
Jude - Gewerkschafter - Sozialist


Stationen eines Lebens im 20. Jahrhundert

Ein Film von Juri Hälker



Mit 92 Jahren gehört Jakob Moneta nicht nur zu den ältesten Zeitzeugen der Linken in Deutschland. Er ist auch einer der ältesten sozialistischen Aktivisten, die von Kämpfen und Entwicklungen berichten können, die seit dem angeblichen Sieg über den Kommunismus zusehends in Vergessenheit geraten. Pünktlich zum 92. Geburtstag Jakob Monetas am 11. November hat der VSA-Verlag der Zeitschrift Sozialismus eine DVD als Supplement beigelegt, in der Moneta über "Stationen eines Lebens im 20. Jahrhundert" berichtet, die er als "Jude - Gewerkschafter - Sozialist" weniger erlebt denn geprägt hat.

In dem Film von Juri Hälker berichtet Jakob Moneta in loser chronologischer Folge von ersten Erinnerungen an Judenpogrome in Polen, der Flucht seiner Familie 1919 nach Köln, seinem früh erwachenden Interesse für die soziale Frage und dem Beitritt in die Jugendorganisation der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP). Aufgrund der scharfen Konfrontation mit dem politischen Gegner wußte er sofort, was 1933 die Stunde für Menschen wie ihn geschlagen hatte, die den Nazis als Linke und Juden auf doppelte Weise verhaßt waren. So emigrierte er eher notgedrungen nach Palästina, wo er in einem Kibbuz lebte und arbeitete. Aufgrund seines gewerkschaftlichen Engagements für arabische Arbeiter geriet er jedoch nicht nur mit zionistischen Kibbuzim, sondern auch der britischen Mandatsmacht in Konflikt.

Während Monetas 27 Monate währender Internierung in britischer Administrativhaft vertiefte sich seine Einsicht in die Irrelevanz ethnischer und religiöser Unterschiede. Sein Eintreten für einen binationalen Staat, in dem Juden und Palästinenser ohne jegliche Bevorzugung oder Benachteiligung miteinander leben, erscheint unter heutigen Bedingungen um so utopischer, als die sozialistische Basis einer solchen Gesellschaft außerhalb jede Reichweite geraten zu sein scheint. Die Erfordernis einer egalitären Ordnung, in der der Mensch durch seinen Einsatz für den anderen in Erscheinung tritt, anstatt ihn durch Ab- und Ausgrenzung zu erniedrigen, bekräftigt jedoch die andauernde Gültigkeit dieses Lösungsansatzes nicht nur für Palästina. Das gilt auch für den von Moneta propagierten Internationalismus jeglicher Form sozialistischer Opposition, der nicht umsonst durch die Globalisierung des Kapitals zerschlagen werden soll.

Noch vor der Gründung der Bundesrepublik in seine Heimatstadt Köln zurückgekehrt, um die abgebrochene Revolution von 1919 endlich zu verwirklichen, begann er seine journalistische Laufbahn bei der Rheinischen Zeitung. 1953 qualifizierte ihn sein polyglottes Sprachvermögen für eine Stellung als Sozialreferent an der deutschen Botschaft in Paris, die er fast zehn Jahre behielt. Seine vielfältigen Kontakte zu französischen Gewerkschaftern, algerischen Befreiungskämpfern und deutschen Beamten führten nicht nur zu bizarren Begegnungen über die Grenzen der ideologischen Lager hinweg, sondern ermöglichten es ihm auch, Menschen in Not auf unkonventionelle Weise Hilfe zu leisten.

In der restaurativen Enge der zuendegehenden Adenauerära und inmitten der Absetzbewegungen einer durch das vermeintliche Wirtschaftswunder für den rheinischen Kapitalismus eingenommenen Arbeiterschaft blieb Moneta als Vorstandsmitglied der IG Metall und Chefredakteur zweier Gewerkschaftszeitungen seinen emanzipativen Vorstellungen verpflichtet, die er in zahlreichen Artikeln verbreitete und die ihn unverändert umtreiben. Weder von der bis heute offenen Frage nach der Überwindung nicht nur der herrschenden Verwertungsverhältnisse, sondern auch der durch sie formierten, das gesellschaftliche Subjekt über seine unmittelbare Einbindung ins Kapitalverhältnis hinaus korrumpierenden Teilhaberschaft noch von den objektiven Bedingungen eines zusehends repressiven Sozialchauvinismus läßt er sich entmutigen, seine Ziele, die die aller Menschen sein sollten, zu verfolgen.

Jakob Monetas Rückschau ist ein Stück linker Zeitgeschichte, das bei älteren Menschen längst vergessene Erinnerungen wachruft und bei Jüngeren Fragen von einer Art aufwirft, die in der mit liberalistischer Beliebigkeit widerspruchsbereinigten, zivilgesellschaftlich eingeebneten Landschaft administrativer Sachzwanglogik und parlamentarischer Konsenspflicht nicht mehr gestellt werden. Was immer man von der trotzkistischen Ausrichtung des Sozialkämpfers Moneta halten mag, sein streitbarer Elan und sein Festhalten an Prinzipien, die weit jüngere Linksradikale als er bereits mehrmals in ihrem Leben den herrschenden Verhältnissen angepaßt haben, machen ihn zu einem Vorbild an gelebter sozialistischer Gesinnung.

Das filmische Lebenszeugnis eines Aktivisten, der den heute weitgehend verschwundenen Typus des sozialrevolutionären Gewerkschafters verkörpert, ist ein schönes Beispiel dafür, daß nichts über das Festhalten an einmal als wahr und richtig erkannten humanistischen Idealen geht. Aus der amorphen Masse der Biermann und Fischer, die sich mit ihrer Überlebensweisheit, daß sich nur treu bleibe, wer sich wandele, einen Generaldispens für die Sünde versuchter Systemüberwindung ausgestellt haben, ragt Moneta hervor wie ein Fels in der Brandung. Schade nur, daß man dem Film nichts über aktuelle Fragen wie nach dem Verhältnis der organisierten Arbeiterschaft zur immer größeren Masse der Überflüssigen oder nach dem Versuch der Gewerkschaften, sich als Garanten des obsolet gewordenen Klassenkompromisses unentbehrlich zu machen, entnehmen kann. Auch hierzu hätte Jakob Moneta zweifellos höchst Aufmunterndes und Erfrischendes beizutragen.



Der Dokumentarfilm ist 2006
als Supplement der Zeitschrift Sozialismus 11/2006
als DVD beim VSA-Verlag, Hamburg, erschienen.



Erstveröffentlichung am 8. November 2006


21. August 2007