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INTERVIEW/003: Borgia im ZDF - Taktische Transparenzen, Jan Mojto im Gespräch (SB)


Interview mit dem Filmproduzenten Jan Mojto am 30. Juli 2013 in Hamburg



Der Filmproduzent Jan Mojto ist mit seiner Firma EOS Entertainment GmbH an der Produktion des drei Staffeln mit jeweils sechs Folgen umfassenden Historiendramas Borgia beteiligt. Der gebürtige Slowake ist seit langem im Bereich des Rechtehandels und der Produktion internationaler Kooperationen im Filmgeschäft tätig. Zudem lehrt der Literaturwissenschaftler und Historiker als Dozent an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg und ist Vorsitzender des Hochschulrats der Hochschule für Fernsehen und Film München. Anläßlich der Präsentation der zweiten Staffel der ZDF-Serie Borgia in Hamburg beantwortete Jan Mojto dem Schattenblick einige Fragen.

Beim Pressegespräch zur Präsentation der ZDF-Serie Borgia - Foto: © 2013 by Schattenblick

Jan Mojto
Foto: © 2013 by Schattenblick

SB: Herr Mojto, Borgia ist eine europäische Produktion, die sich in gewissem Ausmaß anschickt, das amerikanische Serienformat zu adaptieren. Oder trifft diese Einschätzung nicht zu?

Jan Mojto: Borgia ist eine europäische Produktion, die im Gegensatz zu dem bisher üblichen Miniserien-Format in dieser längeren Serienform erzählt wird. Längere Serienformate wurden bereits auf dem US-amerikanischen Markt getestet. Rom zum Beispiel war meines Erachtens nach die erste historische Serie, die der Geschichte viel Raum gegeben hat und bei der dieses neue horizontale Erzählen eingeführt wurde. Wir orientieren uns nicht an den amerikanischen Erzählvorbildern, sondern benutzen das Format zur Darstellung der historischen Epoche.

SB: US-Serien erfreuen sich in Europa großer Beliebtheit. Gibt es ein Interesse, Marktanteile zu übernehmen und eine europäische Serienkultur zu etablieren, die der Breitenwirksamkeit und Marktmacht amerikanischer Produktionen Paroli bieten kann?

JM: Sie haben die Frage im Grunde genommen schon beantwortet.

SB: Derzeit wird im Rahmen des geplanten Transatlantischen Freihandelsabkommens über eine "kulturelle Ausnahme" von der generellen Marktöffnung für europäische Produktionen verhandelt. Der Deutsche Kulturrat hat die Notwendigkeit der "kulturellen Ausnahme" zusammen mit vielen Drehbuchschreibern, Produzenten und anderen Filmschaffenden bestätigt [1]. Ist das Ihrer Ansicht nach notwendig, damit sich europäische Kino- und Fernsehproduktionen am Markt behaupten können?

JM: Ich glaube, die Marktöffnung haben wir bereits, weil es heutzutage unmöglich oder zumindest sehr schwierig ist, die Programmangebote nicht zugänglich zu machen. Heute ist ja alles zugänglich. Wir leben in einer Welt, in der wir uns automatisch mit anderen vergleichen müssen. Anders gesagt, die Zeit, in der ich es mir als deutscher Sender leisten konnte, in einer geschlossenen Welt mit eigenen Maßstäben zu leben, ist vorbei. Der technische Fortschritt ist heute so weit entwickelt, daß im Internet jedem alles zugänglich ist. Weil wir in diesem Rahmen mit anderen vergleichbar sind, bedeutet das auch, daß wir uns an internationalen Standards, die bis jetzt hauptsächlich von den Amerikanern gesetzt wurden, messen.

Ich glaube, das ist gut so. Zwar besteht die Gefahr, daß man von einer übermächtigen Konkurrenz vom Markt verdrängt wird. Ich bin jedoch daran interessiert, daß man sich dieser Herausforderung stellt. Denn wir können es ebensogut wie die anderen, warum sollten wir schlechter sein? Um gut zu sein, braucht man gewisse kreative Voraussetzungen, wie etwa die Qualität der Bücher, die der Verfilmung eines Stoffes zugrundeliegen. Ich glaube, gerade in Deutschland wird das handwerkliche Niveau in der Produktion immer besser und stärker. Neben der kreativen Arbeit der Autoren benötigt man auch gute Regisseure, Schauspieler und weitere fähige Mitarbeiter.

Man benötigt natürlich auch die entsprechenden Mittel. Je größer der Markt ist, desto größer sind die zur Verfügung stehenden Produktionsmittel. Je kleiner das Land, desto schwieriger ist es, in diesem internationalen Kontext etwas auf hohem Produktionsniveau zu erzählen, einfach weil die Mittel nicht vorhanden sind. Da greifen dann nationale Fördersysteme, und die sind auch notwendig. Diese sollten uns aber nicht davon abhalten, sich bei allem, was wir tun, mit den anderen zu messen.

SB: Ist dann die "kulturelle Ausnahme", auf der viele Kulturschaffende mit Nachdruck beharren, Ihrer Ansicht nach nicht erforderlich? Sie arbeiten bei Borgia mit einem öffentlich-rechtlichen Sender zusammen. Kann es, andersherum gefragt, in einer Marktwirtschaft überhaupt akzeptabel sein, daß öffentliche Mittel in einen privatwirtschaftlichen Kulturbetrieb fließen?

JM: Das ist eine andere Frage. Meiner Meinung nach hat audiovisuelles Erzählen, das heute noch mit Fernsehen in Verbindung gebracht, aber darüber hinausgehend über das Internet verfügbar gemacht wird, auch einen kulturellen Wert. Jedes Land sollte und müßte Interesse daran haben, eigene Geschichten zu erzählen und sie auch in diesem System zu verbreiten.

Sofern der politische Wille vorhanden ist, würde ich jedem Land empfehlen, in audiovisuelle Produktionen zu investieren. Das kann in Europa durch die Öffentlich-Rechtlichen gewährleistet werden. Eine ihrer Aufgaben sollte sein, Geschichte und Geschichten aus dem eigenen Land auf eine Weise zu erzählen, die das einheimische Publikum anspricht und darüber hinaus möglichst auch in anderen Ländern Zuspruch findet. Es handelt sich nicht nur um einen wirtschaftlichen Vorgang, sondern durch das Fernsehen, beziehungsweise audiovisuelle Erzählformen, werden auch kulturelle Werte transportiert. Dies trägt nicht unwesentlich dazu bei, wie ich die Welt sehe, wie ich die anderen sehe und wie sie mich sehen.

SB: Borgia ist eine französische, deutsche und österreichische Koproduktion. Aus welchem Grund schließen sich Fernsehanstalten mit privatwirtschaftlichen Produktionsfirmen zusammen, um einen solchen Stoff zu realisieren?

JM: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat immer schon mit privaten Produzenten zusammengearbeitet, was ich für eine gute Arbeitsteilung halte. Einen Sender zu betreiben ist etwas anderes als selber zu produzieren. Zum zweiten ist wichtig, daß Borgia eine internationale Produktion ist, die unabhängig davon, wer an ihr beteiligt ist, wer erzählt, besetzt, Regie führt und so weiter, für den internationalen Markt konzipiert ist. Damit die Serie produziert werden kann, muß sie finanziert werden. Und da es sich um eine große und aufwendige Produktion handelt, muß sie aus mehreren Quellen finanziert werden.

Hierzu gehören Fernsehsender, die die Serie ausstrahlen wollen und daher bereit sind, einen Teil ihrer Produktionsmittel einzusetzen. Auf diese Weise können die Sender ein hoffentlich erfolgreiches Programm anbieten, das umfangreicher und hoffentlich auch besser ist als das, was sie sich alleine leisten könnten. Aus diesem Grund können diese großen Stoffe inzwischen nur noch international produziert und finanziert werden. Das heißt, wir hoffen, mit unserer aufwendig produzierten Serie Qualität in einer Dimension zu liefern, die normale Produktionen nicht haben.

SB: ARD und ZDF geben immense Summen für den besonders massenkompatiblen Fußball aus. Sind öffentlich-rechtliche Fernsehsender überhaupt noch bereit, ambitionierte Filmprojekte zu finanzieren?

JM: Die Bereitschaft ist da, und nicht nur das. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland gibt es ein sehr konkretes Interesse daran, große Geschichten groß zu erzählen. Und da gibt es ja einige Beispiele aus dem letzten Jahr. Mit einigen hatten wir auch als Partner oder Mitproduzent zu tun, wie zum Beispiel dem dreiteiligen Fernsehfilm "Unsere Mütter, unsere Väter". Hieran kann man am klarsten illustrieren, wovon wir sprechen. Es gibt ein nationales Thema, das auf ein großes, generationenübergreifendes Interesse stößt und dazu noch sehr gut geschrieben, sorgfältig und aufwendig produziert ist. Dieses Programm war nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern erfolgreich.

SB: Investieren Privatsender noch in anspruchsvolle Programme, oder werden diese aus Kostengründen eher eingespart?

JM: Ich glaube, das ist bei privaten Sender aus Kostengründen enger begrenzt, aber auch sie müssen und wollen sich von anderen Sendern unterscheiden oder zumindest Akzente setzen. Dies tun sie zum Beispiel mit den sogenannten Eventprogrammen, die an dem Modell zehn- bis zwölfteiliger Serien orientiert sind, machen dies aber weniger als die Öffentlich-Rechtlichen.

SB: Herr Mojto, vielen Dank für das Gespräch.


Fußnote:

[1] http://www.kulturrat.de/text.php?rubrik=142


Berichte zur ZDF-Serie "Borgia" siehe

BERICHT/004: Borgia im ZDF - Renaissance verpaßt
http://www.schattenblick.de/infopool/medien/report/mreb0004.html

BERICHT/005: Borgia im ZDF - Opulenz und Dekadenz
http://www.schattenblick.de/infopool/medien/report/mreb0005.html


12. August 2013