Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FACHMEDIZIN

GERIATRIE/225: Herausforderung Frontotemporale Demenz (DAlzG)


Deutsche Alzheimer Gesellschaft - Dienstag, 17. November 2009

Fachtagung zur Frontotemporalen Demenz in Köln

Großer Informationsbedarf bei Ärzten, Pflegekräften und Angehörigen


Berlin, 17.11.2009. "Herausforderung Frontotemporale Demenz", so lautete der Titel einer Fachtagung, die die Deutsche Alzheimer Gesellschaft in Kooperation mit dem Dialog- und Transferzentrum der Universität Witten/Herdecke und dem Demenz-Servicezentrum NRW Region Köln und das südliche Rheinland am 12. November in Köln organisiert hat. 250 Angehörige, Pflegekräfte und Ärzte nahmen daran teil und alle waren sich einig, dass der Bedarf an Forschung, an Unterstützung für Angehörige und an Fachwissen für Pflegende und Ärzte sehr groß ist.

Oft ist schon der Weg bis zur Diagnose sehr schwierig. Weil ihr Mann sich verändert hatte, ihr gegenüber zunehmend aggressiv wurde und anfing, in Geschäften Kleinigkeiten zu stehlen, suchte Imma Cerny mit ihm einen Psychiater auf. "Ihr Mann ist ganz gesund - wir haben uns gut unterhalten - könnte es vielleicht sein, dass Sie Beziehungsprobleme haben?", so das Urteil des Facharztes.

"Nach wie vor wird die Frontotemporale Demenz, kurz FTD genannt, häufig nicht erkannt und statt dessen beispielsweise Depression diagnostiziert" erklärte Dr. Janine Diehl-Schmidt, Fachärztin am Zentrum für Kognitive Störungen der TU München auf der Tagung.

Im Unterschied zur Alzheimer-Krankheit sind Menschen, die an einer Frontotemporalen Demenz erkranken, häufig noch verhältnismäßig jung, sie sind erwerbstätig und haben oft Kinder in Schule und Ausbildung. Auch typische Demenzsymptome wie zeitliche und örtliche Desorientiertheit oder der Verlust des Kurzzeitgedächtnisses treten zu Beginn der Krankheit nicht auf. Deshalb denken viele Ärzte hierbei nicht an eine mögliche Demenzerkrankung. Die Veränderung der Persönlichkeit, die Symptome, die das soziale Miteinander "bedrohen" wie apathisches oder enthemmtes Verhalten, der Verlust des Rechtsempfindens und des Gefühls für die Angemessenheit eines bestimmten Verhaltens sind sehr belastend für die Familien, so Dr. Eike Spruth von der Charité Berlin. "Zeitweise hatte ich das Gefühl, nicht nur mein Vater habe sich vom Leben verabschiedet, sondern auch meine Mutter" fasste Katrin Hummel, Autorin des Buches "Gute Nacht, Liebster", ihre Sorgen zusammen.

Unterstützung und Entlastung zu finden, ist für Angehörige sehr schwer. Unter welchen Bedingungen eine gute Betreuung gelingen kann, schilderte sehr eindrücklich Stephan Braun, Altenpfleger in Hürtgenwald, der einen Mann mit FTD in einem Pflegeheim individuell betreute. "Wir brauchen mehr Studien darüber, welche Interventionen im Umgang mit FTD-Erkrankten hilfreich sind, wie man für sie und für ihre Angehörigen eine bessere Lebensqualität erreichen kann", forderte deshalb Christian Müller-Hergl von der Universität Witten-Herdecke. Dies ist besonders wichtig, weil bisher keine Medikamente für die Therapie der FTD zur Verfügung stehen.

"Mein Mann ist noch nicht einmal 40 Jahre alt und ist an FTD erkrankt. Er kann nicht mehr arbeiten und wir haben fünf kleine Kinder. Ich bin am Rande meiner Kräfte, doch nirgends finde ich Hilfe", berichtete eine Teilnehmerin. "Wir fallen bislang durch alle Roste des Hilfesystems". Dringender Bedarf bestehe deshalb an Unterstützungsangeboten, Tagespflegeeinrichtungen und Pflegeheimen, die auch auf jüngere Menschen eingestellt oder bereit sind, sich auf individuelle Lösungen einzulassen.

Die Fachtagung in Köln machte deutlich: 33.000 Menschen, die an FTD erkrankt sind, und ihre Familien brauchen dringend Unterstützung. Es gilt jetzt, das Wissen über die Krankheit zu verbreiten und konkrete Hilfsangebote zu entwickeln. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft hat im November 2009 eine Broschüre herausgegeben, die über die Frontotemporale Demenz informiert und sowohl Angehörigen als auch Fachkräften Möglichkeiten des Umgangs mit der Krankheit aufzeigt. Sie kann bei der Deutschen Alzheimer Gesellschaft bestellt werden.

Die Veranstalter waren sich einig im kommenden Jahr das Thema erneut bei einer Fachtagung aufzugreifen. Eine Tagungsdokumentation wird ab Mitte Dezember auf den Internetseiten der Organisatoren zur Verfügung stehen.

Broschüre:
Frontotemporale Demenz.
Krankheitsbild, Rechtsfragen, Hilfen für Angehörige.
Praxisreihe der Deutschen Alzheimer Gesellschaft,
Band 10, 80 Seiten, 3,-- Euro (ab 1.1.2010: 4,-- Euro).

Bestellungen: Deutsche Alzheimer Gesellschaft.

Kontakt:

Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz
Helga Schneider-Schelte
Friedrichstraße 236, 10969 Berlin
E-Mail: info@deutsche-alzheimer.de
www.deutsche-alzheimer.de

Dialog- und Transferzentrum Demenz
Universität Witten-Herdecke
Detlef Rüsing
Stockumer Str. 10, 58453 Witten
E-Mail: detlef.ruesing@uni-wh.de
www.dialogzentrum-demenz.de

Demenz-Servicezentrum NRW Region Köln und das südliche Rheinland
Stefan Kleinstück
Kölner Str. 64, 51149 Köln
Tel: 02203 / 36 91 - 111 70
E-Mail: demenz-servicezentrum@alexianer-koeln.de
www.demenz-service-nrw.de


*


Quelle:
Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz
Pressemitteilung vom 17. November 2009
Friedrichstraße 236, 10969 Berlin
Tel. 030/259 37 95-0
E-Mail: info@deutsche-alzheimer.de
Internet: www.deutsche-alzheimer.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2009