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GYNÄKOLOGIE/487: Ein Schönheitsideal für den Intimbereich (Thieme)


Thieme Verlag - FZMedNews - Mittwoch, 18. Februar 2009

Ein Schönheitsideal für den Intimbereich


fzm - Kosmetisch-chirurgische Eingriffe wurden bislang hauptsächlich an exponierten Körperteilen wie dem Gesicht oder der weiblichen Brust vorgenommen. Jetzt hat die kosmetische Chirurgie auch den vormals wenig beachteten weiblichen Intimbereich für sich entdeckt. In den USA ist die operative Verschönerung der Genitalien bereits seit einigen Jahren weit verbreitet - jetzt nimmt die Nachfrage nach einem solchen Eingriff auch hierzulande immer weiter zu. "Die kosmetischen Genitalkorrekturen sind Folge eines neuen Schönheitsideals, das sich in den vergangenen Jahren ausgebildet hat und sich an Bildern des Playboy und anderen Softpornomagazinen orientiert", schreiben die Psychologin Ada Borkenhagen und der Gynäkologe Heribert Kentenich in der Fachzeitschrift "Geburtshilfe und Frauenheilkunde" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2009). In ihrer Übersichtsarbeit nehmen die Autoren den neuen Trend kritisch unter die Lupe.

Wie beim Face-Lifting und anderen kosmetischen Verfahren zur Veränderung des weiblichen Körpers ist auch bei der Genitalkorrektur das Ideal der Jugendlichkeit maßgebend. Für den Intimbereich heißt das, dass besonders die inneren Schamlippen nicht zu groß sein sollten; möglichst sollten sie von den äußeren Schamlippen vollständig verdeckt werden. Die häufigste Form der Genitalkorrektur ist daher die Verkleinerung der Schamlippen - von Medizinern als Labienreduktion bezeichnet.

Die Anbieter der kosmetischen Labienreduktion werben damit, dass eine neue Intimästhetik sowohl das Selbstwertgefühl als auch den Sex verbessert, außerdem nimmt angeblich die Lebensqualität zu. "Durch Studien sind diese Behauptungen allerdings bisher nur unzureichend gestützt", kritisieren Borkenhagen und Kentenich. In den wissenschaftlichen Datenbanken PubMed und Medline konnten die Autoren insgesamt nur zehn neuere Studien ausfindig machen, die sich mit der Labienreduktion befassen. Darin wurden der Verlauf und die Ergebnisse des Eingriffs zwar überwiegend positiv geschildert. In der Mehrzahl der Studien waren jedoch nur sehr wenige Patientinnen untersucht worden; zudem gaben die Studien in der Regel eine Selbsteinschätzung der behandelnden Ärzte wieder. "Eine umfassende wissenschaftliche Bewertung der Labienkorrektur ist auf dieser Grundlage noch nicht möglich", so die Autoren. Hinzu kommt, dass die bisher veröffentlichten Studien aufgrund unterschiedlicher Operationstechniken nicht miteinander vergleichbar sind. Langzeitstudien zu den psychosozialen Auswirkungen der Labienreduktion fehlen bislang ganz.

Dass Klärungsbedarf besteht, wird bei einem Blick ins Internet deutlich. "Dem positiven Bild aus den Studien stehen hier Erfahrungsberichte von Betroffenen entgegen, die von vielfältigen Komplikationen berichten", sagen die Experten. Dazu zählen Wundheilungsstörungen ebenso wie Empfindungsstörungen, Narbenbildungen und sexuelle Funktionsstörungen. Diese Risiken sind operationswilligen Frauen entweder nicht bekannt - oder sie nehmen sie billigend in Kauf, um dem neuen Schönheitsideal zu entsprechen.

Gefördert wird dieser Wunsch durch die vermehrte Darstellung des weiblichen Intimbereichs in den Medien. Oft wird hier jedoch ein künstlich geschaffenes Idealbild präsentiert, dem durch digitale Bildbearbeitung oder geschickte Aufnahmetechnik nachgeholfen wurde. Abweichungen von diesem Traumbild sind zwar bei erwachsenen Frauen die Regel - dennoch werden sie zunehmend als Stigma empfunden. "Der medial geschürten Unzufriedenheit von Frauen und Mädchen mit ihrem Intimbereich kann nur durch eine vermehrte Information und Bewusstseinsbildung über das vielfältige Erscheinungsbild der weiblichen Genitalien entgegengetreten werden", schreiben die Autoren.

Nicht immer sind es jedoch nur ästhetische Gründe, aus denen Frauen sich zu einer Labienreduktion entschließen. Borkenhagen und Kentenich verweisen auf eine Studie, nach der immerhin ein Drittel der Patientinnen ausschließlich funktionelle Gründe für den Eingriff angibt. "Frauen, denen vergrößerte Schamlippen beim Beischlaf, beim Tragen von Hosen oder beim Sport Probleme bereiten, können durch eine Labienreduktion offenbar durchaus eine Verbesserung der Lebensqualität erreichen", betonen die Autoren. Bei solchen funktionellen Problemen könne der Eingriff gerechtfertigt sein. Für eine vorrangig ästhetisch motivierte Genitalkorrektur könne die Methode derzeit jedoch nicht empfohlen werden - zumindest solange noch keine umfassenden Langzeitstudien vorliegen.


A. Borkenhagen, H. Kentenich:
Labienreduktion - Neuester Trend der kosmetischen Genitalkorrektur - Übersichtsarbeit.
Geburtshilfe und Frauenheilkunde 2008; 69 (1): S. 19-23


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FZMedNews - Mittwoch, 18. Februar 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2009