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GYNÄKOLOGIE/517: Nachrichten vom DGGG-Kongreß, 5.-8. Oktober in München (3) (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  FrauenärztInnen unersetzlich bei der Aufdeckung von Gewalt - Modellprojekt "MIGG"
→  Verletzungen an Körper und Seele: häusliche Gewalt erkennen
→  Hermine-Heusler-Edenhuizen-Preis: DGGG vergibt erstmals Medienpreis
→  Komplementärmedizin im klinischen Alltag keine Seltenheit mehr
→  Neue Empfehlung: Vier Monate ausschließliches Stillen genügen
→  Ethischen Konflikten mit kontrollierter Qualität in der Pränataldiagnostik vorbeugen

Raute

FrauenärztInnen unersetzlich bei der Aufdeckung von Gewalt - Modellprojekt "MIGG"

Das Modellprojekt MIGG will klären, wie niedergelassene ÄrztInnen für das Thema sensibilisiert und ausreichend geschult werden können. Das Thema soll insbesondere in das Praxismanagement integriert werden. Auf dem DGGG-Kongress (5. bis 8. Oktober, München), verdeutlichte die Projektkoordinatorin Dr. Lydia Berendes, Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Düsseldorf, warum besonders GynäkologInnen eine wichtige Rolle spielen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) konstatiert in ihrem Weltbericht "Gewalt und Gesundheit" von 2002, dass Gewalt einer der größten gesundheitlichen Risikofaktoren ist.(1) Sie betont in diesem Zusammenhang die Schlüsselrolle von Ärzten bei der Aufdeckung von Gewalt. Das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) finanzierte Modellprojekt MIGG will klären, wie niedergelassene ÄrztInnen für das Thema sensibilisiert und ausreichend geschult werden können. Das Thema soll insbesondere in das Praxismanagement integriert werden. Auf dem DGGG-Kongress (5. bis 8. Oktober, München), verdeutlichte die Projektkoordinatorin Dr. Lydia Berendes, Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Düsseldorf, warum besonders GynäkologInnen hier eine wichtige Rolle spielen.

Anhaltende körperliche und psychische Gewalt kann zu chronischen psychischen und psychosomatischen Erkrankungen führen. "Frauen mit Gewaltbelastung leiden in dreifach höherem Maße unter gynäkologischen, oft unspezifischen Beschwerden", erklärte Dr. Lydia Berendes auf dem DGGG-Kongress. "Zudem stellt die Schwangerschaft einen besonderen Gefahrenpunkt dar. Die Frage nach Gewalterfahrungen durch den behandelnden Frauenarzt ist unerlässlich - auch im Hinblick auf die Kinder, die durch indirekte und direkte Beteiligung betroffen sind. Da GynäkologInnen ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den Patientinnen haben, können sie eine Schnittstelle im Versorgungsnetz gewaltbetroffener Frauen verkörpern." Erste Versorgungsstudien zeigen, dass die Frauen von einer Intervention gesundheitlich profitieren.

Das durch das BMFSFJ geförderte Bundesmodellprojekt MIGG soll niedergelassene Ärztinnen und Ärzte unterstützen. Gemeinsam mit Modellpraxen werden Strategien für eine optimale Betreuung von Gewaltopfern entwickelt.

Erste Ergebnisse des Projekts

An dem Modellprojekt haben sich bisher 67 ÄrztInnen in Düsseldorf, Kiel und München beteiligt. In einer Erstbefragung wurden der bisherige Umgang mit dem Thema physische und psychische Gewalt sowie der Bedarf nach Fortbildung eruiert. "Die Befragten erkannten die Bedeutung der Betreuung von Gewaltopfern als sehr hoch, schilderten aber mannigfaltige Barrieren im Praxisalltag und sahen gezielten Schulungsbedarf", sagte Dr. Berendes (Abb. 1). Die Ärztinnen und Ärzte wurden gebeten, die drei für sie wesentlichen Gründe anzukreuzen, die sie daran hindern, das Thema Gewalt anzusprechen. Zwei Personen gaben an, dass sie keine Probleme damit haben.

Wesentlich sind also strukturelle Gründe (Zeit, Wissen um Gesprächsführung, Dokumentation, Weiterverweisung (fast 50%), sprachliche Barrieren) und patientenorientierte Gründe (Gefahr der Retraumatisierung). Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Erstbefragung wurde ein Schulungskonzept mit folgenden Kerninhalten konzipiert: Gesprächsführung (Rollenspiele mit Simulationspatientinnen), Dokumentation und Psychotraumatologie, sowie Kenntnisse über das regionale Hilfenetzwerk.

Praxistaugliche Arbeitshilfen wie beispielsweise die "Med-Doc- Card®" (2), als Behandlungs- und Gesprächshilfe für behandelnde ÄrztInnen, unterstützen den Implementierungsprozess ebenso wie eine einjährige Begleitung der Praxen mit Einzelfallsupervision sowie regelmäßige Praxistreffen mit Fallbesprechung und Kurzfortbildungen. "Dieser abholende Ansatz war für die beteiligten Praxen äußerst erfolgreich", so die Projektkoordinatorin.

Ergebnisse der Abschlussbefragung

Die Ergebnisse der Abschlussbefragung zeigen, dass die Wahrnehmung und Ansprache gewaltbetroffener Frauen, denen Gewalt nicht nur akut sondern auch in der Vergangenheit widerfahren ist, in der Praxis deutlich gestiegen ist und spezifische Handlungskompetenz erfolgreich vermittelt werden konnte. Sehr hilfreich waren neben Materialien zur Implementierung insbesondere auch direkte bilaterale Kontakte in das regionale Hilfenetzwerk, die entscheidend dazu beitragen, die Möglichkeiten zu helfen zu verbessern. Die Analyse der Fallevaluationen zeigt, dass psychische Gewalt im sozialen Nahraum zugenommen hat. Oftmals ist nicht nur bei akuten, sondern auch in Fällen früherer Gewalterfahrungen mehr Zeit in der Patientenversorgung erforderlich, was entsprechend im Praxismanagement berücksichtigt werden muss aber auch einen Hinweis auf notwendige Ressourcen gibt.

Fazit: Sowohl die erfolgreiche Sensibilisierung der Ärzteschaft, als auch die Vermittlung von Handlungskompetenz in der Dokumentation und Ansprache trägt dazu bei, dass bei vielen Frauen Erkrankungen vor einem Gewalthintergrund verstehbarer werden und zum Teil spezifische Hilfemaßnahmen im Sinne der Patientenversorgung eingeleitet werden können. Hierbei erfährt das Netzwerk eine tragende Bedeutung.

Quellen:
(1) World Health organization (WHO) (2002) (Hg):
World Report on Health and Violence.
(2) Graß, H: Med-Doc-Karte®
Institut für Rechtsmedizin Universitätsklinikum Düsseldorf.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.migg-frauen.de
http://www.uniklinik-duesseldorf.de/rechtsmedizin
(Med-Doc-Card® zum Download)

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image126268
Abb. 1: Was hindert ÄrztInnen daran, dass Thema Gewalt anzusprechen?


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Verletzungen an Körper und Seele: häusliche Gewalt erkennen

Frauenärztinnen und -ärzte sind oft die ersten, mit denen von Gewalt betroffene Frauen in Kontakt kommen. Gewalttaten sicher zu erkennen ist jedoch eine schwierige Aufgabe: "Auf Gewalttaten können sehr viele unterschiedliche Verletzungs- und Krankheitssymptome, aber auch Verhaltensweisen hinweisen", erklärte die Initiatorin des Netzwerks GESINE, Marion Steffens, auf dem DGGG-Kongress (5. bis 8. Oktober 2010) in München. Wenn trotz aller Schwierigkeiten die Diagnose "Häusliche Gewalt" gesichert ist, sind zudem Maßnahmen notwendig, die über das normale Spektrum gynäkologischer Leistungen hinausgehen.

Frakturen ohne ein nachvollziehbares adäquates Trauma - besonders Arm- und Rippenbrüchen - oder Hämatomen, Prellungen und Würgemalen können der Gewaltexpertin zufolge auf häusliche Gewalt hindeuten. Zu den psychischen und psychosomatischen Folgen von Gewalt zählten Angstzustände, Panikattacken, Schlafstörungen, Albträume, Essstörungen oder Depressionen. Wenn ein auffallend langer Zeitraum zwischen Verletzung und Praxisbesuch liegt oder wenn ein männlicher Begleiter der Frau nicht von der Seite weicht, sei erhöhte Aufmerksamkeit notwendig. Anzeichen für häusliche Konfliktsituationen können laut Steffens auch Thoraxschmerzen, Migräne, Herz- und Verdauungsbeschwerden sowie Atemstörungen und Asthma sein.

Beispielhafte Hilfe bei häuslicher Gewalt: Netzwerk GESINE

Das im Ennepe-Ruhr-Kreis in Nordrhein-Westfalen aktive Netzwerk GESINE zeigt beispielhaft, wie regionale Hilfe für gewaltbetroffene Frauen aussehen kann: Im Netzwerk GESINE - ein Teil des bundesweiten Modellprojekts MIGG - werden mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen Unterstützungs- und Versorgungsmodelle für gewaltbetroffene Patientinnen in der ambulanten ärztlichen Versorgung erprobt. "Ärztinnen und Ärzte erfahren durch uns, wie Betroffene anzusprechen und zu untersuchen sind, wie Befunde rechtssicher dokumentiert werden können und welche weiteren Hilfsangebote in der Region zur Verfügung stehen", erklärte die Sozialpädagogin. Zudem helfe GESINE Organisationen zur Unterstützung von Opfern häuslicher Gewalt beim Aufbau regionaler Netzwerke, an welche Ärzte die betroffenen Frauen überweisen könnten.

Fast jede vierte Frau erlebt Beziehungsgewalt.

Fast jede vierte Frau in Deutschland (22 %) erlebt im Laufe ihres Lebens häusliche Beziehungsgewalt. Häusliche Gewalt umfasst physische Gewalt (schlagen, stoßen, treten, würgen, fesseln, mit Gegenständen oder Waffen bedrohen und verletzen, Essensentzug), psychische Gewalt (Schlafentzug, permanente Beschimpfung und Erniedrigung, Drohungen, für verrückt erklären, Kinder als Druckmittel einsetzen), sexualisierte Gewalt (Zwang zu sexuellen Handlungen, Vergewaltigungen in einer Paarbeziehung), soziale Gewalt (Einsperren, Kontaktverbot, soziale Isolation) und ökonomische Gewalt (Entzug von Geld, Arbeitsverbot oder Zwang zu arbeiten).

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dggg-kongress.de
http://www.gesine-net.info


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Hermine-Heusler-Edenhuizen-Preis: DGGG vergibt erstmals Medienpreis

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) hat auf dem DGGG-Kongress (5. bis 8. Oktober, München) zum ersten Mal den Hermine-Heusler-Edenhuizen-Preis vergeben. Der Medienpreis zeichnet herausragende journalistische Arbeiten aus, die dazu beigetragen haben, das Wissen der Öffentlichkeit über die Bedeutung der Gynäkologie und Geburtshilfe und die Vorbeugung und Behandlung gynäkologischer Erkrankungen zu verbessern.

Der Medienpreis der DGGG ist benannt nach Hermine Heusler-Edenhuizen (1872-1955), die ab 1909 als erste deutsche Frauenärztin zunächst in Köln, dann in Berlin praktizierte. Hermine Heusler-Edenhuizen war eine entscheidende Wegbereiterin der modernen Geburtshilfe und eine engagierte Frauenrechtlerin. Anlässlich der Ehrung der Preisträger des Medienpreises hielt Deutschlands derzeit engagierteste Frauenrechtlerin und bekannte Journalistin Alice Schwarzer auf dem DGGG-Kongress vor mehr als 1.000 Gynäkologinnen und Gynäkologen einen Vortrag über den Wandel der Gynäkologie seit dem Bestehen der DGGG vor 125 Jahren.

Der Hermine-Heusler-Edenhuizen-Preis ist mit insgesamt 6.000 Euro dotiert. Es konnten sich Journalisten bewerben, die zwischen Januar 2009 und Juli 2010 Artikel oder Sendungen über die Geburtshilfe, Vorbeugung und Behandlung gynäkologischer Erkrankungen veröffentlicht und damit zur Patientenaufklärung beigetragen haben. "Die Qualität der Beiträge war sehr hoch. Wir waren begeistert, wie differenziert und doch auch gut verständlich über gynäkologische Themen berichtet wurde", lobte DGGG-Präsident Professor Dr. Rolf Kreienberg, Ärztlicher Direktor der Universitätsfrauenklinik Ulm.

Die Jury aus Fachärzten und renommierten Journalisten wählte den Fernsehbeitrag "Alkohol in der Schwangerschaft" von Nina Kupfer auf den ersten Platz. Das ZDF sendete den Beitrag im Mai 2009 im Rahmen der Sendereihe ML Mona Lisa. Den zweiten Platz belegte Dagmar Metzger für den Artikel "Ein Zeichen setzen". Der Artikel über Brustkrebs erschien im Oktober 2009 in der Zeitschrift "Healthy Living". Dagmar Metzger ist inzwischen für die Redaktion der Zeitschriften "Tina" und "Bella" tätig. Über den dritten Preis konnte sich ein Autorenteam freuen: Käthe Jowanowitsch und Stephanie Rapp von der Redaktion "Lange Nacht" des Deutschlandfunks wurden von der DGGG ausgezeichnet für die Radiosendung "Altweibersommer. Eine Lange Nacht der Wechseljahre", gesendet im Oktober 2009.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dggg-kongress.de


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Komplementärmedizin im klinischen Alltag keine Seltenheit mehr

Die "Alternativmedizin" wurde über Jahrzehnte aus den Hochschulen verbannt. In den letzten Jahren scheint indes die "Komplementärmedizin" zunehmend auf Akzeptanz zu stoßen. Zyklusstörungen, Endometriose, Tumorerkrankungen - hier gibt es Therapieformen, die ergänzend zur Schulmedizin Schmerzen lindern, die Wundheilung verbessern, den Zyklus regulieren und psychisch stabilisieren können. Professor Dr. Ingrid Gerhard, auf Naturheilkunde und Umweltmedizin spezialisierte Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, erläuterte auf dem DGGG-Kongress (5. bis 8. Oktober, München) die Bedeutung der Komplementärmedizin in der Frauenheilkunde.

"Die Komplementärmedizin stärkt die Selbstheilungskräfte der Patientin, setzt auf Prävention und Selbstverantwortung und arbeitet mit Methoden, die keine nennenswerten Nebenwirkungen haben", erklärte Professor Gerhard. Die Gynäkologin leitete viele Jahre die Naturheilkunde-Ambulanz der Universitäts-Frauenklinik in Heidelberg.

Medizin, die ergänzend wirkt

Bei hormonellen Störungen, besonders im Zusammenhang mit unerfülltem Kinderwunsch, haben sich sogenannte ordnungstherapeutische Maßnahmen als sinnvoll erwiesen. Professor Gerhard: "Sowohl mit Phytopharmaka als auch mit der Akupunktur und Homöopathie können Zyklen reguliert und gute Konzeptionsraten erzielt werden, ohne dass Nebenwirkungen, wie sie bei der hormonellen Therapie möglich sind, auftreten." Während die Endometriose und Tumorerkrankungen primär schulmedizinisch behandelt werden müssen, können bereits perioperativ komplementäre Methoden eingesetzt werden. Postoperativ können sie dabei helfen, eine neue Lebensordnung wiederherzustellen (Mind/Body Medizin) und Selbstheilungskräfte zu mobilisieren. Auch könnten, so Gerhard, Omega-3-Fettsäuren, B-Vitamine und Magnesium bei Endometriose Schmerzen lindern und in die hormonelle Regulation eingreifen.

In der Tumortherapie haben sich verschiedene Methoden bewährt, die dazu beitragen, die Nebenwirkungen der Chemo- und Strahlentherapie zu reduzieren und langfristig die Lebensqualität zu verbessern: Selen- und Vitamin C- Infusionen, Misteltherapie, Mikrobiologische Therapie, homöopathische Komplex- und Einzelmittel, Traditionelle Chinesische Medizin. Verschiedene Formen der Hyperthermie und Sauerstofftherapie, ebenso wie Vakzinationen und zellbezogene Therapien (bspw. Dendritische Zellen) haben vielerorts ihren Einzug in die konventionelle Medizin gehalten. Auch für häufig eingesetzte immunmodulierende Therapien, wie Medizinische Pilze, Tees und spezielle Pflanzenextrakte, liegen inzwischen aus der Grundlagenforschung Wirkmechanismen vor, so dass mit zunehmender Akzeptanz zu rechnen ist.

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Neue Empfehlung: Vier Monate ausschließliches Stillen genügen

Muttermilch ist die natürliche und optimale Nahrung für Babys. Sie enthält Flüssigkeit, balancierte Nährstoffe und zusätzlich individuelle Abwehrstoffe, die der Säugling auf keine andere Weise erhalten kann. "Wenn möglich, sollte ein Baby deshalb vier Monate ausschließlich gestillt werden", sagte DGGG-Generalsekretär Professor Klaus Vetter, Vivantes Klinikum Neukölln, auf dem DGGG-Kongress (5. bis 8. Oktober 2010, München). Hartnäckig hält sich die Annahme, sechs Monate ausschließlich zu stillen, sei im Rahmen der Allergieprävention notwendig." Neueste Empfehlungen lauten indes eindeutig: Säuglinge sollten bereits nach Vollendung des vierten Lebensmonats Beikost bekommen.

Unlängst wurde die Empfehlung, Babys sechs Monate ausschließlich zu stillen, relativiert. Die aktuellen Ernährungsempfehlungen aus der S3-Leitlinie Allergieprävention der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) lauten:

Für einen präventiven Effekt durch eine Verzögerung der Beikosteinführung über den vierten Lebensmonat hinaus gibt es keine gesicherten Belege. Sie kann deshalb nicht empfohlen werden.
Für einen präventiven Effekt einer diätetischen Restriktion durch Meidung potenter Nahrungsmittelallergene im ersten Lebensjahr gibt es keine Belege. Sie kann deshalb nicht empfohlen werden.
Die zu der Zeit in Deutschland existierende Empfehlung, Beikost nicht vor dem vollendeten 4. Lebensmonat einzuführen, ist aus ernährungswissenschaftlicher Sicht sinnvoll.

"Nach vier Monaten eingeführte Beikost scheint das Allergierisiko reduzieren zu können", betont Professor Vetter. Indes rät er Müttern: "Auch nach dem Beginn des Zufütterns sollten Mütter weiter stillen - so lange Mutter und Kind es wünschen. Angesichts der intimen Nähe von Mutter und Kind beim Stillen liegt es nahe, auch dem Bindungsaspekt des Stillens sein Augenmerk zu widmen." Hinsichtlich dieser Vorteile bezüglich der Ernährung, der immunologischen Abwehr und der Mutter-Kind-Beziehung habe das Stillen auch weiterhin einen hohen Stellenwert, ergänzte der Gynäkologe.

Stillen in Deutschland und der Welt

Die Daten des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS)(1)geben einen bundesweiten, repräsentativen Überblick über Häufigkeit und Dauer des Stillens im Verlauf der Jahrgänge 1986 bis 2005. Gegenüber den 1994 geborenen wurden 2005 geborene Kinder um etwa 5 Prozent häufiger jemals gestillt. (76 Prozent zu 81,5 Prozent). Im Jahr 2003 wurden erstmals im Rahmen eines EU-Projekts (2) Stilldaten aus europäischen Ländern zusammengestellt. Abbildung 1 enthält Daten über das Gesamtstillen und das ausschließliche Stillen sechs Monate nach der Geburt.

Im internationalen Vergleich liegt Deutschland in Bezug auf das Gesamtstillen auf Platz 5 und im Hinblick auf den Anteil der nach sechs Monaten noch ausschließlich gestillten Kinder auf Platz 8. In Deutschland stillen demnach 20 Prozent der Mütter sechs Monate ausschließlich, 40 Prozent stillen vier Monate ausschließlich.

Quellen:
(1) Kinder und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) des Robert-Koch-Instituts, Berlin.
Informationen im Internet unter: www.kiggs.de
(2) Protection, promotion and support of breastfeeding in Europe
Europäische Kommission, 2003

Weitere Informationen finden Sie unter
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Abb. 1: Europäische Stilldaten im Vergleich


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DGGG: Ethischen Konflikten mit kontrollierter Qualität in der Pränataldiagnostik vorbeugen

Trotz erreichter hoher Qualität steigen in Deutschland Anforderungen an die Qualität der Pränataldiagnostik durch neues Gendiagnostikgesetz - bessere psychosoziale Beratung Schwangerer als Ziel. Ethische Prinzipien sind gerade in der Pränatal- und Geburtsmedizin von besonderer Bedeutung: "Hier müssen sich die Ärzte zumeist mit zwei Personen befassen, nämlich mit den Eltern des ungeborenen Kindes. Sie kommen obendrein als Gesunde und tragen auch noch für ein drittes, heranwachsendes Leben die Verantwortung", sagte DGGG-Vorstandsmitglied Professor Bernhard-Joachim Hackelöer, Sprecher des Boards für Geburtshilfe und Pränatalmedizin, auf dem DGGG-Kongress in München (5. bis 8. Oktober).

"Mit den nicht nur medizinisch, sondern auch gesellschaftlich diskutierten Themen der pränatal-genetischen Untersuchung - etwa der erweiterten Ultraschalldiagnostik - kann nur adäquat umgegangen werden, wenn von Untersuchern und Beratern hohe qualitative Standards eingehalten werden", sagte Hackelöer.

Experten der DGGG arbeiten daher zurzeit an den Ausführungsrichtlinien des neuen Gendiagnostikgesetzes entscheidend mit, das seit Februar 2010 genetische Untersuchungen beim Menschen und die Verwendung genetischer Proben und Daten regelt. "Unser Ziel ist es sowohl die Qualität der Pränataldiagnostik zu verbessern als auch das Informations- und Beratungsangebot erheblich auszuweiten."

Qualitätskonzentration und Zentralisation

Auch wenn in Deutschland in der Pränataldiagnostik bereits ein sehr hohes Niveau erreicht wurde. Ein Indiz dafür, dass dabei noch zu viele Fehler passieren, sind medizinisch indizierte Spätabtreibungen ab der 23. Schwangerschaftswoche - im sechsten Schwangerschaftsmonat. Die Statistik verzeichnet für 2009 insgesamt 237 solcher Spätabbrüche. Da diese Eingriffe oft als Fehlgeburten deklariert werden, gehen Experten wie Hackelöer von tatsächlich 800 Spätabbrüchen aus. Die Konsequenz aus Sicht der DGGG: Mit qualitätskontrollierter Diagnostik durch ausgewiesene Experten das Übersehen von Fehlbildungen vermeiden: "Zur Zeit werden etwa 700.000 Ultraschalluntersuchungen pro Quartal über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet - ohne, dass in der Breite die erforderliche Qualität erbracht wird", kritisiert der Chefarzt für Geburtshilfe und Pränatalmedizin der Asklepios Klinik in Hamburg-Barmbek. "Ultraschaller mit einer Stufe-1-Qualifikation erkennen 20 Prozent der Fehlbildungen, mit einer Stufe-2-Qualifikation etwa 60 bis 70 Prozent und mit einer Stufe-3-Qualifikation 95 Prozent." Analog der Mindestmengendiskussion für Perinatalzentren mache daher auch in der Pränataldiagnostik ein Zwang zur Qualitätskonzentration und Zentralisation Sinn. In vielen anderen europäischen Ländern sei das bereits der Fall.

Bessere Beratung Schwangerer - längere Bedenkzeiten

Auch bei der psychosozialen Beratung müssen die Qualitätsstandards überarbeitet werden: "In der Pränatalmedizin haben wir ein großes ethisch-moralisches Konfliktpotential, gerade, wenn es um Schwangerschaftsabbrüche geht. Je unqualifizierter damit umgegangen wird, desto größer sind die Probleme für die Betroffenen." In ihrer Stellungnahme zum späten Schwangerschaftsabbruch hat die DGGG deshalb Grundlagen erarbeitet, die sich auch im neuen, seit Anfang 2010 gültigen Schwangerschaftskonfliktgesetz niedergeschlagen haben. Die von der DGGG geforderte intensive Beratung durch qualifizierte Frauenärzte, der Hinweis auf erweiterte Möglichkeiten der psychosozialen Beratung und Beratungsangebote durch Selbsthilfegruppen sowie die analog der Fristenlösung eingeführte dreitägige Bedenkzeit sind die wesentlichen Neuerungen des Gesetzes. Ziel der DGGG sei es, die Qualität der Beratung zu verbessern, damit Frauen noch besser in der Lage sind, selbst zu entscheiden, welche Schwangerschaftsuntersuchungen sie wahrnehmen möchten - und welche nicht.

Weitere Informationen finden Sie unter
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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution660


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.
Petra von der Lage, 06.10.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2010