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GYNÄKOLOGIE/526: Schwangerschaft - Wenn die Übelkeit nicht aufhört (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Freitag, 4. März 2011

Wenn die Übelkeit nicht aufhört


fzm - Rund jede hundertste Schwangere kann ihre "anderen Umstände" nicht unbeschwert genießen: Sie wird nicht nur von leichter Übelkeit geplagt, sondern muss mehr als fünfmal pro Tag erbrechen. Dabei verliert sie unter Umständen deutlich an Gewicht und behält gefährlich wenig Flüssigkeit und Mineralstoffe bei sich. Mögliche Ursachen dieser als "Hyperemesis gravidarum" bezeichneten Störung diskutieren Mediziner des Perinatalzentrums der Universität Tübingen nun in der Fachzeitschrift "Geburtshilfe und Frauenheilkunde" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2011). In ihrem Beitrag geben die Experten um Harald Abele auch einen Überblick über die therapeutischen Möglichkeiten.

Übelkeit und gelegentliches Erbrechen sind zu Beginn der Schwangerschaft sehr häufig: Zwischen der 4. und 10. Schwangerschaftswoche betreffen sie bis zu 80 Prozent der werdenden Mütter und können somit als völlig normal gelten. "Die normale Übelkeit in der Frühschwangerschaft wird von den betroffenen Frauen und ihrem Umfeld in der Regel gut akzeptiert", sagt Abele. Dagegen schränkt eine Hyperemesis die Lebensqualität der Betroffenen stark ein und bedarf der ärztlichen Behandlung. Die Beschwerden bestehen oft deutlich über das erste Schwangerschaftsdrittel hinaus. "Manche Frauen werden sogar erst mit der Entbindung von der permanenten Übelkeit befreit", berichtet der Tübinger Gynäkologe - dann aber lassen die Beschwerden fast schlagartig nach.

Die gängigste Theorie zur Entstehung der Hyperemesis besagt, dass die veränderten Hormonspiegel während der Schwangerschaft für die Übelkeit verantwortlich sind. Dabei werden Geschlechts- und Schwangerschaftshormone als Auslöser ebenso diskutiert wie zum Beispiel Schilddrüsenhormone. Ob die Hormonumstellung bei den betroffenen Frauen stärker ausfällt oder ob sie lediglich empfindlicher auf bestimmte Hormone reagieren, ist jedoch völlig unklar. Als sicher kann aber gelten, dass die Hormone für das Übel nicht allein verantwortlich sind. "Bei der Hyperemesis handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen", betont Harald Abele. Neben einer genetischen Veranlagung - in manchen Familien tritt die Hyperemesis gehäuft auf - kann offenbar auch eine Infektion mit dem Magenkeim Helicobacter pylori zur Entstehung einer Hyperemesis beitragen. Auch mögliche psychische Ursachen darf der behandelnde Arzt nicht außer Acht lassen.

Entsprechend vielschichtig ist die Behandlung der Hyperemesis, die von einer rein emotionalen Betreuung und Ernährungsumstellung über die medikamentöse Behandlung bis hin zur stationären Aufnahme und Ernährung per Infusion reicht. Das Ziel muss dabei immer sein, die Behandlungsintensität möglichst frühzeitig wieder zu reduzieren", sagt Gynäkologe Abele. Vor allem bei einer Infusionsernährung solle so bald wie möglich versucht werden, die Patientin wieder an normale Kost zu gewöhnen. Auch alternative Behandlungsmethoden wie die Akupunktur haben bei der Therapie der Hyperemesis ihren Stellenwert.

Allen Methoden gemeinsam ist, dass sie lediglich die Symptome lindern können und nicht bis an die Ursachen der Erkrankung vordringen. Dennoch kommt der Therapie eine überragende Bedeutung zu: "Unbehandelt kann die Hyperemesis in eine lebensbedrohliche Erkrankung münden", schreiben die Autoren, betonen jedoch zugleich, dass Mutter und Kind die schwierige Zeit in der Regel unbeschadet überstehen, wenn sie konsequent behandelt werden. Die Kinder von Hyperemesis-Patientinnen können zwar beispielsweise mit einem geringeren Geburtsgewicht zur Welt kommen, das Risiko für Fehlbildungen ist jedoch nicht erhöht. "Die Kenntnis dieser Tatsache kann die betroffene Schwangere ebenso beruhigen wie regelmäßige Ultraschalluntersuchungen", so die Tübinger Mediziner. Das Bild des gesunden Kindes überzeuge die Mutter von der Intaktheit der Schwangerschaft und räume unbegründete Ängste aus.


B. Böer et al.:
Hyperemesis gravidarum.
Geburtshilfe und Frauenheilkunde 2011; 71 (1): S. 26-37


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Quelle:
FZMedNews - Freitag, 4. März 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2011