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KINDER/372: Narkosen bei Kleinkindern sicher durchführen (DGAI)


Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) - Donnerstag, 14. April 2011

Narkosen bei Kleinkindern sicher durchführen

Gehirn in Wachstumsphase empfindlicher für Medikamente


Nürnberg - Herzfehler, Nierenschäden oder Hirntumore - schwere Erkrankungen treffen auch Kinder. Oft ist eine Operation unter Allgemeinanästhesie (Narkose) der letzte Ausweg, um den kleinen Patienten zu helfen. Anästhesisten gehen dabei besonders sorgsam vor. Denn es scheint theoretisch möglich, dass bestimmte Narkosemittel Nervenzellen schädigen. Allerdings hat sich dies bislang nur in Studien an Tieren gezeigt. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) gibt Ärzten und Eltern Empfehlungen für die Sicherheit einer Narkose. Oberstes Ziel müsse es sein, Kindern eine bestmögliche und sichere Anästhesie zu gewährleisten. Der Verzicht auf Narkose- und Schmerzmittel während einer Operation sei dagegen keine Alternative.

Besonders empfänglich für störende Reize ist das kindliche Gehirn zwischen siebtem Schwangerschaftsmonat und Ende des ersten Lebensjahres: Während dieser Zeit verbinden sich 100 Milliarden Nervenzellen untereinander. Studien an jungen Nagetieren und Affen erhärten den Verdacht, dass die Nervenzellen in dieser Phase durch Narkosemittel Schaden nehmen können. "Bisher belegen die Untersuchungen jedoch keinen klaren Zusammenhang zwischen einer Anästhesie und einer klinisch relevanten Neurodegeneration beim Menschen", sagt Dr. med. Karin Becke, 2. Sprecherin des wissenschaftlichen Arbeitskreises Kinderanästhesie der DGAI.

Laut US-Arzneimittelbehörde FDA treten bei den Versuchstieren Schäden auf, wenn Wirkstoffe in hoher Dosis, kombiniert oder dauerhaft zum Einsatz kommen. Anästhesien im Säuglingsalter finden jedoch unter völlig anderen Bedingungen statt und seien deshalb damit nicht vergleichbar, sagt Becke. Untersuchungen zu den langfristigen Folgen einer Allgemeinanästhesie bei Kleinkindern lieferten bislang keine eindeutigen Ergebnisse. Die FDA will zusammen mit der "International Anaesthesia Research Society, IARS" prüfen, ob Anästhetika das junge menschliche Gehirn beeinflussen. "Derartige Studien sind jedoch nur in der Rückschau möglich, denn entsprechende Tests mit Kindern sind ethisch ausgeschlossen", so Kinderanästhesiologin Becke.

Anliegen der DGAI ist es, Kinder keinem Risiko auszusetzen. Deshalb sollten Ärzte in den ersten Lebensmonaten ausschließlich Operationen vornehmen, die nicht aufschiebbar sind - wie etwa bei einem Hodenhochstand. Eine Handlungsempfehlung geben hier die entsprechenden Leitlinien. Sind Operationen weniger dringlich, rät die Fachgesellschaft dazu, diese für das zweite Lebensjahr zu planen. Operateure sollten Mehrfacheingriffe und damit mehrfache Anästhesien wenn möglich vermeiden. "Grundsätzlich sollte man bei Kleinkindern sowohl die Zahl der Anästhesien als auch die Dosis der Medikamente so gering wie möglich halten", sagt DGAI-Generalsekretär Professor Dr. Hugo Van Aken. Narkose- und Schmerzmittel ließen sich durch moderne Anästhesie- und Überwachungsmethoden durchaus kindgerecht ausbalancieren, so der Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin der Universitätsklinik Münster.

Die DGAI setzt sich seit Jahren intensiv für die Sicherheit von Patienten ein - seien es Kinder oder Erwachsene. "Anästhetika und Schmerzmedikamente sind jedoch kein Selbstzweck und für viele Untersuchungen und Operationen unverzichtbar", sagt Van Aken. Vor einem Verzicht auf Narkose- oder Schmerzmittel warnt er. Dies könne Kindern schweres körperliches und seelisches Leid zufügen.



Quellen:

B. Rappaport, R. D. Mellon, A. Simone, J. Woodcock:
"Defining Safe Use of Anesthesia in Children"
New England Journal of Medicine (2011), Online-Veröffentlichung

N. L. Glass, S. Malviya.
"Anesthesia in Children - Limitations of the Data on Neurotoxicity"
New England Journal of Medicine (2011)
Online-Veröffentlichung, www.smarttots.org


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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI)
DGAI/BDA-Pressestelle, Anna Voormann
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2011