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SPORTMEDIZIN/231: Mikroorganismen im Kampf gegen Dopingsünder (f.i.t./Sporthochschule Köln)


f.i.t. - Forschung . Innovation . Technologie
Das Wissenschaftsmagazin der Deutschen Sporthochschule Köln 2/2009

Mikroorganismen im Kampf gegen Dopingsünder
Biologisches Nachweisverfahren für anabole Steroide

Ein Beitrag von Sylvi Lehmann(1), Patrick Diel(2), Wilhelm Schänzer(3) und Oliver Zierau(1)
(1) Institut für Zoologie, Technische Universität Dresden, (2) Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, (3) Institut für Biochemie


Der Missbrauch anaboler Substanzen wird von den meisten Sportverbänden und auch vom Olympischen Komitee verurteilt und sanktioniert. Trotzdem bleibt die Einnahme solcher Substanzen weiterhin ein schwerwiegendes Problem, sowohl im Leistungs- als auch im Freizeitsport. Beim Leistungssport waren 2008 knapp 2% der von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) durchgeführten Dopingkontrollen positiv. Im Freizeitsport gibt es eine Konzentration des Missbrauchs dieser verbotenen Substanzen vor allem im Bodybuilding. Bei einer Studie in norddeutschen Sportstudios gaben 24% der befragten Männer und 8% der Frauen an, anabol wirkende Medikamente zu sich zu nehmen. In 94% der Fälle handelte es sich um potentiell hoch lebertoxische Substanzen, die hauptsächlich auf dem Schwarzmarkt besorgt und nur zu 14% von Ärzten verschrieben wurden (BOOS et al. 1998). Erschwerend kommt hinzu, dass auch unter Jugendlichen Doping ein wachsendes Problem darstellt. In einer 2007 veröffentlichten Studie unter 2319 Thüringer Schülern gaben 15% an, im Vorjahr, von der WADA verbotene Substanzen genommen zu haben (WANJEK et al. 2007). Bisher erfolgte der Nachweis von Anabolikamissbrauch mittels der kosten- und zeitintensiven Methode der Gaschromatographie und Massenspektrometrie (GC/MS). Diese Methode kann nun durch ein biologisches Nachweisverfahren ergänzt werden, welches im vorliegenden Beitrag dargestellt wird.


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Genetisch veränderte Hefen, einzellige Lebewesen, die vor allen Dingen zur Produktion von Alkohol und als Backtriebmittel Verwendung finden, sind die neuen Helfer im Kampf gegen das Doping. Mit Ihrer Hilfe können in Zukunft Urinproben zeitsparend und kostengünstig voranalysiert werden, um die klassische Methode der GC/MS gezielter einsetzen zu können. Zudem ermöglichen sie das Aufspüren von Substanzen, deren chemische Struktur den Dopinganalytikern noch gar nicht bekannt ist. Seit dem Jahre 2005 entwickeln Arbeitsgruppen der Deutschen Sporthochschule Köln und der Technischen Universität Dresden gemeinsam, mit finanzieller Unterstützung der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), derartige Testsysteme.


Was sind anabole Substanzen?

Anabole Substanzen werden neben Cannabinoiden und Stimulanzien am häufigsten zum Doping missbraucht. In den von der WADA 2008 positiv getesteten Proben wurden in ca. 60% anabole Substanzen nachgewiesen.

Die Klasse der anabolen Substanzen besteht unter anderem aus beta-2-sympathomimetischen Substanzen, Wachstumshormonen und anabolen Steroiden. Beta-2-sympathomimetische Substanzen wirken stimulierend auf den Sympathikus - ein Anteil des vegetativen Nervensystems. Dadurch werden eine Erhöhung des Blutdruckes und der Herzfrequenz, eine Erweiterung der Atemwege, eine allgemeine Leistungssteigerung und ein erhöhter Energieverbrauch bewirkt. Wachstumshormone sind Substanzen, die das Wachstum unter anderem des Muskelgewebes stimulieren. Die höchstwahrscheinlich an meisten konsumierten anabolen Steroide sind vom Testosteron abgeleitete Steroidhormone.


Anabole Steroidhormone

Diese Hormone sind relativ kleine Moleküle, die die Zellmembran passieren können. In der Zelle binden sie nach dem so genannten Schlüssel-Schloss-Prinzip an spezifische Rezeptoren. Das heißt, ein spezieller Rezeptor erkennt meist nur ein für ihn spezielles Hormon. Testosteron bindet zum Beispiel nur an den Androgenrezeptor. Durch diese Bindung wird der Rezeptor aktiviert, wandert in den Zellkern und lagert sich dort an regulierende Bereiche der DNA an. Dadurch werden spezielle, durch das entsprechende Steroidhormon regulierte Gene, abgelesen und eine Kopie dieser Gene, die sogenannte messenger RNA (mRNA) als "Blaupause" gebildet. Die mRNA wandert aus dem Zellkern in das Zellplasma. Dort wird sie an spezifischen Zellorganellen, den Ribosomen, in Protein übersetzt.

Die so entstandenen Proteine können entweder eine direkte Wirkung haben oder regulatorisch wirken und zum Beispiel zu verstärktem Zellstoffwechsel oder Zellteilung führen. Steroidhormone die an den Androgenrezeptor binden erhöhen die zelluläre Proteinsynthese, was zu einem Gewebeaufbau, vor allem im Muskelgewebe, führt.

Die Einnahme oder Injektion von anabolen Steroiden zur Leistungssteigerung bringt die empfindliche körpereigene Regulation durcheinander und verursacht eine Reihe von Nebenwirkungen, die in Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems, Leberschäden, Vermännlichung von Frauen, aber auch in Brustwachstum beim Mann münden können. Um den Missbrauch anaboler Substanzen, der gleichzeitig schwerwiegende Nebenwirkungen hervorruft, zu verhindern, so die einhellige Meinung, müsste die Anzahl der Dopingtests erhöht werden. Wenn das Doping im Leistungssport reduziert werden kann, könnte auch der Missbrauch unter Freizeitsportlern zurück gehen, denn unter Doping erzielte Erfolge im Leistungssport steigern auch den Missbrauch verbotener Substanzen im Freizeitsport.


Klassischer Dopingtest für anabole Steroide

Der klassische Nachweis für anabole Substanzen erfolgt mittels der Methode der Gaschromatographie und Massenspektrometrie (GC/MC) (BORGES et al. 2007). Bei dieser Methode werden die Urinproben zuerst durch die Gaschromatographie in die einzelnen Bestandteile zerlegt und anschließend werden die einzelnen Fragmente durch Massenspektrometrie bestimmt. Grundlage der Identifizierung ist jedoch die genaue Kenntnis der Verstoffwechselung (Metabolisierung) der jeweiligen Dopingsubstanz. Im Urin nachgewiesen werden nämlich die im Körper aus der Muttersubstanz gebildeten Abbauprodukte, die Metabolite. Genau hier liegt jedoch ein grundlegendes Problem der GC/MS-Analytik. Ist die chemische Struktur des eingenommenen anabolen Steroids nicht bekannt, oder sein Metabolismus nur ungenügend aufgeklärt, ist ein Nachweis erschwert.

Auf dieses Problem wurde man zum ersten Mal im Fall des so genannten Designer-Steroids Tetrahydrogestrinon (THG) aufmerksam. Diese Substanz wurde ausschließlich zum Zwecke des Missbrauchs synthetisiert und illegal an Athleten verkauft. Zu diesem Zeitpunkt war weder die Existenz, der Einsatz oder gar die chemische Struktur dieser Substanz den Dopingkontrolllaboratorien bekannt. Die amerikanische Sprinterin Marion Jones konnte so THG jahrelang zum Doping missbrauchen ohne jemals in einer einzigen Dopingkontrolle positiv getestet zu werden (Abb. 1). Nur Ihr eigenes Geständnis überführte sie schließlich. Der Nachweis von THG konnte damals nicht erfolgen, weil gar nicht bekannt war, dass diese Substanz zum Dopen missbraucht wird, dementsprechend wurde auch nicht nach auffälligen THG-Metaboliten gesucht. Heute stellt der Nachweis von THG kein analytisches Problem mehr dar. Jedoch ist mittlerweile bekannt, dass neben THG noch eine Vielzahl weitere Designer-Steroide teilweise unbekannter Struktur zum Doping missbraucht werden und die Zahl dieser Substanzen steigt kontinuierlich.

Darüber hinaus befinden sich zurzeit eine neue Klasse von anabolen Steroiden in der Entwicklung, die sogenannten Selektiven Androgen Rezeptor Modulatoren (SARMs). Hierbei handelt es sich um Moleküle die an den Androgenrezeptor binden, ihn aktivieren, aber im Gegensatz zu den bisherigen anabolen Steroiden fast ausschließlich anabole Wirkung entfalten. Nebenwirkungen wie Störungen der Fertilität oder Vermännlichungserscheinungen bei Frauen (Virilisierung) treten bei diesen Substanzen nicht auf. Daher können sie auch in der Frau Anwendung finden. Ihre Einsatzgebiete sollen die Behandlung von Muskeldystrophieerkrankungen, altersbedingter Muskelschwund sowie das metabolische Syndrom sein. Derartige Substanzen befinden sich bereits in klinischen Studien. Natürlich können sie auch zum Doping missbraucht werden. Der Nachweis dieser Substanzen mittels GC/MS ist zurzeit problematisch. Zum einen wird die chemische Struktur dieser Substanzen von den Firmen aus patentrechtlichen Gründen nicht offen gelegt. Zum anderen weisen viele der Substanzen chemische Strukturen auf, die sich deutlich von denen klassischer anaboler Steroide unterscheiden. Einige der Substanzen haben noch nicht einmal eine steroidale Struktur.

Ein weiterer Nachteil der klassischen GC/MS-Methodik ist der relativ hohe Zeit- und Kostenaufwand und die Tatsache, dass Kontrolllaboratorien mit den teuren und komplexen Analysegeräten ausgestattet sein müssen. Aus diesem Grund konnte die GC/MS-Methodik bisher nicht für einen großflächigen Einsatz in Trainingskontrollen genutzt werden.


Biologischer Nachweistest für anabole Steroide

Eine Ergänzung zur strukturgeleiteten Identifizierung von anabolen Steroiden stellt die aktivitätsgeleitete Identifizierung dar. Hier wird die Anwesenheit einer Substanz nicht mittels dem Nachweis ihrer Metabolite detektiert sondern anhand ihrer biologischen Wirkung. Da die Aktivität eines anabolen Steroids, wie oben beschrieben, auch über die Bindung und Aktivierung des Androgenrezeptors (AR) gemessen werden kann, ist es möglich die androgene Wirkung von Substanzen mittels eines künstlichen, durch einen AR gesteuerten so genannten "Reporter"-Gens nachzuweisen. Solch ein System existiert bereits auf Basis der genetisch veränderten Bierhefe Saccharomyces cerevisiae (SOHONI und SUMPTER 1998).

Bei diesem System ist in die Hefe das normalerweise nicht vorhandene Gen für den menschlichen Androgenrezeptor fest eingebaut. Die Hefe kann dementsprechend den Rezeptor bilden, der dann in der Zelle vorliegt. Außerdem ist in die Zelle ein ringförmiges DNA-Konstrukt integriert worden, dass das so genannte "Reporter"-Gen trägt. Ein "Reporter"-Gen ist dadurch gekennzeichnet, dass es nur unter bestimmten Umwelteinflüssen, in diesem Fall dem Vorhandensein von Androgenen, abgelesen wird und sein Genprodukt sehr Leicht nachzuweisen ist. Häufig verwendete "Reporter"-Gene produzieren ein grün leuchtendes (fluoreszierendes) Protein oder ein Enzym wie die Galactosidase, die einen Farbstoff umwandelt. Werden anabole Substanzen dem Hefenährmedium zugesetzt, gelangen diese passiv durch die Zellwand der Hefe und binden an den "künstlichen" Androgenrezeptor. Durch diesen Kontakt wird der Rezeptor aktiviert und bewirkt in diesem Fall die Synthese der Galactosidase. Dieses Enzym gelangt in das die Hefezellen umgebende Nährmedium und wandelt dort einen gelben Farbstoff in einen roten um (Abb. 2). Die Intensität dieser Farbänderung kann man nach zwei Tagen messen und so quantitativ bestimmen. Ein Beispiel für eine solche Messung in einer 96-Lochplatte ist in Abbildung 3 dargestellt. Derartige Testsysteme werden bereits erfolgreich zur Identifizierung pharmakologisch interessanter Naturstoffe und in der Umweltanalytik, z. B. zum Nachweis von Hormonen in Abwässern eingesetzt.


Ist dieses System als Dopingtest verwendbar?

Ziel unseres gemeinsamen Projektes ist es einen schnellen, leistungsstarken und preisgünstigen biologischen Dopingtest für anabole Steroide mit Hilfe des bereits bestehenden Systems zu entwickeln und zu validieren. Nach ersten Tests mit verschiedenen anabolen Steroiden konnten wir zeigen, dass das Hefesystem eine Vielzahl dieser Steroide, wie 1-Testosteron, Norbolethon und das Designer-Steroid Terahydrogestrinon erkennt. Dabei wurden die zu testenden Substanzen in dem Lösungsmittel DMSO verdünnt und in einer Endkonzentration von 10-6 bis 10-11 Molar eingesetzt. Indem sechs verschiedene Konzentrationen verwendet wurden, erhält man eine Konzentrations-Wirkungs-Kurve (Abb. 4). In dem Hefetest konnte keines der getesteten Steroide so gut wie Dihydrotestosteron (DHT), das stärkste natürliche anabole Steroid, nachgewiesen werden. 1-Testosteron und Norbolethon waren jedoch nur 5-fach und Terahydrogestrinon 10-fach schwächer als DHT. Somit konnte gezeigt werden, dass das Hefesystem unabhängig von der chemischen Struktur anabole Steroide wie Norbolethon und sogar das Designer-Steroid Terahydrogestrinon erkennt.

Da die Dopingtests vorrangig mit Urinproben durchgeführt werden, wurde die Verträglichkeit der Hefen mit Urin getestet. Hierfür wurde der Urin von zehn zufällig ausgewählten Männern gemischt und steril filtriert. Dieses Uringemisch nennt man Sammelurin und wird auch für die Negativkontrollen benutzt. Dem Hefenährmedium wurden bis zu 50% mit 10-8 Molar DHT (anaboles Steroid) versetzter Sammelurin zugegeben. Es konnte gezeigt werden, dass selbst die Zugabe von 50% Urin keinen negativen Einfluss auf das Hefesystem hat.

Um zu prüfen, ob das Hefesystem anabole Steroide auch im Urin von Athleten erkennt, wurden acht positiv getestete anonyme Urinproben, die zuvor vom Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln durch GC/MS charakterisiert wurden, getestet. Die Urinproben stammen von Athleten, die unterschiedliche anabole Steroide genommen haben. Dementsprechend sind auch in den Urinproben unterschiedliche Substanzen enthalten. Für den Test wurden die Urinproben der Athleten mit Sammelurin verdünnt und so in den Hefetest eingesetzt, dass die Urinkonzentration im Hefenährmedium immer 10% betrug. Durch den Einsatz von immer stärker verdünnten Urinproben in den Hefetest, kann wieder eine Konzentrations-Wirkungs-Kurve aufgenommen werden (Abb. 5). Außerdem wurde der Sammelurin als Negativkontrolle verwendet. In einigen positiven Urinproben betrug die Konzentration der Abbauprodukte von den eingenommenen anabolen Steroiden laut GC/MS-Analyse nur 5 bis 200 ng/ml Urin. Trotzdem wurden diese Proben von dem Hefesystem als positiv erkannt. In sechs von acht Proben haben wir den Steroidmissbrauch mit unserem Hefesystem nachweisen können. Zwei Proben hat das Hefesystem nicht erkannt. In diesen beiden Urinproben war die Konzentration der Abbauprodukte ca. 10 ng/ml. Für diese beiden speziellen Substanzen ist die Nachweisgrenze in unserem Hefesystem offensichtlich höher. Die Abbauprodukte einer anderen Substanz konnten allerdings schon in einer Konzentration von 5 ng/ml. Urin nachgewiesen werden.

Mit diesen Experimenten konnte gezeigt werden, dass das Hefesystem sehr sensitiv anabole Steroide und deren Abbauprodukte erkennt und dass dieses System auch für den Dopingnachweis geeignet ist. Hierbei ist von besonderer Bedeutung, dass sich die Kosten für einen Test mittels Hefe nur bei ca. 10% der GC/MS-Kosten bewegen dürften und dass dieser Test auch in kleinen Laboratorien ohne aufwändige Geräteausstattung durchgeführt werden kann. Selbst Testungen unter Feldbedingungen sind möglich.


Perspektiven

Zurzeit wird das Testsystem von uns in vielfältiger Weise validiert, weiterentwickelt und verbessert. So gehen wir z. B. der Frage nach, ob das System durch die Anwesenheit köpereigener Steroidhormone beeinflusst wird und wie sich der Menstruationszyklus der Frau mit seinen schwankenden Hormonspiegeln auf die Nachweisgrenzen auswirkt. In Langzeituntersuchungen wird die Zuverlässigkeit des Tests an ausgewählten Probanden analysiert. In Trainingsstudien werden Trainingseinflüsse untersucht. In Ausscheidungsstudien werden die Nachweisgrenze und die Nachweisbarkeit von anabolen Steroiden im Vergleich zur GC/MS bestimmt. Auch versuchen wir durch die gezielte Vorbereitung der Urinproben die Sensitivität weiter zu steigern. Allerdings funktioniert das System auch mit völlig unaufgereinigtem Urin, ein großer Vorteil mit Bezug auf Kosten und Testgeschwindigkeit.

Um den Test schneller und sensitiver zu gestalten, wurde das "Reporter"-Gen ausgetauscht. Statt einer Farbveränderung erfolgt der Nachweis nun durch ein fluoreszierendes Protein (Abb. 6). Hierdurch können die Tests nun schon nach 18 Stunden ausgewertet werden. Dies stellt eine Zeitersparnis von über einem Tag, im Vergleich zu dem vorherigen System, dar. Auch mit diesem neuen System wurde eine Vielzahl anaboler Steroide getestet, die die Hefen ohne Probleme erkannten.

Unser zurzeit größtes Projekt stellt die Generierung einer völlig neuen genetisch veränderten Hefe dar. Hierbei arbeiten wir eng mit dem Institut für Genetik der TU Dresden zusammen. Statt der Bierhefe Saccharomyces cerevisiae kommt hier die Spalthefe Schizosaccharomyzes pombe zum Einsatz. Hiervon versprechen wir uns weitere Vorteile. So ist das bisherige System zwar bereits in der Lage die Anwesenheit von SARMs in Urinproben nachzuweisen, durch die Verwendung der neuen Anti-Dopinghefe soll die Sensitivität für derartige Substanzen jedoch noch um ein Vielfaches gesteigert werden. Die finanzielle Unterstützung für die zukünftigen Vorhaben ist uns bereits von der WADA zugesichert worden.


Fazit

Die Standardmethode für den Nachweis von anabolen Steroiden ist die Gaschromatographie gefolgt von einer Massenspektrometrie. Dieses Verfahren ist das einzige mit dem zurzeit rechtlich verwertbare Nachweise zum Dopingmissbrauch mit anabolen Steroiden erbracht werden können. Jedoch weist auch dieses Verfahren Nacheile auf. Es ist relativ teuer. Daher ist der intensive Einsatz der GC/MS-Analytik im Bereich der Trainingskontrollen, insbesondere in niedrigeren Leistungskadern, limitiert. Zudem können anabole Steroide mit unbekannter chemischer Struktur nur sehr eingeschränkt nachgewiesen werden. Eine hervorragende Ergänzung zu dieser Methodik stellt unser aktivitätsgeleitetes Biotestverfahren dar. Dieses Biotestverfahren auf der Grundlage genetisch veränderter Hefen kann Substanzen nachweisen, die an den Androgenrezeptor binden und somit anabole Wirkung besitzen, ohne dass ihre chemische Struktur bekannt sein muss. Hierdurch können auch neuartige Substanzen, die zum Beispiel speziell für Dopingzwecke herbestellt und über illegale Kanäle verbreitet wurden, identifiziert werden. Zudem ist das Verfahren kostengünstig. Es kann in kleinen Laboratorien ohne aufwendige Geräteausstattung durchgeführt werden. Hiermit ist es bestens geeignet um gerade bei Trainingkontrollen zum Einsatz zu kommen. Sinnvoll erscheint zurzeit das System als einen Vortest für die GC/MS-Methode zu verwenden. Große Probenumfänge können somit untersucht werden. Bei Auffälligkeiten erfolgt eine genaue Analyse der Probe mittels GC/MS. Darüber hinaus bieten sich aber noch weitere Einsatzmöglichkeiten an. So kann das System z. B. auch eingesetzt werden um Nahrungsergänzungsmittel auf Verunreinigungen mit anabolen Steroiden zu testen. Wie in der Vergangenheit dokumentiert wurde, sind einige Dopingsperren der vergangenen Jahre auf die unbewusste Einnahme anaboler Steroide über kontaminierte Nahrungsergänzungsmittel zurückzuführen. Auch bei der Weiterentwicklung der GC/MS-Analytik kann unser System hilfreich sein. So können die Hefen in Ausscheidungsversuchen helfen besonders Langlebige Metabolite anaboler Steroide zu identifizieren. Hiermit könnte die Nachweisdauer der GC/MS-Analytik deutlich gesteigert werden. Zusammenfassend Lässt sich feststellen, dass Biotestverfahren in der Zukunft eine wichtige Ergänzung zur klassischen GC/MS-Analytik darstellen könnten. Durch den gezielten und kombinierten Einsatz der Verfahren werden sich Kosten sparen lassen und wird sich gleichzeitig die Nachweissicherheit deutlich erhöhen Lassen.


Literatur bei den Autoren.

Sylvi Lehmann, geboren 1981 in Dresden, studierte von 2000 bis 2005 Biologie mit dem Schwerpunkt "Genetik" an der Technischen Universität Dresden. Erfahrungen in der Kultivierung und Differenzierung von Knochenzellen hat sie 2006 in den Universitätskliniken in Dresden und Heidelberg gesammelt. Ab Februar 2007 ist Sylvi Lehmann als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der DSHS, ab 2008 im Institut für Zoologie, Professur für molekulare Zellphysiologie und Endokrinologie an der TU Dresden angestellt und forscht dort im Rahmen ihrer Promotion an der Entwicklung eines androgen-sensitiven Hefetests zur Dopinganalyse und außerdem and der Aufreinigung der Östrogenrezeptoren alpha und beta.
E-Mail: sylvi.lehmann@tu-dresden.de

Dr. Patrick Diel, geboren 1963 in Offenbach, studierte Biologie und Biochemie an der Universität Frankfurt und promovierte dort 1993 zum Dr. rer.nat. im Fachbereich Biochemie/Pharmazie. Seit 1995 an der DSHS angestellt, seit seiner Habilitation 2003 an der TU Dresden ist er auch dort als Privatdozent tätig. An der DSHS leitet er eine Arbeitsgruppe mit dem Forschungsschwerpunkt molekulare Endokrinologie in der Abteilung für molekulare und zelluläre Sportmedizin. Er ist Mitglied des Zentrums für präventive Dopingforschung der DSHS und als Berater zum Themenkomplex Gendoping für den Deutschen Bundestag und den Europarat tätig. Zudemgehört er der Senatskommission für Lebensmittelsicherheit der Deutschen Forschungsgemeinschaft an.
E-Mail: diel@dshs-koeln.de


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Foto: TU Dresden/Institut für Zoologie

Abb. 1: Die amerikanische Sprinterin Marion Jones konnte jahrelang unentdeckt mit dem Designer-Steroid Tetrahydrogestrinon (THG) dopen, da nicht bekannt war, dass dieses Steroid zu Dopingzwecken eingesetzt wurde.

Abb. 2: Schematische Darstellung des Hefesystems.

Abb. 3: 96-Lochplatten mit je drei getesteten Substanzen in
Vierfachbestimmung (1-4, 5-8, 9-12) in acht aufsteigenden
Konzentrationen (B-H).

Abb. 4: Konzentrations-Wirkungs-Kurven von 1-Testosteron (1-Test) (A), Terahydrogestrinon (THG) und Norbolethon (NB) (B) im Vergleich zu Dihydrotestosteron (DHT).

Abb. 5: Konzentrations-Wirkungs-Kurven (B und C) von acht Urinproben von Dopingsündern (Sample A-H) im Hefetest. Zum Vergleich wurde DHT mitgeführt. Die Proben wurden zuvor mit GC/MS analysiert und die Konzentrationen der vorhandenen Metaboliten bestimmt (A).

Abb. 6: Leuchtende Hefezellen als Antwort auf einen Androgenreiz. Bei diesen Zellen wurde das "Grün Fluoreszierenden Protein" als "Reporter"-Gen verwendet.


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Quelle:
F.I.T.-Wissenschaftsmagazin der Deutschen Sporthochschule Köln
Nr. 2/2009 (14. Jahrgang), Seite 8 - 15
Herausgeber: Univ.-Prof. mult. Dr. Walter Tokarski
Rektor der Deutschen Sporthochschule Köln
Deutsche Sporthochschule Köln
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F.I.T. Wissenschaftsmagazin erscheint zweimal pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2010