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SPORTMEDIZIN/232: Forschung - Kreatin und Hirnleistung bei älteren Menschen (f.i.t./Sporthochschule Köln)


f.i.t. - Forschung · Innovation · Technologie
Das Wissenschaftsmagazin der Deutschen Sporthochschule Köln 2/2009

Kreatin und Hirnleistung
Der Einfluss von energiereichen Phosphaten auf kognitive und psychomotorische Leistungen des älteren und alten Menschen

Von Julia Diehl(1), Wildor Hollmann(2), Andreas Mierau(1), Stefan Schneider(1) und Heiko K. Strüder(1)
(1) Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft (2) Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin


Im Vordergrund der Untersuchungen stand die Frage, inwieweit es durch eine artifizielle Kreatingabe möglich ist, kognitive und psychomotorische Leistungen bei älteren und alten Menschen im Vergleich zu jungen Kontrollpersonen beeinflussen zu können. In einem placebo-kontrollierten Doppelblindversuch mit Cross-over-Design erhielten die Probanden über sechs Wochen 5 g täglich Kreatin-Monohydrat bzw. die gleiche Dosis Placebo. Die Auswaschzeit zwischen den beiden Einnahmeperioden betrug ebenfalls sechs Wochen.


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Zur Bestimmung der kognitiven Leistungsfähigkeit diente das "Wiener Testsystem" (WTS) mit Messung der Langzeit-Aufmerksamkeit (Signal-Detection-Test), der sprachfreien Intelligenz (Raven's Advanced Progressive Matrices), dem Kurzzeitgedächtnistest (Fortlaufende Visuelle Wiedererkennungsaufgabe) und der Reaktionszeit (Wiener Reaktionstest). Zusätzlich absolvierten die Probanden nach der ersten Einnahmephase einen motorischen Test mit sensomotorischer Diskordanz.

In beiden Altersgruppen stiegen der Serum-Kreatin-, Serum-Kreatininspiegel und der Kreatin/Kreatinin-Quotient im Urin nach Kreatinsupplementation hochsignifikant an, fielen in der Auswaschphase wieder auf den Ausgangswert zurück und blieben in der Placebo-Einnahmephase unverändert. Die orale Kreatinsupplementation hatte keinen Einfluss auf die kognitiven Leistungen älterer und alter sowie junger Personen. Allerdings ergab sich eine signifikant positive Korrelation zwischen dem Serum-Kreatinin-Spiegel und den Leistungen im Reaktionszeittest bei den älteren Probanden sowie den Leistungen im Kurzzeitgedächtnistest bei den jüngeren Probanden. Im motorischen Test mit sensomotorischer Diskordanz war nach Kreatinsupplementation die motorische Lernleistung bei den jüngeren Probanden signifikant erhöht, nicht jedoch bei den älteren Probanden.


Ausgangslage

Eine grundlegende Aufgabe der sportmedizinischen Forschung besteht in Untersuchungen über den Einfluss von akuter Arbeit und chronischem Training auf Herz, Kreislauf, Atmung, Stoffwechsel und hormonelle Steuerung. Bis Mitte der 1980er Jahre entzog sich jedoch ein Organ des menschlichen Körpers spezifischeren leistungsdiagnostischen Fragestellungen: das Gehirn.

Das änderte sich Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre mit der Einführung und technischen Weiterentwicklung bildgebender Verfahren. Diese erlaubten erstmals Einblicke in hämodynamische und metabolische Reaktionen des menschlichen Gehirns bei dosierter Arbeit sowie vor und nach körperlichem Training.

Eine der ersten Arbeitsgruppen auf diesem neuen interdisziplinären Forschungsgebiet "Bewegungs-Neurowissenschaft" war der Arbeitskreis um Hollmann und Strüder von der Deutschen Sporthochschule Köln. In Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Jülich und dem Max-Planck-Institut für Hirnforschung begannen sie 1985 mit experimentellen Untersuchungen von Hämodynamik und Metabolismus des menschlichen Gehirns in Körperruhe, bei dosierter Ergometerarbeit sowie nach körperlichem Training. Aus den Untersuchungen ist eine Vielzahl neuer Befunde hervorgegangen.

Die Relevanz der aus dieser Arbeitsgruppe entstandenen Ergebnisse geht weit über den Sport hinaus. Nimmt man z. B. an, dass bestimmte Metabolite und energiereiche Phosphate im Gehirn nicht nur bei körperlicher, sondern auch bei kognitiver Arbeit eine Leistungsbegrenzende Rolle spielen, so wäre es denkbar, durch gezielte orale Zufuhrmaßnahmen auch die kognitive Leistung verbessern zu können.

So wurde z. B. bei jungen Frauen, die über 16 Wochen lang hinweg Eisen als Nahrungsergänzung zu sich genommen hatten, Aufmerksamkeitsgrad, Arbeits- und Langzeitgedächtnis verbessert (MURRAY-KOLB et al. 2004).

Weitere Untersuchungen dieser Art betrafen den Gehirnstoffwechsel und mentale Leistungen unter dem Einfluss von zusätzlicher Glukosezufuhr. Es ergab sich eine signifikante Steigerung verschiedener Formen geistiger Leistungsfähigkeit (SIEBERT et al., 1987; BENTON et al. 1994; PARKER und BENTON 1995; KENNEDY und SCHOLEY 2000; SCHOLEY et al. 2001).

Es besteht die Möglichkeit, dass man mit gezielter oraler Supplementierung von Kreatin ähnliche Leistungsverbesserungen auf kognitiver Ebene erzielen kann. Folgende Überlegungen und einige wenige internationale Studien geben darauf einen Hinweis.

Kreatin ist eine körpereigene Substanz, wobei die tägliche Umsatzrate bei ca. 2 g liegt. Die endogene Biosynthese von ca. 1 g Kreatin/Tag findet hauptsächlich in der Leber und in der Bauchspeicheldrüse statt. Die exogene Zufuhr erfolgt über die Nahrungsaufnahme tierischer Produkte, vor allem über Fleisch und Fisch (WALKER 1979). Vegetarier weisen durchweg eine niedrigere Kreatinkonzentration in der Skelettmuskulatur auf (DELANGHE 1989). Kreatin bzw. Kreatinphosphat wird im menschlichen Körper durch eine spontane und nicht-enzymatische irreversible Reaktion zu Kreatinin abgebaut und über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden.

Eine mehrtägige Supplementierung mit Kreatin (ca. 20 g/d) führte in kontrollierten Studien sowohl zu einer Erhöhung der Plasmakonzentration als auch zu einem Anstieg des Gesamtkreatins (freies und phosphoryliertes Kreatin) in der Muskulatur (durchschnittlich 15-20%) (HARRIS et al. 1992; BALSOM et al. 1993). Vergleichbare Kreatinkonzentrationen können jedoch auch bei niedrigeren Dosierungen über einen längeren Zeitraum (3 g/d über 30 Tage) erreicht werden (HULTMAN et al. 1996). Bei erfolgter Steigerung der Kreatinkonzentrationen in der Muskulatur konnte in den meisten placebo-kontrollierten Untersuchungen nach Kreatingabe eine signifikante Verbesserung der Kraftausdauer und Intervallleistungsfähigkeit nachgewiesen werden. Dies gilt jedoch nur für kurzzeitige, maximale anaerobe Belastungen vor allem bei schneller Wiederholungsfrequenz (Übersicht bei TERJUNG et al. 2000).


Grundsätzlich stellt sich in den Neuronen des Gehirns dieselbe Situation dar wie in Muskelzelle

Das Enzym Kreatinkinase sowie dessen Substrate Kreatin und Kreatinphosphat sind auch in Hirn- und Nervenzellen in relativ hohen Konzentrationen zu finden. Die höchsten Konzentrationen treten dabei in denjenigen Zellen auf, die für die Koordination von Bewegungen (Purkinje-Zellen im Kleinhirn) und für Lernen und Gedächtnis (Pyramidenzellen des Hippocampus) verantwortlich sind (KALDIS et al. 1996). Dies lässt darauf schließen, dass Kreatin für die Energetik dieser Hirnfunktionen eine wichtige Rolle spielt, und dass Kreatinsupplementierung diese Leistungen des Gehirns verbessern kann.

So stellten DECHENT et al. (1999) mittels Protonen-Magnet-Resonanz-Spektroskopie (1-H-MRS) einen Anstieg der Kreatinkonzentration im Gehirn von Probanden fest, die vier Wochen lang täglich 20 g Kreatin zu sich nahmen. Eine erneute Messung 12 Wochen nach Abbruch der Supplementierung ergab, dass die Werte wieder auf das Ausgangsniveau zurückgegangen waren.

WATANABE et al. (2002) verabreichten Probanden in einem Doppelblindversuch fünf Tage lang täglich 8 g Kreatin. Nach der Einnahmephase konnten verschiedene Rechenaufgaben besser gelöst werden. Mit Infrarot-Spektroskopie konnte zudem eine Verbesserung in der Energieversorgung und der Sauerstoffaufnahme in den entsprechenden Regionen des Gehirns gezeigt werden.

In einem anderen Fall wurde Vegetariern sechs Wochen lang täglich 5 g Kreatin verabfolgt. Eine zweite Vegetariergruppe bediente sich eines Placebos. Nach sechs Wochen wurden die Rollen getauscht. Unter Einfluss von Kreatin hatten Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis sowie das Reaktionsvermögen eine hochsignifikante Leistungszunahme erfahren (RAE et al. 2003).

Hingegen sind bisher noch keine vergleichenden Untersuchungen durchgeführt worden über den Einfluss von Kreatingabe auf Faktoren geistiger Leistungsfähigkeit beim älteren und alten Menschen im Vergleich zu jungen Menschen als Vergleichsgruppe.


Methodik

Für die Untersuchungen stellten sich 24 Personen zur Verfügung. Das mittlere Alter der männlichen und weiblichen Probanden der Gruppe A betrug 69,5 ± 5,8 Jahre, die mittlere Körpergröße 168,4 ± 8,4 cm und der mittlere Body-Mass-Index 25,5 ± 4,4 (n = 11). In der Gruppe B belief sich das mittlere Alter der männlichen und weiblichen Probanden auf 26,4 ± 2,8 Jahre, die mittlere Körpergröße auf 181,1 ± 7,1 cm und der mittlere Body-Mass-Index auf 23,7 ± 2,2 (n = 13).

Durch eine eingangs vorgenommene Anamnese und eine anschließende klinische Untersuchung stellten wir den einwandfreien Gesundheitszustand der Probanden fest. Laborchemische Blut- und Urinuntersuchungen sicherten diese Feststellung zusätzlich ab. Personen mit Nierenschäden und/oder Erkrankungen des Gehirns wurden generell von der Teilnahme an der Studie ausgeschlossen. Keiner der Probanden war Vegetarier oder nahm zusätzliche Nahrungsergänzungsmittel ein, was anhand eines Ernährungsfragebogens festgestellt wurde.

Der Untersuchungszeitraum betrug 18 Wochen und gliederte sich in drei Phasen à sechs Wochen: Einnahmephase - Auswaschphase - Einnahmephase. Vor und nach jeder Einnahmephase stellten sich die Probanden zwecks Untersuchungen am Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin vor (insgesamt vier Untersuchungstage; Abb. 1).

    UT1
       ↓
6 Wochen Einnahmephase (Kreatin/Placebo)
       ↓
    UT2
       ↓
6 Wochen Auswaschphase
       ↓
    UT3
       ↓
6 Wochen Einnahmephase (Kreatin/Placebo)
       ↓
    UT4

Abb. 1: Übersichtsdarstellung des Untersuchungsganges (UTx = Untersuchungstagx).


In einem Doppelblindversuch mit Cross-Over-Design erhielt eine zufällig aufgeteilte Hälfte der Probanden über sechs Wochen 5 g Kreatin-Monohydrat täglich ("Creapure", Fa. Degussa). Die restlichen Probanden bekamen über denselben Zeitraum die gleiche Dosis Placebo (Maltodextrin, Fa. SHS International). Es schloss sich eine sechswöchige Auswaschphase an. Der Zeitraum von sechs Wochen scheint dabei eine adäquate "Auswachszeit" für Kreatin zu sein (HARRIS et al. 1992). In den letzten sechs Wochen wurden die Rollen getauscht: Probanden, die in der ersten Einnahmephase Kreatin bekamen, erhielten nun Placebo und umgekehrt.

Über den gesamten Untersuchungszeitraum wurden in regelmäßigen Abständen Urinproben gesammelt, mit Hilfe von deren Analyse die Einnahme des Kreatins kontrolliert werden konnte. Die Probanden waren weiterhin aufgefordert, ihren normalen Lebens- und Essstil fortzuführen.

Die Untersuchungsdauer an den Untersuchungstagen betrug jeweils 120 Minuten und war für alle Probanden identisch. Jeweils zur gleichen Tageszeit erschienen sie im Institut. Es erfolgten zunächst eine venöse Blutentnahme sowie Blutdruckmessung und Feststellung des Körpergewichts und -fetts. Im Anschluss daran absolvierten sie die kognitive Testbatterie des "Wiener Testsystems" (Fa. Schuhfried GmbH, Mödling/Österreich), mit der Aufmerksamkeits- und Differenzierungsleistung, Gedächtnisleistung, Intelligenz und Reaktionsfähigkeit überprüft wurden (Abb. 2)


Ergebnisse

Die wesentlichen Ergebnisse lauten:

• In beiden Altersgruppen stieg der Serum-Kreatinspiegel nach der Einnahmephase von Kreatin hochsignifikant an (Gruppe A: p < 0,001; Gruppe B: p < 0,001). Nach Placebogabe hingegen traten keine Unterschiede auf. Die älteren Probanden der Gruppe A wiesen zudem über den gesamten Untersuchungsverlauf hinweg höhere Serum-Kreatinwerte auf als diejenigen der Gruppe B (p < 0,001; Abb. 3)

• Der Serum-Kreatininspiegel stieg in beiden Gruppen nach der Einnahmephase von Kreatin hochsignifikant an (Gruppe A: p < 0,01; Gruppe B: p 0,001). Nach Placebogabe konnte wiederum kein Unterschied festgestellt werden. Über den gesamten Untersuchungsverlauf hinweg hatten die Probanden der Gruppe A einen niedrigeren Kreatininspiegel im Blutserum als die jungen Probanden der Gruppe B.

• Der Kreatin/Kreatinin-Quotient im Urin lag in der Einnahmephase von Kreatin in beiden Gruppen hochsignifikant über dem in der Einnahmephase von Placebo (Gruppe A: p < 0,01; Gruppe B: p < 0,001). Die älteren Probanden der Gruppe A hatten über den gesamten Untersuchungsverlauf hinweg einen höheren Quotienten von Kreatin zu Kreatinin im Urin als die Probanden der Gruppe B (p < 0,01).

• Das Körpergewicht in Gruppe A veränderte sich weder nach Einnahme von Kreatin noch von Placebo; auch der Body-Mass-Index blieb unverändert. Bei den jungen Probanden der Gruppe B stiegen das Körpergewicht und der Body-Mass-Index nach der Kreatingabe hochsignifikant an (Körpergewicht: p < 0,01; BMI: p < 0,01). Nach Placebogabe hingegen war kein Unterschied festzustellen.

• Im Rahmen des Aufmerksamkeitstests (Signal-Detection-Test) wurden die Variablen "Anzahl Richtige und Verspätete", "Median Detektionszeit" und "Anzahl Falsche" gemessen. Bei keinem dieser Werte konnte ein Einfluss von Kreatingabe festgestellt werden. Im Vergleich der jüngeren mit den älteren Personen ergab sich jedoch ein hochsignifikanter Unterschied im "Median der Detektionszeit" (p < 0,001).

• Im Gedächtnistest ("Fortlaufende Visuelle Wiedererkennungsaufgabe") wurden die Variablen "Treffer", "Reaktionszeit Treffer", "Anzahl Falsch Positiver" und "Bearbeitungszeit" untersucht. Die Kreatingabe hatte in allen drei Variablen keinen Einfluss auf die Testergebnisse. Festzustellen war jedoch die größere Leistungsfähigkeit innerhalb der jüngeren Gruppe im Vergleich zur älteren ("Treffer": p < 0,05; "Anzahl Falsch Positiver": p < 0,001).

• Im Rahmen des Intelligenztests ("Raven's Advanced Progressives Matrices") wurden die Variablen "Anzahl Richtige", "Intelligenzquotient" und "Bearbeitungszeit" gemessen. Die Kreatinsupplementation hatte keinen Einfluss auf die Leistungen in beiden Gruppen. Die erbrachte Leistung fiel allerdings bei den Jüngeren hochsignifikant besser aus als bei den älteren ("Anzahl Richtige": p < 0,001; "Intelligenzquotient": p < 0,001; "Bearbeitungszeit": p < 0,01).

• Im "Wiener Reaktionstest" untersuchten wir die Variablen "mittlere Reaktionszeit" und "mittlere motorische Zeit". Die Kreatingabe hatte auf beide Variablen keinen signifikanten Einfluss. Hingegen ergab sich die theoretisch zu erwartende verkürzte Reaktionszeit hochsignifikanter Natur bei den jüngeren Probanden der Gruppe B ("mittlere Reaktionszeit: p < 0,001; "mittlere motorische Zeit": p < 0,001).

• In Gruppe A ergab die einfache Regressionsanalyse einen hochsignifikanten Korrelationseffekt zwischen Serum-Kreatininspiegel im Blut und der mittleren Reaktionszeit (r = 0,4, p < 0,01) sowie einen signifikanten Effekt zwischen Serum-Kreatininspiegel und mittlerer motorischer Zeit (r = 0,34, p < 0,05). Je höher der Serum-Kreatininspiegel im Blut ausfiel, desto kürzer waren Reaktionszeit und motorische Zeit (Abb. 4)

• Im Gedächtnistest ließ sich für die Gruppe B in der Korrelation zwischen "Anzahl Treffer" und Serum-Kreatininspiegel im Blut ebenfalls ein signifikanter Effekt nachweisen (r = 0,3, p < 0,05). Je höher der Serum-Kreatininspiegel im Blut lag, desto größer war die Anzahl der Treffer.

• Untersuchte man die Korrelation zwischen der "Anzahl Falsch-Positiver" mit dem Serum-Kreatininspiegel im Blut der Gruppe B, so ergab sich ebenfalls für die Regressionsanalyse ein signifikanter Effekt (r = 0,3, p < 0,05). Je höher der Serum-Kreatininspiegel im Blut war, desto niedriger fiel die "Anzahl Falsch Positiver" aus.

• Im motorischen Test mit sensomotorischer Diskordanz führte die Kreatingabe zu keiner signifikanten Beeinflussung des gemessenen RMS-Fehlers. Hingegen zeigte sich ein hochsignifikanter Unterschied zwischen den Altersgruppen im Sinne einer Überlegenheit wiederum der jüngeren Gruppe (p < 0,001).

• Die tatsächliche motorische Lernleistung ergab hinsichtlich der prozentualen Adaptation bei den älteren Probanden nach Kreatingabe keinen Unterschied, während in derjüngeren Gruppe B die Kreatingabe zu einer signifikant höheren motorischen Lernleistung führte (p < 0,05; Abb. 5). Wiederum erbrachte die ältere Gruppe einen niedrigeren Leistungswert als die jüngere (p 0,001).


Diskussion

Es gehörte zu den theoretischen Eingangsüberlegungen, dass der Effekt einer artifiziellen Kreatinzufuhr in einer vergrößerten ATP-Resynthese bestehen könnte. Vor allem für ältere Menschen könnte dies von Vorteil sein, da infolge des Alterungsprozesses die Kreatin- und Phosphokreatinkonzentrationen im Körper abnehmen (CAMPBELL et al. 1999; FORSBERG et al. 1991; TARNOPOLSKY 2000). Gleichzeitig erfordern ältere Personen für vergleichbare kognitive Aufgaben eine größere zerebrale Energiemenge (BEHZADI u. LIU 2005; TOESCU 2005).

Im Gegensatz zu dieser Aussage konnte jedoch z. B. von PFEFFERBAUM et al. (1999) mit Magnetresonanzspektroskopien festgestellt werden, dass die Kreatinmengen im Gehirn mit dem After zunehmen, wenn es sich um gesunde Personen handelt. Daher lässt sich nicht ausschließen, dass ein möglicher energiesteigernder Effekt einer Kreatingabe nur einer von möglichen Ursachen für eine potentielle Leistungssteigerung darstellt.

Ein zusammenfassender Vergleich zwischen unseren Ergebnissen und denen in der Literatur vorhandenen führt zu dem Schluss, dass Menschen mit pathologischen Befunden im Sinne zerebraler bzw. nervlicher Beeinträchtigungen von einer Kreatingabe profitieren könnten (z. B. Patienten mit Parkinson, Alzheimer, Huntington). Auch bei temporärer zentraler Ermüdung oder nach Schlafentzug dürfte von außen zugeführtes Kreatin den vorübergehenden Leistungsabfall verlangsamen. Weiterhin scheint bei Vegetariern oder älteren Personen mit niedrigen Kreatinkonzentrationen im Gehirn eine zusätzlichen Kreatingabe positiven Einfluss auf kognitive und psychomotorische Leistungen auszuüben. Weitere Forschungen auf diesem Gebiet sind durchaus wünschenswert auch bezüglich der Frage, inwieweit die Dosis einer Kreatingabe für Gehirnleistungen eine Rolle spielt.

Abschließend ist festzustellen, dass eine sechswöchige orale Kreatinverabreichung von täglich 5 g in unseren Untersuchungen überwiegend zu keinen signifikanten Veränderungen der gemessenen Leistungsparameter führte. Unter Zugrundelegung der einschlägigen Literatur kann man jedoch davon ausgehen, dass bei pathologischen Fällen im Gegensatz zu unseren gesunden Probanden positive Einflüsse metabolischer und psychischer Art ausgelöst werden können. Die zugrundeliegenden biochemischen Mechanismen bedürfen noch der Abklärung.


Literatur bei den Autoren.


Dr. Julia Diehl, geboren 1979 in Offenbach, studierte von 1999 bis 2004 Sportwissenschaften an der Deutschen Sporthochschule Köln. Anschließend begann sie ihre Promotion am Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, für die sie von der Deutschen Sporthochschule mit dem Graduiertenstipendium unterstützt wurde und 2009 abschloss. Seit 2001 ist sie zunächst als studentische und wissenschaftliche Hilfskraft, inzwischen als Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft tätig.
E-Mail: diehl@dshs-koeln.de


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 2: Das "Wiener Testsystem". Zu sehen ist die universale Probandentastatur und der 17"-Monitor der Firma Fujitsu-Siemens.

Abb. 3: Serum-Kreatin [mg/dl] vor und nach Einnahme von Kreatin bzw. Placebo in beiden Altersgruppen (Mittelwerte und Standardabweichungen). Nach Einnahme von Kreatin war der Kreatinwert im Blutserum hochsignifikant erhöht. Die älteren Probanden der Gruppe A hatten im gesamten Untersuchungszeitraum signifikant höhere Kreatinwerte als die jungen Probanden der Gruppe B.

Abb. 4: Korrelation zwischen dem Serum-Kreatinin-Spiegel im Blut [mg/dl] und der mittleren Reaktionszeit [ms] im "Wiener Reaktionstest". Dargestellt sind die älteren Probanden. Die einfache Regressionsanalyse ergab einen hochsignifikanten Korrelationseffekt beider Größen (p = 0,006; r = 0,413).

Abb. 5: Dargestellt ist die motorische Lernleistung [%] der jungen Probanden (B1 = Placebo; B2 = Kreatin). Das Maß der Adaptation wurde in sechs aufeinander folgenden Blöcken berechnet. Alle Probanden verbesserten ihre Lernleistung von Block 1 zu Block 6 hochsignifikant (p = 0,000). Der Verlauf der beiden Lernleistungskurven ist nicht signifikant unterschiedlich (p = 952). Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die Probanden, welche Kreatin verabfolgt bekamen (Gruppe B2), über den gesamten Testverlauf hinweg eine signifikant höhere Lernleistung erzielten als diejenigen Probanden, welche Placebo zu sich nahmen (Gruppe B1) (p = 0,011).


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Quelle:
F.I.T.-Wissenschaftsmagazin der Deutschen Sporthochschule Köln
Nr. 2/2009 (14. Jahrgang), Seite 16 - 22
Herausgeber: Univ.-Prof. mult. Dr. Walter Tokarski
Rektor der Deutschen Sporthochschule Köln
Deutsche Sporthochschule Köln
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Internet: www.dshs-koeln.de

F.I.T. Wissenschaftsmagazin erscheint zweimal pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juli 2010