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ETHIK/1081: Ethikrat mahnt Verbesserung der PID-Verordnung an (Deutscher Ethikrat)


Deutscher Ethikrat - Berlin, den 23. November 2012

Ethikrat mahnt Verbesserung der PID-Verordnung an



Der Deutsche Ethikrat gibt Empfehlungen für die Überarbeitung der Verordnung über die rechtmäßige Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik (PIDV) der Bundesregierung ab.

Am 14. November 2012 verabschiedete das Bundeskabinett den Entwurf einer "Verordnung über die rechtmäßige Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik" (PIDV). Die Verordnungsermächtigung dazu findet sich in § 3a Abs. 3 S. 3 des Embryonenschutzgesetzes (ESchG), der durch Gesetz zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikgesetz - PräimpG) vom 21.11.2011 neu eingefügt wurde. Demnach ist die Bundesregierung ermächtigt, das Nähere zur Anzahl und zur Zulassung von Zentren, an denen die PID durchgeführt werden darf, zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für die PID, zur zentralen Dokumentationsstelle für die PID und zu den Meldepflichten an diese Zentralstelle zu regeln. Diese Rechtsverordnung bedarf der Zustimmung des Bundesrates.


Der Deutsche Ethikrat nimmt zu der PIDV mit folgenden Empfehlungen Stellung:

1. Den Grundsatz der ausnahmsweisen eng begrenzten Zulassung einer PID wahren

Die Vorgaben des § 3a ESchG - grundsätzliches Verbot und nur ausnahmsweise Zulässigkeit der PID - müssen nach Auffassung des Deutschen Ethikrates in der Verordnung strikt umgesetzt werden. Die organisations- und verfahrensrechtlichen Vorgaben des durch das Bundeskabinett verabschiedeten Entwurfs genügen diesen Anforderungen nicht. Dies zeigt sich inbesondere in unzureichender Transparenz und ungenügenden Kontrollmöglichkeiten durch den Gesetzgeber, im Verzicht auf eine Begrenzung der Zahl der PID-Zentren und in mangelhaften Verfahrensvorgaben für die Ethikkommissionen.

2. Transparenz herstellen und Kontrolle des Gesetzgebers ermöglichen

Der Deutsche Ethikrat begrüßt den in der Begründung der PIDV genannten Vorschlag zu einer Einigung der Länder auf eine bundesweit tätige Zulassungsstelle für PID-Zentren. Durch ein solches Vorgehen können am besten die erforderlichen hohen Qualitätsmaßstäbe bei der Beratung der Betroffenen, der Begutachtung von Anträgen durch eine Ethikkommission und der Durchführung der PID sowie Transparenz über die Durchführung der PID in Deutschland nach bundesweit einheitlichen Kriterien gewährleistet werden.

Aus Sicht des Deutschen Ethikrates müssen die in § 3a ESchG vorgegebenen Informationspflichten der PID-Zentren an die zentrale Dokumentationsstelle so ausgestaltet werden, dass der Gesellschaft und dem Bundestag eine Übersicht über die Anwendung der begrenzten Zulassung der PID und damit gegebenenfalls korrigierendes gesetzgeberisches Handeln möglich sind. Detaillierte Angaben über Art und Umfang der durchgeführten Maßnahmen einer PID müssen, wie in anderen Ländern Europas, eine für die Zentren und die betroffenen Paare, aber auch für die Gesellschaft aktuelle Übersicht über die PID-Praxis in Deutschland sicherstellen und einen Beitrag zur Qualitätssicherung leisten. Die in der jetzigen Fassung der Verordnung zusätzlich eingeführte Meldung des Vererbungsmodus einer erblichen Krankheit (Chromosomenstörung, autosomal-dominant, autosomal-rezessiv und geschlechtsgebunden) reicht dazu nicht aus. Vielmehr sind für den ersten Begründungstyp für die Durchführung einer PID (hohes Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit für die Nachkommen) Informationen über die Erkrankungswahrscheinlichkeit der Nachkommen und die zu erwartende Krankheitsausprägung erforderlich. Im Hinblick auf den zweiten Begründungstyp (hohe Wahrscheinlichkeit einer Tot- oder Fehlgeburt) ist eine Angabe über den Grund der Annahme, dass eine schwerwiegende Schädigung des Embryos zu erwarten ist, sowie über die angenommene Höhe der Wahrscheinlichkeit erforderlich. Auf diese Weise kann der mittelbaren Entstehung einer Indikationsliste entgegengewirkt werden, ohne dem Bundestag die Kontrollmöglichkeit über eine nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprechende Verschiebung der Grenzen bei der PID-Anwendung zu entziehen.

3. Anzahl der PID-Zentren beschränken

Nach Auffassung des Deutschen Ethikrats lassen sich die Gesetzesziele nicht allein durch die Festlegung von Qualitätsanforderungen erreichen; vielmehr bedarf es dafür einer zahlenmäßigen Begrenzung der PID-Zentren in der Verordnung, wie es der Gesetzgeber vorsieht. In Deutschland werden derzeit laut der Begründung zur PIDV pro Jahr maximal 300 Fälle von Präimplantationsdiagnostik erwartet. Die Anzahl der zu errichtenden Zentren ist daran zu bemessen, dass diese Zahl an Diagnostiken angemessen durchgeführt werden kann, dass die Zentren für die Betroffenen erreichbar sind und dass die PID allein in Ausnahmefällen unter Beachtung hoher medizinischer Standards durchgeführt wird. Auf dieser Grundlage hält der Deutsche Ethikrat die Begrenzung auf drei Zentren für wünschenswert. Das bedeutet, dass nicht alle Einrichtungen, die die Qualitätsanforderungen erfüllen, wie derzeit in der PIDV vorgesehen, auf Antrag als Zentrum zugelassen werden können. Ergänzend zur zahlenmäßigen Begrenzung hat der Verordnungsgeber die Zulassungsvorschrift als Ermessensvorschrift auszugestalten. Im Übrigen hält der Deutsche Ethikrat es nicht für sinnvoll, dass reproduktionsmedizinische und humangenetische Einrichtungen durch Kooperationsvertrag ein PID-Zentrum bilden (§ 3 (2) PIDV).

4. Anzahl der Ethikkommissionen beschränken

Aus Gründen der Qualitätssicherung und der einheitlichen Rechtsanwendung empfiehlt der Deutsche Ethikrat zudem, die Anzahl der Ethikkommissionen entsprechend zu begrenzen. Ihre Anzahl kann auch geringer als diejenige der PID-Zentren sein.

5. Bundeseinheitliche Verfahrensvorgaben für die Ethikkommissionen bestimmen

Der Verordnungsvorschlag des Bundes beschränkt sich auf eine nur rahmenhafte Festlegung der Zusammensetzung und die Regelung der Unabhängigkeit der Ethikkommissionen; die genaue Regelung der Zusammensetzung, der Berufung, des internen Verfahrens und der Finanzierung der Ethikkommissionen bleibt den Ländern überlassen. Dies birgt die Gefahr uneinheitlicher Regelungen und Entscheidungspraktiken. Der Deutsche Ethikrat hält diese geringe Regelungsdichte vor dem Hintergrund der durch eine PID betroffenen Grundrechte für nicht ausreichend. Davon unabhängig kann nach Auffassung des Deutschen Ethikrates eine weitere Festlegung der Kommissionsverfahren und -befugnisse nicht durch Selbstverwaltungskörperschaften satzungsrechtlich auf der Grundlage von Landesrecht erfolgen, da die grundrechtswesentlichen Bereiche zumindest durch die Landesgesetzgeber geregelt werden müssen.

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Quelle:
Pressemitteilung des Deutschen Ethikrates 13/2012 vom 23.11.2012
Herausgeber: Geschäftsstelle des Deutschen Ethikrates
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2012