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FORSCHUNG/2311: Deutsche Placeboforschung an der Weltspitze (idw)


Universitätsklinikum Tübingen - 09.11.2010

Deutsche Placeboforschung an der Weltspitze

DFG unterstützt Forschungsvorhaben mit 2,6 Mio. Euro


Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat das dreijährige Forschungsprojekt "Expectations and conditioning as basic processes of the placebo and nocebo response - from neurobiology to clinical application, FOR 1328" bewilligt und unterstützt die Erforschung der Mechanismen hinter dem Placeboeffekt mit insgesamt 2,6 Millionen Euro. Jetzt ging das Forschungsvorhaben am Universitätsklinikum Tübingen an den Start. Wissenschaftler an den Universitätsklinika in Essen, Düsseldorf, Hamburg, Mannheim, Marburg und Tübingen werden in den kommenden drei Jahren mit verschiedenen experimentellen und klinischen Modellen die Placebowirksamkeit erforschen und versuchen, daraus auch Konsequenzen für den medizinischen Alltag zu ziehen, wie die Leiter der Forschergruppe (PD Dr. Bingel, Hamburg, Prof. Enck, Tübingen, Prof. Rief, Marburg (Sprecher) und Prof. Schedlowski, Essen) betonen. Untersucht werden die Mechanismen hinter der Placebowirksamkeit z.B. bei akutem (experimentellem) Schmerz bei gesunden Probanden und bei chronischen Schmerzpatienten, bei Patienten mit Morbus Parkinson, bei Magen-Darm-Funktionen und ihren Störungen, bei immunologischen Funktionen und Krankheitsbildern und bei Patienten vor und nach Herzoperationen.

Placebos gibt es seit vielen Jahrzehnten, aber eine ernstzunehmende Placeboforschung gibt es erst seit etwa einem Jahrzehnt, und eines ihrer Zentren ist in Deutschland. Mit dem insgesamt auf sechs Jahre angelegten kollektiven Forschungsvorhaben setzt sich die deutsche Placeboforschung weltweit an die Spitze, vergleichbare Initiativen aus anderen Ländern gibt es bislang nicht. Nach einem bereits 2008 von der Volkswagenstiftung bewilligten dreijährigen kollektiven Forschungsvorhaben (Understanding the mechanisms of placebo responses: The role of expectations and conditioning across diseases and treatments) zwischen den Universitäten Turin, Italien (Prof. Benedetti), Essen (Prof. Schedlowski) und Tübingen (Prof. Enck) ist das nunmehr von der DFG unterstütze Vorhaben bereits das zweite Großprojekt zum Thema Mechanismen der Placebowirkung in Deutschland, und weitere sind in Planung, sagt Prof. Paul Enck von der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen.

Placebos sind Tabletten, Pillen oder Tropfen, die wie Medikamente aussehen aber keinen Wirkstoff enthalten. Sie werden eingesetzt, um die Wirksamkeit neuer Medikamente zu überprüfen. Placeboeffekte nennt man die Wirkungen von medizinischen Behandlungen, die auftreten wenn eine unwirksame Behandlung (z.B. mit einem Placebo bei einer Medikamentenprüfung) dennoch einen positiven Effekt auf die Gesundheit, die Symptome und Beschwerden des Patienten hat. Placeboforschung befasst sich nicht mit der Entwicklung von Placebos als Medikamentenersatz, sondern mit der Frage warum Placebos (manchmal) so gut wirken wie Medikamente, und welche Mechanismen diesen Wirkungen zugrunde liegen können. Placeboeffekte können durch Patienten verursacht sein, durch aktuelle Erwartungen und frühere Erfahrungen mit einer Erkrankung und ihrer Behandlung; sie können durch den Arzt hervorgerufen oder verstärkt werden, durch bewusste oder unbewusste Beeinflussung der Erwartung der Patienten, durch Heilsversprechen oder durch Zuwendung und Einfühlsamkeit; und sie werden durch die Arzt-Patienten-Interaktion beeinflusst.


Ansprechpartner für nähere Informationen:
Universitätsklinikum Tübingen
Medizinische Klinik, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Prof. Dr. Paul Enck, Forschungsleiter
Frondsbergstr. 23, 72076 Tübingen
E-Mail Paul.Enck@med.uni-tuebingen.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution82


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Ellen Katz, 09.11.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2010