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FORSCHUNG/2431: Massgeschneiderte Schutzkleidung für bedrohte Zellen (idw)


Universität Bern - 31.05.2011

Massgeschneiderte Schutzkleidung für bedrohte Zellen


Wenn Zellen durch Giftstoffe verletzt werden, setzen sie einen raffinierten Reparaturmechanismus in Gang. Dieser produziert eine Art massgeschneiderte Schutzkleidung, wie Forschende des Instituts für Anatomie der Universität Bern herausgefunden haben. Die Studie ist nun in der Fachzeitschrift "Journal of Biological Chemistry" erschienen. Körperzellen, deren Hülle oder Zellmembran beschädigt wird, verlieren ihren Inhalt und gehen in der Regel zugrunde. Wird der Schaden durch bakterielle Giftstoffe ausgelöst, verfügt die Zelle jedoch über einen ausgeklügelten Reparaturmechanismus. Dabei spielen sogenannte Annexine - Calcium-bindende Proteine - eine wichtige Rolle. Je nach Art der Verletzung geben sie der Zelle den jeweils passenden Schutz. Dies hat ein Team um Prof. Dr. Annette Draeger von der Abteilung Zellbiologie des Instituts für Anatomie der Universität Bern herausgefunden. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift "Journal of Biological Chemistry" publiziert.

Attacke in Zellkultur nachgestellt

Strukturelle Schäden können an vielen Körperzellen auftreten. Sie werden entweder durch immunologische Reaktionen ausgelöst (zum Beispiel in Immunzellen), sind mechanisch bedingt (zum Beispiel in Muskelzellen) oder werden durch bakterielle Giftstoffe verursacht - was in allen Zellen möglich ist. Diese Toxine, die von Streptokokken oder anderen Bakterien gebildet werden, bohren Löcher in die Zellmembran. Durch die Löcher strömt Calcium ein und aktiviert Enzyme, die den Körperinhalt verdauen und die Zelle damit töten. Bakterielle Giftstoffe fügen zum Beispiel den Zellen der Atemwege grosse Schäden zu und können Krankheiten wie eine Mandel- oder Lungenentzündung verursachen.

Da Schäden oder Risse der Zellmembran schnell repariert werden müssen, besitzen die meisten Körperzellen Reparaturmechanismen. Die Forschenden um Annette Draeger stellten in einer Zellkultur eine Attacke nach, indem sie Zellen mit einem Bakterientoxin behandelten. Sie beobachteten, dass Annexine in die Richtung des Zellschadens wandern und die Verletzung schliessen. Je nachdem wie gross die Öffnung ist, oder wie lange der Angriff dauert, begeben sich - angelockt vom einströmenden Calcium - mehr und mehr Annexine an die beschädigte Zellmembran. Die Annexine sind fähig, dort entweder die Verletzung auszuschneiden und aus der Zelle abzuwerfen oder den gefährdeten Teil der Zelle abzuschnüren und zu isolieren, um den Zellkörper und den Zellkern zu retten. Sie können entweder sofort eingreifen und kleinere Löcher "stopfen", oder bei ausgedehnten Verletzungen gezielt zusammenarbeiten. "Die Annexine schneidern der bedrohten Zelle einen Schutzanzug auf Mass", umschreibt Annette Draeger den Vorgang. Für die angewandte Forschung seien die Kenntnis über solche Mechanismen wichtig, da Schäden an der Zellmembran zum Beispiel bei bakteriellen Infekten sehr häufig auftreten können.


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.kommunikation.unibe.ch/content/medien/medienmitteilungen/news/2011/zellschutz/

Quellenangabe:
Sarah Potez, Miriam Luginbühl, Katia Monastyrskaya, Andrea Hostettler, Annette Draeger, and Eduard B. Babiychuk:
Tailored Protection against Plasmalemmal Injury by Annexins with Different Ca2+ Sensitivities
Journal of Biological Chemistry
Vol. 286, Nr. 20, S. 17.982-17.991, 20. Mai 2011
doi: 10.1074/jbc.M110.187625

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image143532
Menschliche Körperzelle, in der zwei Annexine markiert sind (Annexin 1 gelb; Annexin 6 blau). Auf der linken Seite vor dem Toxinangriff sind die beiden Proteine in der Zelle durchmischt. Auf der rechten Seite hat ein Bakterientoxin Löcher in die Zellmembran gebohrt, worauf beide Annexine an die Membran wandern und an unterschiedlichen Stellen die Reparatur vornehmen. Der Teil der Membran, der die Toxinpore enthält, wird isoliert (weisser Pfeil) und abgestossen (roter Pfeil).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution57


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Bern, lic. phil. Nathalie Matter, 31.05.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2011