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FORSCHUNG/3445: Neurowissenschaft - Hirnnetzwerk für Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen aufgeklärt (idw)


Technische Universität München - 21.01.2016

Wichtiges Hirnnetzwerk für Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen aufgeklärt


Im Alltag nehmen wir ständig Informationen über unsere Sinnesorgane auf, die das Gehirn korrekt verarbeiten muss. Zuerst gelangen sie in die zentrale Schaltstelle, den Thalamus, dann in die Großhirnrinde, den Cortex. Eine prinzipielle Verbindungsleitung zwischen beiden Hirnarealen sind die Nervenzellen im so genannten "higher-order"-Thalamus. Ihre Funktion bei der Sinnesverarbeitung war bisher unbekannt. Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) haben jetzt erstmals im Tiermodell gezeigt, dass sie als Verstärker und Kurzzeitspeicher für sensorische Informationen dienen.

Der Thalamus ist gerade mal so groß wie zwei Walnüsse und liegt in der Mitte des Gehirns. Alle Sinneswahrnehmungen laufen zuerst hier zusammen. Deshalb muss er als zentrale Schaltstelle die Flut an ankommenden Informationen und die begrenzte Rechenleistung des Gehirns in Einklang bringen. Doch wie macht der Thalamus das? Wie signalisiert er dem Cortex innerhalb von Millisekunden, welche Informationen wichtig sind und dort bewertet und ins Bewusstsein gebracht werden müssen?

Tiermodell für die Erforschung von sensorischen Reizen

Für Neurowissenschaftler wie Dr. Alexander Groh vom Institut für Neurowissenschaften und der Neurochirurgischen Klinik der TUM sind deshalb die Prozesse in den Nervenzellen am Übergang vom Thalamus zum Cortex besonders interessant. "Über die Funktion und Wirkungsweise dieser Region, die als 'higher-order'-Thalamus bezeichnet wird, weiß man noch sehr wenig. Sie ist aber extrem wichtig, da die Nervenzellen dort Kontakte zu zahlreichen Bereichen des Cortex ausbilden und diese potentiell beeinflussen.", erklärt Alexander Groh, der die aktuelle Studie leitete.

Mit ihren Experimenten konnten die Wissenschaftler jetzt erstmals im Tiermodell die Nervenzellaktivitäten bei sensorischen Reizen an dieser Verbindungsstelle darstellen. Die Forscher berührten hierzu die Tasthaare von schlafenden Mäusen und maßen zeitgleich die Abläufe in den Nervenzellen der cortikalen Zielgebiete. "Für die Maus sind die Tasthaare das wichtigste Sinnesorgan dessen Signale vom Cortex in Sinneseindrücke verwandelt werden. Es wird seit langem diskutiert, wie die Zellen im 'higher-order'-Thalamus die sensorischen Signale im Cortex beeinflussen.", erklärt Dr. Rebecca Mease, die an der Studie mitwirkte.

"higher-order"-Thalamus verstärkt und speichert Signale

Groh und sein Team konnten zeigen, dass der "higher-order"-Thalamus aktivierende Signale an den Cortex sendet. Diese konnten cortikale Signale verstärken und sogar noch aufrechterhalten, als der eigentliche Reiz - die Berührung der Tasthaare - gar nicht mehr existierte. "Der 'higher-order'-Thalamus dient offensichtlich als Verstärker von wichtigen Signalen und über einen gewissen Zeitraum auch als Kurzzeitspeicher. So kann das Gehirn im Thalamus wichtige Informationen herausfiltern und diese dann verstärkt und verlängert an den Cortex weitergeben."

Das sensorische System ist auch deshalb für die Forschung so interessant, weil es anatomisch in Mäusen, Affen und Menschen sehr ähnlich ist. Zudem haben die Informationen aus dem Thalamus auch Einfluss auf das Verhalten, da im Cortex auch wichtige Areale für Bewegungsabläufe liegen. "Es scheint, dass die Natur hier ein allgemeingültiges Informationsverarbeitungssystem geschaffen hat. Für uns Wissenschaftler ist das sehr praktisch, weil wir so in Tiermodellen viele Erkenntnisse bekommen können, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für das menschliche Gehirn gelten.", sagt Groh.


Publikation
Rebecca A. Mease, Markus Metz, Alexander Groh, Cortical Sensory Responses Are Enhanced by the Higher-Order Thalamus, Cell Reports, Dezember 2015. DOI: 10.1016/j.celrep.2015.12.026
http://www.cell.com/cell-reports/abstract/S2211-1247%2815%2901450-3

Creative Commons License CC BY-NC-ND 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/

Kontakt
Dr. Alexander Groh
Neurochirurgische Klinik und Poliklinik
Klinikum rechts der Isar
der Technischen Universität München
alexander.groh@lrz.tum.de

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http://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/kurz/article/32873/
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Technische Universität München, Dr. Ulrich Marsch, 21.01.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2016

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