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GESUNDHEIT/1314: Deutsche Gesundheits-Korrespondenz Nr. 11/12 - November/Dezember (DGK)


DEUTSCHES GRÜNES KREUZ e.V. - informationsdienst

dgk - Deutsche Gesundheits-Korrespondenz Nr. 11/12 - November/Dezember (DGK)



  • Grippeimpfung nicht vergessen
    Infokasten: Zahlen zur Saison 2016/17
  • Autsch, eingerissene Mundwinkel
    AUS WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG
  • Kälteanpassungen: Von Schrumpfköpfen, Gänsehaut und Zähneklappern
    KIND UND GESUNHEIT
  • Cytomegalievirus-Infektionen
    Unterschätzte Gefahr in der Schwangerschaft
  • Mittelohrentzündung bei Kindern - wann sind Antibiotika angebracht?
    MELDUNG
  • Vergesslichkeit: Demenz oder Depression?
    SERVICE

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Grippeimpfung nicht vergessen

(dgk) Seit Oktober rufen Experten wie jedes Jahr zur Grippeimpfung auf. Wer bisher nicht geimpft ist, hat noch Zeit, die Impfung vornehmen zu lassen. Bislang ist die Grippeaktivität laut Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) gering. Auch in den vergangenen beiden Grippesaisons stieg die Influenzaaktivität erst ab Ende Dezember deutlich an.

"Ihren Höhepunkt erreichen die Grippewellen meist im Januar bis Februar", erklärt Prof. Dr. Peter Wutzler von der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e.V. (DVV). "Vom Impftermin an dauert es ca. zwei Wochen, bis die schützende Wirkung einsetzt." Dies sollte, wenn es um den Impftermin geht, bedacht werden.

Kritiker der Impfung bemängeln, dass die Impfung nicht wirksam genug schützt. Tatsächlich betrug die Impfeffektivität in der Saison 2016/17 nur 21 Prozent. Das liegt vor allem daran, dass Grippe-Viren nicht nur eine große Variabilität sondern auch eine hohe Mutationsrate aufweisen.

"Die WHO legt bereits im Frühjahr die Zusammensetzung des Impfstoffes für die kommende Influenzasaison auf der Nordhalbkugel fest, da der aufwendige Herstellungsprozess etwa sechs Monaten dauert", so Wutzler. Bis zum Auftreten einer Influenzawelle können sich die zirkulierenden Influenzaviren soweit verändert haben, dass die nach der Impfung gebildeten Antikörper nicht optimal wirken.

Diese Unsicherheit sollte aber kein Grund sein, sich gegen den Schutz durch eine Impfung zu entscheiden, betont der Virologe: "Auch wenn die Wirksamkeit der Grippeimpfung nicht optimal ist, können aufgrund der Häufigkeit der Influenza viele Erkrankungsfälle und schwere Verläufe verhindert werden".

Wer sich jedes Jahr impfen lässt, kann die Effektivität der Impfung zudem positiv beeinflussen, meint Dr. Joanna Dietzel, Influenza-Expertin beim Deutschen Grünen Kreuz e.V. "Menschen, die sich regelmäßig gegen Influenza impfen lassen, stärken ihr Immunsystem, eindringende Viren werden schneller erkannt," so Dietzel. Die jährliche Impfung habe einen sogenannten "Booster-Effekt", das Immunsystem bekomme einen "Schubs", sich nicht nur gegen die aktuellen Impf-Viren zu richten, sondern es könne sich auch an die Influenza-Viren der vergangenen Saisons erinnern. Wer sich regelmäßig gegen Grippe impfen lässt, so das Fazit, ist besser geschützt. Das zeigte auch eine im Jahr 2014 in der renommierten Fachzeitschrift Science veröffentlichte Studie.

Um das Risiko einer Influenza-Infektion weiter zu verringern, empfiehlt das Robert Koch-Institut zusätzlich zur Impfung regelmäßiges und gründliches Händewaschen mit Seife sowie Abstandhalten zu erkrankten Personen.

Zahlen zur Grippesaison 2016/17

Laut Bericht der Arbeitsgemeinschaft Influenza am Robert Koch-Institut suchten während der vergangenen Grippesaison etwa 6 Millionen Menschen wegen einer Influenza einen Arzt auf. Rund 3,4 Millionen Menschen mussten grippebedingt das Bett hüten, konnten nicht arbeiten gehen oder waren pflegebedürftig. 30.000 Patienten mussten im Krankenhaus behandelt werden. Insgesamt hatte das Robert-Koch-Institut mehr als 113.000 Influenzafälle registriert, mehr als 675 davon verliefen tödlich. Besonders betroffen waren ältere Menschen ab 60 Jahren.


Quellen:
1. Bericht zur Epidemiologie der Influenza in Deutschland Saison 2016/17 der Arbeitsgemeinschaft Influenza am Robert Koch-Institut

2. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/79463/Aerzte-raten-zur-rechtzeitigen-Grippeschutzimpfung

3. Fonville, J. M.: Antibody landscapes after influenza virus infection or vaccination; Science. 2014 Nov 21; 346(6212): 996-1000. doi:10.1126/science.1256427

4. Robert Koch-Institut, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und Paul-Ehrlich-Institut: Gemeinsame Pressemitteilung 14 / 2017: Influenza - vor allem ältere Menschen stark betroffen; abgerufen unter www.pei.de

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Autsch, eingerissene Mundwinkel

Sie schmerzen beim Lachen und Gähnen und können sich entzünden: Eingerissene Mundwinkel sind nicht nur ein kosmetisches Problem. Forschen Sie nach den Ursachen!

(RaIA / dgk) Im Herbst und Winter treten sie wieder verstärkt auf: trockene, aufgesprungene Lippen und nicht selten auch eingerissene Mundwinkel. Sie heißen medizinisch Rhagaden, der Volksmund spricht von "Faulecken". Warum das Klima den Lippen zu schaffen macht, lässt sich leicht erklären. Die dünne Haut der Lippen besitzt praktisch keine Talgdrüsen und kann sich kaum vor Kälte und trockener Heizungsluft schützen, so der Ratgeber aus Ihrer Apotheke. Um die Haut trotzdem geschmeidig zu halten und anzufeuchten, lecken sich viele Menschen automatisch über die Lippen. Doch gerade das verschlimmert das Problem und trocknet die Lippen noch stärker aus.

Terrain für Keime
Sind spröde Lippen und Mundwinkel erst einmal eingerissen, können sich dort allerlei Keime ansiedeln und vermehren. Vor allem dann, wenn die Haut häufig mit der Zunge befeuchtet wird. Schlecht sitzender Zahnersatz, Probleme mit den Zähnen oder auch eine unzureichende Mundhygiene können das Problem ebenfalls hervorrufen oder weiter verschärfen.

Nicht immer ist nur das Winterwetter schuld an eingerissenen Mundwinkeln: Rhagaden können auch einen Vitamin- oder Mineralstoffmangel anzeigen. Möglicherweise steckt ein Vitamin-B2-Mangel dahinter, der beispielsweise in der Schwangerschaft oder bei übermäßigem Alkoholgenuss auftreten kann. Ein Defizit an Vitamin C kann ebenfalls mit eingerissenen Mundwinkeln sowie mit Zahnfleischbluten einhergehen. Eisenmangel macht sich nicht nur durch brüchige Nägel und spröde Haare bemerkbar, sondern eben auch durch Mundwinkel-Rhagaden. Ein intaktes Immunsystem benötigt außerdem genügend Zink. Überprüfen Sie Ihre Ernährungsgewohnheiten!

Schließlich können eingerissene Mundwinkel auch durch andere Erkrankungen verursacht werden. So bilden sich bei Hautleiden wie Allergien, Neurodermitis oder Schuppenflechte schuppende, juckende Ausschläge im Gesicht und ziehen mitunter auch die Lippen in Mitleidenschaft. Zudem können Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes und Leberleiden Mundwinkel-Rhagaden begünstigen. Mitunter treten sie auch als "Nebenwirkung" einer Behandlung mit Antibiotika auf.

Auf zum Arzt
Wer häufiger mit rissigen Mundwinkeln oder schlecht heilenden Rhagaden zu kämpfen hat, sollte zum Haus- oder Hautarzt gehen. Der Mediziner wird nach Vorerkrankungen und weiteren Beschwerden fragen. Anschließend hilft ein fachkundiger Blick auf die Mundwinkel. Dort können zum Beispiel kleine Bläschen eine Herpesinfektion anzeigen. Ein Blick in die Mundhöhle verrät, ob die Mundschleimhaut entzündet und vielleicht mit Pilzen befallen ist. Eventuell wird auch ein Abstrich gemacht, der im Labor auf Erreger untersucht wird. Manchmal können eine Blutuntersuchung oder ein Allergietest weiteren Aufschluss geben. Vielleicht steht auch ein Besuch beim Zahnarzt an.

Sind Mundwinkel-Rhagaden auf Keime wie Bakterien oder Pilze zurückzuführen, wird der Arzt passende Arzneimittel verordnen. Liegt ein Vitamin- oder Mineralstoffmangel vor, helfen eine Ernährungsumstellung unter ärztlicher Anleitung und eventuell ausgesuchte, ausreichend hoch dosierte Vitalstoffpräparate aus der Apotheke. Um den Heilungsprozess zu unterstützen, ist es wichtig, die Mundwinkel trocken zu halten.

Selbst aktiv werden
Um Mundwinkel-Rhagaden vorzubeugen, kann man selbst einiges unternehmen. Da Körper und Haut in der Heizperiode viel Flüssigkeit brauchen, gilt: mindestens anderthalb bis zwei Liter täglich trinken, am besten Wasser und ungesüßte Früchte- und Kräutertees. Eine abwechslungsreiche, ausgewogene Ernährung mit viel frischem Obst und Gemüse versorgt den Körper gut mit wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen und beugt Defiziten vor.

Für eine gute Versorgung mit Fett und Feuchtigkeit sorgen Lippenbalsame, Fettstifte und Cremes speziell für spröde, rissige Haut aus der Apotheke.

Weitere interessante Themen finden Sie im Ratgeber aus Ihrer Apotheke, Ausgabe 11 B / 2017, der ab dem 15. November kostenlos in der Apotheke bereitliegt

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AUS WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG
Kälteanpassungen: Von Schrumpfköpfen, Gänsehaut und Zähneklappern

Unsere heimischen Waldspitzmäuse haben eine skurrile Taktik entwickelt, die kalte Jahreszeit zu überstehen. Im Herbst schrumpfen ihre Köpfe um bis zu 20 Prozent - mitsamt Schädelknochen und Gehirn, wie deutsche Forscher jüngst herausgefunden haben. Mit dieser Radikalkur sparen die Tiere Energie. Auch der Mensch zeigt biologische Kälteanpassungen. Sie sind glücklicherweise weniger dramatisch.

(dgk) Das liegt unter anderem daran, dass die entscheidenden Anpassungen beim Menschen nicht biologischer, sondern kultureller Art sind: Wir nutzen Kleider, Behausungen und externe Wärmequellen wie Feuer oder Heizungen. Das ist auch notwendig, denn selbst die dicht behaarteste Männerbrust reicht nicht für einen Winterpelz. Um sich vor niedrigen Temperaturen zu schützen, drosselt Homo sapiens zudem die Durchblutung von "Körperanhängen" wie Händen, Füßen, Ohren, Nasenspitze sowie der gesamten Haut.

Deshalb wird im Winter die Haut trocken
Was auch Nachteile hat. Durch den verringerten Blutfluss werden Stoffwechselprozesse in der Haut reduziert. Dadurch wird die Haut anfälliger für Infektionen durch Pilze, Viren (Warzen) und Bakterien. Die kalte Winterluft enthält nur wenig Feuchtigkeit - weshalb sie der Haut Feuchtigkeit entzieht. Verstärkt wird dies noch durch die trockene Heizungsluft: Kommt man aus der Kälte in die Wärme eines Raumes, so werden die Blutgefäße der Haut reflektorisch übermäßig weit geöffnet. Es entstehen die rote Nase, glühende Wangen sowie heiße Hände und Füße. Die starke Durchblutung erhöht wiederum den Feuchtigkeitsverlust - direkt spürbar an der triefenden Nasenschleimhaut. Ab etwa acht Grad Celsius gerät zudem die natürliche Talgproduktion der Haut ins Stocken. Der Talg kann sich daher nicht mehr als Verdunstungsschutz über die Haut verteilen.

Gänsehaut - Überbleibsel aus der fernen Vergangenheit
Wer Wildvögel im Winter beobachtet weiß, dass sie bei großer Kälte ihr Gefieder aufplustern. Durch das Aufrichten der Federn bildete sich zwischen den aufgerichteten Federn und der Haut ein Luftpolster, welches die Körperwärme besser hält. Auch Säugetiere nutzen diesen Effekt indem sie sich im wahrsten Sinne des Wortes aufbauschen. Der Mensch besitzt nur eine sehr spärliche Körperbehaarung, die kaum für ein wirkungsvolles Luftpolster taugt. Die winzigen Haare werden dennoch bei Kälte aufgestellt, was als Gänsehaut sichtbar wird. Einige Forscher meinen, dass die Gänsehaut auf die Zeit zurückgeht, in der wir noch ein Fell trugen.

Zähneklappern und Kältezittern
Ebenfalls nicht besonders effektiv ist das Kältezittern, das sich auch im Zähneklappern zeigt. Menschen zittern mit einer Frequenz von etwa 10 Hz, Mäuse bringen es auf 40 Hz. Wie bei der normalen Muskelarbeit entsteht auch beim Zittern Wärme. Da die Muskulatur mehr durchblutet werden muss, um arbeiten zu können, geht bei Zittern viel Wärme über die Haut verloren.

Körpereigene Heizung: Braunes Fettgewebe
Eine höhere Effizienz hat die Aktivität des braunen Fettgewebes, das überschüssige Energiereserven in Wärme umwandeln kann. Dies geschieht durch die Oxidation von Fettsäuren in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen. Sie sind für die bräunliche Färbung des Spezialgewebes verantwortlich. Neugeborene Säugetiere (auch Säuglinge) besitzen es, mit dem Erwachsenwerden wird es weniger. Nagetiere und winterschlafhaltende Tiere besitzen auch im Erwachsenenalter noch größere Mengen an braunem Fettgewebe. Erst vor wenigen Jahren wurde es auch beim ausgewachsenen Menschen entdeckt, allerdings nur in kläglichen Resten, die umso geringer sind, je weniger Kältereizen wir ausgesetzt sind. Schade, denn diese geniale innere Heizung könnte auch beim Abnehmen helfen, da sie Energie in Form von Fett verbraucht.

Schrumpfkopf im Energiesparmodus
Zurück zur Waldspitzmaus. Auch sie nutzt die Aktivität braunen Fettgewebes zur Wärmeproduktion. Da die Tiere sehr klein sind und einen extrem hohen Energiebedarf haben, brauchen sie weitere Strategien gegen die Kälte und den Nahrungsmangel im Winter. Mit sinkenden Temperaturen verringern Waldspitzmäuse daher das Gewicht verschiedener Organe, um den Energiebedarf zu senken. Erstaunlicherweise schrumpfen dabei auch Schädel und Hirnmasse deutlich. "Indem die Tiere die Größe ihres Schädels - und damit ihres Gehirns - verringern, könnten sie überproportional viel Energie einsparen, da das Gehirn sehr viel Energie verbraucht", sagt Javier Lázaro vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell. Im folgenden Frühjahr beginnt die Hirnschale dann erneut zu wachsen und erreicht im Sommer fast wieder die Vorjahresgröße. Ob das Schrumpfen die Hirnleistung im Winter einschränkt, ist noch nicht bekannt.


Quellen:
1. Javier Lázaro et al.: Profound reversible seasonal changes of individual skull size in a mammal. Current Biology, DOI: 10.1016/j.cub.2017.08.055
2. Wissenschaft aktuell: Im Winter schrumpft das Hirn; Meldung vom 24.10.2017 unter www.wissenschaft-aktuell.de
3. Gerhard Heldmaier & Gerhard Neuweiler: Vergleichende Tierphysiologie, Springer 2012
4. Waldspitzmaus - Sorex araneus unter
http://kleinsaeuger.at/sorex-araneus.html

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KIND UND GESUNDHEIT
Unterschätzte Gefahr in der Schwangerschaft:
Cytomegalievirus-Infektionen

(dgk) Während der Schwangerschaft sind akute Infektionen besonders unangenehm und teilweise auch gefürchtet. Bei bestimmten Virusinfektionen ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind Schaden nehmen kann, stark erhöht. Neben Windpocken und Röteln ist dies die weniger beachtete Infektion mit Cytomegalieviren.

Diese Schwangeren sollten ihren Serostatus kennen
"Seit 2014 wird leitlinienmäßig empfohlen, dass bei allen Schwangeren mit beruflichem oder privatem Kontakt zu Kleinkindern der Serostatus zu Schwangerschaftsbeginn überprüft werden soll", erklärt Prof. Dr. Klaus Hamprecht vom Konsilarlabor für kongenitale CMV-Infektion am Institut für Medizinische Virologie, Universitätsklinikum Tübingen. Da es jedoch kein von Fachgesellschaften empfohlenes CMV-Screening in der Schwangerschaft gibt, können Gynäkologen ihren Schwangeren die Bestimmung des CMV-Serostatus lediglich als IGeL (individuelle Gesundheitsleistung) anbieten.

CMV-Infektionen: häufigste Ursache von angeborenen Schädigungen
Die Infektion mit den zu den Herpesviren gehörenden Cytomegalieviren (CMV) ist zurzeit die häufigste Ursache von Schädigungen des Kindes während der Schwangerschaft und damit vor Röteln und Toxoplasmose zu nennen. Selbst wenn nach der Geburt erstmal keine Krankheitssymptome vorliegen, gibt es keinen Grund zur Entwarnung, denn etwa 10 bis 15 Prozent der bei Geburt klinisch unauffälligen infizierten Neugeborenen können im Laufe des Kleinkindalters Hörstörungen bis hin zur Taubheit entwickeln. In etwa zehn Prozent der Fälle kommt es zu Symptomen wie Wachstumsverzögerungen, einer Vergrößerung der Leber oder neurologischen Störungen bis hin zu Behinderungen.

In der Harmlosigkeit liegt gleichzeitig die Gefährlichkeit
Infektionen mit Cytomegalieviren bleiben bei gesunden Menschen mit einem intakten Immunsystem meist unentdeckt. Es zeigen sich entweder keine Krankheitszeichen oder es kommt lediglich zu erkältungsähnlichen Symptomen. Es gibt also für Laien kaum "Bilder im Kopf" dazu, wie beispielsweise bei Masern, Mumps oder Röteln. Das mag ein Grund für den niedrigen Bekanntheitsgrad der Erkrankung und die häufig unterlassenen Vorsorgemaßnahmen in der Schwangerschaft sein.

Fast jede zweite Schwangere ist seronegativ und damit gefährdet
Zu einer Übertragung von Cytomegalieviren auf das Ungeborene kann es kommen, wenn sich die werdende Mutter erstmals in ihrem Leben mit diesen Keimen infiziert. Man geht davon aus, dass in Deutschland etwa die Hälfte der Schwangeren bereits eine CMV-Infektion durchgemacht haben. In ihrem Blut sind Antikörper nachweisbar (seropositiv), ihre Kinder sind kaum gefährdet. Gefährdet sind die Kinder derjenigen Schwangeren, die seronegativ sind und damit noch keine Abwehr gegen die Viren haben. Untersuchungen zeigen, dass sich etwa eine von 400 werdenden Mütter erstmals in ihrem Leben infiziert, was nicht gerade selten ist. In 31 bis 77 Prozent dieser Fälle, u. a. je nach Zeitpunkt der Infektion innerhalb der Schwangerschaft, werden die Viren über die Planzenta auf das Kind übertragen, mit den oben genannten möglichen Folgen.

Wie kann man sich anstecken?
Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch über Schmier- und Tröpfcheninfektion durch Körperflüssigkeiten wie Urin, Speichel, Tränenflüssigkeit und Genitalsekret. Die häufigste Infektionsquelle für Schwangere sind Kleinkinder unter drei Jahren, die nach einer - meist unbemerkten - Infektion große Virusmengen ausscheiden. Besonders gefährdet sind daher jene Schwangere, die bereits Kleinkinder im Haus haben. Auch Schwangere, die beruflich intensiven Kontakt zu Kleinkindern haben wie Erzieherinnen, sind gefährdet.

Was tun, wenn der Test negativ ausfällt?
Eine Impfung gegen CMV ist leider noch nicht in Sicht. Schwangere, die noch nie eine CMV-Infektion durchgemacht haben, also seronegativ sind, wird empfohlen, bestimmte Hygienemaßnahmen befolgen, um eine Infektion zu verhindern. Eine aktuelle Studie aus Italien zeigt, wie effektiv dies ist: Die Hygienemaßnahme können demnach das Risiko einer CMV-Erstinfektion in der Schwangerschaft um 50-85 Prozent senken.


Hygienemaßnahmen: Händewaschen schützt vor CMV-Übertragung
  • Gründliches Händewaschen nach jedem Kontakt zu Körperflüssigkeiten von Kindern wie z. B. beim Windelwechsel, Waschen, Füttern, Tränen abwischen, Nase putzen und Kontakt mit Spielzeug, das in den Mund genommen wurde. Dafür reicht das Waschen der Hände mit Wasser und Seife.
  • Küssen auf den Mund sollte unterbleiben, da auch hierdurch das Virus übertragen werden kann.
  • Darüber hinaus sollten Geschirr, Besteck wie auch Zahnbürsten, Handtücher und Waschlappen nicht gemeinsam benutzt werden. Schnuller in den Mund nehmen und Reste vom Kinderteller essen sind ebenfalls zu unterlassen.


Quellen:
1. "Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen", S2k-Leitlinie, AWMF Registernummer 0093/001; Federführende Fachgesellschaften: Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV e.V.) und Gesellschaft für Virologie (GfV e.V.)

2. Buxmann H, Hamprecht K, Meyer-Wittkopf M, Friese K: Zytomegalievirus-Primärinfektion in der Schwangerschaft. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 45-52. DOI: 10.3238/arztebl.2017.0045

3. Konsiliarlabor für Cytomegalievirus (CMV) am Institut für Medizinische Virologie und Epidemiologie der Viruskrankheiten der Universität Tübingen

4. Rawlinson, W. D. et al.: Congenital cytomegalovirus infection in pregnancy and the neonate: consensus recommendations for prevention, diagnosis, and therapy. Lancet Infect Dis. 2017 Jun;17(6):e177-e188.

5. Hamprecht, K. et al.: Intrafamilial transmission of human cytomegalovirus (HCMV): Long-term dynamics of epitope-specific antibody response in context of avidity maturation. Journal of Clinical Virology 60 (2014) 119-126

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Mittelohrentzündung bei Kindern - wann sind Antibiotika angebracht?

(dgk) Erfreulicherweise empfehlen Ärzte bei Mittelohrentzündungen immer häufiger das Prinzip der "abwartenden Beobachtung", statt gleich, wie früher häufig, ein Antibiotikum zu verschreiben. Das Abwarten ist aber nicht einfach, wenn man ein leidendes, gereiztes Kind mit Ohrenschmerzen, Fieber und Schlafproblemen vor sich hat. Viele Eltern (und auch Ärzte) sind unsicher, ob nicht doch ein Antibiotikum notwendig ist. Woran können sie beim abwartenden Beobachten erkennen, ob das Mittel notwendig ist?

Auf dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2017, der im September in Köln stattfand, wurden Anhaltspunkte gegeben. Für eine Antibiotikaverordnung bei einer akuten Mittelohrentzündung spricht demnach eine Entzündung beider Ohren sowie eitriger Ohrausfluss. Beide Symptome weisen auf bakterielle Infektionen hin, die sich mit Antibiotika gut behandeln lassen. Auch Warnzeichen für Komplikationen wie Hörstörungen, die länger als eine Woche anhalten, Erbrechen, unzureichende Flüssigkeitsaufnahme, Drehschwindel sowie eine Rötung, Schwellung oder Klopfschmerz über dem Knochen-Vorsprung hinter dem Ohr (Mastoid) machen eine Behandlung mit Antibiotika notwendig.

Eltern sollten einen Arzt nicht bedrängen, ein Antibiotikum zu verschreiben. Umgekehrt sollte der Arzt nur bei schwerwiegenden Begleiterkrankungen oder einem schweren Verlauf eines bakteriellen Infekts sofort ein Antibiotikum verschreiben. Ansonsten reicht eine abwartende Beobachtung mit engmaschiger ärztlicher Kontrolle und die Gabe schmerzstillender Mittel aus.

Ein solches abwartendes Vorgehen vermeidet mögliche Nebenwirkungen durch Antibiotika. In Studien wurde untersucht, ob es dadurch häufiger zu Komplikationen oder neuen Erkrankungen kommt. Dies ist nicht der Fall.

Die akute Mittelohrentzündung ist eine der am weitesten verbreiteten Infektionen im Säuglings- und Kindesalter. Etwa 60 Prozent aller Kinder haben bis zu ihrem sechsten Lebensjahr mindestens einmal unter der schmerzhaften Erkrankung gelitten.

Nicht wenige der kleinen Patienten bekommen Antibiotika, obwohl die Entzündung in der Regel ohne Behandlung vorbeigeht. Noch überflüssiger erscheint diese Therapie, wenn man sich vor Augen führt, dass die Erkrankung häufig durch Viren ausgelöst wird, weshalb Antibiotika nichts ausrichten können. Dem fraglichen Nutzen stehen unerwünschte Wirkungen wie Durchfall gegenüber. Durch einen häufigen Einsatz von Antibiotika können zudem gefährliche Keime mit Resistenzen "gezüchtet" werden.


Quellen:
1. Antibiotika gegen akute Mittelohrentzündung bei Kindern: Venekamp RP, Sanders SL, Glasziou PP, Del Mar CB, Rovers MM. Antibiotics for acute otitis media in children. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 6. Art. No.: CD000219. DOI: 10.1002/14651858.CD000219.pub4

2. Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM): Leitlinie Ohrenschmerzen, Stand: 01.11.2014, gültig bis 31.05.2019

3. Springer Medizin, Meldung vom 3.10.2017: Wann und welches Antibiotikum bei akuter Otitis media? www.springermMedizin.de

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MELDUNG
Vergesslichkeit: Demenz oder Depression?

(dgk) "Ich bin so vergesslich geworden. Vielleicht habe ich eine Demenz." Vor allem ältere Menschen machen sich Sorgen, wenn sie Erinnerungslücken bei sich beobachten. Manche suchen spezielle, an Kliniken angeschlossene Gedächtnissprechstunden auf, in denen genaue Diagnosen von Hirnleistungsstörungen erstellt werden.

"Etwa ein Drittel davon hat jedoch keine Demenz", erläuterte Dr. Tilman Fey, Chefarzt der Gerontopsychiatrie am LWL-Klinikum in Münster. "Ein großer Teil davon ist an einer Depression erkrankt", sagte Fey beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) in Frankfurt.

Selbst für Fachleute ist es anfangs oft nicht leicht, zwischen beiden Erkrankungen zu unterscheiden. Es gibt einige Merkmale, die Betroffene selbst oder Angehörige wahrnehmen können und die Hinweise auf die Ursache der verminderten geistigen Leistungsfähigkeit liefern.

Höhepunkt der geistigen Leistungsfähigkeit
So sind Demenzkranke morgens geistig am fittesten, im Tagesverlauf nimmt die kognitive Leistung ab. Schlafentzug verstärkt die Defizite. Ganz anders bei Depressiven: Ihre kognitiven Probleme sind morgens besonders ausgeprägt, im Laufe des Tages gehen die Beschwerden aber zurück. Abends schließlich erleben sie sich als besonders fit. Schlafentzug wirkt sich bei ihnen eher positiv aus.

Selbstwahrnehmung: Dramatisieren oder Bagatellisieren?
Interessant sind die Unterschiede in der Selbstwahrnehmung. Demenzkranke verharmlosen ihre kognitiven Probleme oftmals, Depressive hingegen stellen sie eher dramatisch oder drastisch dar. Auch die Wahrnehmungen der Angehörigen können aufschlussreich sein. Bei Depressiven sehen sie oft keine Einschränkung in der Alltagskompetenz und die geistige Leistungsfähigkeit des Betroffenen wird nicht als das eigentliche Problem angesehen. Bei Demenzkranken hingegen trifft beides eher zu.

Beginn schleichend oder plötzlich?
Eine Demenz beginnt schleichend. Anders bei einer Depression, bei der Betroffene sich oft an ein belastendes Ereignis erinnern, mit dem die Beschwerden begonnen haben. Eine Depression bei älteren Menschen sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Unter anderem steigt die Gefahr, dass die Betroffenen ihren Alltag nicht mehr bewältigen können und vorzeitig in ein Pflegeheim müssen. Dabei ist die Erkrankung bei Senioren ähnlich gut behandelbar, wie bei Jüngeren. Mit einer Behandlung sollte daher nicht gezögert werden.


Quellen:
1. Ärzte Zeitung online: Demenz oder Depressionen? Meldung vom 20.10.2017

2. Springer Medizin online: Depressionstherapie bei Älteren - darauf kommt es an; Meldung vom 19.10.2017, basierend auf: Symposium Gerontopsychiatrie: Depression und Delir. Weltkongress der World Psychiatric Association in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Berlin, 8.12.10.2017.

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SERVICE

Zu vielen Themen in dieser Ausgabe finden Sie weitergehende Informationen auf unserer Homepage unter www.dgk.de/Aktuelles

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Für Rückfragen steht Ihnen unsere Pressestelle täglich (außer Mittwoch) von 8.30 bis 13.30 Uhr zur Verfügung:
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Quelle:
dgk - Deutsche Gesundheits-Korrespondenz - informationsdienst
58. Jahrgang, Nr. 11/12 - November/Dezember
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2017

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