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HYGIENE/130: 200. Geburtstag von Ignaz Semmelweis - Hygienemaßnahmen konsequent umsetzen (BVMed)


BVMed - Bundesverband Medizintechnologie e.V. - 26. Juni 2018

BVMed zum 200. Geburtstag von Ignaz Semmelweis: "Bei der Vermeidung von Krankenhausinfektionen besteht Handlungsbedarf"


Berlin | Der Bundesverband Medizintechnologie, BVMed, hat zum 200. Geburtstag des Geburtsarztes und "Retter der Mütter", Ignaz Semmelweis, am 1. Juli 2018 eine gemischte Bilanz der Bemühungen zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen in Deutschland gezogen. Es gebe zwar evidenzbasierte Empfehlungen und gesetzliche Regelungen. "Wir haben aber bei der Vermeidung von Krankenhausinfektionen in Deutschland immer noch großen Handlungsbedarf", sagte BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Joachim M. Schmitt. Für einen effektiven Infektionsschutz setzt sich die Initiative "Infektionen vermeiden - bewusst handeln" im BVMed ein. Sie wird fachlich durch Prof. Dr. Christine Geffers vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité beraten. "Vor der Behandlung kommt die Vermeidung von Krankenhaus-Infektionen", so Prof. Geffers. "Es geht darum, die Hygiene in den Köpfen aller Beteiligten zu verankern. Deshalb hat die konsequente Schulung über Infektionswege und Präventionsmaßnahmen vorderste Priorität."

Vor 200 Jahren, am 1. Juli 1818, wurde Ignaz Semmelweis geboren. Er ist aufgrund seiner Erkenntnisse und daraus abgeleiteten Präventionsmaßnahmen im Bereich der Infektiologie bis heute als "Retter der Mütter" bekannt. Der in Wien tätige Geburtsarzt hatte als erster Mediziner den Zusammenhang zwischen durch Unsauberkeit verunreinigten Wunden und Sterblichkeitsraten von Patienten nachgewiesen. Seine Erkenntnisse wurden lange Zeit heftig bekämpft, waren später aber die Grundlage moderner Krankenhaus-Hygiene. Die Sterblichkeit aufgrund von Infektionen in Krankenhäusern konnte seitdem erheblich gesenkt werden.

Wesentliche Grundlage für diesen Erfolg ist nach Ansicht der BVMed die Weiterentwicklung von präventiven Maßnahmen des Infektionsschutzes, wie sie heute in evidenzbasierten Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI), in Leitlinien der Fachgesellschaften und im Infektionsschutzgesetz zusammengefasst sind. "Trotz der Fortschritte erkranken jährlich 400.000 bis 600.000 Menschen in Deutschland an Krankenhausinfektionen. Ungefähr ein Drittel davon sind postoperative Wundinfektionen", so Schmitt.

Die betroffenen Patienten leiden nicht nur persönlich an längeren Behandlungszeiten und möglichen Komplikationen. Sie müssen auch häufiger erneut in ein Krankenhaus eingewiesen werden und müssen doppelt so häufig in Intensivstationen behandelt werden. Das Gesundheitssystem wird damit mit zusätzlichen Kosten von bis zu 3 Milliarden Euro jährlich belastet. Und: "Je nach Quelle sterben zwischen 10.000 und 15.000 Menschen pro Jahr in Deutschland aufgrund von Krankenhausinfektionen. Für eine höhere Patientensicherheit ist eine konsequente Prävention vermeidbarer Infektionen erforderlich", so der BVMed.

Die konsequente Umsetzung von Hygienemaßnahmen sei dabei das effektivste Mittel zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen. Das beginne mit der Prävention durch eine konsequente Händedesinfektion sowie Maßnahmen bei Krankenbehandlung, Operation und postoperativer Versorgung. "Das derzeitige deutsche Vergütungssystem setzt jedoch Anreize, Hygieneaufwendungen zu minimieren", bemängelt der BVMed. Um einen effektiven Infektionsschutz zu gewährleisten, sollten deshalb Hygienemaßnahmen analog zu den Empfehlungen der KRINKO extrabudgetär vergütet werden. Darüber hinaus müsste ein besserer Infektionsschutz als Priorität im deutschen Gesundheitssystem mit klaren Zielvorstellungen auch politisch verankert werden.

Der Fachbereich Nosokomiale Infektionen des BVMed setzt sich seit vielen Jahren für besseren Infektionsschutz mit dem Motto "Infektionen vermeiden, bewusst handeln" ein. Informationen über relevante Empfehlungen und Schulungen, wie Infektionen durch den verbindlichen und konsequenten Einsatz aller notwendigen Maßnahmen vermieden werden können, sind wichtige Bausteine dafür. Informationen zu den Ursachen von Krankenhausinfektionen und Schulungsmaterial zu präventiven Maßnahmen stellt der BVMed auf dem Themenportal unter
www.krankenhausinfektionen.info
(http://www.krankenhausinfektionen.info) zur Verfügung.


Hintergrund: Ignaz Semmelweis (1818 - 1865)

Der als "Retter der Mütter" in die Medizingeschichte eingegangene, in Wien tätige Geburtsarzt Ignaz Semmelweis, der am 1. Juli 1818 geboren wurde, hat als erster Mediziner den Zusammenhang zwischen durch Unsauberkeit verunreinigten Wunden und Sterblichkeitsraten von Patienten nachgewiesen. Semmelweis' Erkenntnisse, die später zur Grundlage moderner Krankenhaus-Hygiene geworden sind, wurden lange Zeit heftig bekämpft und sind erst nach seinem tragischen Tod anerkannt worden.

Ab 1846 war er als Assistenzarzt in der Ersten geburtshilflichen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses beschäftigt. Semmelweis sah sich hier mit dem Problem des Kindbettfiebers konfrontiert, an dem viele eingelieferte Schwangere starben. Dem jungen Arzt fiel auf, dass die Sterblichkeitsrate (5 bis 15 Prozent) in seiner Abteilung wesentlich höher war als in einer anderen geburtshilflichen Abteilung des Krankenhauses, in der Mädchen zu Hebammen ausgebildet wurden. Semmelweis untersuchte bei seinem Bemühen, der Ursache für diese Diskrepanz auf den Grund zu gehen, besonders gründlich. In Folge starben noch mehr Schwangere und er bekam den Ruf, ein "Todesdoktor" zu sein.

Der Tod seines Freundes und Kollegen Jakob Kolletscha brachte Semmelweis 1847 auf die richtige Spur. Kolletscha war bei einer Obduktion mit einem bei der Leichensektion benutzten Skalpell verletzt worden und starb kurz darauf an einer im Verlauf dem Kindbettfieber ähnelnden Blutvergiftung. Semmelweis stellte daraus einen Sachzusammenhang zwischen Leichengift und Tod her. Die die Patientinnen in der 1. Geburts-Abteilung vaginal untersuchenden Mediziner hatten ständig Kontakt mit Leichen, die Hebammenschülerinnen in der 2. Abteilung waren dagegen weder direkt an Vaginaluntersuchungen noch an Leichenobduktionen beteiligt. Semmelweis reinigte aufgrund dieser Feststellung seine Hände vor jeder Untersuchung mit Chlorkalk und verlangte dieses Vorgehen auch von dem ihm zuarbeitenden Personal: Er empfahl als Prophylaxe strenge Hygienemaßnahmen. Binnen kurzer Zeit sank die Sterblichkeitsrate in seinem Bereich deutlich von über 12 Prozent auf unter 2 Prozent.

Mangels noch nicht vorhandener Kenntnisse über Bakteriologie mochten die meisten von Semmelweis' Kollegen dem praktischen Anscheinsbeweis nicht folgen. Sie fühlten sich stattdessen in ihrer Berufsehre als Heiler gekränkt, reagierten mit Ablehnung und sogar mit Feindseligkeit. Koryphäen wie Rudolf Virchow griffen Semmelweis' 1847 von Ferdinand von Hebra ("Höchst wichtige Erfahrungen über die Ätiologie der in Gebäranstalten epidemischen Puerperalfieber") in einer Wiener Ärzte-Zeitschrift veröffentlichten Thesen heftig an. Diese auch anderenorts im Wissenschaftsbetrieb zu beobachtende Verhaltensweise wurde später als "Semmelweis-Reflex" bezeichnet. Semmelweis musste 1849 als Folge einer Intrige das Krankenhaus verlassen und eröffnete schließlich eine Privatpraxis in Pest.

Ab 1855 lehrte Semmelweis als Professor für Geburtshilfe an der Pester Universität. Seine Vorstellungen von Desinfektion fanden nur wenige Anhänger.

1865 wurde der wahrscheinlich an Depressionen und Demenz erkrankte Professor unter dubiosen Umständen in die Niederösterreichische Landesirrenanstalt im Wiener Vorort Oberdöbling eingeliefert. Dort starb der 47-jährige Semmelweis am 13. August 1865. Ob als Folge einer durch Misshandlungen verursachten Sepsis, einer "Gehirnlähmung" oder einer Lues-Erkrankung blieb ungeklärt. Semmelweis hinterließ seine Frau Maria, mit der er fünf Kinder hatte, von denen allerdings drei vor Vollendung des ersten Lebensjahres starben.

1867 verhalf der "Vater der antiseptischen Chirurgie" genannte Leibarzt der britischen Königin Victoria, Joseph Lister, Semmelweis' Thesen durch spektakuläre Forschungsergebnisse zum Durchbruch. Allerdings hielt sich noch bis zur Jahrhundertwende bei vielen Medizinern hartnäckig die Irrmeinung, dass Kindbettfieber durch "in den Frauen innewohnenden Faulstoffen" verursacht werde.


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Der BVMed vertritt als Wirtschaftsverband rund 230 Industrie- und Handelsunternehmen der Medizintechnologiebranche. Im BVMed sind u. a. die 20 weltweit größten Medizinproduktehersteller im Verbrauchsgüterbereich organisiert. Die Medizinprodukteindustrie beschäftigt in Deutschland über 195.000 Menschen und investiert rund 9 Prozent ihres Umsatzes in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte und Verfahren.

BVMed-Pressemeldung 52/18
https://www.bvmed.de/bei-der-vermeidung-von-krankenhausinfektionen-besteht-handlungsbedarf-bvmed-zum-200-geburtstag-von-ignaz-semmelweis

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Quelle:
BVMed - Bundesverband Medizintechnologie e.V.
Pressemeldung Nr. 52/18 vom 26. Juni 2018
V.i.S.d.P.: Manfred Beeres M.A.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2018

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