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MELDUNG/097: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 12.04.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Abbott erhält europäische Zulassung für einen neuen diagnostischen Ovarialkarzinom-Test
→  750.000 Dollar im Kampf gegen Zucker
      Amerikanische Stiftung fördert zum ersten Mal Wissenschaftler in Deutschland
→  Herzinfarktrisiko durch Myokard-Szintigrafie frühzeitig erkennen
→  Stammzellforschung in der Schweiz stärken
→  Wandelbare Anstandsdamen
      Wie Chaperone die Struktur von Proteinen beeinflussen

Raute

Abbott - 08.04.2010

Abbott erhält europäische Zulassung für einen neuen diagnostischen Ovarialkarzinom-Test

Abbott verkündet die CE (Conformité Européene) Zertifizierung für den ARCHITECT Human Epididymis Protein 4 (HE4) Test

Wiesbaden, 08. April 2010. Ein neues diagnostisches Nachweisverfahren, welches die Risikoabschätzung hinsichtlich einer gut- oder bösartigen unklaren Raumforderung im Becken erlaubt, ist jetzt in Europa verfügbar. Eine einfache Blutuntersuchung kann nun bei der Diagnosestellung hinsichtlich eines epithelialen Ovarialkarzinoms, der gefährlichsten Form eines gynäkologischen Tumors, helfen. Dieser bedeutende Immunoassay, der auf den Abbott ARCHITECT Systemen gemessen wird, ist der erste, vollautomatisierte HE4 Test weltweit. Untersuchungen haben gezeigt, dass dieser neue diagnostischen Biomarker, in Kombination mit anderen Tests, wie CA125, zur Risikoabschätzung des epithelialen Ovarialkarzinoms in prä- und post-menopausalen Frauen mit einer unklaren Raumforderung im Becken, hilfreich sein kann.

Nach Angaben der - zur WHO gehördenen - International Agency for Research on Cancer in Lyon, beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate beim Ovarialkarzinom 46 Prozent. Wird die Krankheit jedoch früh erkannt, steigt die Überlebensrate auf 94 Prozent.

"Die Fähigkeit dieses Tests, Ärzte dabei zu unterstützen, ob eine unklare Raumforderung im Becken gut- oder bösartig ist, bedeutet sowohl für Patienten wie auch Ärzte einen großen Fortschritt," sagt Michael Warmuth, Senior Vicepräsident Diagnostics, Abbott. "Der Abbott ARCHITECT HE4-Test wird es Ärzten ermöglichen, die bestmögliche Therapie für die Patienten festzulegen."

Abbott hat diesen Test zusammen mit Fujirebio Diagnostics, Inc. entwickelt. Der Test ist nun in einer Vielzahl europäischer Länder verfügbar, darunter auch in Deutschland.

Über das Ovarialkarzinom

Das Ovarialkarzinom ist die häufigste Todesursache bei gynäkologischen Tumoren und die fünft-häufigste Todesursache hinsichtlich der Tumoren bei Frauen. Etwa eine von 72 Frauen entwickelt im Laufe ihres Lebens ein Ovarialkarzinom. Es macht 31 Prozent aller Tumore des weiblichen Genitaltrakts aus. Frauen in der Postmenopause haben das höchste Risiko hinsichtlich des Ovarialkarzinoms.

Über Abbott

Abbott ist ein breit aufgestelltes, weltweit tätiges Gesundheitsunternehmen, das sich auf die Erforschung, Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von Arzneimitteln und medizinischen Produkten einschließlich Ernährung, Medizintechnik und Diagnostika konzentriert. Das Unternehmen beschäftigt derzeit über 83.000 Mitarbeiter und vertreibt seine Produkte in mehr als 130 Ländern. In Deutschland ist Abbott mit ca. 5.000 Mitarbeitern an seinem Hauptsitz in Wiesbaden sowie den Standorten in Ludwigshafen, Wetzlar, Rangendingen, Ettlingen, Hannover und Neustadt vertreten. Mehr zu Abbott finden Sie im Internet unter www.abbott.de und www.abbott.com.

Kontakt und weitere Informationen:
Abbott Deutschland
Unternehmenskommunikation
Max-Planck-Ring 2, 65205 Wiesbaden

Franziska Theobald
mailto: franziska.theobald@abbott.com
www.abbott.de

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http://idw-online.de/pages/de/attachment2794
Abbott ARCHITECT HE4 Information

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1306

Quelle: Abbott, Franziska Theobald, 08.04.2010

Raute

Rudolf-Virchow-Zentrum / DFG - Forschungszentrum für Experimentelle Biomedizin - 09.04.2010

750.000 Dollar im Kampf gegen Zucker
Amerikanische Stiftung fördert zum ersten Mal Wissenschaftler in Deutschland

Acht Millionen Menschen haben Diabetes in Deutschland - Tendenz steigend. Diabetes vom Typ 2 ist bereits gut therapierbar, die Gründe der selteneren, aber schlimmeren Variante Typ 1 sind jedoch noch gänzlich unbekannt. Eine Förderung von 750.000 Dollar ermöglicht es nun Dr. Stephan Kissler, Nachwuchsgruppenleiter am Rudolf-Virchow-Zentrum in Würzburg, sich auf dieses Forschungsgebiet zu konzentrieren. Er hat den Career Development Award der "Juvenile Diabetes Research Foundation International" (JDRF) erhalten, eine der wichtigsten Diabetes-Stiftungen weltweit. Fünf Jahre wird er gefördert und ist damit der erste Wissenschaftler einer deutschen Forschungseinrichtung, der diesen Preis erhält.

Etwa zehn Prozent der Diabetiker leiden unter der selteneren Diabetes-Form vom Typ 1. Bei jungen Menschen ist das sogar die häufigste Form der Erkrankung. Klar ist, dass es sich um eine Autoimmunkrankheit handelt. Dabei zerstört das eigene Immunsystem Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die für die Insulinproduktion zuständig sind. Der Körper ist nicht mehr in der Lage das lebenswichtige Hormon herzustellen und so den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Patienten müssen daher in Kauf nehmen, sich lebenslang Insulin zu spritzen. Gleichzeitig bedeutet die Krankheit auch eine enorme Belastung für die Betroffenen. Ständig muss der Blutzucker kontrolliert, das Essen berechnet und Medikamente verabreicht werden. Gerade für Kinder bedeutet das Stress. Auch diabetische Folgeerkrankungen wie Augenkrankheiten, Nervenschädigung, Nierenkrankheiten und Gefäßverkalkung drohen. Zudem verkürzt sich die Lebenserwartung um durchschnittlich sieben bis zehn Jahre. Doch welche Gründe genau hinter der Krankheit stecken, ist noch unbekannt. Bis jetzt kann Typ-1-Diabetes weder geheilt noch verhindert werden.

Der Würzburger Wissenschaftler Dr. Stephan Kissler vermutet einen möglichen Schlüssel zur Heilung in einem von drei Genen: CTLA4, PTPN22 und CLEC16A. Alle drei werden mit dem Autoimmun-Prozess in Verbindung gebracht, der zur Zerstörung der Betazellen in der Bauchspeicheldrüse führt. Ziel seiner Untersuchungen ist es, die Wirkweise dieser Gene zu verstehen und nachzuvollziehen, wie sie den Autoimmunprozess beeinflussen. Dadurch erhofft sich der Forscher die Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze.

Der Career Developement Award ermöglicht es Stephan Kissler nun, sich noch stärker auf die Untersuchung der Typ-1-Diabetes zu konzentrieren. Die JDRF Stiftung will besonders erfolgreiche Wissenschaftler für dieses Forschungsgebiet interessieren, um so die Erforschung der Krankheit voranzutreiben. Dazu ist die Stiftung ständig auf der Suche nach den besten Wissenschaftlern weltweit, um diese gezielt zu fördern. Seit 1997 wird der Career Development Award vergeben, 85 Wissenschaftler haben ihn seither erhalten. Dr. Stephan Kissler ist der Erste, der an einer deutschen Forschungsreinrichtung arbeitet. Er hat mit dem Award nun die Möglichkeit, sich im Bereich der Diabetes-Forschung zu etablieren.

Weitere Informationen finden Sie unter
- http://www.rudolf-virchow-zentrum.de
   Infos zum Rudolf-Virchow-Zentrum
- http://www.jdrf.org
   Infos zur Stiftung Juvenile Diabetes Research Foundation International

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution800

Quelle: Rudolf-Virchow-Zentrum / DFG - Forschungszentrum für Experimentelle Biomedizin, Kristina Kessler, 09.04.2010

Raute

Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. - 08.04.2010

Herzinfarktrisiko durch Myokard-Szintigrafie frühzeitig erkennen

Herzerkrankungen nehmen immer mehr zu und gehören in Deutschland zu den häufigsten Todesursachen. Die Untersuchung der Durchblutung und des Stoffwechsels des Herzmuskels mit nuklearmedizinischen Methoden hat eine rasante Entwicklung genommen. Ohne Eingriff in den Körper können wichtige Erkenntnisse über Funktion und Zustand des Herzmuskels gewonnen und damit sehr genaue Prognosen zum Infarktrisiko des Patienten ermöglicht werden.

Bei Patienten mit Beschwerden, die auf eine mangelhafte Durchblutung des Herzens hinweisen, ist es wichtig, möglichst ohne Nebenwirkungen festzustellen, ob die Beschwerden vom Herzen stammen oder ob dafür eine andere Ursache vorliegt. Die nuklearmedizinische Myokard-Szintigrafie stellt dabei ein etabliertes Verfahren zum Nachweis oder zum Ausschluss von Minderdurchblutungen des Herzmuskels dar. Mit ihr kann ohne Eingriff in den Körper die Durchblutung des Herzmuskels einfach und verlässlich dargestellt werden.

Die Myokard-Szintigrafie erfolgt unter Belastungs- und Ruhebedingungen, um eine belastungsabhängige von einer dauerhaft vorhandenen Minderdurchblutung unterscheiden zu können. Fällt die Myokard-Szintigrafie unter Belastungsbedingungen, entweder durch Fahrradfahren auf einem Ergometer oder mit Hilfe eines durchblutungssteigernden Medikamentes, unauffällig aus und ist die Pumpfunktion des Herzens normal, hat der Patient in der Regel ein nur sehr geringes Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden oder herzbedingt zu versterben. Studien an mehr als 50.000 Patienten zeigten, dass das Risiko in solchen Fällen bei unter einem Prozent pro Jahr liegt. Gibt die Myokard-Szintigrafie jedoch Hinweise auf eine Minderdurchblutung des Herzens, steigt das Risiko deutlich. In aller Regel ist dann eine weiterführende, invasive Herzkatheteruntersuchung erforderlich.

Der Einsatz hochmoderner, besonders empfindlicher Kamerasysteme bei der Myokard-Szintigrafie ermöglicht kurze Untersuchungszeiten und damit eine Reduktion der Strahlenbelastung des Patienten.

In Zukunft wird durch noch modernere und empfindlichere Kamerasysteme die Untersuchungsdauer und damit die Strahlenbelastung des Patienten noch weiter reduziert werden. Außerdem wird der kombinierte Einsatz der Myokard-Szintigrafie mit einer CT-basierten Herzkranzgefäßdarstellung (an so genannten SPECT-CT Hybridgeräten) eine genaue Zuordnung der nachgewiesenen Minderdurchblutung zu dem entsprechenden Herzkranzgefäß erlauben. Dies ermöglicht dem behandelnden Kardiologen dann die Planung einer noch zielgerichteteren individuellen Therapie.

Die Myokard-Szintigrafie und der gesamte Bereich der kardialen Bildgebung bilden ein Schwerpunktthema auf der 48. Jahrestagung NuklearMedizin 2010 der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. Diese findet vom 21. bis 24. April 2010 im Congress Center Leipzig (CCL) statt. Mit der Kombination aus Kongress, für den international renommierte Referenten und ausgesuchte Keynote-Sprecher gewonnen werden konnten, einem interaktiven Fortbildungsprogramm sowie der in Deutschland größten, branchenspezifischen Industrieausstellung hat sich die Tagung als bedeutendste nationale Tagung für Nuklearmedizin im europäischen Raum etabliert. In diesem Jahr werden rund 2.000 Teilnehmer - Mediziner, Naturwissenschaftler, medizinisch-technisches Personal, Pflegekräfte und Patienten - erwartet.

Sämtliche Informationen zur Jahrestagung NuklearMedizin 2010 stehen auf der Kongresshomepage (www.nuklearmedizin2010.de) zur Verfügung. Dort ist auch die Presseakkreditierung zum Kongress möglich.

Kontakt:
Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V.
Pressereferat, Stefanie Neu
Nikolaistraße 29, D-37073 Göttingen
info@nuklearmedizin.de
www.nuklearmedizin.de

Weitere Informationen finden Sie unter
- http://www.nuklearmedizin2010.de
   Kongresshomepage der NuklearMedizin 2010
- http://www.nuklearmedizin.de
   Homepage der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution233

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V, Stefanie Neu, 08.04.2010

Raute

Schweizerischer Nationalfonds SNF - 09.04.2010

Stammzellforschung in der Schweiz stärken

Nationales Forschungsprogramm "Stammzellen und regenerative Medizin" (NFP 63) gestartet

Unheilbare Krankheiten überwinden: Auf Stammzellen ruhen grosse Hoffnungen. Noch ist aber unklar, wie sie im Detail funktionieren. Deshalb soll das soeben gestartete NFP 63 in der Schweiz die Basis festigen für künftige medizinische Anwendungen.

Ohne Stammzellen würden Wunden nicht heilen; Blut, Haut und andere Gewebe sich nicht mehr erneuern. Ohne diese biologischen Alleskönner würden Lebewesen weder entstehen noch überleben. Diese Zellen gehören zu den spannendsten Gebieten der Biologie. Monat für Monat werden eindrückliche Ergebnisse publiziert, neue Türen aufgestossen und alte geschlossen. Gross ist die Hoffnung, die auf diese Zellen gesetzt wird: Stammzellen sollen nicht nur erklären, wie Mensch, Tier und Pflanzen wachsen - sie sollen auch helfen, Krankheiten zu heilen, etwa Parkinson oder Diabetes Typ 1.

Der grosse Druck auf die Forschung, so rasch wie möglich therapeutische Grenzen zu verschieben, birgt aber auch Gefahren. Etwa die Gefahr, voreilig klinische Versuche durchzuführen, ohne genau zu verstehen, was die Stammzellen im menschlichen Körper bewirken. Vor diesem Hintergrund erfolgt die Lancierung des Nationalen Forschungsprogramms "Stammzellen und regenerative Medizin" (NFP 63): Die nun ausgewählten Projekte sind der Grundlagenforschung zuzuordnen. Es geht darum, besser zu verstehen, wie Stammzellen funktionieren. Das NFP 63 soll mithelfen, eine gute Grundlage für künftige medizinische Anwendungen zu schaffen. Zudem soll die Schweizer Stammzellforschung gefördert und Nachwuchs in diesem Bereich ausgebildet werden.

Von Wundheilung bis zu Hirntumoren

Das NFP 63 umfasst insgesamt 12 Projekte. Diese decken ein weites Feld der Stammzellbiologie ab. Geforscht wird mit menschlichen adulten Stammzellen sowie mit tierischen embryonalen und adulten Stammzellen (Fruchtfliege, Maus, Zebrafisch).

Ein Forschungsteam untersucht Stammzellen, um besser zu verstehen, wie sie zur Wundheilung beitragen könnten, ein anderes, ob man nach einer Stammzelltransplantation verhindern kann, dass aus den Stammzellen ein Hirntumor entsteht. Ein weiteres Projekt geht der Frage nach, wie aus einem Spermium und einer Eizelle die befruchtete Eizelle, eine neue Stammzelle, entsteht und welche Faktoren diesen Prozess steuern. Wieder andere versuchen, eine Art Katalog der verschiedenen Stammzelltypen im Gehirn zu erstellen.

Die Forschungsprojekte fokussieren auf Stammzellen in verschiedenen Organen und Geweben: in der Haut, in der Nase, auf Zellen des Immunsystems aber auch solchen zur Neubildung von Herzmuskeln, von Blutgefässen oder von Insulin-produzierenden Zellen. Ein Projekt wird sich mit der rechtlichen und ethischen Problematik der Blutstammzellspende befassen.

Startschuss an verschiedenen Institutionen

Beteiligt sind Forschungsgruppen aus verschiedenen akademischen Institutionen in Basel (4 Projekte), Bern (1), Genf (1), Lausanne (2) und Zürich (4). Das NFP 63 verfügt über einen Finanzrahmen von 10 Millionen CHF. Die Forschungsarbeiten haben am 1. März 2010 begonnen und dauern bis ins Jahr 2013. Interessierte können sich per elektronischem Newsletter über die Fortschritte der Projekte informieren lassen. Anmeldung unter www.nfp63.ch.

Download:
Detaillierte Liste der Projekte unter:
www.nfp63.ch →  Projekte

Kontakt:
Prof. Bernard Thorens
Präsident der Leitungsgruppe
Zentrum für Integrative Genomik
Universität Lausanne
E-mail: Bernard.Thorens@unil.ch

Adrian Heuss
Leiter Wissenstransfer des NFP 63
advocacy ag
Glockengasse 7, 4051 Basel
E-Mail: heuss@advocacy.ch

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.nfp63.ch.
http://www.snf.ch →  Medien →  Medienmitteilungen

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1165

Quelle: Schweizerischer Nationalfonds SNF, Presse- und Informationsdienst, 09.04.2010

Raute

Ludwig-Maximilians-Universität München - 09.04.2010

Wandelbare Anstandsdamen
Wie Chaperone die Struktur von Proteinen beeinflussen

Ohne Chaperone wäre kein Leben auf der Erde möglich. Denn diese Eiweiße sorgen dafür, dass andere Proteine nach ihrer Synthese in eine dreidimensionale Form gebracht werden, in der sie ihre korrekte Funktion überhaupt erst erfüllen können. Bisher war über die molekulare Struktur der Chaperone und ihre Veränderungen während der Faltung von Proteinen nur wenig bekannt.

Nun haben Wissenschaftler um Professor Don C. Lamb und Dr. Dejana Mokranjac von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München erstmals die Struktur und Dynamik eines wichtigen Chaperons in Echtzeit untersucht. Dabei entdeckten sie, dass das Chaperon aus der Gruppe der sogenannten Hitzeschockproteine 70 (Hsp70) erstaunlich vielfältige und dynamische Strukturen einnehmen kann. (Molecular Cell, 9. April 2010).

Proteine sind die Grundbausteine aller Zellen. Sie geben diesen nicht nur ihre Struktur, sondern steuern auch eine Vielzahl biologischer Funktionen wie den Transport von Stoffen oder chemische Reaktionen in der Zelle. Diese Aufgaben können neu synthetisierte Proteine aber nach der Faltung in eine jeweils spezifische dreidimensionale Struktur erfüllen. Dabei kommen die Chaperone - das ist englisch für "Anstandsdame" - ins Spiel: Diese Moleküle treten mit den noch ungefalteten Proteinen in Wechselwirkung und bewahren sie während der Faltung in die korrekte Struktur vor schädlichen Einflüssen. Die Chaperone lassen sich bisher fünf unterschiedlichen Klassen zuordnen. Die sogenannten Hitzeschockproteine 70 (Hsp70) sind an einer Vielzahl zellulärer Prozesse beteiligt, neben der Faltung von Proteinen gehören dazu auch die Umgestaltung von Proteinkomplexen und der Transport von Proteinen durch die Membranen verschiedener Zellorganellen, etwa der Mitochondrien.

Bisher war über die Struktur dieser Chaperone sowie über ihre dynamischen Veränderungen im Verlauf der Proteinfaltung nur wenig bekannt. Dem Team um Professor Don C. Lamb und Dr. Dejana Mokranjac vom Department Chemie der LMU ist es nun erstmals gelungen, die Dynamik eines wichtigen Hsp-70-Chaperons in Echtzeit zu verfolgen. In Zusammenarbeit mit Professor Walter Neupert vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München bildeten die Forscher Veränderungen im Verlauf des sogenannten Konformationszyklus des Chaperons Ssc1 ab. Die Konformation bezeichnet die räumliche Struktur eines Moleküls und unterliegt bei Chaperonen im Verlauf der Proteinfaltung bestimmen zyklischen Veränderungen. So binden die Chaperone während dieses Prozesses an bestimmte Regionen des neu synthetisierten Proteins und schirmen diese von der Umgebung ab. Dabei erhalten sie ihre Energie durch einen chemischen Prozess, bei dem das energiereiche Adenosintriphosphat (ATP) in Adenosindiphosphat (ADP) und einen Phospatrest gespalten wird.

Lamb und sein Team haben definierte Stellen auf einem einzelnen Ssc1-Chaperon farblich markiert und die Abstände zwischen den einzelnen Markierungen mit Hilfe der Fluoreszenz-Spektroskopie bestimmt. Auf diese Weise konnten die Forscher Rückschlüsse auf die räumliche Struktur des Proteins ziehen. "Interessanterweise ist diese Struktur im ATP-Zustand des Chaperons überraschend homogen und sehr stabil", berichtet Lamb. "Im ADP-Zustand liegt das Protein dagegen in einer sehr viel dynamischeren Form vor und kann eine Reihe verschiedenartiger Strukturen einnehmen." Diese Vielfalt an Strukturen hat wiederum Auswirkungen auf die Funktionen, die Ssc1 von anderen Chaperonen unterscheidet. So ist Ssc1 unter anderem dafür verantwortlich, Proteine durch die Membran der Mitochondrien - der Energiekraftwerke einer Zelle - zu transportieren.

"Es ist damit für das Überleben einer Zelle unbedingt erforderlich", erläutert Dejana Mokranjac. "Wenn wir also die Dynamik und die Funktionen des Ssc1 und anderer Hsp70-Chaperone besser verstanden haben, lässt sich im nächsten Schritt auch genauer untersuchen, wie bestimmte Erkrankungen durch Fehler in diesen Abläufen zustande kommen." Dies kann unter anderem zu Erkrankungen wie Krebs, Alzheimer oder der Parkinson-Krankheit beitragen. "Die Antwort auf die Frage, wie die Chaperone ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen, ist äußerst wichtig für das Verständnis biologischer Prozesse, die Leben überhaupt ermöglichen", sagt Lamb. In zukünftigen Studien wollen die Forscher mithilfe der Fluoreszenz-Spektroskopie weitere Chaperone und ihr Zusammenspiel bei der Formgebung der Proteine untersuchen.

Die Arbeiten wurden im Rahmen der beiden Exzellenzcluster "Nanosystems Initiative Munich" (NIM) und "Center for Integrated Protein Science Munich" (CIPSM) durchgeführt. (CA/suwe)

Publikation:
"The Conformational Dynamics of the Mitochondrial Hsp70 Chaperone"
Koyeli Mapa, Martin Sikor, Volodymyr Kudryavtsev, Karin Waegemann, Stanislav Kalinin, Claus A.M. Seidel, Walter Neupert, Don C. Lamb, Dejana Mokranjac
Molecular Cell, Band 38, S. 1-12. 9. April 2010
doi: 10.1016/j.molcel.2010.03.010

Ansprechpartner:
Professor Don C. Lamb und Dr. Dejana Mokranjac
Department Chemie der LMU
E-Mail: don.lamb@cup.uni-muenchen.de
dejana.mokranjac@med.uni-muenchen.de
Web: www.cup.uni-muenchen.de/pc/lamb/index.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution114

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 09.04.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2010