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MELDUNG/181: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 24.08.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Cargo-Verkehr im Zellfortsatz - IFT-Moleküle transportieren Frachtgut an Ort und Stelle
→  Studie untersucht die Rolle von Botenstoffen bei der Entstehung von Übergewicht und Depression

Raute

Johannes Gutenberg-Universität Mainz - 23.08.2010

Cargo-Verkehr im Zellfortsatz - IFT-Moleküle transportieren Frachtgut an Ort und Stelle

Mainzer Neurobiologen identifizieren und lokalisieren Transportmoleküle in Zellen der Netzhaut

Vor knapp zehn Jahren war die generell wichtige sensorische Funktion von Zilien bei der Kommunikation einer Zelle mit ihrer Umwelt noch unbekannt, heute werden Defekte von Zilien für zahlreiche Krankheiten verantwortlich gemacht. Zilien sind kleine, haarähnliche Fortsätze an der Oberfläche von Zellen, die häufig zu deren Fortbewegung beitragen. So sind Zilien für den Eitransport im Eileiter zuständig, Zilien in der Luftröhre helfen beim Abtransport von Schleim und Fremdpartikeln, können bei Rauchern aber verkleben und ihre Funktion einbüßen. Zilien übernehmen auch wichtige sensorische Aufgaben: In der Niere messen sie den Flüssigkeitsstrom und die Zusammensetzung des Sekrets durch das dortige Kanalsystem und im Auge wird in den Fotorezeptoren mit Zilien Licht detektiert. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Ziliendefekte multimodale Funktionsstörungen zur Folge haben. So bedingen sie beispielsweise bei Patienten mit Usher-Syndrom die angeborene Taub-Blindheit. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben nun Schlüsselproteine charakterisiert und erstmals subzellulär lokalisiert, die den gerichteten molekularen Transport innerhalb von Zilien bewerkstelligen und daher für die Ausbildung und Funktion einer Zilie wesentlich sind. Darüber hinaus nehmen diese Proteine auch noch an ganz anderen Stellen wichtige Transportfunktionen ein, wie eine kürzlich in der Fachzeitschrift Journal of Cell Biology veröffentlichte Studie der Mainzer Forscher ergab. Zilien oder Flimmerhärchen finden sich fast überall im Körper, nicht nur auf den Oberflächen von Epithelen, der obersten Zellschicht von Haut und Schleimhaut. "In den letzten Jahren hat man mehr und mehr entdeckt, dass eigentlich jede Zelle eine Zilie ausbilden kann", erklärt Univ.-Prof. Dr. Uwe Wolfrum vom Institut für Zoologie der JGU. "Wir riechen mit Zilien, wir sehen mit Zilien und mit Zilien kann die Zelle das Milieu, in dem sie lebt, sensorisch erfassen." Störungen der Zilienfunktion führen zu Ziliopathien, worunter völlig unterschiedliche Krankheiten fallen wie Mehrfingrigkeit, Erblindung, Nierendefekte oder Zwergwuchs. "Weil Zilien so wichtig sind, ist bei einem Defekt häufig der gesamte Organismus beeinträchtigt", so Wolfrum.

Entscheidenden Anteil an der Ausbildung und Funktion einer Zilie haben Moleküle des sogenannten Intraflagellaren Transports, kurz IFT-Moleküle. Diese Transportmoleküle bringen zum Beispiel in den lichtempfindlichen Sehzellen des Auges das Sehpigment Rhodopsin an Ort und Stelle. Wolfrum und seine Mitarbeiterin Tina Sedmak haben festgestellt, dass sich bestimmte IFT-Moleküle für den Transport zusammenschließen, während andere abseits bleiben, vielleicht um auf eine andere Fracht zu warten. "IFT-Moleküle sind wie ein LKW, der auf dem Bahnhof seine Ladung von einem Güterwaggon übernimmt und sie in ein abgelegenes Dorf bringt. IFT-Moleküle sind am Verladeprozess der Fracht an der Basis eines Ziliums beteiligt, hauptsächlich erfüllen sie aber wichtige Aufgaben beim darauffolgenden Transport der Fracht durch das Zilium selbst. So transportieren sie Zilienkomponenten zur Spitze einer wachsenden Zilie oder schaffen in den Sehzellen der Netzhaut Rhodopsin-Moleküle in das Zilium, wo es in die fotosensitiven Membranen eingelagert wird." Mit ihrer Arbeit an den Fotorezeptorzellen haben Sedmak und Wolfrum zum einen bestätigt, dass IFT-Moleküle eine zentrale Transportfunktion in Zilien erfüllen, und zum anderen erstmals nachgewiesen, dass IFT-Moleküle dazu in bestimmten Kompartimenten organisiert sind und dort unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Für die entsprechenden Untersuchungen kamen neuartige analytische Techniken der hochauflösenden Lichtmikroskopie und der Immunoelektronenmikroskopie zur Anwendung.

Außerdem fanden die Mainzer Neurobiologen heraus, dass IFT-Moleküle nicht nur in Zilien vorkommen, wie bisher angenommen. "Wir haben uns außer den Fotorezeptoren auch die Nervenzellen angeschaut, die keine Zilien besitzen. Hier fanden wir IFT-Moleküle in den dendritischen Fortsätzen, über die Lichtinformation von den Fotorezeptorzellen übernommen und im Nervennetzwerk der Netzhaut weitergeleitet wird", so Wolfrum. Die Transportmoleküle haben also auch außerhalb von Zilien eine Funktion. "Wahrscheinlich bringen sie die Rezeptoren für die Neurotransmitter, die von der Fotorezeptorzelle abgegeben werden, an die Spitze des Dendriten, wo sie dann in die dortige Synapse zur Detektion von ausgeschütteten Neurotransmittern eingebaut werden." Wolfrum vermutet aufgrund dieser Entdeckungen, dass IFT-Moleküle vielleicht schon lange bevor es Zilien gab, gerichtete Transportvorgänge in Zellen bewältigt haben und sieht darin wertvolle neue Hinweise auf die molekulare Evolution des IFT-Systems der Zelle.

Weitere Informationen finden Sie unter
- http://www.ag-wolfrum.bio.uni-mainz.de
   Homepage of Professor Wolfrum's work group
- http://jcb.rupress.org/content/189/1/171
   Abstract
- http://jcb.rupress.org/content/189/1/6.3.full
   Full Text

Veröffentlichung:
Tina Sedmak and Uwe Wolfrum
Intraflagellar transport molecules in ciliary and nonciliary cells of the retina
J Cell Biol 2010 189:171-186
Published April 5, 2010
doi:10.1083/jcb.200911095

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution218

Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Petra Giegerich, 23.08.2010

Raute

Universität Leipzig - 23.08.2010

Studie untersucht die Rolle von Botenstoffen bei der Entstehung von Übergewicht und Depression

Henne oder Ei?

Botenstoffe in unserem Körper spielen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Übergewicht und Depression. Es sind dieselben, die durch Übergewicht und Schlafmangel produziert werden.

Wissenschaftler am IFB AdipositasErkrankungen sind dem Zusammenhang zwischen Adipositas, Depression und Schlaf ein Stück näher gekommen und haben zugleich wieder neue Fragen aufgeworfen. In einer Studie konnten sie nachweisen, dass ein erhöhter Spiegel an sogenannten Zytokinen, Eiweißmoleküle des Immunsystems, die für die Abwehr zuständig sind, zu Depressionen führen kann und eine antidepressive Therapie die Produktion dieser Zytokine drosselt. "Dieses Ergebnis ist für uns sehr spannend", so der leitende Wissenschaftler Prof. Hubertus Himmerich, "wir wissen aus anderen Studien, dass eben diese Zytokine vermehrt bei stark Übergewichtigen vorkommen, sie werden wahrscheinlich als Antwort auf die großen Fettmassen gebildet. Es ist also relativ wahrscheinlich, dass bei der Entstehung von Depressionen bei stark adipösen diese Zytokine eine große Rolle spielen."

Die Freude über die Erkenntnis ist von kurzer Dauer. Bedenkt man, dass auch zu wenig Schlaf die Bildung von Zytokinen hervorruft und zugleich die Ausschüttung von Ghrelin bewirkt, ein Hormon das den Appetit fördert, dann könnte genausogut zu wenig Schlaf die eigentliche Ursache für Übergewicht und in dessen Folge für Depression sein. Unübersichtlich wird das Untersuchungsfeld, wenn man die Ergebnisse von Studien hinzunimmt, die zeigen, dass atypische Depressionen Heißhunger fördern und zugleich das Schlafbedürfnis erhöhen. "Es ist unser Ziel", so Himmerich - in dieses Wirrwarr ein bisschen mehr Licht zu bringen. Am IFB werden wir jetzt genau diese Zusammenhänge zwischen der Regulation von Wachheit, Schlaf, Adipositas und Depression erforschen.

Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB)
AdipositasErkrankungen
Prof. Dr. Michael Stumvoll,
Prof. Dr. Hubertus Himmrich
über
Janna Buchele
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Liebigstraße 21, 04103 Leipzig
Tel: + 49 341 97 13361, Fax: + 49 341 97 15949

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
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Quelle: Universität Leipzig, Dr. Manuela Rutsatz, 23.08.2010

Raute

Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2010