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MELDUNG/242: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 24.11.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Spezifisches Oligosaccharid in der Muttermilch schützt vor Darmentzündung
→  Umgedrehte Peptide im Immunsystem
→  Krebszellen schwächen, Patienten stärken

Raute

Universität Zürich - 23.11.2010

Spezifisches Oligosaccharid in der Muttermilch schützt vor Darmentzündung

Oligosaccharide in der Muttermilch schützen Säuglinge vor Viren und Bakterien. Forschende der UZH konnten nun ein spezifisches Milch-Oligosaccharid identifizieren, das die Stärke einer Darmentzündung beeinflusst. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für die Ergänzung von künstlicher Säuglingsmilch mit diesen komplexen Zuckermolekülen.

Die Muttermilch ist eine reiche Nahrungsquelle und enthält viele Schutzfaktoren für den Säugling. Zum Beispiel die komplexen Zuckermoleküle, auch Oligosaccharide genannt, die mit 5-10 Gramm pro Liter einen wichtigen Bestandteil der Muttermilch darstellen. Oligosaccharide werden im Darm nicht verdaut und dienen somit nicht als Energiequelle. Sie schützen Säuglinge gegen Bakterien und virale Infektionen und begünstigen die Entwicklung der Darmflora mit nützlichen Bakterien.

Die strukturelle Komplexität der Milch-Oligosaccharide - sie kommen in hunderten Varianten vor - erschwert es, die funktionelle Rolle einzelner Oligosacchariden einzuordnen. Im Gegensatz zur Muttermilch enthält Mausmilch weniger Oligosaccharide, was eine systematische Untersuchung dieser Moleküle ermöglicht.

Ein Forscherteam am Physiologischen Institut der Universität Zürich unter der Leitung von Prof. Thierry Hennet hat nun Mäuse mit Defekten in spezifischen Milch-Oligosacchariden untersucht. "Wir konnten erstmals zeigen, dass einzelne Milch-Oligosaccharide die Stärke einer Darmentzündung beeinflussen", sagt Prof. Hennet. Die Studie, die im "Journal of Experimental Medicine" erscheint, dokumentiert den Einfluss des Milch-Oligosaccharids "a2,3-Sialyllactose" auf die Kolonisierung des Darms durch bestimmte Bakterienfamilien wie die Ruminococcaceae und deren Wirkung auf entzündliche Reaktionen. Das Oligosaccharid "a2,3-Sialyllactose" wirkt auf die Darmflora selektiv, da das ähnliche Oligosaccharid "a2,6-Sialyllactose" das Wachstum der Ruminococcaceae nicht beeinflusst und dementsprechend auch die Stärke der entzündlichen Reaktionen nicht. Im Moment werden die Rollen von weiteren Oligosacchariden in Mausmodellen untersucht, um die funktionelle Bedeutung dieser Molekülklasse grundlegend zu erforschen.

Der direkte Zusammenhang zwischen spezifischen Milch-Oligosacchariden und der Zusammensetzung der Darmflora eröffnet neue Perspektiven für die Ergänzung von Muttermilchersatz mit Oligosacchariden. In den letzten Jahren wurde auf beeindruckende Weise gezeigt, welchen Einfluss die Darmflora auf Immunreaktionen und Energiestoffwechsel hat. In Anbetracht der Tatsache, dass wir mehr Bakterien im Darm als Zellen in unserem Körper haben, scheint die zentrale Bedeutung dieser Darmbakterien auf unsere Physiologie selbstverständlich.

Diese Studie wurde vom Zentrum für Integrative Humanphysiologie der Universität Zürich unterstützt.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.mediadesk.uzh.ch
Medienmitteilung

Kontakt:
Prof. Thierry Hennet
Physiologisches Institut
Universität Zürich
E-Mail: thennet@access.uzh.ch

Literatur:
Andrea Fuhrer, Norbert Sprenger, Ekaterina Kurakevich, Lubor Borsig, Christophe Chassard, and Thierry Hennet
Milk sialyllactose influences colitis in mice through selective intestinal bacterial colo-nization
in: Journal of Experimental Medicine
DOI: 10.1084/jem.20101098

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution94

Quelle: Universität Zürich, Beat Müller, 23.11.2010

Raute

Forschungsverbund Berlin e.V. - 22.11.2010

Umgedrehte Peptide im Immunsystem

Die Ursachen von Autoimmunerkrankungen sind molekular weitgehend unverstanden. Umso wichtiger ist es, dass Wissenschaftler weitere Erkenntnisse über die Funktionsweise unseres Immunsystems gewinnen. Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) haben in diesem Zusammenhang ein Phänomen entdeckt, das sämtliche Forscherkollegen bisher übersehen haben: Sie konnten zeigen, dass Peptide auf den Oberflächen von sogenannten MHC-Molekülen nicht nur in einer Richtung, sondern auch um 180° gedreht präsentiert werden können. Dies könnte vom Immunsystem als Angriffssignal verstanden werden. Sie berichten darüber in der aktuellen Online-Ausgabe von PNAS.

Wenn Erreger in den Körper eindringen, werden sie von Fresszellen des Immunsystems aufgenommen und in kurze Peptidschnipsel, die man Antigene nennt, zerlegt. Die Fresszellen enthalten zudem Proteine des Major Histocompatibility Complex Klasse II (MHCII). Die MHCII-Moleküle verbinden sich mit den Peptidschnipseln und schieben sie an die Zelloberfläche. Dort präsentieren sie diese wie eine Flagge anderen Immunzellen, den sogenannten T-Helferzellen. Die T-Helferzellen schließlich docken an den MHCII-Komplex samt Antigen an und lösen damit eine umfassende Immunantwort aus, wodurch die Eindringlinge im Körper schließlich vernichtet werden.

Hat der MHCII-Komplex nichts zu tun, wird seine Bindungsstelle durch ein eigens dafür zuständiges körpereigenes Peptid mit Namen CLIP geschützt. Dieses passt exakt in die Bindungstasche des MHCII-Komplexes. Aber auch andere körpereigene Peptide werden von den MHCII-Komplexen auf der Zelloberfläche präsentiert. Die T-Helferzellen haben nun im Laufe ihrer Reifung gelernt, die körpereigenen Peptide zu tolerieren und nicht anzugreifen. Wird diese Toleranz gebrochen kann es zu Autoimmunerkrankungen kommen. Der Präsentation von Peptiden auf der Zelloberfläche kommt also eine wesentliche Bedeutung bei Reaktionen des Immunsystems zu.

Die FMP-Forscher unter der Leitung von Christian Freund haben in diesem Zusammenhang eine entscheidende Entdeckung gemacht: Sie konnten zeigen, dass CLIP-Peptide in zwei verschiedenen Ausrichtungen in der Bindungstasche des MHC-Komplexes liegen können. "Auf Grund der Molekülstruktur des MHC-Komplexes und der CLIPs ist man bislang davon ausgegangen, dass es nur eine bestimmte Ausrichtung von CLIP und allen anderen Antigenen im Komplex geben kann. Niemand hat aber je nachgeschaut, ob das wirklich so sein muss", sagt Christian Freund. Untersuchungen mit Röntgenstrukturanalyse und NMR-Spektroskopie haben nun gezeigt, dass das längliche CLIP-Molekül auch invertiert im MHC-Komplex eingebettet sein kann, so als würde man im Bett mit den Füßen auf dem Kopfkissen liegen. Mittels NMR konnten die Forscher das Umdrehen des CLIP-Peptids direkt beobachten. Andere Untersuchungen zeigten, dass das verkehrt herum liegende CLIP alle Eigenschaften eines funktionstüchtigen MHC-II-Peptidkomplexes hat und so theoretisch auch von T-Helferzellen erkannt werden kann.

Die Forscher haben Hinweise darauf, dass dieses Phänomen der zwei Ausrichtungen auch für andere körpereigene Peptide zutrifft. Und hier liegt auch die Brisanz ihrer Entdeckung. Für Christian Freund könnte dies ein Schlüssel zur Erklärung von fehlgeleiteten Immunprozessen sein: "Wenn T-Helferzellen aus irgendeinem Grund gelernt haben, nur die eine Ausrichtung im Komplex zu erkennen, kann es sein, dass sie die andere Ausrichtung als fremd einstufen und somit eine Immunreaktion auslösen", sagt er.

Gemeinsam mit internationalen Kooperationspartnern wollen die Forscher nun herausfinden, ob und wo im Organismus solche ungewöhnlichen MHCII-Komplexe auftreten und inwieweit sie eine Rolle bei organspezifischen Autoimmunerkrankungen wie etwa Typ I Diabetes mellitus oder der Multiplen Sklerose spielen.
DOI:10.1073/pnas.1014708107



Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.fmp-berlin.de

Kontakt:
Dr. Christian Freund
Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP)
Robert-Rössle-Str. 10, 13125 Berlin
E-Mail: freund@fmp-berlin.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image129764
Das körpereigene Peptid CLIP (als länglicher Zylinder dargestellt) kann in zwei Richtungen auf dem MHCII-Komplex präsentiert werden.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution245

Quelle: Forschungsverbund Berlin e.V., Christine Vollgraf, 22.11.2010

Raute

Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 23.11.2010

Krebszellen schwächen, Patienten stärken

Wie lässt sich der Energiehunger von Tumorzellen drosseln und gleichzeitig der Körper des Patienten stärken? Eignen sich dafür auch spezielle fettreiche Diäten? Ein Projekt am Universitätsklinikum Würzburg will das grundlegend klären. Mit 25.000 Euro unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin das Vorhaben.

Eine gefürchtete Nebenwirkung von Krebserkrankungen ist der starke Verlust von Muskel- und Fettmasse bei den Patienten. Ein Grund für diese Auszehrung, an der viele Patienten sterben: Tumore benötigen für ihr unbegrenztes Wachstum sehr viel Energie - auf Kosten der Patienten. Diese verlieren darum bereits in frühen Stadien der Krebserkrankung sehr häufig an Gewicht. Im weiteren Verlauf können sie extrem abmagern.

Viele Tumoren bilden zudem Botenstoffe, die gesundes Gewebe resistent gegen Insulin machen. Als Folge davon können die Körperzellen den wichtigen Energieträger Glukose nicht mehr effektiv aufnehmen, die Patienten ihren Energiebedarf mit der üblichen Ernährung nicht mehr decken. Das verschlechtert nicht nur ihre Lebensqualität, sondern auch die Heilungschancen.

Lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen? Das wollen die Biologen Christoph Otto von der Chirurgischen Klinik I und Ulrike Kämmerer von der Frauenklinik herausfinden.

Forschungsförderpreis in Irsee verliehen

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin fördert das Projekt: Sie hat den beiden Würzburger Wissenschaftlern dazu ihren Forschungsförderpreis für 2010 in Höhe von 25.000 Euro verliehen. Überreicht wurde die Auszeichnung Ende Oktober auf der 24. Irseer Fortbildungsveranstaltung der Gesellschaft.

Ulrike Kämmerer und Christoph Otto wollen unter kontrollierten experimentellen Bedingungen im Tiermodell versuchen, durch eine sehr fettreiche (ketogene) Ernährung den Energiestoffwechsel tumorkranker Mäuse zu beeinflussen. Das Ziel: Die Tiere sollen nicht abmagern und fit bleiben, der Tumor gleichzeitig weniger aggressiv wachsen.

Projektleiter setzten auf interdisziplinäre Kooperationen

Den Tumorstoffwechsel untersuchen die Wissenschaftler bei den Mäusen mit modernen diagnostischen Methoden. Sie nutzen dafür den Kleintier-Kernspintomographen am Würzburger Lehrstuhl für Experimentelle Physik V und die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) am Interdisziplinären PET-Zentrum des Universitätsklinikums. Am Institut für Physiologie der Universität Mainz schließlich werden die Tumoren weiter stoffwechselphysiologisch untersucht.

Von diesen komplexen Untersuchungen erwarten die Projektleiter eine Antwort darauf zu finden, wie eine ketogene Diät das Tumorwachstum verzögert.



Kontakt
Prof. Dr. Christoph Otto
Otto_C@chirurgie.uni-wuerzburg.de

Prof. Dr. Ulrike Kämmerer
u.kaemmerer@mail.uni-wuerzburg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution99

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Gunnar Bartsch, 23.11.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2010